Stellungnahme der Zentralen Leitung der KO vom 4. Juni 2024
In wenigen Tagen stehen die Europawahlen an und der Wahlkampf ist in vollem Gange. Die Worte Sicherheit, Verantwortung, Wehrhaftigkeit springen einem überall entgegen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, portraitiert sich für die FDP im ominösen schwarz-weißen Plakat unter dem Motto „streitbar in Europa“. Der Bundeskanzler verspricht gemeinsam mit der EU-Spitzenkandidatin Katarina Barley, sie werden „Frieden sichern“ und sich „gemeinsam für ein starkes Europa“ einsetzen. Die Grünen titulieren „ein starkes Europa bedeutet ein sicheres Europa“ und wollen „Werte verteidigen. Frieden schützen“. CDU und CSU versprechen „Mit Sicherheit Europa. Für ein Europa, das schützt und nützt“ und werben „für die Sicherheit, die wir stärken werden.“ Die AfD versieht eine Goldstatue von Karl dem Großen mit dem Titel „Festung Europa“ und verspricht – offensichtlich inspiriert von Trump – „unser Land zuerst!“.
„Friedensprojekt“ EU?
Das Thema Krieg steht also für alle politischen Vertreter des Kapitals auf der Tagesordnung und es ist kein Zufall, dass es besonders im Zuge der EU-Wahlen so in den Mittelpunkt gerückt wird. Denn die Europäische Union ist nichts anderes als ein imperialistischer Zusammenschluss, der die gemeinsamen Interessen des Kapitals der Mitgliedsländer im internationalen Konkurrenzkampf effektiver vertreten soll – in Konkurrenz zu den USA und in zunehmend feindlicher Rivalität zu Russland und China. Seit ihren Anfängen beweihräuchert sich die EU selbst als „Friedensprojekt“, doch das ist eine Lüge (die in der Verleihung des Friedensnobelpreises 2012 an die EU ihre absurde Spitze fand) – sie war immer schon ein Kriegsprojekt, anfangs als Bündnis des kapitalistischen Westeuropa zur Eindämmung und Zurückdrängung des Sozialismus; heute als imperialistischer Block unter der Führung Deutschlands (und Frankreichs, das allerdings nur die zweite Geige spielt), um durch den gemeinsamen Binnenmarkt und die gebündelte Stärke ökonomisch und militärisch auf der Weltbühne mitspielen zu können. So spielte die EU bei der Entstehung des Krieges in der Ukraine bereits eine treibende Rolle, indem sie den rechtsradikalen Putsch von 2014 unterstützte und dem neuen Putschregime in Kiew dabei den Rücken stärkte, gegen die rebellierende Bevölkerung in der Ost- und Südukraine militärisch vorzugehen. Vergangenheit und Gegenwart zeigen: Es gibt unter den kapitalistischen Verhältnissen keine EU, auch kein anderes Staatenbündnis im Interesse der Arbeiterklasse.
Eine Wahl zwischen Pest, Cholera und anderen Seuchen
Zum imperialistischen Kriegsprojekt EU bekennen sich fast alle der antretenden Parteien. Fast alle Parteien, die in Deutschland auf dem Wahlzettel stehen, sind Parteien des Kapitals, die im völligen Gegensatz zu den Interessen der Arbeiterklasse, der arbeitenden Bevölkerung stehen: Von der AfD, die nationalistische Hetze verbreitet und Migranten für die Probleme verantwortlich macht, über CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne, die sich kaum voneinander unterscheiden und allesamt den Völkermord in Gaza tatkräftig unterstützen, die bereit sind, die Eskalation des Ukrainekriegs in einen Dritten Weltkrieg weiter voranzutreiben und sich einen Dreck um die Folgen des Klimawandels für die Arbeiterklasse scheren, bis zur Partei „Die Linke“, die faktisch ebenfalls den israelischen Völkermord deckt und EU sowie NATO unterstützt.
Hinzu gesellt sich eine Reihe neuerer Formationen, die allesamt alter Wein in neuen Schläuchen sind: Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“, das Anti-Migrations-Positionen mit sozialdemokratischen Umverteilungsideen verbindet und außenpolitisch ähnlich wie die AfD eine von westlichen Kriegsbündnissen unabhängigere Rolle Deutschlands propagiert. Der Pro-EU-Lobbyverein „Volt“ eines D. Hieronymus Freiherr von Boeselager, dem es leider gelingt, nicht wenige junge Wählerinnen und Wähler mit seinem betont „modernen“ und „progressiven“ Auftreten zu ködern – während „Volt“ der EU der Großkonzerne fest verbunden bleibt und in die rechtsradikale Hetze gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung aus voller Kehle mit einstimmt. Und schließlich auch MERA25, die Partei des ehemaligen griechischen Finanzministers Varoufakis, die durch ihre Solidarität mit Palästina ebenfalls einige Sympathien in der Jugend zu gewinnen scheint – auch sie stellt den Kapitalismus nicht infrage, nicht einmal in Worten, sondern fordert Investitionsprogramme, um die kapitalistische Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen.
Kein klassenbewusster Arbeiter, keine kämpfende Proletarierin und niemand, der sich selbst als links versteht, sollte einer dieser Parteien seine Stimme geben. Die Wahl des „kleineren Übels“ hat sich immer und immer wieder als Sackgasse herausgestellt, denn das große Übel, der Kapitalismus, wird dadurch nur gestärkt und bestätigt. Es ist ein Irrglaube, mit einer Stimme „gegen die AfD“ für eine der anderen Parteien, die AfD oder allgemein den Rechtsruck aufhalten zu können: Eine Stimme, egal für welche der genannten Parteien, ist eine Stimme für den Kapitalismus, der stets der Nährboden rechter Bewegungen ist. Der vermeintlich bunte Blumenstrauß an Parteien suggeriert die Wahlfreiheit des Bürgers, während in Wirklichkeit fast alle Parteien im Kern für das Gleiche stehen, nämlich für die kapitalistische Eigentumsordnung und die Stärkung des deutschen Kapitals in der internationalen Konkurrenz. Eine Vielzahl von systemstabilisierenden Mechanismen, von den Massenmedien über das Bildungssystem bis hin zu den Gewerkschaftsführungen, machen es äußerst schwer, mit einem Programm gegen den Kapitalismus bei den Wahlen erfolgreich zu sein.
Gibt es eine linke Alternative?
Selbstverständlich gibt es neben all den bürgerlichen Parteien auch ein paar wenige, die sich den Sozialismus auf die Fahne geschrieben haben, namentlich die Listen der DKP, der SGP und der MLPD. Die MLPD und SGP diskreditieren sich für Kommunisten jedoch bereits durch ihre antikommunistische Haltung zu den vergangenen Versuchen, den Sozialismus aufzubauen – so diffamiert die MLPD beispielsweise die DDR als „kapitalistische Bürokratendiktatur“ und stellt die Vorgänge von 1989/90, die schließlich zur Wiederherstellung des Kapitalismus in Ostdeutschland geführt haben, als demokratischen Aufbruch dar.
Neben SGP und MLPD vertritt auch die DKP zwar einige richtige Positionen wie das Ende der Waffenlieferungen an das ukrainische und das israelische Regime und eine klare Verurteilung des Völkermords in Gaza. Leider hat sich jedoch in den vergangenen Jahren die opportunistische Tendenz in der Parteiführung weiter verstärkt und drückt sich in einer offenen Unterstützung für das kapitalistische China aus, das die DKP auf einem „sozialistischen Entwicklungsweg“ wähnt, und in einer nicht ganz so offenen Parteinahme für Russland. Dabei besteht gerade in Zeiten, in denen ein offener Krieg zwischen den imperialistischen Blöcken eine reale Möglichkeit ist, die hauptsächliche Aufgabe der Kommunisten darin, die eigenständige Organisierung der Arbeiterklasse gegen die Imperialisten aller Seiten voranzutreiben.
Welche Wahlempfehlung?
Wir können als Kommunistische Organisation zu den EU-Wahlen ein weiteres Mal keine Wahlempfehlung für die Wahlen in Deutschland geben. Der Aufbau der Kommunistischen Partei in Deutschland – einer Partei, die wirklich und konsequent das Interesse der Arbeiterklasse vertritt und wenn möglich auch bei Wahlen antreten wird – ist ein langwieriger und komplizierter Prozess, den wir konkret angehen müssen, um hoffentlich zukünftig eine greifbarere und vorwärtsweisendere Aussage machen zu können – bis dahin heißt es: Beteiligt euch am Aufbau der Kommunistischen Partei, bringt euch ein im Widerstand gegen die herrschende Kriegspolitik und in der Organisierung der Arbeiterklasse in Betrieb, Gewerkschaft und überall!