Karlspreis 2025: Preis fürs Wettrüsten

Von Rudy Vermelho

Wieder einmal wird in Aachen der sogenannte Karlspreis verliehen – und wieder einmal zeigt das Direktorium der Karlspreisgesellschaft mit der öffentlichkeitswirksamen Selbstbeweihräucherung der deutschen Bourgeoisie und ihrer Verbündeten eindrücklich, wessen Geistes Kind es ist. Ausgezeichnet wird ausgerechnet die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. Und das explizit für ihre Verdienste in der Kriegsführung und Aufrüstung der EU.

Der Internationale Karlspreis zu Aachen, gestiftet im Jahr 1950, verkörpert von Anfang an die ideologische Verzahnung von politischer Repräsentation und kapitalistischen Machtinteressen in Europa. In jenen unmittelbaren Nachkriegsjahren sollte der Preis unter Verweis auf Karl den Großen, dem „Vater Europas“, das Narrativ einer geeinten, freiheitlichen Gemeinschaft suggerieren, während faktisch die Wiederinstandsetzung westdeutscher Monopolinteressen und die Einbindung in transatlantische Machtblöcke vorangetrieben wurden. Hinter der formalen Verleihung durch die Stadt Aachen steht eine Stifterversammlung, zusammengesetzt aus Spitzenvertretern von Politik, Wirtschaft und Kultur, deren Entscheidungen nie losgelöst von imperialistischen Herrschaftsinteressen und militärischen Bündnisstrategien getroffen werden.

Vom „Vater Europas“ zur Strategin der EU-Aufrüstungspolitik

Die Geschichte der Preisträger illustriert eindrücklich, wie im Gewand der europäischen Verständigung regelmäßig jene Persönlichkeiten geehrt wurden, deren Politik imperialistische Kriegsvorbereitung, Kolonialinteressen oder arbeiterfeindliche Umstrukturierungen vorangetrieben hat. Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik und Preisträger von 1954, steht exemplarisch für eine Politik, die konsequent im Interesse des Kapitals agiert: Unter seiner Leitung wurde die Wiederbewaffnung Westdeutschlands und die Konfrontation mit der DDR vorangetrieben und die Bundesrepublik fest in den westlichen Militärbund NATO integriert, während im Inneren gleichzeitig Kommunisten verfolgt und die KPD verboten wurden. Winston Churchill, 1955 ausgezeichnet, rühmte sich in offiziellen Laudationes als „Retter Europas“, während er einer der Hauptträger der Niederschlagung antikolonialer Bewegungen und der Konfrontationspolitik gegenüber der Sowjetunion war. Henry Kissinger, Karlspreisträger 1987, intensivierte die atomare Aufrüstung, befahl die Ermordung hunderttausender Kambodschaner durch Flächenbombardements und förderte Interventionen in Mittelamerika, wie den faschistischen Putsch in Chile, um zahlreiche unliebsame Bewegungen brutal niederzuschlagen. Tony Blair, geehrt 1999 für sein „entschlossenes Handeln in der Kosovo-Krise“, war nicht nur verantwortlich für die NATO-Bombardierung Jugoslawiens, für die er zynischerweise ausgezeichnet wurde, sondern führte Großbritannien zwei bzw. vier Jahre später in die verbrecherischen Kriege in Afghanistan und Irak, die schließlich über eine Millionen Toten zu verbuchen hatten. Wolodymyr Selenskyj, 2023 mitten im wütenden Krieg mit Russland für die Verteidigung der „europäischen Werte“ ausgezeichnet, beweist unverhohlen, welche diese „Werte“ sind: Verbot und Verfolgung sämtlicher oppositionellen politischen Kräfte und Medien, antikommunistische Hetzkampagnen und Geschichtsrevisionismus, Weiterführung des Krieges um jeden Preis und Ausverkauf des Landes an die Höchstbietenden.

Diese exemplarische Preisträgerliste zeigt: Der Karlspreis fungiert immer wieder als Instrument, um jene Akteure zu rehabilitieren, die unter dem Deckmantel „europäischer Werte“ imperialistische Kriege und Expansion, ökonomischen Zwang und soziale Verelendungsmaßnahmen durchsetzen. Jede Auszeichnung stützt die Legitimationsstrategien der herrschenden Klasse, soll zur ideologischen Konsolidierung beitragen und die Deutungshoheit über Kriege sowie die wirtschaftliche und soziale Ordnung als alternativlos festigen.

In diesem Jahr, in dem das Direktorium Ursula von der Leyen mit dem Karlspreis ehrt, offenbart sich dieses Muster erneut in seiner drastischen Zuspitzung: Gewürdigt wird sie ausdrücklich unter anderem für die „Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland“, womit sie als Kriegstreiberin der ersten Stunde mit außerordentlichem Durchhaltevermögen im Angesicht des teilweise bröckelnden Bündnisses und zugleich als Architektin und Treiberin des größten Aufrüstungsprojekts in der Geschichte der Europäischen Union ausgezeichnet wird. Unter ihrer Führung soll die EU zu einem militärpolitischen Akteur erster Potenz werden, der seine Außengrenzen nicht nur gegen Flüchtende abzuschotten, sondern seine imperialistischen Interessen auch gegen potenzielle geostrategische Konkurrenten militärisch durchzusetzen sucht. Die Auszeichnung bestätigt die Strategie, die sich im 800 Milliarden schweren Rüstungsprogramm und einem ungebrochenen Ausbau militärischer Infrastruktur manifestiert: Sie ist Preis und Bestätigung zugleich für eine Politik, die sich nicht auf diplomatische Konfliktlösung stützt, sondern auf Aufrüstung und Eskalation, um die Einflusssphären der Bundesrepublik und ihrer Verbündeten zu sichern.

Krieg, Repression, Aufrüstung: Warum die EU kein Projekt des Friedens sein kann

Es dürfte klar sein, für wen dieser Preis verliehen wird: Nicht für ein „Europa“ als solidarische Gemeinschaft der Völker, wie uns so häufig verkauft werden soll, sondern für einen Klub von Vertretern mächtiger Staats- und Konzerninteressen, die in Aachen symbolisch ihre Einigkeit demonstrieren. Die Stadt Aachen nutzt die Verleihung an bekannte Gesichter als Öffentlichkeitsarbeit, während die eigentlichen Profiteure der Aufrüstung unsichtbar bleiben. Die Bühne des Aachener Rathaussaals dient dazu, die Imperative des Kapitals und der Rüstungsindustrie als vermeintlich unentbehrliche Garanten von Sicherheit zu inszenieren.

Die Verflechtung dieser Preisvergabe mit dem kapitalistischen Klassencharakter der EU muss offengelegt werden: Die Stifterversammlung repräsentiert eine aggressive und auf – wenn nötig militärische – Konfrontation ausgerichtete Bourgeoisie, die in Ursula von der Leyen eine Exponentin gefunden hat, um ihre Interessen im globalen imperialistischen Wettstreit zu sichern. Die Preisverleihung entlarvt sich so als ideologischer Akt, der Kriegsführung und -vorbereitung, Repression und Sozialabbau unter dem Deckmantel „europäischer Einigung“ legitimiert.

Ein friedliches Europa kann nicht durch imperialistische Projekte wie die EU geschaffen werden. Die EU ist ein zunehmend militärisch abgesicherter Wirtschaftsraum mit dem primären Zweck der freien Zirkulation der Kapitalströme und der Sicherung der Konkurrenzfähigkeit des Kapitals nach außen, während Menschenrechte jenseits der Grenzen de facto ausgesetzt sind. Sie ist damit ein kapitalistisches Werkzeug in den Händen der Monopolbourgeoisie. Als Solches ist die EU auch nicht für unsere Interessen und zum Werkzeug für Frieden reformierbar und alle Versuche in diese Richtung sind bereits gescheitert oder werden scheitern. Nur ein sozialistisches Europa kann den Interessen der Völker Europas und dem dauerhaften Frieden dienen.

Wir müssen immer wieder gegen die EU, gegen ihre Kriegspläne und gegen ihre Institutionen, wie den Karlspreis, auf die Straße gehen. Wir müssen unmissverständlich zeigen, dass die Einigkeit der Herrschenden in Kriegs- und Aufrüstungsvorhaben genau da aufhört, wo die Grenzen zwischen der ihrer Klasse und unserer verlaufen. Die Kriege der von der Leyens, Selenskyjs, Blairs und Kissingers sind nicht unsere Kriege. Die Arbeiterklasse muss die tatsächlichen Machtverhältnisse hinter solchen symbolischen Akten entlarven und eine internationale, klassenbewusste Perspektive entwickeln, die auf die Überwindung imperialistischer Blocklogik und kapitalistischer Ausbeutung abzielt. Nur so lässt sich der Mythos von der „alternativlosen europäischen Einigung“ durchbrechen und ein Europa der Solidarität, des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit jenseits von EU, Aufrüstung und sozialer Verelendung erkämpfen.

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Demo

Keine Ehrung für Kriegstreiberei!

Auf die Straße gegen die Vergabe des Karlspreises an Ursula von der Leyen!


Do, 29.05.2025, 12.00 Uhr
Aachen HBF

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