Zur Verbindung des ökonomischen mit dem politischen Klassenkampf

Beitrag zur Diskussion um den Leitantrag – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)

von Philipp Kissel

Warum diskutieren wir überhaupt über den Begriff des Klassenkampfs? Was soll daran so relevant sein? In unserem Leitantrag zur Arbeit in den Massen versuchen wir im ersten Abschnitt das politische Ziel und die Bedeutung der Massenarbeit zu bestimmen. Damit sind wir beim Klassenkampf des Proletariats. Was ist überhaupt sein Wesen und Ziel? Das müssen wir bestimmen, denn dafür wollen wir die Organisierung vorantreiben.

Lange Zeit gab es kaum eine Debatte über den Klassenkampf, seit einiger Zeit ist sie mit Beiträgen von Eribon und zur „neuen Klassenpolitik“ neu aufgekommen. Umso wichtiger, dass wir unser politisches Verständnis des Klassenkampfs schärfen.

Beim Klassenkampf handelt es sich um einen politisch umkämpften Begriff. Kampf der Klassen findet objektiv und in jeder Gesellschaftsformation, in der es Klassen gibt, statt. Was aber das Wesen und Ziel des Klassenkampfs des Proletariats ist, ist eine politische Streitfrage in der Arbeiterbewegung. Die Diskussion dreht sich um die Frage, was die marxistische Auffassung vom Klassenkampf ist. Und zwar nicht des Klassenkampfs allgemein, sondern des Proletariats, der sich von den Kämpfen anderer Klassen unterscheidet.

Genosse Thanasis und ich sind uns einig, dass das politische Ziel der Arbeiterklasse die Errichtung ihrer eigenen Macht ist und welche wichtige Rolle dabei die Kommunistische Partei spielt. Wir sind uns auch darin einig, dass eine Trennung von ökonomischen und politischen Kampf falsch ist. Darin besteht nicht unser Dissens, sondern wenn dann darin, ob die Bestimmung des Klassenkampfs, die Lenin vornimmt, richtig ist oder ob sie eine Verengung des Klassenkampf-Begriffs darstellt. Das soll der Gegenstand dieser Klärung sein. Wenn ich hier scharfe Kritik von Marx, Engels und Lenin an revisionistischen Auffassungen zitiere, beziehe ich sie explizit nicht auf die Aussagen von Genosse Thanasis, sondern führe sie an, um die Auseinandersetzungen besser verständlich zu machen.

Im zweiten Teil will ich konkreter auf die Frage der Gewerkschaften eingehen und warum wir eine starke Gewerkschaftsbewegung anstreben.

Lenin führt aus: „Nicht genug damit, dass der Klassenkampf nur dann echt, konsequent, entfaltet ist, wenn er den Bereich der Politik erfasst. Auch in der Politik kann man sich entweder auf unbedeutende Einzelfragen beschränken oder in die Tiefe gehen, bis auf den Grund. Der Marxismus erkennt den Klassenkampf erst dann als voll entfaltet, als ,gesamtnational‘ an, wenn er nicht nur die Politik, sondern in der Politik auch das Wesentlichste: die Frage der Staatsmacht, erfasst. Der Liberalismus dagegen wagt es schon nicht mehr, den Klassenkampf zu leugnen, wenn die Arbeiterbewegung etwas stärker geworden ist, sucht aber den Begriff des Klassenkampfes einzuengen, zu stutzen, zu kastrieren. Der Liberalismus ist bereit, den Klassenkampf auch auf dem Gebiet der Politik anzuerkennen, allerdings unter der Bedingung, dass die Frage der Staatsmacht nicht mit einbezogen wird.“ (Lenin, Werke Band 19, S. 105-106)

Ich glaube, dass diese Ausführungen Lenins über die marxistische Auffassung des Klassenkampfs sehr aktuell sind und dass auch heute in vielen Debatten zum Klassenkampf die Frage der Staatsmacht ausgeklammert wird.

Ich will versuchen nachzuvollziehen, warum Lenin diese klare und eindeutige Bestimmung des Begriffs des Klassenkampfs des Proletariats vornimmt und dazu einen Blick in die Geschichte der Arbeiterbewegung werfen. Dabei führe ich zentrale Aussagen aus Band 1 der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ (Dietz, Berlin, 1966) an, ohne sie hier separat zu kennzeichnen, um die Übersichtlichkeit zu erhalten.

Mit der Entstehung des Proletariats als Klasse begann auch sofort sein Kampf und es stellte sich den kämpfenden Arbeitern die Frage der politischen Organisierung und Zielsetzung. Zunächst nahmen die Arbeiter die Ideen des utopischen Sozialismus auf. Die fortgeschrittensten Arbeiter spürten sehr wohl, dass ihr bisheriges theoretisches Rüstzeug nicht ausreichte, aber sie waren nicht imstande selbst die Lösung zu finden, weil ihnen der Zugang zur Wissenschaft verwehrt blieb. Der Aufschwung des Klassenkampfs machte die Entstehung des wissenschaftlichen Kommunismus zu einer historischen Notwendigkeit. Marx, Engels und andere erreichten mit ihrem Kampf und ihrer Arbeit die Vereinigung der Arbeiterbewegung mit dem wissenschaftlichen Kommunismus.

Man kann sagen, dass die Kommunisten und die Kommunistische Partei eine notwendige und untrennbare Entwicklung des Kampfs der Arbeiterklasse sind. Man könnte auch sagen, dass die Kämpfe der Klasse immer wieder die politische Frage und vor allem die Frage der Macht und des Staates aufwerfen und die Frage der Organisierung, sodass immer wieder Kommunisten entstehen müssten, falls sie vom Erdboden verschluckt worden sein sollten – was sie zum Glück nicht sind. Das heißt nicht, dass wir einfach abwarten könnten, da ja aus den Kämpfen, wenn sie heftiger werden, schon genug fortgeschrittene Arbeiter kommen werden, die die Kommunistische Partei stellen werden. Das ist im Leitantrag beschrieben: „Ohne die bewusste, politische Kraft gibt es keine Organisationen, mit denen die Arbeiter ihren Kampf entfalten können. Wir stehen in einem fortgeschrittenen Stadium der Arbeiterbewegung, nicht am Anfang wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts als die Arbeiterklasse sich zunächst emanzipieren musste und sich als Klasse und Bewegung herausbildete.“ (Zeilen 1029-1033).

Marx und Engels wiesen ständig auf die Notwendigkeit hin, den politischen mit dem ökonomischen Kampf zu verbinden. Diese Verbindung war für die Vorbereitung einer revolutionären proletarischen Partei unbedingt notwendig. Sie arbeiteten im „Manifest der Kommunistischen Partei“ und in der Schrift „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850“ heraus, dass die Arbeiterklasse im Rahmen der bürgerlichen Republik nicht ihre Ausbeutung beseitigen kann. Dieses Ziel setzt voraus: „Sturz der Bourgeoisie! Diktatur der Arbeiterklasse!“

Mit dem „Kapital“ gaben Marx und Engels der Vorhut der Arbeiterklasse eine entscheidende Waffe in die Hand, eine feste theoretische Grundlage für ihr Wirken, die es ihr ermöglicht, eine von der Analyse der objektiven Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung ausgehende Politik zu entwickeln, den ökonomischen mit dem politischen Kampf und den Kampf um Teilaufgaben mit dem Kampf um das Endziel zu verbinden.

Auch beim Aufbau von Gewerkschaften spiegelte sich dieser Kampf wider. Während Lassalle sie dem bismarckschen Staat unterordnen wollte, strebten die Marxisten die Gewerkschaften als organisierende Kraft zur Beseitigung des Systems der Lohnarbeit selbst, als organisierende Zentren der Arbeiterklasse im Interesse ihrer vollständigen Emanzipation an. Dazu mussten sie selbständige und demokratische Organisationen sein, um möglichst viele Arbeiter unabhängig von ihrer politischen Überzeugung zu organisieren und zu aktivieren.

Die Lehre vom Ziel des Klassenkampfs des Proletariats entwickelten Marx und Engels mit der Auswertung der Erfahrungen der Pariser Kommune von 1871 weiter, als die Arbeiterklasse zum ersten Mal ihre eigene Herrschaft errichtet hatte. Die Opportunisten versuchten stets die Lehre der Pariser Kommune kleinzureden, während die Marxisten die Lehre weiter entwickelten und sie in der Oktoberrevolution verwirklichten, die wiederum in der späteren Entwicklung zum Prüfstein der Arbeiterbewegung wurde.

Die Angriffe auf den Kern der Marxschen Lehre nehmen je nach Entwicklungsstadium der Arbeiterbewegung verschiedene Formen an. Lassalle erkannte niemals die welthistorische Mission des Proletariats an, im revolutionären Klassenkampf und mittels der Errichtung seiner politischen Macht eine neue, sozialistische Gesellschaftsordnung zu schaffen, sondern weckte die verderbliche Illusion, es sei möglich, ohne revolutionären Klassenkampf und ohne Diktatur des Proletariats, mit Hilfe des bestehenden Staates in den Sozialismus friedlich hineinzuwachsen.

Bernstein und andere pflichteten zwar formell der Eroberung der Macht durch das Proletariat bei, verschoben sie aber in unerreichbare Ferne und propagierten das „friedliche Hineinwachsen“ in den Sozialismus, bestritten also die Notwendigkeit der Errichtung der eigenen Macht der Arbeiterklasse. Die Auseinandersetzung mit dem Revisionismus durch Bernstein und anderen drehte sich ebenfalls um die Frage der Macht und des Staates. Rosa Luxemburg stellte fest, dass damit die Sozialreform von einem Mittel des Klassenkampfs zu seinem Zweck gemacht wird. Als die Kämpfe der Arbeiterklasse das Mittel des Massenstreiks hervorbrachten, versuchten die opportunistischen Gewerkschaftsführer es durch Bedingungen und Klauseln zu verunmöglichen. Sie wollten die Partei den Gewerkschaften unterordnen und diese nur für die „Führung von wirtschaftlichen Kämpfen“ zu nutzen.

Beim Eintritt des Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium nahmen die Auseinandersetzungen mit dem Opportunismus zu. Mit der Oktoberrevolution begann eine neue Etappe der höher entwickelten Arbeiterbewegung. Sie hatte nicht nur den Zarismus und die Kapitalisten gestürzt, sondern auch ihren eigenen Staat errichtet und ihn erfolgreich aufgebaut. Die opportunistischen Versuche, den politischen Kampf des Proletariats zu hemmen und zu stutzen, mussten neue Formen annehmen, um die Arbeiter von der Ergreifung der Macht abzuhalten. Dazu übernahmen sie zum Teil auch den Begriff der „Diktatur des Proletariats“, um ihn zu entkernen oder in weite Ferne zu rücken.

Lenin schreibt in seiner Auseinandersetzung mit Karl Kautsky, dass in der Diktatur des Proletariats „das Wesen der Marxschen Lehre besteht.“ (Lenin, Werke Band 28, S. 231) Seine Ausführungen fassen die Auseinandersetzungen zum Klassenkampf zusammen: „Wer nur den Klassenkampf anerkennt, ist noch kein Marxist, er kann noch in den Grenzen bürgerlichen Denkens und bürgerlicher Politik geblieben sein. Den Marxismus auf die Lehre vom Klassenkampf beschränken heißt den Marxismus stutzen, ihn entstellen, ihn auf das reduzieren, was für die Bourgeoisie annehmbar ist. Ein Marxist ist nur, wer die Anerkennung des Klassenkampfes auf die Anerkennung der Diktatur des Proletariats erstreckt. Hierin besteht der tiefste Unterschied des Marxisten vom durchschnittlichen Klein- (und auch Groß-)Bourgeois. Das muß der Prüfstein für das wirkliche Verstehen und Anerkennen des Marxismus sein.“ (Lenin, Werke Band 25, S. 424)

Es ist also keine Verengung des Begriffs des Klassenkampfs, wenn er wie hier von Lenin verstanden wird, sondern anders herum versucht die bürgerliche Klasse durch welche politischen Strömungen auch immer, den Klassenkampf des Proletariats zu begrenzen. Man könnte auch zusammenfassen: Das Besondere des Kampfs der Arbeiterklasse ist die Diktatur des Proletariats, zu der er gesetzmäßig führt, was nicht heißt automatisch oder von alleine. Das hat der Kampf der Klasse selbst gezeigt und es ist Resultat der Widersprüche der Produktionsverhältnisse – es ist die Form, mit der der Kapitalismus beendet wird und die nächste höhere Stufe der Produktivkräfte ermöglicht wird.

Die Gewerkschaften und die Verbindung des ökonomischen mit dem politischen Kampf

Ich will hier kurz auf ein Beispiel der jüngeren Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung eingehen, das unterstreicht, wie notwendig eine politische Kraft ist, die das Ziel der Arbeiterklasse nicht nur kennt, sondern auch organisatorisch umsetzen kann.

Die mit den Hartz-Gesetzen eingeleitete Umstrukturierung des Arbeitsmarkts und Sozialstaats war nicht nur eine große Niederlage der Arbeiterbewegung, sie ermöglichte dem deutschen Imperialismus den Ausbau seiner Dominanz in Europa. Die rot-grüne Bundesregierung entwarf die Gesetze in Zusammenarbeit mit den Führungen der Gewerkschaften, die in der Kommission vertreten waren und dem Vorhaben zustimmten.

Diesem Verrat an der Arbeiterklasse standen der Protest großer Teile der Basis und der mittleren Gliederungen der Gewerkschaften gegenüber. Über Monate demonstrierten zehntausende Beschäftigte und Erwerbslose, Organisierte und Unorganisierte gemeinsam gegen die Gesetzesvorhaben. Am 1. November 2003 demonstrierten allein in Berlin 100.000 Menschen. Die Mobilisierung ging zu nicht geringen Teilen von Gewerkschaftsgliederungen aus. Die DGB-Landesvorsitzenden sprachen sich gegen ein zentrales Vorhaben der „Reform“, der Einführung des ALG II, aus. Die Führung der Gewerkschaften beendete die Unterstützung der Proteste im Sommer 2004, um die SPD-Grünen-Regierung nicht zu gefährden. „Wir sind schließlich Demokraten“, erklärte DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer. Der DGB akzeptiere den parlamentarischen Entscheidungsprozess. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer schrieb einen „Friedensbrief“ an den SPD-Kanzler Schröder, weil die „Gewerkschaften derzeit keine politische Alternative mehr haben“, müssten sie eben mitarbeiten.

Dieser politische Kampf der Arbeiterklasse scheiterte, weil es keine Kraft gab, die systematisch die Frage der Macht und des Staates damit verknüpfen konnte und in den Massen wirken konnte. Es zeigte sich der politische Charakter der Gewerkschaften und ihr Potential zur Mobilisierung. Sie hätten nur mit einer politischen Kraft zu Zentren des Widerstands weiter ausgebaut werden können.

Die Gewerkschaften in Deutschland, wie sie heute existieren, sind sowohl Ergebnis des Kampfs der revolutionären Arbeiterbewegung als auch des Versuchs des kapitalistischen Staats, sie zu integrieren und politisch unschädlich zu machen.

Unumstritten ist unter uns die Frage, ob wir in den DGB-Gewerkschaften wirken, arbeiten und kämpfen sollen. Alles andere wäre nicht nur unrealistisch, sondern würde uns von den in den Gewerkschaften organisierten Massen isolieren. Die Frage, die uns beschäftigt ist, ob die bestehenden Gewerkschaften zu klassenkämpferischen entwickelt werden können und wie mit der Reaktion der Sozialdemokratie umzugehen ist. Genossin Klara Bina hat schon den wichtigen Punkt gemacht, dass wir zunächst mit systematischer und entschlossener Arbeit beginnen (oder sie fortsetzen) müssen und jetzt noch nicht die Antworten auf spätere Entwicklungen geben können, auch wenn wir die historischen Erfahrungen genau auswerten müssen.

An dieser Stelle will ich nur kurz darauf verweisen, dass die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung stets von opportunistischen Kräften ausging. Als nach der Oktoberrevolution der revolutionäre Aufschwung auch die Gewerkschaften in den westlichen Ländern ergriff, reagierten die opportunistischen Gewerkschaftsführer mit massenhaften Ausschlüssen der revolutionären Arbeiter. Die Rote Gewerkschaftsinternationale war zur Koordinierung des Kampfs in den Gewerkschaften gegründet worden. Gegen die linksradikale Losung der Zerstörung der alten Verbände orientierte sie auf die Gewinnung der Mehrheit der Arbeiter in den bestehenden Gewerkschaften. Diese Orientierung ist auch für uns heute richtig. Wie der Kampf sich entwickeln wird und wann und wie eine Fraktion innerhalb der Gewerkschaften nötig und möglich wird, werden wir konkret prüfen müssen. Deshalb wäre es auch falsch, die Gewerkschaftspolitik der KPD einfach abzutun, wie es in manchen Diskussionen getan wird. Auch hier müssen wir die Bedingungen, die Probleme und die politischen Antworten verstehen. Es sei hier nur auf die spannenden und lehrreichen Reden und Aufsätze von Fritz Heckert zur revolutionären Gewerkschaftspolitik verwiesen (Verlag Tribüne, 1974).

Unser Problem besteht in dem Mangel der Organisation der Kommunisten. Dieser drückt sich in der geringen Kraft in den Gewerkschaften aus, aber er würde sich ebenso in jedem anderen Gewerkschaftsansatz ausdrücken, der nicht mehr als bloße Proklamation wäre. Ich will an dieser Stelle nur ein Beispiel nennen, warum unsere Aufgabe, die Verbindung des ökonomischen mit dem politischen Kampf nur mit aktiver Arbeit in den Betrieben und Gewerkschaften und einer starken, systematisch aufgestellten politischen Organisation möglich ist.

Ich will hier einige Beispiele anreißen, warum wir den ökonomischen mit dem politischen Kampf verbinden müssen und dabei die Gewerkschaften eine wichtige Rolle spielen. Die Produktivkraftentwicklung der letzten Jahrzehnte fand zu einem nicht geringen Teil durch Arbeitsverdichtung und -intensivierung statt. Verdichtung der Arbeit, Stress und Druck auf der einen Seite, Teilzeit und geringfügige Beschäftigung auf der anderen Seite.

Die Frage der Arbeitszeit ist für immer größere Teile der Arbeiterklasse zentral und die Unzufriedenheit steigt. Die Befragung der IG Metall vor der Tarifrunde 2018 war zwar so konstruiert, dass die Forderung nach einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gar nicht genannt werden konnte. Dennoch spiegelte sie den Druck der Belegschaften in dieser Frage wider. Die „Lösung“, die im Tarifabschluss der IG Metall 2018 ebenso wie bereits vorher bei der EVG gefunden wurde, ist dagegen keineswegs im Sinne der Arbeiterklasse. Die Wahlmöglichkeit zwischen mehr Urlaub oder mehr Lohn führt zur weiteren Spaltung der Belegschaft und verlagert gesellschaftliche Aufgaben, wie die Pflege von Kindern oder Alten auf die individuelle Ebene. Sie erlaubt es den Arbeitgebern außerdem die Arbeitszeit auszudehnen. Hier sei nur kurz auf eine interessante Auseinandersetzung zu diesen Abschlüssen in der „Unsere Zeit“ verwiesen, in der Anne Rieger eine wichtige Kritik daran übte. (https://unsere-zeit.de/de/Dossierseiten/6/6844/Geld-oder-Freizeit.htm)

Mir geht es an dieser Stelle nur darum, aufzuzeigen, dass der politische Kampf der Arbeiterklasse für die Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich ein wichtiger Schritt wäre, um verschiedene Teile der Klasse zusammen zu führen und um einen Fortschritt im Bewußtsein zu erzielen über die Frage der Eigentums- und Machtverhältnisse. Das geht aber nur, wenn wir konkret aufzeigen können, warum wir zwar für diese Teilforderung kämpfen, die Frage der Arbeitszeit in diesem Staat dauerhaft aber nicht lösbar ist, sondern Unternehmen und Staat immer versuchen werden, die Arbeitszeit auszudehnen und den Arbeitsdruck zu erhöhen. Es wäre notwendigerweise auch ein Kampf gegen Vertreter des Kapitalinteresses in der Gewerkschaftsbewegung.

Diesen Kampf können wir aber nur führen, wenn wir in den Betrieben und in den Gewerkschaften aktiv an der Seite der Kollegen sind und in Diskussionen einen Weg aufzeigen können. Deshalb ist zum Beispiel jede Arbeitszeitbemessung im Betrieb – also eine vermeintlich kleine ökonomische Frage – für uns von Bedeutung, um daran anknüpfen zu können.

Die Verbindung des ökonomischen mit dem politischen Kampf gilt nicht nur für die Gewerkschaftsfrage, sondern für alle Bereiche des Lebens der Arbeiterklasse. Ähnliches gilt für die Wohnungsfrage, wo wir konkrete Kämpfe gegen schlechte Wohnungen und hohe Mieten organisieren müssen und zugleich aufzeigen müssen, warum sie im Kapitalismus nicht lösbar ist. Und auch die Frage der Armut müssen wir ähnlich angehen, also den konkreten Kampf gegen Niedriglohn, Leiharbeit und Jobcenter durch gegenseitige Hilfe und durch die Ausdehnung der Gewerkschaften im Niedriglohnsektor organisieren. Wir müssen erklären, warum wir für ein höheres Existenzminimum kämpfen, aber die Akkumulation des Kapitals gesetzmäßig zur Verelendung der Arbeiter führt und nur der Sturz des Systems die Bedürfnisse der Arbeiter befriedigen kann. Beides tun – den ökonomischen mit dem politischen Kampf verbinden.

Das gilt auch für den Kampf gegen Militarismus und Aufrüstung, der ein wichtiger Teil des Klassenkampfs ist, wo wir aber aufklären müssen, dass der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium gesetzmäßig zu Krieg führt und er nicht friedlich gemacht werden kann.

Diese Verbindung können wir nur herstellen, wenn wir eine politische Organisation haben, die alle ökonomischen und politischen Fragen systematisch erarbeitet und zwar auf marxistischer Grundlage. Dafür müssen wir uns aufstellen und das ist ein wichtiger Teil des Leitantrags.

Eine letzte Bemerkung möchte ich zur Frage der unorganisierten Arbeiter machen. Wir formulieren in unserem Leitantrag Prinzipien für die Tuchfühlung mit den Massen. Wir wollen überall, wo es möglich ist, Arbeiter erreichen und sie organisieren. Viele Arbeiter sind nicht in den Gewerkschaften organisiert. Dadurch sind sie geschwächt. Wenn wir im Stadtteil oder woanders aktiv sind und Arbeiter erreichen, muss unser Ziel sein, dass sie sich in den Gewerkschaften organisieren. Wir müssen gleichzeitig eine Struktur aufbauen, die ihnen ermöglicht auch dort einen konsequenten Kampf zu führen, auch gegen Bestrebungen, die sich gegen ihre Interessen richten. Dazu brauchen wir die Erfahrung und das Wissen bereits in den Gewerkschaften organisierter Kollegen, die den neuen Kollegen zur Seite stehen und mit ihren Erfahrungen helfen.

Wir streben eine wirkliche Stärkung der Gewerkschaftsbewegung an. Dazu ist das Prinzip der Aktivität zentral. Die unorganisierten Massen können dabei eine Rolle spielen, sie können neue Erfahrungen in die Gewerkschaftsbewegung bringen. Anders herum ist es notwendig, dass die organisierten Arbeiter der Großbetriebe gesellschaftlich nicht isoliert sind. Die Unterstützung von Streiks durch Menschen aus dem Stadtteil, die Einbeziehung anderer Branchen, die Vermittlung politischer Losungen und nicht zuletzt die Vermittlung der Erfahrungen der Arbeiterbewegung – all das zusammengenommen kann zu einer starken, eigenständigen und verzweigten Arbeiterbewegung führen. Und diese kann zu einer massenhaften Bewegung werden, wie es in der Geschichte bereits der Fall war.

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