100 Milliarden-Booster für die Interventionsarmee

Der Bundestag grölte, als im Februar der Kanzler die größte Aufrüstung seit der Wiederbewaffnung ankündigte. Es war das Freudengeschrei der Kriegstreiber und Militaristen. Als Speerspitze des Militarismus haben sich seitdem vor allem die grünen Minister Baerbock und Habeck hervorgetan, die Russland „ruinieren“ wollen und sich über die „Kriegsmüdigkeit“ der Deutschen beklagen.

Die Kriegslust des deutschen Volks ist zu gering für die Absichten dieser Damen und Herren. Denn sie haben große Pläne. Der 100-Milliarden-Kredit ist nicht nur eine gigantische sprunghafte Aufrüstung. Mit dieser Aufrüstung wird die Bundeswehr zur größten konventionellen Armee Europas. Das Ziel des deutschen Imperialismus war schon lange vor dem 24. Februar, sich aufzustellen, um eigenständig größere Kriege führen zu können. Dazu braucht es bisher NATO-Unterstützung. Die Behauptung, es gehe um die Verteidigung der „Friedensordnung“ Europas vor dem bösen Russland könnte verlogener kaum sein, ist doch das 100-Milliarden-Paket die wirkliche Gefährdung des Friedens und die nächste Eskalation der Aggression gegen alle Länder, die sich nicht fügen wollen. Der Plan für das 100-Milliarden-Paket steht bereits seit Oktober 2021 fest.

Die Bundeswehr war nie eine Landesverteidigungsarmee. Bis 1990 war sie gerüstet als Panzer-Invasionsarmee gegen die DDR und die anderen sozialistischen Staaten. Nach 1990 wurde sie konsequent zur „Armee im Einsatz“ umgebaut – und damit ist der weltweite Einsatz gemeint. Denn die Interessen der deutschen Monopole müssen auch in fernen Ländern durchgesetzt werden. Jetzt erhält diese Interventionsarmee einen Booster. Das Gerede von der Landesverteidigung ist Vernebelung fürs Volk, denn wer ist nicht dafür, dass sich ein Land verteidigen kann. Die Aufteilung des Kriegskredits spiegelt den aggressiven Charakter wider: An erster Stelle steht mit Abstand die Luftwaffe und die Anschaffung von atomwaffenfähigen Kampfjets, dann die Marine. Weitere Milliarden für Drohnen, Einsatzkommandos, Hubschrauber.

Die Kapitalverbände akzeptieren das „Primat der Politik“ und nehmen kurzfristig auch eine Schmälerung der Profite durch Sanktionen gegen Russland hin. Denn die Aussicht auf das, was mit dem 100 Milliarden ermöglicht werden soll, ist wesentlich verlockender: endlich Rohstoffe, Absatzmärkte und Kapitalexportziele freibomben, wenn es nötig ist, und dabei auf keinen „Bündnispartner“ mehr Rücksicht nehmen müssen. Allein mit der neuen Marine kann man gute alte Kanonenboot-Diplomatie betreiben.

Auch wenn der deutsche Imperialismus sich zum Teil in die Kriegsplanungen der USA fügt, versucht er in diesem Zuge sich selbst stärker aufzustellen und eigene Ziele zu verfolgen. Deutschlands Rolle in der NATO-Osterweiterung ist dabei nicht unwichtig, insbesondere als „Speerspitze“ im Baltikum. Die Kriegsgefahr dürfte sich vor allem gegen Osten richten. Was den deutschen Generälen noch fehlt, sind die Atomaffen. Die zunehmend offen geführte Diskussion über „europäische“ Atomwaffen, mehr „Teilhabe“ oder offen ausgedrückt, worum es wirklich geht: deutsche Atombomben, spiegelt diese Bestrebungen wider.

Mit der Aufrüstung geht eine bereits voll einsetzende Militarisierung einher. Gesellschaftliche Fragen werden dem Willen und Bedürfnis des Militärs untergeordnet, die gesellschaftliche Debatte verlegt sich immer mehr auf militärische Logik. Wer der Propaganda widerspricht, wird an den Rand gedrängt oder Repression unterzogen. Parlamentarier üben sich in Demut vor der Geheimhaltung in militärischen Fragen. Die Verfassung wird militarisiert durch die Verankerung des Kriegskredits, der von der Schuldenbremse ausgenommen wird. „Das NATO-2%-Ziel steht zwar noch nicht im Grundgesetz, aber nun im Gesetz zum Sondervermögen de facto festgeschrieben, im Gegensatz zu den Behauptungen der Regierung. Die Aufrüstungsorgie soll nie mehr aufhören.

Auch hier sind wieder die Grünen die Spitze der Dreistigkeit und Provokation, die nicht nur bereit sind, alles der militärischen Logik unterzuordnen, sondern am unverschämtesten dem Volk diktieren: Friert und hungert, bezahlt den Preis und murrt nicht! Inflation, Verarmung und ökonomischer Niedergang sind nämlich die notwendige Kehrseite der Steigerung der Profite der parasitärsten Teile des Kapitals. Die SPD will Brotkrumen verteilen und die FDP diese gleich wieder einsammeln und dem Kapital in den Rachen werfen. Die Kosten werden abgewälzt, gesellschaftliche Ressourcen in großem Ausmaß abgezogen fürs Militär. Die Gewinne der Rüstungskonzerne, aber auch anderer Teile des Finanzkapitals saugen die Gesellschaft aus. Mit dem Sondervermögen zeigt die Bourgeoisie den Volksmassen ihren Weg in die Zukunft: In Krieg, Verarmung und Militarisierung. Der Kriegskredit steht außerhalb der Schuldenbremse, alles andere wird dem streng untergeordnet. Das ist die aktuelle Version von: „Kanonen statt Butter“.

Aber nicht nur der Kriegskredit ist monströs. Das Schweigen im Lande, die Agonie und Paralyse der Friedensbewegung, die unterstützende Haltung der Gewerkschaftsführung sind nicht minder erschreckend. Denn was ist anderes vom deutschen Militär zu erwarten als Provokation, Intervention und Aggression? Mit dem jetzigen sprunghaften Anstieg geht eine deutliche Steigerung der Kriegsgefahr durch Deutschland aus. Die deutsche Monopolbourgeoisie hat schon zweimal gezeigt, dass sie bereit ist, alle in den Abgrund zu ziehen. Die Hybris der Baerbocks ebenso wie der Merzens und ihrer Freunde in Washington verheißt nichts anderes als Leid und Zerstörung für andere Länder, Entbehrung und Verhetzung hierzulande.

Aber auch jetzt gibt es keine Begeisterung großer Teile der Arbeiterklasse und anderer Teile der Bevölkerung für diese Aussicht. Unzufriedenheit, Skepsis und teilweise offene Ablehnung sind bei einigen da, bei manchen auch mehr. Das gilt es auszuweiten, zu nutzen, zu fördern, zu konkretisieren, zu mobilisieren und zu bündeln. Es gilt aufzuzeigen, wie Inflation, Krieg und Krise zusammenhängen, soweit es unsere Möglichkeiten erlauben.

Daten und Fakten zum 100-Milliarden-Kriegskredit

Am 3. Juni stimmten im Bundestag 590 Abgeordnete für die Verabschiedung des sogenannten „Sondervermögen Bundeswehr“. Lediglich 80 Parlamentarier votierten mit „Nein“ – geschlossen die Linkspartei und rund die Hälfte der AfD-Fraktion. Dieser Abstimmung gingen mühsame Verhandlungen der Ampel-Regierung und der Union voraus. Denn für die Einrichtung des Kriegskredits bedurfte es zunächst Änderung des Artikels 87a im Grundgesetz, um die festgeschriebene Schuldenbremse zu umgehen. Aber wie flexibel es die Herrschenden mit dem Grundgesetz halten, wenn es den Interessen ihrer Großmachtbestrebungen entspricht, haben wir letzte Woche eindrücklich sehen können. Im Eiltempo sollte das Sondervermögen unbedingt noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Zumindest darin waren sich Ampel und Union einig.

Letzterer gelang es – aufgrund der für die Abstimmung benötigten Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat –, den Regierungsparteien ihre Forderungen durchzusetzen. Die Grünen hatten versucht, entsprechend ihrer Propaganda des „Menschenrechts“-Imperialismus, die 100 Milliarden als „Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ inklusive Cybersicherheit, „Entwicklungshilfe“ und Unterstützung von Partnern, mit humanitärerem Antlitz zu verkaufen. Sie hatten sich außerdem bemüht, den Eindruck zu vermitteln, sie seien nicht für das 2%-Ziel im Sondervermögensgesetz. Allerdings kann die jetzige Formulierung auch bedeuten, dass in Zukunft sogar mehr als 2% aufgewendet werden könnten. Sie lautet: „Nach Verausgabung des Sondervermögens werden aus dem Bundeshaushalt weiterhin die finanziellen Mittel bereitgestellt, um das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und den deutschen Beitrag zu den dann jeweils geltenden NATO-Fähigkeitszielen zu gewährleisten.“

Konkret sieht der Entwurf des Wirtschaftsplans über 40 Milliarden für die Stärkung der Luftwaffe vor – neben der Anschaffung von Transporthubschraubern, Bundeswehrdrohnen und Eurofightern, liegt hier der Fokus v.a. auf den Atombombern (F-35-Jets) aus den USA. Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) hat davon mindestens 35 Stück auf ihrer Einkaufsliste stehen. Die veranschlagten 19 Milliarden für die Marine werden hauptsächlich in die Produktion weiterer Kriegsschiffe und U-Boote fließen. 17 Milliarden sollen für die Nachrüstung von Schützen- (Puma) und Kampfpanzer (Leopard 2) ausgegeben werden, während mit 20 Milliarden die Kommunikation mithilfe von mehr Bundeswehrsatelliten und digitalen Funkgeräten, modernisiert werden soll. Weitere 2 Milliarden gehen in die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten.

Wichtig sind außerdem die laufenden Großprojekte des deutschen und französischen Imperialismus – so die Planung des Kampfpanzersystems MGCS sowie das Luftkampfsystem FCAS (allein hier liegen die Entwicklungskosten bei 80-100 Milliarden ). Diese Vorhaben offenbaren auf ein Neues die Bestrebungen einen eigenständigen europäischen Rüstungskomplex aufzubauen, mit welchem man sich vom „transatlantischen Großen Bruder“ zu emanzipieren sucht.

Wir sehen:  Der Kriegskredit könnte den deutschen Imperialismus mit künftigen Militarisierungsausgaben von bis zu 75 Milliarden jährlich vom 7. auf den 3. oder 4. Platz in puncto Rüstungsetat hinter die USA und China katapultieren. Die Mär von der abrupten Zeitenwende, welche durch die russische Gefahr ausgelöst worden sei, gilt es zu begraben. Hier sei nur die bereits 2018 im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr geplante Aufstockung des Bundeswehrpersonals von 180.000 auf 200.000 genannt. Auch im Weißbuch der Bundeswehr 2016 wurde bereits die Mobilmachung kaltstartfähiger Brigaden für einen potentiellen Einsatz gegen Russland beschlossen.

Erst Anfang Mai kündigte die Bundesregierung an, das Soldatenkontingent des größten Bundeswehreinsatzes für die UN-Mission in Mali von 1100 auf 1400 aufzustocken. Der deutsche Imperialismus übt sich nach dem erzwungenen Abzug der französischen Operation Barkhane in der Übernahme „geopolitischer Verantwortung“, lässt sich aber sicherheitshalber ein Hintertürchen für den unkomplizierten Abzug offen.

Der Status Quo ist aber keinesfalls eine herbeigeredete  „Zeitenwende“, sondern ziemliche logische Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Streitkräfte wurden nach der Zerschlagung des Hitler-Faschismus nicht lediglich als Verteidigungsarmee (wie es §87a definierte) aufgestellt, sie waren die Speerspitze der NATO gegen die sozialistischen Staaten. Die Bundeswehr steht nicht nur in der Kontinuität der Traditionen von Reichswehr und Wehrmacht, sie hat ihren Charakter als imperialistische Angriffsarmee nie verloren. Nach der Konterrevolution und der Eingliederung der DDR in die BRD 1990 begann der Umbau zur Interventionsarmee, die zu Einsätzen in weit entfernten Ländern bereit ist. „Landesverteidigung“ fand spätestens ab der Beteiligung im Afghanistan-Krieg auch im Ausland statt. Als sich aber 2006 die Kriegshandlungen in Afghanistan überschlugen, wollte die damalige schwarz-gelbe Regierung zunächst noch eine Strategie der Zurückhaltung einlegen und lehnte in nächster Konsequenz eine direkte Beteiligung an den Interventionen in Libyen und Syrien ab. Dafür erntete sie damals harsche Kritik des grünen Ex-Kriegsministers Joschka Fischer, dem ersten Krieg führenden deutschen Außenminister nach Ribbentropp.

Ein nächster Meilenstein wurde 2014 während der Münchner Sicherheitskonferenz gesetzt. Man wolle nicht mehr „Gestaltungsmacht im Wartestand“ bleiben, sondern zu einer „Kultur der Kriegsfähigkeit“ übergehen. Erich Vad, der langjährige Berater von Merkel sprach sich bereits damals für die Notwendigkeit einer nationalen starken Rüstungsindustrie aus – für „den eigenen Handlungsspielraum“. Der Rüstungsbericht von 2015 kam da gerade gelegen. Diagnose: Krasse Lieferverspätungen und unkalkulierte Teuerungen in der Anschaffung. Dass es nicht die Aufgabe fortschrittlicher Kräfte sein sollte, über ein organisatorisch besser abgewickeltes Beschaffungswesen zu diskutieren versteht sich von selbst, aber wurde doch eben dieses Bild des „unterfinanzierten Schrotthaufens“ Bundeswehr genutzt, um alle mögliche Investitionen zu rechtfertigen. Im Weißbuch 2016 erfolgte dann die strategische Umkehr zur Landes- und Bündnisverteidigung. Nicht nur die bereits erwähnte kaltstartfähigen Brigaden für die NATO wurden hier beschlossen, sondern auch Divisionen für die NATO, die laut aktuellen Debatten bis 2030 insgesamt knapp 60.000 Soldaten zählen sollen. „Landes“- ebenso wie „Bündnisverteidigung“ dienen dem Zweck, eine Armee zu schaffen, die dauerhaft zahlreiche Soldaten im Ausland stationieren kann und die zu Interventionen per Luft, See und Land fähig ist.

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