Vor 105 Jahren, am 15. Januar 1919, wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Auftrag der deutschen Kapitalistenklasse ermordet. Der rechte Freikorps-Offizier Waldemar Pabst gab dazu den Befehl – mit Wissen und Duldung der SPD-Regierung: In seinem Tagebuch notierte Pabst, dass er für sein Handeln Rückendeckung von Gustav Noske, dem ersten für das Militär zuständigen sozialdemokratischen Minister in der deutschen Geschichte, erhalten hatte. 1924 erfolgte die Grundsteinlegung für das Revolutionsdenkmal auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde, welches an die beiden ermordeten KPD-Führer erinnerte. Die KPD bezog nach dessen Tod auch Lenin in das Gedenken ein und sprach fortan von der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration. Nachdem die Nazis das Mahnmal zerstört hatten, wurde in der DDR der jährliche Gedenktag am zweiten Sonntag im Januar wieder durchgeführt. Auch nach 1990 findet jährlich eine Großdemonstration statt, die von der Karl-Marx-Allee zum Denkmal führt.
Wie in jedem Jahr seit unserer Gründung, nehmen auch wir an der Demonstration teil, die in diesem Jahr am 14. Januar stattfindet. An den beiden Tagen zuvor findet, ebenfalls in Berlin, unser Kommunismus Kongress zum Thema Imperialismus, Krieg und revolutionäre Strategie statt.
Imperialismus in der Krise
Weshalb wurden Luxemburg und Liebknecht ermordet? Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die damaligen revolutionären Ereignisse: Am Ende des Ersten Weltkriegs befand sich das imperialistische Deutschland in einer Krise – die militärische Lage war aussichtslos, die Wirtschaft zerrüttet, die Versorgungslage der Bevölkerung katastrophal. Am 3. November 1918 begann mit dem bewaffneten Aufstand der Matrosen und Arbeiter in Kiel die Revolution, die sich schnell auf weitere Städte ausbreitete. Die noch in den einzelnen Ländern Deutschlands herrschenden Fürsten wurden zur Abdankung gezwungen, Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet. Während die rechten SPD-Führer versuchten, die Monarchie zu retten und die Revolution abzuwenden, stellte sich die Spartakusgruppe um Luxemburg und Liebknecht an die Spitze der revolutionären Bewegung.
Am 9. November rief Liebknecht die sozialistische Republik aus, am Tag darauf floh Kaiser Wilhelm II. nach Holland. Um ihre revolutionären Auffassungen in die Massen tragen zu können, rief die Spartakusgruppe ihre Zeitung „Die Rote Fahne“ ins Leben. Am 10. November war darin folgende Grußbotschaft zu lesen: „Die Rote Fahne schickt ihren ersten und heißesten Gruß der föderativen Sowjetrepublik und bittet sie, unseren russischen Brüdern kundzutun, dass die Berliner Arbeiterschaft den ersten Jahrestag der russischen Revolution gefeiert hat durch die Vollbringung der deutschen Revolution.“
Revolutionäre Kampfpartei
Die Arbeiterklasse wollte eine grundlegende Umgestaltung der sozialen Verhältnisse, war aber infolge des langjährigen opportunistischen Einflusses desorientiert – ein großer Teil von ihr stand unter dem Einfluss der rechten Führer der SPD sowie der USPD, die sich aufgrund ihrer Opposition gegen die Kriegspolitik der SPD abgespalten hatte. Einzig die Spartakusgruppe erkannte die Notwendigkeit einer revolutionären Partei. Lenin und die Bolschewiki sahen in der deutschen Novemberrevolution das wichtigste Kettenglied der internationalen revolutionären Bewegung. Sie rieten den deutschen Arbeitern und Soldaten, die Waffen nicht aus der Hand zu geben und eine Regierung mit Liebknecht an der Spitze zu bilden. Am 11. November wurde, aus der USPD hervorgehend, der Spartakusbund gegründet – ein erster Schritt hin zur Bildung einer revolutionären marxistischen Partei. Die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) erfolgte schließlich Ende Dezember 1918. „Wir sind wieder bei Marx, unter seinem Banner“, erklärte Luxemburg.
Die Bildung einer Räteregierung wollte die Bourgeoisie unbedingt verhindern – unter anderem knüpften US-Vertreter Anfang 1919 gegenüber der SPD-Regierung die Vergabe von Krediten an diese Bedingung. Am 6. Januar übernahm Noske mit den Worten: „Meinetwegen! Einer muss der Bluthund werden“ den Oberbefehl über die konterrevolutionären Truppen, die mit Artillerie, Panzern und Minenwerfern in Berlin einzogen und die Stadt besetzten. Tausende von Arbeitern wurden verhaftet und misshandelt, Personen, bei denen Waffen gefunden wurden oder etwas auf die Zugehörigkeit zur KPD hindeutete, wurden erschossen. Am 19. Januar war die Novemberrevolution beendet, ihre Führer ermordet.
Gegen die imperialistischen Kriege
Eine wichtige Lehre aus der Novemberrevolution und dem Verrat der Sozialdemokratie ist, dass die Arbeiterklasse nur fähig ist die Machtfrage zu stellen, wenn sie einheitlich handelt und sich über Ziele vollständig im Klaren ist. Dazu ist eine erfahrene und disziplinierte marxistische Kampfpartei notwendig. Luxemburg und Liebknecht zogen mit der Gründung der KPD – wenn auch zu spät, um die Revolution noch verteidigen zu können – den einzig richtigen Schluss: Die Partei fungierte als die revolutionäre Avantgarde der Arbeiterbewegung und erwies sich als die einzige konsequente Kraft gegen die Herrschaft des Kapitals und seine imperialistischen Kriege. 105 Jahre später merken wir immer drängender, dass eine solche Partei in Deutschland fehlt – wir werden diese Partei wieder aufbauen.
Denn heute befindet sich die bürgerliche Herrschaft abermals in einer sich zuspitzenden Krise. Der Kapitalismus birgt dabei den Krieg in sich wie die Wolke den Regen: Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt führt zwangsläufig zu neuen militärischen Auseinandersetzungen, die das Potenzial in sich tragen, zu einem dritten Weltkrieg zu eskalieren. Konflikte wie jene in Bergkarabach oder im Jemen zeigen die verbrecherische und völkermörderische Natur der imperialistischen Weltordnung. In der Ukraine stehen sich zwei imperialistische Machtblöcke gegenüber: Die NATO-Staaten, vertreten durch das vom Westen hochgerüstete Kiewer Regime, und Russland mit China im Rücken – ein Land, welches das Ziel des Sozialismus aufgegeben und sich für den kapitalistischen Entwicklungsweg entschieden hat. Gemeinsam mit einer Vielzahl kommunistischer Parteien haben wir im März 2023 erklärt, dass die Arbeiterklasse kein Interesse daran haben kann, sich auf die Seite des einen oder anderen Imperialisten zu stellen.
Die Rechnung bezahlt das einfache Volk
Im Gegenteil: Die Rechnung für die Kriege der Herrschenden zahlt auf allen Seiten die übergroße Mehrheit der Bevölkerung – mitunter mit dem Leben, auf jeden Fall mit drastischen Einschränkungen. Auch hierzulande macht die Inflation, angetrieben vor allem durch die hohen Öl- und Gaspreise, den Alltag für immer mehr Familien unbezahlbar, während gleichzeitig immer schwerere Waffen ans ukrainische Militär auf eigene Kosten geliefert werden und das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik durchgesetzt wird. Unter einer Regierung, an deren Spitze mit Olaf Scholz abermals ein SPD-Politiker steht, fordern regierungsnahe Think-Tanks, Deutschland und die NATO müssten „ihre Streitkräfte zur Abschreckung und notfalls zum Kampf gegen Russland befähigen“. Mit der Ausweitung der Rüstungsproduktion einhergehen soll ein „Mentalitätswechsel“ in der Gesellschaft, der etwa durch ein verpflichtendes Praktikum für alle in Deutschland lebenden Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren in einem „für die Gesamtverteidigung wichtigen Bereich“ erreicht werden solle.
Das nicht mehr zu überhörende Säbelrasseln im Rahmen der von Olaf Scholz propagierten „Zeitenwende“ zeigt: Die Zeichen stehen auf Krieg. In dieser Situation darf die Arbeiterklasse nicht die gleichen Fehler wiederholen, die vor 100 Jahren gemacht worden sind. Weder dürfen wir uns in zwischenimperialistischen Kriegen auf eine Seite schlagen, noch uns der Illusion hingeben, dass in einem Bündnis mit sozialdemokratischen Kräften wie der SPD oder der Linkspartei für uns etwas zu gewinnen ist. Hoffnungen auf einen Regierungswechsel innerhalb des bürgerlichen Spektrums zu setzen, ist illusionär. Vielmehr müssen wir alles daransetzen, eine Partei aufzubauen, die im Fall einer revolutionären Situation in der Lage dazu ist, die Machtfrage zu stellen. Das Jahr 2024 wird uns diesem Ziel ein Stück näherbringen.
Bewährungsprobe für die Bewegung
Wie schon zuvor die Haltung zum Ukrainekrieg, erweist sich derzeit die Haltung zum legitimen Kampf der Palästinenser um Befreiung als Lackmustest und Bewährungsprobe für die kommunistische Bewegung, speziell in Deutschland. Der deutsche Imperialismus beweist momentan, dass er den israelischen Apartheidstaat und seinen Krieg in Gaza nicht nur mit Worten und Waffen unterstützt, sondern auch mit Repressionen gegen die palästinensische Solidaritätsbewegung. Auch Kräfte – in Deutschland und international –, die uns und unseren Analysen nahestehen, sind zu anderen Standpunkten gekommen, was die Einschätzung des palästinensischen Befreiungskampfes und die Rolle der Kommunisten darin angeht. Unsere Position ist: Es handelt sich nicht im Wesentlichen um einen Konflikt zwischen den Imperialisten um die Neuaufteilung der Welt, sondern von israelischer Seite um einen Kolonialkrieg, von palästinensischer Seite um einen nationalen Befreiungskrieg.
Was zwischenimperialistische Auseinandersetzungen angeht, gilt für uns die Losung Liebknechts: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Wir führen einen Kampf gegen die Bourgeoisie, für die Einheit der Arbeiterklasse und für die Überwindung des Imperialismus. Als höchstes und letztes Entwicklungsstadium des Kapitalismus ist er unvermeidbar dem Untergang geweiht. Die Tatsache, dass er historisch gesehen absterbender Kapitalismus ist, bedeutet aber keineswegs, dass er zwangsläufig vom Sozialismus abgelöst werden wird. Wir müssen für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen – andernfalls stürzt er die Welt und die Völker abermals in eine Katastrophe. Rosa Luxemburg brachte dies auf eine prägnante Formel: Sozialismus oder Barbarei! Insofern ist das Gedenken an Liebknecht, Luxemburg und Lenin für uns Mahnung und Ansporn. Die kommunistische Bewegung muss die Lehren aus der Vergangenheit ziehen und sich den Herausforderungen der Gegenwart stellen. Für eine wirksame Antwort auf die imperialistische Barbarei ist der Aufbau der kommunistischen Partei unumgänglich! Es ist von entscheidender Bedeutung, ideologische und taktische Klarheit und Einigkeit zu schaffen, das organisatorische Gerüst einer kommunistischen Partei zu errichten und die selbstständige Organisierung der Arbeiterklasse energisch voranzutreiben.
Kampf der imperialistischen Barbarei!
Klarheit, Einheit, Organisation: Die kommunistische Partei aufbauen!