Beitrag von Denis Naumov
Was klingt wie eine Schlagzeile aus Zeiten des deutschen Faschismus, ist ein aktuelles Ereignis, welches sich in zahllose Beispiele von Repressionen gegen die Palästinasolidarität einreiht. Unter dem Vorwand eines ausgehöhlten Antisemitismusbegriffs wird in der Bundesrepublik seit Jahren zunehmend auf Aktivisten und Organisationen Jagd gemacht, die sich gegen den reaktionären Apartheidstaat Israel und seinen Siedlerkolonialismus aussprechen. Die Spannung zwischen den bürgerlichen Institutionen und der Palästinasolidarität nimmt immer weiter zu und hierbei trifft der Pfeil auch zunehmend Menschen jüdischer Herkunft und das sowohl in Israel als auch in der Bundesrepublik. Um das Thema macht der bürgerliche Staat allerdings einen Bogen, indem er den Antisemitismusbegriff für seine Repressionen instrumentalisiert und zu einer haltlosen Phrase aushöhlt.
Das politisch motivierte Einfrieren des Vereinskontos
Einhergehend mit einer Sperrung des Vereinskontos der palästina-solidarischen und anti-zionistischen Organisation »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« verlangte die Berliner Sparkasse am Dienstag, dass die Jüdische Stimme ihre Mitgliederliste und weitere Vereinsunterlagen offenlegen solle. Diese vorläufige Sperrung diene hierbei der vermeintlichen Aktualisierung von Kundendaten. Hierbei wirft vor allem das Fehlen jeglicher Vorankündigung und die Forderung nach der Mitgliederliste mit Namen und Anschriften Fragen auf. Nicht nur weil dies unüblich ist, sondern auch da es jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt.
Der Zeitpunkt der Kontosperrung hat darüber hinaus einen faden Beigeschmack, da die Jüdische Stimme ihr Konto dem in Berlin stattfindenden »Palästina-Kongress« zur Verfügung gestellt hat, der nun mehrfach von Verbotsforderungen betroffen war. Gegen den Palästina-Kongress wurde in den vergangenen Tagen mehrfach gehetzt, dieser als “Hassgipfel von Antisemiten” porträtiert und auch bereits ein Verbot der Veranstaltung geprüft. Des Weiteren hätten auch schon die Sicherheitsbehörden den Kongress im Blick. So ist es auch nicht weit hergeholt, dass die staatlichen Institutionen auch ein Auge auf die Jüdische Stimme geworfen haben.
In der Vergangenheit war die Jüdische Stimme bereits immer wieder von staatlichen Repressionen betroffen, indem Demonstrationen untersagt und Mitglieder der Jüdischen Stimme von der Polizei verhaften wurden. Sie wurde mehrfach von deutschen Medien denunziert und es ist auch nicht das erste Mal, dass ein Konto der Jüdischen Stimme betroffen war – im Jahre 2019 wurde bereits ihr damaliges Konto bei der “Bank für Sozialwirtschaft” geschlossen, da sie die BDS-Bewegung1 (Boycott, Divestment, Sanctions) unterstützte.
Grundlage für das Vorgehen des bürgerlichen Staates gegen die Palästina Solidarität stellt hier vor allem ein entstellter Antisemitismusbegriff dar und die Bekenntnis zum Existenzrechts Israels.
Antisemitismusvorwürfe als Werkzeug des Kapitals
Sei es in der deutschen Medienlandschaft oder im bürgerlichen Parlament und der Regierung: Es ist seit jeher gängige Praxis Antizionismus mit einem vermeintlichen Antisemitismus gleichzusetzen. Hierbei wird jegliche Kritik an dem israelischen Apartheidstaat antisemitisch abgestempelt. Das konnte man bereits vor 2 Jahren beobachten als die bürgerliche NGO Amnesty International ihren Bericht zur Apartheid in Israel veröffentlichte. Die bürgerliche Presse konstruierte daraus ein Antisemitismus-Problem bei Amnesty, genannt seien hier vor allem die Frankfurter Allgemeine, als auch die linksliberale taz. Auch vor einem Monat über einen Antisemitismus-Eklat auf bei der Berlinale, auf der sich der israelisch-jüdische Regisseur Yuval Abraham und sein palästinensischer Partner Basel Adra gegen die Apartheid Israels und für einen Waffenstillstand ausgesprochen hatten. Infolge der Aussagen der bürgerlichen Presse und Politiker erhielt der jüdische Regisseur mittlerweile auch Morddrohungen. Dies ist auch wieder ein Beispiel wie vermeintlicher “Antisemitismus” dazu genutzt wird um jüdische Stimmen und gerechtfertigte Kritik am israelischen Staat zu delegitimieren.
Unter der Fahne eines vermeintlichen Kampfes gegen “Antisemitismus” wird von der herrschenden Politik also offen Stimmungsmache gegen jüdische Gruppen und Personen vorangetrieben. Doch wieso eigentlich? Warum wird innerhalb des deutschen Diskurses immer wieder Antizionismus und Antisemitismus in einen Topf geworfen? Wissen es der bürgerliche Staat und seine Politik einfach nicht besser? Wohl kaum, schließlich ist die herrschende Klasse in Deutschland ein enger Verbündeter des israelischen Kapitals und ist auch an dem Krieg in Gaza ein direkter Beteiligter und Profiteur zugleich.
Die wirtschaftlich-militärische Kooperation des deutschen und israelischen Staates hat bereits eine lange Geschichte, doch haben diese seit dem 7. Oktober einen neuen Höhepunkt erreicht. Die deutschen Rüstungsexporte nach Israel haben sich seit der großen Bodenoffensive Israels in Gaza fast verzehnfacht. Während der Betrag der Rüstungsexporte vorher noch bei 32 Millionen Euro lag, ist dieser seither auf 303 Millionen Euro angewachsen. Der größte Teil dieser Exporte wurde dabei seit dem 7. Oktober genehmigt.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass das deutsche Kapital versucht, seine Interessen in Israel auch im Inland gegen unliebsame Kritik und Protest zu verteidigen. Hierzu dienen ihm sowohl die staatlichen Institutionen als auch die private Presse. Und hier kommt es dem deutschen Kapital auch gelegen, die “deutsche Verantwortung” für seine Zwecke zu instrumentalisieren, und somit die Erfahrungen aus dem deutschen Faschismus im Sinne wirtschaftlicher und politischer Interessen der herrschenden Klasse zu missbrauchen.
1 Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) ist eine gewaltfreie Bewegung, die Boykotte, Desinvestitionen und Wirtschaftssanktionen gegen Israel befürwortet. Ihr Ziel ist es, Israel unter Druck zu setzen, damit diese den Forderungen des BDS nachkommen. Israel müsse die „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ beenden, das „Grundrecht seiner arabisch-palästinensischen Bürger auf volle Gleichheit“ anerkennen und „das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum gemäß UN-Resolution 194 schützen und fördern.“