Ein Jahr Genozid, 100 Jahre koloniale Unterdrückung – doch Palästina lebt!

Stellungnahme des Zentralkomitees der KP vom 05.10.2024

Am 7. Oktober 2023 begann eine neue Phase in der jahrzehntelangen Geschichte von Widerstand und Besatzung, von Unterdrückung und Aufstand in Palästina. Plötzlich war Realität, was bis dahin unmöglich erschien: Verschiedene palästinensische Widerstandsfraktionen überwanden die hochgerüstete Sperranlage Gazas und griffen die israelische Siedlerkolonie auf ihrem Kernland an. Sie brachen den Schein der Normalität auf und rückten die Existenz des Widerstandes schlagartig in das israelische Bewusstsein. Was folgte ist schwärzeste Reaktion und blutige Vergeltung.

Völkermord und Existenzrecht – Wie funktioniert die Vernichtungslogik des Zionismus?

Die Welt nach dem 7. Oktober 2023 ist eine andere als davor. Doch der siebte Oktober lässt sich nicht als Einzelereignis begreifen. Er muss eingeordnet werden in eine über hundert Jahre andauernde Geschichte der kolonialen Unterwerfung Palästinas und den Widerstand dagegen. Die brutale Gewalt der Kolonialmacht, die wir täglich in Gaza sehen, ist die Fortsetzung der Nakba von 1948, der Naksa von 1967, der Blockade von 2007. Der Völkermord ist die logische Konsequenz der menschenverachtenden Lüge des Zionismus, dass es Sicherheit für jüdische Menschen nur dann geben könne, wenn die Palästinenser durch Gewalt soweit vertrieben oder vernichtet wurden, dass maximal eine kleine Minderheit überlebt hat. Als ethnonationalistische siedlerkoloniale Bewegung steht für den Zionismus nicht die Ausbeutung palästinensischer Arbeitskraft im Zentrum, sondern die Aneignung des Landes ohne sie. Das heißt nicht, dass es in Palästina keine Ausbeutung durch israelische Unternehmen gibt. Tatsächlich findet diese Ausbeutung unter verschärften Bedingungen statt. Aber sie ist eine Zwischenerscheinung bis Annexion des Landes und weitgehende Vertreibung der Bevölkerung vollendet wurden. In der rassistischen Logik des Zionismus verkörpert Gaza eine Bedrohung. Nicht so sehr militärisch, als vielmehr demographisch. Denn in diesem – trotz allem – lebendigen, widerspenstigen Gaza lebten 2,3 Millionen Palästinenser. Und das sind aus zionistischer Sicht 2,3 Millionen Palästinenser zu viel. Von einem Existenzrecht eines siedlerkolonialen Staates zu sprechen, bedeutet, eine Blut-und-Boden-Ideologie zu verteidigen. Es bedeutet, ein Recht auf Völkermord und Vertreibung einzufordern. In der Siedlerkolonie kommt – in den Beispielen, die wir aus der Geschichte kennen – irgendwann eine bürgerliche Demokratie. Aber erst kommt der Genozid.

Der Völkermord droht nicht – er findet bereits statt

In Gaza droht kein Völkermord – er findet in diesem Moment bereits statt. Und das seit mindestens 365 Tagen.  Die Zahl der registrierten Toten steigt täglich, sie liegt mittlerweile bei über 41 000 Menschen. Schätzungen gehen davon aus, dass die tatsächlichen Todeszahlen bei über 186 000 liegen – fast 8 % der Bevölkerung. Israel hat in den letzten Monaten mehr Kinder umgebracht als in allen bewaffneten Konflikten weltweit über die letzten 4 Jahre getötet wurden. 90% der Bevölkerung Gazas wurde vertrieben und hunderttausende leiden an lebensbedrohlichem Hunger. Mehr als 9000 Palästinenser sind heute in den Foltergefängnissen der Besatzung eingesperrt, viele von ihnen ohne Anklage. Diejenigen, die aus den Gefängnissen kommen sind abgemagert, traumatisiert, immer wieder unfähig zu sprechen. Heute gelten für 86% des Gazastreifens, inklusive des gesamten nördlichen Gebietes, militärische “Evakuierungsanordnungen”. Die Taktik der Kolonialmacht ist klar: Eine Konzentration der ohnehin schon dicht gedrängt lebenden Menschen im Süden, um sich so den nördlichen Gazastreifen einzuverleiben. Im Angesicht eines Unterdrückers, dessen Ziel es ist, palästinensisches Leben aus Palästina auszulöschen, ist zu Bleiben eine Form des Widerstands. Nicht umsonst ist “sumud”, also Standhaftigkeit oder Durchhaltevermögen, ein zentrales Motiv in palästinensischen Protestslogans.

Steine, Streiks und Intifada

Doch es ist nicht die einzige Form des Widerstandes. So lange es die zionistischen Versuche gab, sich das Land anzueignen und das palästinensische Volk zu vertreiben, so lange gab es Widerstand gegen das siedlerkoloniale Projekt. Von einem über sechs Monate aufrechtgehaltenen Streik im großen arabischen Aufstand 1936, über die Massenproteste und Boykottbewegung der 1. und 2. Intifada, spontane Widerstandsakte und organisierte Militäraktionen: Der Kampf des palästinensischen Volkes um ein Leben in Freiheit, Würde und Selbstbestimmung nimmt viele Formen an. Und obwohl die Kolonialmacht eine der hochgerüstetsten Armeen der Welt hat, über eine (sehr deutsche) Marine, Kampfflugzeuge, Panzer, Bomben und Atomwaffen verfügt und trotz der internationalen Unterstützung konnte sie den Widerstand nicht brechen. Die bewaffneten palästinensischen Einheiten schaffen weiter erfolgreiche Widerstandsoperationen durchzuführen und diese zu dokumentieren. Israelische Zeitungen berichten mittlerweile von einem massiven Mangel an Munition und Panzern und mindestens 10 000 israelische Soldaten wurden in Gaza verwundet oder getötet.

Grenzenlose Aggression

Diese Zahlen werden weiter steigen, denn Israel setzt auf Aggression in jeder Hinsicht. Die Gewalt beschränkt sich dabei nicht auf Gaza, auch im Westjordanland mordet die zionistische Armee täglich. Und auch über die Grenzen Palästinas hinaus bringt die Besatzungsmacht Zerstörung und Tod. Israelische Bomben morden im Libanon (im letzten Jahr hat Israel 1974 Menschen im Libanon getötet), im Jemen (6 Tote in der letzten Woche), in Syrien (3 Tote in der letzten Woche), sie verüben Anschläge im Iran und drohen, iranische Nuklearanlagen anzugreifen. Doch der Preis droht hoch zu werden: Die Hisbollah berichtet, bereits drei bis fünf angeblich “unzerstörbare” Merkava Panzer im Südlibanon ausgeschaltet zu haben und bei dem Versuch einer Bodeninvasion in den Libanon gerieten israelische Soldaten in einen Hinterhalt. Der “Iron Dome” war am 1. Oktober nicht in der Lage, zahlreiche Raketen aus dem Iran abzuschirmen, die massive Schäden verursachten. Während die israelische Besatzungsmacht auf Schulen, Flüchtlingstrecks, Essensausgaben und Krankenhäuser zielt, richtete sich dieser Schlag gezielt gegen kritische MiIlitärinfrastruktur und zerstörte unter anderem eine Luftwaffenbasis der Armee.

Ohne Strategie, ohne Perspektive, ohne Rückhalt –
die Siedlerkolonie schwankt

Der 7. Oktober ist auch deshalb eine Zäsur, weil mit dem Genozid in Gaza die längste Mobilmachung israelischer Streitkräfte einherging, die es in Israel je gab. Die Widersprüche der Siedlerkolonie treten immer sichtbarer hervor und reichen bis tief in die siedlerkoloniale Gesellschaft. Betroffen sind staatliche Strukturen, Wirtschaft und Produktion und nicht zuletzt der Kern des kolonialen Projekt selbst: Die Siedler. Die Zahl derer, die dem Land den Rücken kehren, hat sich seit dem 7. Oktober um 285 % erhöht. Gerade gut ausgebildete Menschen verlassen das Land in Massen. Durch den Militärdienst und die Evakuierung um Gaza und an der Grenze zum Libanon fallen tausende Arbeitskräfte, die Grundlage jeder Produktion, weg. Die Auslandsinvestitionen in Israels Hochtechnologie, ein Kernsektor der israelischen Wirtschaft, sind um mehr als 90% eingebrochen. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde mehrfach herabgestuft. Die Kolonialmacht gerät ins Schwanken. Und die Hoffnung auf ein Ende der kolonialen Unterdrückung, auf ein Ende von Apartheid und Genozid, wächst.

Organisiert gegen die deutsche Komplizenschaft!

Ohne Unterstützung aus dem Ausland könnte sich die Kolonie nicht halten. Einer der wichtigsten Kollaborateure im Genozid ist die BRD. Diese Unterstützung ist ideologisch, politisch, ökonomisch und militärisch. Deutschland war über die letzten 20 Jahre der zweitgrößte Exporteur von schweren Waffen an die israelische Besatzungsmacht. Deutschland fördert Forschung israelischer Rüstungsunternehmen, deutsche Universitäten machen sich durch Partnerschaften zu Zahnrädern im kolonialen Militärapparat. Doch jede Unterstützung der Besatzungsmacht ist zugleich ein potentieller Schwachpunkt – und damit ein Angriffspunkt für uns. Waffenproduktion kann bestreikt werden. Die Zusammenarbeit der DGB-Gewerkschaften mit der Kolonialinstitution „Histadrut“ kann beendet werden. Waffenlieferungen können blockiert werden. Die Austauschprogramme unserer Unis mit zionistischen Einrichtungen können gestoppt werden. Niederlassungen israelischer Waffenproduzenten können geschlossen werden. Ja, diese Ziele sind heute weit weg. Doch wenn wir es ernst meinen mit unserem Ruf nach Befreiung, dann müssen wir konkret hier ansetzen. Finden wir unsere Ziele. Wir können und werden Palästina nicht von hier aus befreien. Doch wir können und müssen dagegen aufstehen, dass die herrschende Klasse Deutschlands weiterhin Tag für Tag aktiv daran mitwirkt, unsere palästinensischen Klassengeschwister zu vertreiben und zu ermorden und die gesamte Region ins Verderben zu ziehen. Es ist der Ruf der internationalen Solidarität, der uns entgegen aller Hetze und Repression auf die Straße treibt.

Palästina wird leben!

Es lebe der Widerstand!

Mit Klassenkampf gegen den Genozid der Herrschenden!

Kampf der Besatzung heißt nieder mit dem Imperialismus!

Hoch die internationale Solidarität!

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