Hintergrundartikel des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei vom 31. Januar 2025
Keine Stimme für die Parteien des Kapitals!
Am 23. Februar wird in Deutschland der Bundestag gewählt. Wieder einmal sprechen die bürgerlichen Medien von einer „Schicksalswahl“. Wir sollen unsere Stimme nicht „verschenken“ – es gehe um nichts Geringeres als die Rettung der „Demokratie“. Das Schreckgespenst einer starken AfD wird genutzt, um uns zu erpressen, unsere Stimme den anderen Parteien des kapitalistischen Systems als vermeintlich kleineres Übel zu geben. Auf der anderen Seite steht die verlogene Demagogie der AfD, die uns weismachen will, mit ihr stünde eine „Alternative“ zur Wahl, die sich endlich einmal um die Sorgen der „kleinen Leute“ kümmert.
Doch die Wahrheit ist: Keine der zur Wahl stehenden Parteien – insbesondere keine mit Aussicht auf den Einzug in den Bundestag – vertritt die Interessen der Arbeiterklasse, der arbeitenden Bevölkerung, der Frauen aus der Arbeiterklasse oder der Jugend in Schulen, Universitäten und Ausbildungsbetrieben. Keine von ihnen steht der reaktionären Entwicklung, dem Rechtsruck entgegen; jede von ihnen bereitet bereits jetzt eine Politik vor, die ein Angriff auf uns bedeutet.
Der bürgerliche Staat macht es kleinen Parteien gezielt schwer, überhaupt zu den Wahlen anzutreten – etwa durch die Pflicht, viele Tausend Unterschriften zu sammeln. Wir können als Kommunistische Partei bei diesen Bundestagswahlen – den ersten bundesweiten Wahlen nach unserer Gründung – noch nicht teilnehmen. Leider wird auf dem Wahlzettel auch keine andere Partei stehen, die konsequent die Interessen unserer Klasse vertritt. Deshalb bleibt uns nur die Losung: Keine Stimme den Parteien des Kapitals! Wir wählen dieses Mal ungültig – in dem Wissen, dass die Herrschenden den Wahlboykott nicht fürchten, dass er keine Waffe unsererseits ist, sondern nur dem Fehlen von Alternativen geschuldet.
Wir halten es für richtig, ungültig zu wählen, anstatt der Wahl einfach fernzubleiben. Zwar macht dies für das Wahlergebnis keinen Unterschied – ungültige Stimmen werden zwar statistisch separat ausgewiesen, zählen aber faktisch wie die Nichtwahl. Doch es geht darum, eine kämpferische Haltung einzunehmen und zumindest symbolisch unsere Opposition auszudrücken. Damit setzen wir uns bewusst von denen ab, die aus Desinteresse nicht wählen gehen – auch wenn ihre Frustration durchaus nachvollziehbar ist.
In welchem Deutschland leben wir 2025?
Die Bundestagswahl fällt in eine Zeit der schweren Krise des deutschen Kapitalismus. Im Jahr 2024 ist die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent gesunken. Das ist schlechter als das Ergebnis von 2023, als die Wirtschaft noch um 0,2 Prozent gewachsen ist. Außerdem liegt das Ergebnis weit unter den Prognosen für 2024, die ein Wachstum von 1,8 Prozent vorhergesagt hatten. Auch die Prognosen für 2025 kündigen eine weitere Stagnation an. Im verarbeitenden Gewerbe herrschte 2024 oft eine stagnierende Auftragslage. Die deutsche Industrie steckt in einer schweren Krise, eine Reihe großer Autokonzerne und auch viele Unternehmen anderer Branchen bauen Stellen ab und greifen die erkämpften Errungenschaften ihrer Belegschaften an. Die Arbeitslosigkeit steigt wieder an (auf derzeit etwa 6 Prozent), nachdem sie in den 2010er Jahren gesunken war. Hintergrund dieser Entwicklungen ist die Verschärfung der Konkurrenz innerhalb des imperialistischen Systems, in der das deutsche Kapital eine Verschlechterung seiner Position hinnehmen muss, insbesondere gegenüber den chinesischen und US-amerikanischen Kapitalisten an der Spitze der weltweiten Rangordnung. Trotz dieser Tendenzen bleibt die Vorherrschaft des deutschen Kapitals in der EU allerdings bisher relativ unangetastet, auch weil andere europäische Länder ebenfalls mit Krisen zu kämpfen haben. Mit den Krisentendenzen hängt zusammen, dass die Widersprüche zwischen den imperialistischen Polen zunehmen, insbesondere, aber nicht nur, zwischen EU und USA einerseits und Russland und China andrerseits. Der deutsche Imperialismus rüstet sich zum Krieg und will die ganze Gesellschaft erklärtermaßen „kriegstüchtig“ machen. In diesem Kontext finden nun die Wahlen statt.
Was versprechen uns die Parteien des Systems?
Während kapitalistischer Krisen geben die Parteien unterschiedliche Antworten darauf, wie das System in dieser Zeit verwaltet werden sollte. Manche Kräfte wollen den Zusammenbruch der Binnennachfrage verhindern und lehnen deshalb einige der weitreichendsten Kürzungen und Angriffe auf den Lebensstandard ab, andere legen den Schwerpunkt auf die Verbilligung der Arbeitskraft und die ungehemmte Enteignung der breiten Massen zugunsten des Kapitals. Doch allen ist gemein, dass sie die Krise überwinden wollen, indem sie die Kapitalakkumulation wieder in Gang bringen und die Ausbeutung der Arbeiterklasse effizienter gestalten. Anhand von einigen zentralen Punkten, die natürlich bei weitem keine erschöpfende Analyse sind, zeigen wir im Folgenden die allgemein reaktionäre, arbeiter- und volksfeindliche Richtung der Politik aller großen Parteien.
CDU/CSU: Generalangriff auf die Interessen der Arbeiterklasse und breiten Massen
Die Christdemokraten fordern in ihrem Wahlprogramm eine strenge Einhaltung der „Schuldenbremse“, die den Bundesländern vorschreibt, keine neuen Schulden zu machen, während sie die Neuverschuldung des Bundes jährlich auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt. In den letzten Jahren lag die Neuverschuldung stets zwischen zwei und drei Prozent, es werden also tiefgreifende Kürzungen bei den Staatsausgaben gefordert. Gleichzeitig soll das Kapital steuerlich deutlich entlastet werden. Unternehmen sollen insgesamt nur noch höchstens 25 Prozent Steuern zahlen müssen (derzeit sind es durchschnittlich etwa 30 Prozent). Auch bei der Grunderwerbssteuer und bei der Erbschaftssteuer sollen Freibeträge erhöht werden, wovon vor allem die Reichen profitieren werden. Wenn Staatsschulden verboten sein sollen und gleichzeitig die Kapitalisten weniger Steuern zahlen, sind massive Einschnitte bei Sozialleistungen und stärkere Belastungen der arbeitenden Massen zwingend erforderlich: Das Bürgergeld wollen CDU und CSU dementsprechend abschaffen und durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen, die den Zwang zur Annahme jeder Arbeit und damit den Terror gegen Arbeitssuchende erhöht und außerdem weniger Geld an Bedürftige auszahlt. Auch alte Menschen geraten ins Visier: Statt ihre Renten zu erhöhen, sollen sie durch Steuervergünstigungen dazu angetrieben werden, auch über das 67. Lebensjahr hinaus „freiwillig“ weiter zu arbeiten, was angesichts von millionenfacher Altersarmut Zwangscharakter haben wird.
CDU und CSU stehen für eine beschleunigte Vorbereitung auf große Kriege: Die extremen Erhöhungen der Rüstungsausgaben sollen fortgesetzt werden. Der barbarische Völkermord Israels in Gaza wird als „legitimer Kampf gegen den Terror“ bezeichnet und bedingungslos unterstützt. Der imperialistische Krieg in der Ukraine soll mit Waffenlieferungen fortgesetzt werden. Kanzlerkandidat Merz hat sich auch für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgesprochen. Diese haben eine Reichweite von etwa 500 Kilometern und könnten zahlreiche Städte tief im russischen Hinterland treffen, etwa Woronesch, Rostow am Don, Tula, Krasnodar oder Wolgograd. Russland hat bereits erklärt, die Lieferung solcher Waffen als direkten Kriegseintritt zu werten. Klimapolitik soll hauptsächlich über den Emissionshandel gemacht und damit den Interessen des Kapitals, nicht den Erfordernissen des Klimaschutzes dienen.
Da diese Politik Widerstand hervorrufen wird, bereiten CDU/CSU den Ausbau des Polizeistaats und die weitere Verschärfung der autoritären Entwicklung vor: Härteres Strafrecht, mehr Videokameras, automatisierte Gesichtserkennung und härtere Strafen für die Unterstützung sogenannter „Terror-Organisationen“ (womit vor allem der palästinensische Widerstand gegen den Völkermord gemeint sein dürfte) – inklusive Abschiebung und Entzug der Staatsbürgerschaft. Migranten im Allgemeinen und Muslime im Besonderen werden als Bedrohung des Landes diffamiert, Abschiebungen sollen nun auch explizit in Kriegsgebiete wie Syrien und Afghanistan stattfinden, obwohl in beiden Ländern zutiefst reaktionäre Regierungen herrschen und die Rechte von Frauen und religiösen Minderheiten massiv gefährdet sind.
SPD: Lügen, Heuchelei und Politik für das Kapital
Die Sozialdemokraten stellen sich im Gegensatz zum offen volksfeindlichen Programm von CDU/CSU wieder als „Arbeitnehmerpartei“ dar, die „Soziales“ mehr in den Mittelpunkt rücken will: Versprochen werden ein „bezahlbares Zuhause“, ein „gutes Leben“ durch Arbeit, „gute Gesundheitsversorgung“, „stabile Renten“ und eine „pünktliche Bahn und gute Mobilität“. Wie auch Grüne, Linke und BSW fordert die SPD eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro – was bei einer 40-Stunden-Woche in vielen Fällen einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 2000 Euro entspräche, was vor allem für Familien in den meisten deutschen Großstädten nicht für Miete, Krankenversicherung und tägliche Ausgaben reicht, geschweige denn für ein eigenes Auto oder Urlaub.
Vor allem aber will auch die SPD an der Schuldenbremse festhalten und sie lediglich „reformieren“. Da in den vergangenen Jahren ohnehin das 0,35-Prozentziel immer deutlich verfehlt wurde, dürfte damit in der Praxis ein „Weiter so wie bisher“ gemeint sein. Ausgaben des Staates für einen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, die Erhöhung von Renten und Arbeitseinkommen, den Bau bezahlbarer Wohnungen und Krankenhäuser konnten wir allerdings unter dem bisherigen SPD-Kanzler Scholz nicht beobachten. Etwas höhere Staatsausgaben sind zwar geplant, allerdings als „Grundbedingung dafür, dass Unternehmen in Deutschland wettbewerbsfähig bleiben können“ – somit geht es auch der SPD vor allem um die Stärkung des deutschen Kapitals.
Die SPD steht im gleichen Maße wie CDU/CSU für krasse Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen, sie fordert weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, „so lange wie nötig“. Der israelische Völkermord wird weiterhin unterstützt. Die Opfer des Genozids werden mit der verlogenen Überschrift „Wir wollen Frieden im Nahen Osten“ verhöhnt.
Während die Rede von einer „modernen Einwanderungsgesellschaft“ und einer Gesellschaft „frei von Rassismus und Diskriminierung“ ist, hat die Regierung unter der Führung der SPD in Wirklichkeit in den letzten Jahren die Repression und rassistische Diskriminierung von Muslimen und Migranten generell in beispiellosem Maße eskaliert und fordert auch in ihrem Wahlprogramm wieder „rasche und konsequente Abschiebungen“. Die SPD will eine verschärfte Überwachung der Bevölkerung durch Polizei und Geheimdienste und erklärt: „Verfassungsfeinde haben im öffentlichen Dienst keinen Platz“ – die historische Erfahrung, gerade unter SPD-geführten Bundesregierungen, zeigt, dass hier vor allem ein scharfer Kampf gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung, die Friedensbewegung und insbesondere Kommunistinnen und Kommunisten angekündigt ist, denen durch Berufsverbote die Luft zum Atmen abgeschnürt werden soll.
Die Grünen: Weltkrieg, Völkermord, Elektromobilität
Der bisherige Programmentwurf der Grünen enthält viele allgemeine Absichtserklärungen und wenig Konkretes – und trotzdem besteht kein Zweifel daran, dass auch sie sich ausschließlich am Interesse des Kapitals orientieren. Auch die Grünen wollen an der „Schuldenbremse“ festhalten und sie „modernisieren“. Staatsausgaben sollen vorrangig als „Investitionen in Klima- und Umweltschutz sowie in Verkehrs-, Energie-, Bildungs- und Forschungsinfrastruktur sowie in die nationale Sicherheit dienen“, also überwiegend günstige Bedingungen für das Kapital bieten und die Aufrüstung vorantreiben. Die Grünen begünstigen mit ihrer Steuerpolitik reiche und extrem reiche Erben: Anstelle der bisherigen „progressiven“ Erbschaftssteuer, die bei höheren Beträgen prozentual ansteigt, wollen sie oberhalb eines Freibetrags von einer Million Euro eine „Flat Tax“, also einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent, der auch bei sehr großen Erben nicht mehr höher wird. Für das Kapital sollen „gute Wettbewerbsbedingungen“ geschaffen werden, beispielsweise durch „Investitionsprämien“, mit denen Kapitalisten Geld dafür geschenkt wird, dass sie investieren, um Profite zu machen. Auch hier gilt: Wer wie die Grünen die Kapitalisten begünstigt und die Staatsschulden reduzieren will, kündigt weitere Angriffe auf die Löhne, die Renten, die Sozialausgaben, die Ausgaben für öffentliche Infrastruktur, Bildung und Gesundheit an. Auch für Klimaschutz stehen die Grünen, im Gegensatz zu ihrer Selbstdarstellung, keineswegs. Bisher wurde die Umwelt auch unter der grünen Regierungsbeteiligung ungebremst weiter verschmutzt. Ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs wird zwar versprochen, aber nicht mit Zahlen konkretisiert, geschweige denn, dass eine kostenlose Nutzung des ÖPNV in Aussicht gestellt würde. Der Klimaschutz soll weiter über den Emissionshandel laufen, sodass große Industriemonopole weiterhin Schadstoffe ausstoßen dürfen, solange sie dafür einen Abschlag auf ihre Profite akzeptieren. Die Forderung nach Ausbau der Elektromobilität (stärker als die CDU, die ein Festhalten an Verbrennermotoren will) bedeutet, unter dem Deckmantel des Umweltschutzes schlicht die Interessen bestimmter Kapitalgruppen zu vertreten, die in diese Technologien investieren.
Vor allem aber sind die Grünen die vielleicht vehementeste Stimme für mehr Rüstung und Krieg. Ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck fordert gar eine Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts, was aktuell etwa 140 Milliarden Euro pro Jahr für Waffen entspricht und knapp 30 Prozent des Bundeshaushalts 2024 gleichkommt. Unter einer grünen Außenministerin war Deutschland als einer der Hauptwaffenlieferanten an das israelische Regime am Völkermord in Gaza beteiligt. „Putins Russland“ wird im vorläufigen Wahlprogramm als „größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa“ bezeichnet und damit der Eskalationspolitik der NATO in der Ukraine bis an den Rand des Weltkriegs weiter das Wort geredet. Auch die Grünen sprechen sich für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern und damit für einen direkten Kriegseintritt aus. Die USA, die seit 1945 mit Abstand die meisten Kriege begonnen haben und auch heute an mehr Kriegen beteiligt sind als jedes andere Land, müssten hingegen „verlässlicher Verbündeter“ bleiben. Und schließlich wollen auch die Grünen einen Ausbau des autoritären Staates durch Überwachung, Vereinsverbote und Berufsverbote gegen „Extremist*innen“ sowie „konsequente“ Abschiebungen. Ausgeschmückt wird dieses zutiefst reaktionäre Programm mit Schlagworten wie „Feminismus“ oder „Antirassismus“ und mit Gendersternchen, also Dingen, die Weltoffenheit und „Fortschritt“ ausdrücken sollen und gleichzeitig das Kapital nichts kosten – doch die Grünen sind eine Partei des Kapitals und des Kriegs, eine Partei gegen die Arbeiterklasse.
Die AfD: Verherrlichung des Faschismus und Politik für das Kapital
Die „Alternative für Deutschland“ wird oft als Gegenstück zu den „demokratischen“ Parteien dargestellt – in Wirklichkeit ist sie Fleisch vom Fleische desselben Systems. In vielen Punkten muss man die Unterschiede zu den anderen Parteien mit der Lupe suchen. Die AfD will eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die einen massiven Raubzug des Kapitals gegen die Interessen der Arbeiterklasse darstellt; sie unterstützt den Völkermord in Gaza, sie hetzt gegen Muslime und die Pro-Palästina-Bewegung, sie will massenhafte Abschiebungen, in ihrer Sprache „Remigration“ – all das unterscheidet sie höchstens in Nuancen von den anderen großen Parteien.
All die Versuche, die von den Parteien der sogenannten „Mitte“ unternommen werden, um die AfD als etwas grundsätzlich anderes darzustellen, verschweigen nicht nur diese Gemeinsamkeiten, sondern auch den Klassencharakter der AfD und ihres Programms. Denn die AfD ist nicht nur eine rechtsradikale Partei, sondern zuallererst eine Partei des deutschen Kapitals. Auch sie fordert eine aggressive Politik zulasten der Arbeiterklasse und zugunsten des Kapitals: Die strikte Einhaltung der Schuldenbremse bei gleichzeitiger Senkung der Unternehmenssteuern und Entlastung der höchsten Einkommen, die auch hier vor allem einen Großangriff auf die Einkommen der Arbeiterklasse bedeuten wird. Bereits im Dezember 2023 brachte die AfD einen Antrag gegen eine Vermögenssteuer ein und will nun auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer komplett streichen. Somit steht sie für eine Steuerpolitik, die in extremem Maße Reiche und Kapitalisten begünstigen und gleichzeitig drastische Kürzungen bei den ärmsten Teilen der Arbeiterklasse vornehmen soll, etwa beim Bürgergeld, das stark gekürzt und für Ausländer ganz gestrichen werden soll. Ähnlich wie die CDU will auch die AfD Rentner durch steuerliche Anreize zur Arbeit bis zum Tod bewegen. In besonderem Maße werden die Rechte der Frauen angegriffen: Abtreibung soll weitestgehend verboten werden und mit einem „Betreuungsgehalt“ sollen Eltern – faktisch in der Regel die Frauen – dazu gedrängt werden, ihre Kinder selbst rund um die Uhr zu betreuen. Die Zunahme der Lohnarbeit von Frauen seit der Entstehung des Kapitalismus soll offensichtlich wieder zurückgefahren werden, Frauen sollen zurück an den Herd. Mit dem Gerede über einen „Trans-Gender-Hype“ und angebliche Frühsexualisierung will die AfD Hass gegen transgeschlechtliche Menschen schüren und sexuelle Aufklärung, die reaktionären Vorstellungen widerspricht, verhindern. Unterschiede zu den meisten anderen Parteien bestehen darin, dass die AfD Ausgaben für Klima- und Umweltschutz weitestgehend streichen will und vor allem, dass sie den Austritt Deutschlands aus dem Euro fordert. Der Euro ist in der Tat ein reaktionäres Konstrukt, das letztlich nur Industrie, Banken und Versicherungen nützt und auf vielfältige Weise die Verarmung der breiten Masse der Völker Europas vorangetrieben hat – durch den Zwang zur staatlichen Haushaltsdisziplin in den EU-Verträgen, durch die Austeritätspolitik der EU in den Jahren nach 2010 und eine Deindustrialisierung in den meisten Ländern. Doch der Austritt aus dem Euro, wie ihn die AfD fordert, ist keineswegs eine „fortschrittliche“ Forderung im Sinne der Arbeiterklasse – die wirtschaftlichen Kosten einer solchen Anpassung würden nach dem Programm der AfD allein von der Arbeiterklasse und den Volksschichten getragen werden, während dem Kapital weitere Steuergeschenke gemacht werden würden, um es in Deutschland zu halten.
Auch die Position der AfD zum Krieg in der Ukraine sollte nicht mit einer Antikriegsposition verwechselt werden: Dahinter steht die Vorstellung eines eigenständigeren, von NATO und EU unabhängigeren deutschen Imperialismus, der seine expansiven Interessen auch im stärkeren Konflikt mit anderen westlichen Staaten verfolgt und deshalb eine Übereinkunft mit Russland braucht. In anderen Kriegen wie beispielsweise beim Genozid in Palästina gehört die AfD zu den fanatischsten Kriegstreibern. Und auch wenn ein Ende der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine natürlich zu begrüßen wäre, bedeutet eine geostrategische Umorientierung des deutschen Kapitals keinen Frieden, sondern neue Konflikte entlang neuer Achsen.
Den Fokus darauf zu legen, in wessen Interesse das AfD-Programm ist und in wessen nicht, ist unbedingt notwendig, um den Teil der Arbeiterklasse, der diese Partei wählt oder mit ihr sympathisiert, den Fängen der AfD zu entreißen. Gleichzeitig zeigt das Programm, dass es keineswegs einen Graben zwischen der AfD und den „demokratischen“ Parteien gibt, sondern sie alle letztlich Politik für das Kapital machen.
Natürlich stimmt es, dass die AfD, anders als ihre Rivalen, immer wieder offen positive Bezüge auf den deutschen Faschismus geäußert hat und offene Faschisten und Nazis in dieser Partei nicht nur toleriert sind, sondern auch eine führende Rolle spielen. Die Unterschiede zwischen den vermeintlich „gemäßigten“ Rechtskonservativen wie Alexander Gauland oder Alice Weidel einerseits und offenen Faschisten wie Björn Höcke sind in Wirklichkeit fließend. Mit einer AfD-Regierung würden die Rechte der Migrantinnen und Migranten massiv weiter eingeschränkt, Repressionen gegen jeden Widerstand würden verschärft und militante Neonazis könnten ihre Verbrechen vermutlich noch häufiger straffrei verüben. Und doch ist die grundsätzliche Ausrichtung – Umverteilung zugunsten des Kapitals, Ausbau des Polizeistaats, Massenabschiebungen, Krieg – die Gleiche wie bei Grünen, SPD, CDU/CSU oder FDP. Auch die moralische Empörung der „Demokraten“ über die Anleihen der AfD bei Hitler und der NSDAP kann niemand ernst nehmen, wenn gleichzeitig all diese Parteien militante Neonazis in der Ukraine bewaffnen und das rechtsradikale israelische Regime bei seinem Genozid unterstützen.
Die FDP: Mehr Geld für Milliardäre und mehr Krieg
Aufgrund der aktuell schwindenden Relevanz der FDP beschäftigen wir uns mit ihr nur kurz. Im Mittelpunkt des FDP-Wahlkampfes steht die Ablehnung von Neuverschuldungen, also die strikte Einhaltung der Schuldenbremse – dies war bereits der Anlass für das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition, da SPD und Grüne angesichts der Krise eine Überschreitung der Schuldengrenze für unvermeidlich hielten. Gleichzeitig will auch die FDP in gewaltigem Ausmaß die Besteuerung von Unternehmern und Reichen streichen und die somit entstehenden riesigen Löcher im Staatshaushalt durch Streichungen bei Sozialleistungen und öffentlichen Ausgaben für Soziales, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur ausgleichen. Auch die FDP steht in ihrer Regierungszeit für die Beteiligung an schwersten Verbrechen in Gaza und die Vorbereitungen auf den Krieg. Auch sie will Taurus-Marschflugkörper auf Russland abschießen lassen.
Die Linke: Sozialdemokratischer Sand in die Augen der Massen
Um die „Linkspartei“, die zeitweise deutlich unter der Fünfprozenthürde lag, wurde in den letzten Monaten in Teilen des linken Spektrums wieder ein gewisser Hype geschaffen: Sie soll Hoffnungsträger gegen den Rechtsruck sein. Doch wofür steht die Partei? Sie verspricht, für ein „sicheres Einkommen“ zu kämpfen, für „friedliche Konfliktlösungen“, einen bundesweiten Mietendeckel, die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, höhere Renten, ein Ende der „Zwei-Klassen-Medizin“ und eine Abschaffung der Schuldenbremse. Sie kritisiert die Aufrüstung, und als einzige der großen Parteien fordert sie ein „Recht auf Asyl“ und spricht nicht von Massenabschiebungen. In der Vergangenheit stellten Bundestagsabgeordnete der Linkspartei außerdem immer wieder sogenannte Kleine Anfragen an die Bundesregierung und bewirkten, dass diese bestimmte Informationen, etwa zu Waffenexporten und Rüstungskooperationen, Bundeswehreinsätzen und Seenotrettung, überhaupt erst zur Verfügung stellte. Auch die Linke fordert nur einen Mindestlohn von 15 Euro und damit faktisch ein Leben in Armut für viele Familien. Viele dieser Punkte bewegen aber immer noch, trotz der tiefen Krise der Partei, viele links denkende Menschen in Deutschland dazu, ihr Kreuz bei der „Linken“ zu machen, zumindest als geringeres Übel.
Säßen wir im Bundestag, dann würden natürlich auch wir für ein einheitliches Krankenkassensystem, eine Erhöhung der Renten oder eine gesetzliche Obergrenze für Mieten stimmen. Auch die Abschaffung der Schuldenbremse würden wir selbstverständlich unterstützen – nicht, um wie die bürgerlichen Parteien umfangreiche Konjunkturprogramme oder Geschenke an das Kapital machen zu können, sondern um mehr Ausgaben im Interesse der Arbeiterklasse, für höhere Sozialleistungen, Bildung, Gesundheit oder Kultur besser durchsetzen zu können. Doch wir können nicht die Rolle der Partei anhand einzelner Forderungen beurteilen, die im Interesse der Arbeiterklasse sind. Denn bei den Wahlen stimmen wir nicht für oder gegen einzelne Forderungen, sondern wir geben unsere Stimme einer Partei bzw. ihren Kandidaten.
Und das größere Bild zeigt: Der „demokratische Sozialismus“ der Linkspartei ist und war nie etwas anderes als ein beschönigender Anstrich für die Barbarei der kapitalistischen Ausbeutung. Er will den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern menschenfreundlicher gestalten, was unmöglich ist – er ist also kein Sozialismus, sondern Reformismus. Die Behauptung, auf der Seite der Unterdrückten und der Arbeiterklasse zu stehen, ist eine glatte Lüge – wer den Hühnern nur einen größeren Käfig und ein schmerzfreieres Schlachten verspricht, damit sie nicht auf den Gedanken kommen, aus dem Käfig zu fliehen, der steht nicht auf der Seite der Hühner, sondern auf der des Metzgers.
Überall, wo die Linkspartei bisher an Landesregierungen beteiligt war, hat sie die volksfeindliche Politik des Kapitals mit umgesetzt und vorangetrieben: Ob in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Thüringen oder Bremen, sie setzte Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst und Privatisierungen des sozialen Wohnungsbaus durch, führte Massenabschiebungen, die Beobachtung linker Gruppen durch den Geheimdienst und andere Angriffe auf die Arbeiterklasse durch. All das sind keine Ausnahmen oder Abweichungen von ihrem eigentlichen Charakter und liegen auch nicht am bösen Willen der Politiker – selbst wenn sie gute Absichten hätten, wären sie als Teil einer Regierung des bürgerlichen Staates gezwungen, Politik für die herrschende Klasse zu machen. Die Orientierung auf Regierungsbeteiligungen innerhalb des Kapitalismus ist bereits an und für sich eine Garantie dafür, dass eine Partei Politik gegen die Arbeiterklasse machen wird.
Auch die Linkspartei ist trotz ihrer Friedensrhetorik Teil der imperialistischen Kriegspolitik: Zwar lehnt sie dem Wort nach Waffenlieferungen in die Ukraine ab, betont aber das „Selbstverteidigungsrecht der Ukraine“, womit selbstverständlich nicht das ukrainische Volk gemeint ist, sondern das von Selenskyj geführte Regime, und spricht sich für Sanktionen gegen Russland aus. Sie befindet sich damit letzten Endes immer noch auf der Argumentationslinie der NATO, wonach es in diesem imperialistischen Krieg eine „gute“ und eine „schlechte“ Seite gebe. Es sollte daher niemanden wundern, dass die Abgeordnete Carola Rackete im EU-Parlament im September dafür stimmte, alle Beschränkungen für den Einsatz von NATO-Waffen gegen Russland aufzuheben und sich für eine massive Ausweitung der Waffenlieferungen und der deutschen Beteiligung am imperialistischen Krieg aussprach. Der Abgeordnete Martin Schirdewan war sich wohl unsicher, ob er einen dritten Weltkrieg gut oder schlecht fände, und enthielt sich daher bei der Abstimmung. Den von Israel, der Türkei und den USA mit dem Ziel der Neuaufteilung Syriens vorangetriebenen dschihadistischen Umsturz bezeichnet die Linkspartei als „Signal der Hoffnung“. Kritik am Abschlachten des palästinensischen Volkes in Gaza sind nur Lippenbekenntnisse. Sie weigert sich, von einem Völkermord zu sprechen, setzt den palästinensischen Widerstand mit der genozidalen Besatzungsmacht gleich und hat sich bei der Abstimmung im Bundestag über die reaktionäre und antidemokratische „Antisemitismus-Resolution“, mit der jede Kritik an Israel mundtot gemacht werden soll und die eine drastische Verschärfung des Autoritarismus darstellt, enthalten. Kritik an der autoritären Entwicklung der BRD und am seit Oktober 2023 staatlich und medial organisierten Rassismus gegen die Pro-Palästina-Bewegung sucht man bei der „Linken“ vergeblich.
Die Linkspartei ist keine Antikriegspartei und keine Partei an der Seite der Armen, der Migranten, der Arbeiterklasse. Sie steht nicht gegen den Rechtsruck, sie ist der moderate Flügel des Rechtsrucks. Und der Rechtsruck lässt sich deshalb von den Herrschenden umsetzen, weil die bürgerliche Politik ihre verschiedenen Flügel hat, die sich gegenseitig ergänzen, die Illusion von Wahlfreiheit erzeugen – und am Ende doch an einem Strang ziehen.
BSW: Die Illusion des friedlichen und sozialen Kapitalismus
Auch das „Bündnis Sahra Wagenknecht“, bekanntlich eine Abspaltung von der Linkspartei, verspricht in einigen Punkten Verbesserungen für die Arbeiterklasse: Die Stärkung der Tarifbindung, Erhöhungen der Rente und eine Abschaffung der sogenannten „Zwei-Klassen-Medizin“ mit privaten und öffentlichen Krankenkassen, mehr Geld für die Bildung und einen Stopp der Militarisierung der Schulen und Unis. Außerdem bezeichnet die Partei sich als „einzige konsequente Friedenspartei im Deutschen Bundestag“, lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine und nach Israel, die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen und Atomwaffen in Deutschland, Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO ab. Anders als etwa die Linkspartei lehnt das BSW auch die versteckte Kriegführung in Form von Wirtschaftssanktionen gegen außenpolitische Rivalen wie Russland ab.
Andere Forderungen sind hingegen ein direkter Angriff auf die Arbeiterklasse: Das Bürgergeld soll umbenannt werden, allerdings sagt das Programm nichts darüber aus, ob und wie weit es erhöht werden soll. Das mit den Hartz-Gesetzen eingeführte Sanktionsregime gegen Arbeitslose, die zur Annahme fast jeder Arbeit gezwungen werden sollen, befürwortet das BSW. Bei der Erbschaftssteuer vertritt das BSW mit derselben Forderung wie die Grünen (gleiche Besteuerung aller Erbschaften oberhalb eines Freibetrags) vor allem die Interessen von großen Erben, für die der Steuersatz dann auch bei riesigen vererbten Summen nicht mehr weiter ansteigen würde. Außerdem bekennt das BSW sich dem Wort nach zwar zum „Klimaschutz“, will diesen aber der Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals unterordnen („Abkehr vom Wunschdenken einer schnell erreichbaren völligen Klimaneutralität“). Dafür wird auch vom BSW der umweltfeindliche Emissionshandel grundsätzlich befürwortet und außerdem im Interesse der großen deutschen Automobilmonopole die weitere Förderung des Verbrennermotors gefordert. Die „Lösung“ des Klimawandels soll im Wesentlichen einfach durch neue Technologien erfolgen – das alte verlogene Versprechen des Kapitalismus, das bisher nur zu immer katastrophaleren Umweltzerstörungen geführt hat. Und schließlich will auch das BSW nur 15 Euro Mindestlohn.
Doch auch die Forderungen, die für sich genommen im Interesse der Arbeiterklasse wären, vertritt das BSW eben nicht als Teil einer kämpfenden Arbeiterbewegung, sondern im Rahmen einer Politik der Almosen und der Stabilisierung des kapitalistischen Systems. Sein Standpunkt ist nicht der der Arbeiterklasse, sondern der des mittelgroßen Kapitals, das eine verbesserte Verhandlungsposition gegenüber den großen Monopolen anstrebt, ohne das System des Monopolkapitalismus infrage zu stellen (was auch unmöglich wäre, ohne den Kapitalismus als solchen zu überwinden). Deshalb fordert das BSW staatliche Ausgaben zur Förderung der Industrie und die Besteuerung der größten Kapitalisten – nicht aber die kleineren und mittleren Unternehmen. Auch eine Finanztransaktionssteuer und eine Vermögenssteuer will das BSW, aber erst ab Vermögen von vielen Millionen Euro.
Die Friedensrhetorik des BSW unterscheidet sich zwar deutlich vom immer lauteren Kriegsgetrommel der meisten anderen Parteien, sollte aber nicht mit einer antiimperialistischen Position verwechselt werden. Die imperialistische Weltordnung stellt das BSW keineswegs infrage, und auch die Mitgliedschaft Deutschlands in der EU und NATO werden grundsätzlich befürwortet, verbunden mit der illusionären Forderung nach einer „Friedensmacht“ EU, was den Charakter der EU als imperialistischer Konstruktion des Kapitals unterschlägt und dazu beiträgt, die Friedensbewegung ideologisch zu entwaffnen und in systemkonforme Bahnen zu lenken.
Es wird über den „Autoritarismus der Corona-Zeit“ und gegen Impfzwang gewettert, jedoch kein Wort dazu verloren, dass der bürgerliche Staat bewusst Zehntausende Tote in Kauf genommen hat, um die Profite des Kapitals zu schützen. Damit bedient das BSW gleichzeitig die Interessen der Kapitalisten und dient sich opportunistisch gewissen wissenschaftsfeindlichen Diskursen innerhalb ihrer Wählerschaft an. Das autoritäre Vorgehen des Staates gegen die pro-palästinensische Bewegung, das nicht nur sehr viel brutaler, sondern auch mit Sicherheit dauerhafter ist, wird hingegen mit keinem Wort erwähnt. Überhaupt ist das BSW nicht gegen einen repressiven bürgerlichen Staat: Es fordert den Ausbau der Polizei und eine „sichtbare Polizeipräsenz auf Straßen und öffentlichen Plätzen“. Und schließlich will die Partei „unkontrollierte Migration stoppen“, so als wäre das Migrationsregime aktuell „unkontrolliert“ und nicht vielmehr hochgradig vom Staat reguliert und repressiv durchgesetzt. Das BSW bringt in rassistischer und sachlich falscher Weise die Migration mit „einem weit überproportionalen Anstieg von Messerkriminalität, Sexualdelikten und religiös motiviertem Terrorismus“ in Verbindung und schürt damit gezielt die rassistische Spaltung der Arbeiterklasse.
Das BSW ist ebenso wie die „Die Linke“ eine bürgerliche Partei, die auf Mitregieren im Kapitalismus aus ist. Auch das BSW wird sich den Erfordernissen des Kapitals unterordnen und in der Regierung alle Forderungen streichen, an denen die Kapitalisten kein Interesse haben. Auch das Programm selbst deutet dies schon an: Das BSW fordert zwar höhere Ausgaben für Soziales, Gesundheit, Bildung und öffentliche Infrastruktur, es will aber auch die Schuldenbremse nur „reformieren“, also in nicht näher ausgeführtem Maße lockern, aber grundsätzlich beibehalten. Das BSW steht, hier vergleichbar mit der AfD, für eine gewisse außenpolitische Umorientierung, jedoch keineswegs für einen Bruch mit den kapitalistischen gesellschaftlichen Grundlagen, die Kriege hervorbringen. Es will das staatliche Arsenal an Repressionsmitteln aufrüsten, um den Widerstand der Arbeiterklasse effektiver brechen zu können. Auch das BSW muss daher als politischer Gegner bekämpft, sein Einfluss auf die Arbeiterklasse gebrochen werden.
Was wäre die Rolle einer kommunistischen Partei bei den Bundestagswahlen?
Viele links denkende Menschen sind angesichts des allgemeinen Rechtsrucks, der rassistischen Hetze des BSW und der zunehmenden Entlarvung der „Linkspartei“ als bürgerlicher Partei, die auch zu einem Völkermord im Wesentlichen geschwiegen hat, auf der Suche nach einer Alternative auf dem Wahlzettel. Wir verstehen ihr Anliegen und bedauern sehr, zu diesem Zeitpunkt eine solche Alternative nicht selbst anbieten zu können – in Gestalt einer klassenkämpferischen kommunistischen Partei, die den kapitalistischen Politikbetrieb schonungslos entlarvt und Wahlkampf und Parlament als Bühne des Klassenkampfes nutzt, anstatt als Mittel zum Mitmachen im kapitalistischen System.
Als eine solche Partei würden wir den Kampf um höhere Löhne und Renten, für das Verbot von Leiharbeit, um bezahlbares Wohnen, ausreichende Kinderbetreuung, ein einheitliches, vollständig kostenloses und ausschließlich öffentliches Bildungssystem für alle, das Verbot privater Krankenversicherungen und ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser, für kostenlosen und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, für Maßnahmen zum Umwelt-, Klima- und Katastrophenschutz und weitere Punkte in den Vordergrund stellen und breit dazu einladen, mit uns dafür zu kämpfen. Wir würden zugleich in klaren Worten vermitteln, dass jede unserer Forderungen nur im härtesten Kampf der organisierten Arbeiterklasse erkämpft werden kann und selbst dann ständig dadurch bedroht sein wird, dass die Krisen des Systems jede Kompromissbereitschaft des Kapitals regelmäßig wieder einengen.
Wir würden für den Austritt aus der NATO und für den Stopp aller Rüstungsexporte kämpfen und die Verwicklung der BRD in den palästinensischen Genozid, den Vernichtungskrieg Saudi-Arabiens im Jemen, die Zerstückelung Syriens, die militärischen Überfälle der Türkei auf das kurdische Volk und weitere Verbrechen schonungslos entlarven. Wir würden insbesondere keinen Zweifel daran lassen, dass wir als Gegner dieses Systems antreten und uns unter keinen Umständen an seiner Verwaltung in Form einer Regierung beteiligen oder mit den Parteien dieses Systems zusammenarbeiten werden. Eine Stimme für die KP wäre eine Stimme gegen das Kapital, zur Stärkung der Bewegung, die den Sozialismus erkämpfen wird.
Warum keine der „linken Kleinparteien“ wählen?
Nun positionieren sich allerdings verschiedene andere kleine Parteien links von den großen und werben um die Stimmen linker Wählerinnen und Wähler. Auch diese Parteien dürfen wir nicht nur daran messen, was sie versprechen, sondern auch daran, was sie tun und wie ihre Haltung zur Herrschaft des Kapitals ist.
Da wäre zum einen MERA25, die Partei des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis. Wir haben uns an anderer Stelle zu dieser Partei bereits geäußert. Es handelt sich um eine sozialdemokratische, also bürgerliche Partei, die sich zwar deutlich „linker“ positioniert als Linkspartei und BSW, indem sie beispielsweise den Genozid in Palästina klar benennt und ablehnt, aber dennoch nicht über den Rahmen des kapitalistischen Systems hinausgehen will. Ihre Galionsfigur Varoufakis hat als Finanzminister die politische Linie der Verhandlungen mit EU und den Institutionen des Kapitals monatelang mitgetragen, die das griechische Volk schließlich zu noch mehr Elend und Verarmung verdammt hat. Wer verstanden hat, dass die reaktionäre Politik der Herrschenden nicht einfach auf die Entscheidung einzelner „rechter Politiker“ zurückzuführen ist, sondern der Logik des kapitalistischen Systems folgt, sollte dieser Partei keine Stimme geben. Im Gegenteil agieren solche Parteien immer als nützliches Instrument der Herrschenden und können bei Bedarf eingesetzt werden, um den Aufschwung einer Bewegung gegen das Kapital einzuhegen.
Weiter links kandidiert die sogenannte Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands. Die MLPD gibt vor, den Kapitalismus zu bekämpfen und revolutionär stürzen zu wollen. Doch ihre Praxis zeigt etwas anderes. Mit fragwürdigen Parolen wie „Neue Politiker braucht das Land“ verbreitet sie zum Teil Illusionen darüber, dass die Wahl der MLPD etwas an den Machtverhältnissen im Kapitalismus ändern könnte. Passend zu diesem in Worten „revolutionären“, in der Praxis aber reformistischen Kurs hat die MLPD nun eine „Neue Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg“ ausgerufen, die appelliert: „Antifaschistische Kräfte, die in einem Wahlkreis, in einem Bundesland oder überhaupt nicht selbst kandidieren, sollen zur Wahl anderer Antifaschistinnen und Antifaschisten aufrufen!“ Zu den unterstützenswerten „antifaschistischen“ Parteien zählt die MLPD die Linkspartei, MERA25 und die Piratenpartei. Auch für die MLPD liefert der Kampf gegen den „Faschismus“ nun den Vorwand, endgültig ihren Frieden mit dem bürgerlichen Staat und den Parteien des Kapitals zu machen. Vor allem aber ist es ihr feindseliges Verhältnis zum Sozialismus, der historisch erkämpft wurde, der diese Partei disqualifiziert. Die MLPD hält steif an der unwissenschaftlichen Theorie des „bürokratischen Kapitalismus“ in der Sowjetunion fest, der sich angeblich nach Stalins Tod durchgesetzt hätte. Damit behindert sie nicht nur eine wirkliche Aufarbeitung der Fehler, die beim Aufbau des Sozialismus gemacht wurden und zur Wiederherstellung des Kapitalismus Ende der 80er Jahre beigetragen haben. Sie entfernt sich auch von den Millionen Ostdeutschen, die in der DDR Erfahrungen mit einer sozialistischen Gesellschaft gemacht haben, und macht es unmöglich, diese Erfahrungen für einen erneuten Kampf um den Sozialismus fruchtbar zu nutzen. Sie zeigt schließlich auch, dass sie weder verstanden hat, was Kapitalismus ist, noch was Sozialismus ist. Ein Kampf für eine sozialistische Gesellschaft ist unter diesen Voraussetzungen und mit dieser Partei nicht möglich.
Schließlich treten die „Revolutionäre Internationalistische Organisation“ (RIO) und die „Revolutionär Sozialistische Organisation“ (RSO) mit einer gemeinsamen 14-Punkte-Liste an. Es handelt sich um zwei trotzkistische, also an Leo Trotzki orientierte Gruppen, an denen wir ebenfalls grundsätzlich ihr Verhältnis zum Sozialismus kritisieren: Statt den Sozialismus gegen die Verfälschungen und Lügen der Herrschenden zu verteidigen, was einer gründlichen Kritik an seinen Fehlern ja keineswegs widerspricht, biedern sie sich der antikommunistischen Propaganda an und sprechen, im gleichen Wortlaut wie die Bundeszentrale für politische Bildung und andere Propagandaorgane des Staates, von einem „stalinistischen totalitären System“. Antikommunismus, auch wenn er sich „revolutionär“ und „kommunistisch“ gibt, kann nicht der Ausgangspunkt für einen erneuten Kampf für den Sozialismus sein. Doch auch abgesehen davon ist die Plattform von RIO und RSO opportunistisch und keineswegs Teil einer revolutionären Strategie: Eine Aufzählung einzelner Forderungen, so richtig manche von ihnen sein mögen, ist nicht das gleiche, wie den Wahlkampf für die Schaffung von Klassenbewusstsein und zur Entlarvung des bürgerlichen Staates zu nutzen. Eine Aussage über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs findet man in der 14-Punkte-Liste nicht, lediglich die Forderung nach einer „Regierung der Arbeiter:innen“ – als ob es möglich wäre, durch Wahlen im Kapitalismus eine Regierung der Arbeiterklasse zu erreichen. Dazu passen auch illusorische Punkte wie die Übergabe von Betrieben in die Hände der Beschäftigten, was im Kapitalismus nichts anderes bedeutet, als dass die Belegschaft dann selbst darüber entscheiden muss, die eigenen Löhne zu kürzen, um konkurrenzfähig zu bleiben, oder die Forderungen nach Entwaffnung der Polizei und Auflösung des Verfassungsschutzes, so als wäre es in einer kapitalistischen Gesellschaft möglich, Polizei oder Geheimdienste abzuschaffen
Auch in der Praxis zeigen RIO und RSO jetzt schon ihren Opportunismus und ihre Anbiederung an den Liberalismus. Bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag Anfang Januar legten sie einen einseitigen Fokus auf die AfD als angeblich größeres Übel im Vergleich zu den „demokratischen“ Parteien. Sie kritisierten andere Linke, die sich auf die Teilnahme an der Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demo am selben Wochenende konzentrierten. Man müsse nun eine „gesellschaftliche Bewegung gegen rechts“ aufbauen, wobei mit „rechts“ offensichtlich nicht die reaktionäre Entwicklung des bürgerlichen Systems insgesamt gemeint ist, sondern in erster Linie die AfD. Zwar werden auch die anderen Parteien teilweise für ihre arbeiterfeindliche Politik und Kriegstreiberei kritisiert, aber daraus wird nicht der Schluss gezogen, dass der Kampf gegen sie mindestens genauso vehement geführt werden muss wie gegen die AfD. Stattdessen hört man von RIO völlig illusorische Aussagen, beispielsweise: „Lasst uns die AfD, wie heute, nicht mehr in Ruhe lassen, damit niemand mehr auf der Flucht stirbt oder abgeschoben wird.“ Als würden nicht völlig unabhängig von der AfD Tausende Menschen auf der Flucht sterben und abgeschoben werden, und als müsste man nur wieder SPD oder Grüne wählen, um das Massensterben an den EU-Außengrenzen zu beenden. Die Frage, wie der Kampf gegen die AfD im Verhältnis zum Kampf für den Sozialismus zu stellen ist, stellt aber eine der zentralen strategischen Fragestellungen in der jetzigen Situation dar. Auch mit diesen Gruppen ist ein konsequenter Kampf gegen den Kapitalismus also nicht zu haben, weswegen wir es für falsch halten, sie bei den Wahlen zu unterstützen.
Alle zusammen gegen die AfD?
Dass die AfD bei diesen Wahlen nun die große Gefahr sei und es vor allem darauf ankomme, ihre Stärkung zu verhindern, ist ein Mantra, das uns nicht nur von linken Gruppen, sondern auch von den herrschenden Parteien und ihnen nahestehenden Medien ständig weisgemacht wird. Das Muster ist aus anderen Ländern bekannt: Macron wählen, um Le Pen zu verhindern; Harris wählen, um Trump zu verhindern; oder, aus der deutschen Geschichte, Hindenburg wählen, um Hitler zu verhindern – mit dem Ergebnis, dass Hindenburg die Wahl gewann und Hitler zum Reichskanzler ernannte.
Diese Logik des vermeintlich „kleineren Übels“ lehnen wir vehement ab – denn nicht nur kann bezweifelt werden, ob die Ampel-Parteien mit ihren Weltkriegsvorbereitungen ein „kleineres Übel“ sind, die Logik ist auch grundsätzlich falsch. Denn sie vergisst, dass das Gesamtübel der Kapitalismus ist, der all die kleinen und großen Einzel-Übel zwangsläufig und unabhängig von der Farbe der Regierungspartei ständig hervorbringt. Sie vergisst, dass das kapitalistische politische System die verschiedenen Schattierungen und die vermeintliche „demokratische Vielfalt“ braucht, um zu funktionieren, und dass auch die „linken“ Parteien, solange sie nicht das System als solches bekämpfen, zu seiner Stabilität beitragen. Diese Logik vergisst auch, dass die Zusammenarbeit mit den „demokratischen“ bürgerlichen Parteien und das gemeinsame Auftreten mit ihnen gegen die AfD einen wirklichen klassenkämpferischen Widerstand gegen die AfD gerade behindert – indem es die Kommunisten als Teil des „Establishments“ erscheinen lässt und es der AfD weiterhin erlaubt, sich als einzige Opposition zu inszenieren.
All das bedeutet nicht, die Gefahr durch die AfD kleinzureden oder auf den Kampf gegen sie zu verzichten. Wie oben gezeigt wurde, ist die AfD eine zutiefst reaktionäre und arbeiterfeindliche Partei mit zumindest faschistischen Elementen. Den Kampf gegen sie und ihre Ideologie müssen wir unbedingt führen – gemeinsam, mit Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, in den Schulen und Universitäten, in der Nachbarschaft, in der eigenen Familie und im Freundeskreis. Das gelingt aber nur, wenn der Kampf gegen Reaktion und Faschismus unzertrennlich damit verbunden ist, die Macht der Kapitalisten und alle ihre Parteien, die das Monstrum AfD erst hervorgebracht haben, unermüdlich anzugreifen, ihnen die „demokratischen“, „antifaschistischen“ Masken herunterzureißen.
Verschenken wir unsere Stimme, wenn wir aufs Wählen verzichten?
Verzichten wir also freiwillig auf das kleine bisschen Einflussnahme, das der bürgerliche Parlamentarismus uns lässt, wenn wir unseren Wahlzettel ungültig machen? Ist das eine „sektiererische“ Haltung, wie uns einige vorwerfen werden? Auch diese Logik ist grundfalsch. Einflussnahme kann nicht vom Inhalt getrennt werden. Wir können nicht die Politik im Sinne der Arbeiterklasse „beeinflussen“, wenn keine Partei auf dem Wahlzettel den eigenständigen Standpunkt der Arbeiterklasse repräsentiert. Die Wahl des vermeintlich kleineren Übels bedeutet nur, dass wir denjenigen Legitimation verschaffen, die uns nach dem Wahltag als neue Regierung zertrampeln oder als Opposition in die Irre führen werden. Sie hindert uns daran, unseren eigenen Kampf gegen die herrschende Politik konsequent zu führen – denn wir können den Gegner nicht glaubwürdig angreifen, wenn wir ihn auf anderem Weg weiter unterstützen.
Wir sind nicht gegen die Beteiligung an Wahlen, sondern streben sie im Gegenteil an, wo sie nützlich ist, um dem Kommunismus mehr öffentliche Präsenz zu verschaffen und das herrschende System zu entlarven. Wir machen gleichzeitig klar, dass wir unter Demokratie etwas ganz anderes verstehen: Nicht das Kreuz alle vier Jahre, um zwischen verschiedenen Varianten der kapitalistischen Politik zu wählen, sondern ein Staat unter der Herrschaft des arbeitenden Volkes, unter massenhafter aktiver Einbeziehung der Massen in die Politik und auf der Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums an den Betrieben. Solange das Kapital die ökonomische Macht hat, wird es auch die politische Macht haben, und daran ändern auch Wahlen, Volksentscheide, Bürger- und Stadtteilräte nicht das geringste. Die neue Gesellschaft, der Sozialismus, wird hingegen nicht durch Wahlen erkämpft, sondern nur durch den revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus. Viel wichtiger sind heute die Stärkung der Gewerkschaften, das Ringen um einen klassenkämpferischen Kurs in ihnen sowie die Kämpfe für bessere Löhne, für die Einheit und Solidarität der Arbeiterklasse, gegen Kriegseinsätze, gegen die Militarisierung der Gesellschaft und letztlich für das Leben, das wir verdienen, aber im Kapitalismus nie bekommen werden.