Stellungnahme des Zentralkomitees der KP vom 20.09.2024
Am 21. September werden tausende Abtreibungsgegner für die Verschärfung des Abtreibungsverbots in Deutschland demonstrieren. Der sogenannte „Marsch für das Leben“ ist eine jährliche Veranstaltung des „Bundesverbands Lebensrecht“, bei der eine Schar an christlichen Fundamentalisten, Burschenschaftlern und Faschisten mit dem Segen einiger Kirchen, der CDU und Papst Franziskus seit 2010 jährlich durch Berlin und seit 2023 zusätzlich auch durch Köln „marschiert“.
Die Begründungen für die Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen sind vielfältig und reichen von entsprechenden Auslegungen christlicher Moralvorstellungen bis hin zur Überbewertung der Leidensfähigkeit eines Fötus in seiner Entstehung – in Einem ist man sich aber einig: Die Forderung nach einem Abtreibungsverbot steht über Allem; was das für die Lebensrealität der betroffenen Frauen bedeutet, ist egal.
Tatsächlich sind Schwangerschaftsabbrüche seit dem Ende der DDR wieder deutschlandweit illegal. Die Marschteilnehmer stören sich aber daran, dass diese nach einem verpflichtenden Beratungsgespräch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei sind.
Die Fortführung des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen ist nicht im Interesse der Arbeiterklasse, weder ihres weiblichen noch ihres männlichen Teils.
Was das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche für unsere Klasse bedeutet
Eine ungewollte Schwangerschaft kann eine Reihe von Konsequenzen nach sich ziehen, die die betroffene Frau entweder nicht bereit oder nicht fähig ist zu tragen. So kann eine Schwangerschaft in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft die ohnehin schon bestehenden finanziellen Notlagen Vieler noch verschlechtern. Lohnarbeit, die ärztliche Versorgung der Mutter und danach des Kindes, die Erstausstattung, das Finden einer Hebamme und selbstverständlich auch die Kinderbetreuung und -erziehung bleiben Privatangelegenheiten, da sich die Fürsorge der Fundamentalisten meist auf das ungeborene Kind beschränkt und weder für die Mutter noch das (im Zweifel ungewollte) geborene Kind gilt. Die gesellschaftlichen Umstände, die manche Frauen zum Schwangerschaftsabbruch bewegen, werden von den Marschteilnehmern hingegen nicht thematisiert. Wer gezwungen ist, seine Arbeitskraft zu verkaufen, um zu überleben, dies aber aufgrund fehlender Kindergärten nicht mehr kann, hat sehr schnell kein Geld mehr. Die erschwerten Bedingungen, denen die Frauen der Arbeiterklasse im Kapitalismus sowieso ausgesetzt sind, spitzen sich durch eine ungewollte Schwangerschaft weiter zu. Bereits jetzt lebt jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut. Mit einem Staat, der das Geld lieber für Waffen und Subventionen ausgibt, weil es für ihn wichtiger ist, Einflussbereiche und Firmenprofite zu sichern, kann sich dieser Zustand aber nicht ändern. Wenn Menschen in einer finanziell prekären Situation unter diesen Umständen ein Schwangerschaftsabbruch verwehrt wird, ist Kinderarmut eine der logischen Folgen. Daher treten wir unmittelbar für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ein, doch die eigentliche Lösung, die wir anstreben ist, die Armut überhaupt zu beseitigen.
Es gibt weitere Gründe, warum das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in unserem Interesse ist. Es ist unzumutbar, eine Frau zur Austragung eines Kindes zu zwingen, für das sie keine Verantwortung übernehmen kann oder möchte. Die Gründe hierfür können von den oben genannten finanziellen über persönliche Gründe bis hin zum Fall einer Vergewaltigung reichen.
Es ist Fakt, dass der Schutz der Mutter einen Schwangerschaftsabbruch manchmal unausweichlich macht. Ohnehin sollte die Entscheidung darüber, wie mit einem winzigen Fötus, der noch weit entfernt von ausgebildeten Organen und Nervensystem ist, umgegangen wird, bei der Person liegen, die ihn austrägt.
Wie beschrieben können ungewollt Schwangere mit vielfältigen Problemen konfrontiert sein, die einen Schwangerschaftsabbruch notwendig machen. Ein Verbot beseitigt diese nicht und führt daher vor allem zu gefährlicheren improvisierten Abtreibungen, anstatt sie zu verhindern. Deshalb gilt es, sich für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, das Recht auf Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper und den Schutz ihrer Gesundheit einzusetzen.
Manche Abtreibungsgegner würden im Falle einer Vergewaltigung einem Schwangerschaftsabbruch zustimmen. Der Nachweis ist aber meist schwer zu erbringen und zwingt die betroffene Person in eine Rechtfertigungsposition, die sie weiter traumatisieren kann.
Widerstand! Aber wie?
Letztes Jahr in Köln hat sich gezeigt, dass organisierter Widerstand etwas erreichen kann. Der Versuch, den „Marsch für das Leben“ auch in Köln durchzuführen, endete wenige Meter nach Beginn, da die Demoroute durch Massen an Gegendemonstrierenden blockiert war.
So schön dieser Erfolg auch ist: Solange sich die Herrschaftsverhältnisse nicht ändern, wird er nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Zweifelhaft ist auch die Positionierung von vermeintlich progressiven Regierungsparteien und anderen liberalen Kräften in dieser Auseinandersetzung. Sie können sich gegenüber diesem rechten Aufmarsch als fortschrittlich inszenieren, interessieren sich aber in allen anderen Fragen – Kriege, Krisen, Lebens- und Arbeitsbedingungen – herzlich wenig für die Lage von Frauen. Davon zeugt aktuell die unerträgliche Lage in Gaza, wo Schwangere unter katastrophalen und gefährlichen Umständen ihre Kinder zur Welt bringen.
Den Abtreibungsgegnern wurde die Möglichkeit genommen, ihren fröhlichen Antiselbstbestimmungszug durch Kölner Straßen zu führen. Doch ohne öffentlichen Druck bleiben Abtreibungen in Deutschland weiterhin verboten und schwer zugänglich, selbst wenn sie bis zur zwölften Woche straffrei sind. Und auch wenn sich die Gesetzeslage ändern sollte, kann das Recht jederzeit wieder zurückgenommen werden, wie sich in den vergangenen Jahren z.B. in Polen, Ungarn und den USA gezeigt hat. Erst wenn die Arbeiterklasse ihren eigenen Staat, nämlich den sozialistischen Staat hat, werden die Rechte, die wir uns erkämpft haben, sicher sein. Wenn die Wirtschaft nicht mehr danach agiert, was am profitabelsten ist und der Staat nicht mehr dazu dient, den Profit zu sichern.
Die Zentren für die verpflichtenden Beratungstermine sind vielerorts rar oder ausgebucht. Dadurch werden sichere Abtreibungen faktisch behindert und das gesundheitliche Risiko für betroffene Frauen erhöht. Der Mangel an Beratungszentren und Terminen (der sich fortsetzt im Mangel an Einrichtungen, die die Abbrüche durchführen) führt dazu, dass schwangere Frauen ihre Beratungstermine zum Teil nicht fristgerecht wahrnehmen können. Dies hat zur Folge, dass sie sich gezwungen sehen, den Schwangerschaftsabbruch im Ausland nachzuholen, z. B. in den Niederlanden, wo Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche legal sind. So wird der Abbruch schnell zu einer Frage der sozialen Stellung, denn das Geld für die Reise und die medizinische Behandlung hat nicht jede Frau.
Unser Ziel als Kommunistische Partei ist eine Gesellschaft, die Bedürfnisse erfüllt und nicht Profite für eine Minderheit generiert. Das schließt das Bedürfnis nach persönlicher Gesundheit und deshalb auch eine angemessene medizinische Versorgung für Schwangerschaftsabbrüche mit ein.
Selbst wenn Grüne, SPD, Linksliberale und Sozialdemokraten aller Couleur das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche unterstützen, darf dies nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass sie ein politisches System mittragen, das Profit über Menschen stellt. Ein System, welches es bis heute nicht geschafft hat, sichere Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren und jeder Person zugänglich zu machen. Ein System, das Rechten wie der AfD eine Bühne bietet, um offen eine Rückkehr zur Strafverfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen zu fordern. Und das trotz jahrelanger sozialdemokratischer und grüner Regierungsbeteiligung. Der Kampf für sichere Schwangerschaftsabbrüche ist also keine Streitfrage zwischen Fundamentalisten auf der einen und „progressiven Linken“ auf der anderen Seite, sondern eine Klassenfrage. Er geht Hand in Hand mit dem Kampf für den Sozialismus, für einen Staat und eine Wirtschaft, die durch die Arbeiterklasse für die Arbeiterklasse geführt werden. Um das zu erreichen, können wir uns nicht auf unsere individuellen Kämpfe beschränken, sondern müssen als Klasse für die Bedürfnisse aller ihrer Teile kämpfen. Dafür braucht es die Kommunistische Partei. Bauen wir sie zusammen auf!