Drei Jahre imperialistischer Krieg: Die Ukraine als Spielball der Großmächte

Von Rudy Vermelho

Pünktlich zum dritten Jahrestag der großangelegten russischen Invasion der Ukraine und damit der Ausweitung des seit 2014 schwelenden Bürgerkrieges ist ein Ende in Sicht – und spätestens jetzt offenbaren sich die wahren Ziele der Kriegstreiber.

Noch geht der Krieg zwischen dem russischen Imperialismus auf der einen und dem NATO-Block auf der anderen Seite – ausgetragen vor allem auf dem Rücken der russischen und ukrainischen Arbeiterklasse – jedoch weiter. Ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung befindet sich auf der Flucht und fast 13 Millionen Menschen brauchen unmittelbare humanitäre Hilfe.i Der Hohe Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen schätzt die Zahl der seit Februar 2022 in der Ukraine getöteten Zivilisten auf 12.600, hinzu kommen mindestens 400 getötete Zivilisten in Russland. Während die Toten in der Ukraine teilweise auf den russischen Terror gegen die zivile Energieinfrastruktur, teilweise auf späte oder nicht erfolgte Evakuierungen durch beide Seiten nahe der Front, vor allem im ersten Kriegsjahr, zurückzuführen sind, gehen die Toten in Russland hauptsächlich auf das Konto ukrainischer Terrorangriffe auf russische Städte mit Hilfe weitreichender NATO-Waffen, insbesondere auf Belgorod.ii

Noch schlimmer als die Lage der Zivilbevölkerung ist die Lage der Soldaten an der Front. Verlässliche Zahlen sind, wie üblich, im Nebel zwischen Staatsgeheimnis und beidseitiger Propaganda schwer zu finden. Medienunternehmen wie beispielsweise „Mediazona“ sind zwar nicht unabhängig und verfolgen politische Ziele, liefern aber durch ihre Methodik in der Erfassung überprüfbare Zahlen, die Anhaltspunkte jenseits der offiziellen Propagandaerzählung geben. So können wir wohl von zusammengenommen mindestens 200.000 Gefallenen auf beiden Seiten ausgehen, vermutlich sind die Verluste jedoch höher. Und jeden Monat, den das Gemetzel weitergeht, kommen Tausende dazu.iii

Die militärische Situation der Ukraine verschlechtert sich zunehmend, sodass inzwischen selbst die deutschen Leitmedien ihre Erzählung des ukrainischen Endsieges nicht aufrechterhalten können, ohne auch den kleinen Rest ihrer noch verbliebenen Glaubwürdigkeit zu verlieren. Dazu trägt auch bei, dass die neue US-Administration sich kaum noch Mühe gibt, die Wahrheit über die Lage zu verschleiern, und die Linie der EU offen unterminiert. Uneinigkeit herrscht aber zunehmend auch innerhalb der EU, wo Persönlichkeiten wie der slowakische Ministerpräsident Robert Fico öffentlich aus der Reihe tanzen und das bisherige Narrativ infrage stellen. So äußerte er beispielsweise in einem Interview mit Radio Slovensko, die Ukraine sei kein souveräner Staat und stehe unter direkter Kontrolle der USA.iv Im zusehends eskalierenden Gasstreit zwischen der Slowakei und der Ukraine droht er, von seinem Veto-Recht in der EU Gebrauch zu machen und die Kriegsfinanzierung zu stoppen.v Diese Uneinigkeit ist kein Wunder, denn hier stehen nicht nur verschiedene Kapitalinteressen gegeneinander, sondern die Lage ist auch militärisch aussichtslos. Während die russische Armee stetig vorrückt und kurz davor ist, die Grenze zum Oblast Dnepropetrowsk zu erreichen, leidet die ukrainische Armee unter enormem Rekrutenmangel. Sogenannte „Fleischfänger“ des TCC, der Mobilisierungsbehörde der Ukraine, entführen Arbeiter auf offener Straße und schicken sie nach einer Minimalausbildung an die Front. Die Verzweiflung Vieler führt zu zahlreichen Fällen individueller Gegengewalt und Angriffen auf die zutiefst unbeliebten „Fleischfänger“, wobei es auch zu Todesfällen kam.vi Die Moral an der Front hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Bis zu 20 Prozent der Soldaten haben ihre Positionen unerlaubt verlassen oder sind desertiert.vii Eine besondere Episode, die Aufsehen erregt hat, ist der Fall der 155. Brigade der Ukraine. Diese wurde als vollständig durch westliche Waffen – unter anderem auch deutsche Leopard 2A4-Panzer – ausgerüstete Elitebrigade gegründet und in Frankreich ausgebildet. Schon während der Ausbildung desertierten Dutzende. Als die frische Brigade dann an die Front nach Pokrowsk verlegt werden sollte, waren 30 Prozent der Soldaten bereits desertiert und die Brigade zerfallen, bevor ein einziger Schuss abgegeben werden konnte.viii Schon lange kann die Ukraine ihre Reihen nicht mehr mit Freiwilligen füllen und offensichtlich sind die zwangsrekrutierten Arbeiter nicht länger bereit, ihr Leben in einem aussichtslosen Krieg, der nicht in ihrem Interesse ist, aufs Spiel zu setzen. Zahlreiche junge Männer ertrinken bei dem Versuch, der Kriegsmaschinerie zu entkommen und die Grenze nach Rumänien zu überqueren in der Theiß.

Angesichts der drohenden Niederlage auf dem Schlachtfeld setzt die neue Regierung der USA unter Trump nun auf Verhandlungen mit Russland. Die versprochenen 24 Stunden, nach denen Trump den Krieg beendet haben wollte, konnten, wie zu erwarten war, nicht eingehalten werden. Infolge der Verhandlungen zwischen den USA und Russland in Saudi-Arabien ist aber ein Waffenstillstand und zumindest vorläufiger Frieden unter Anerkennung der russischen Eroberungen zu Ostern dieses Jahres im Gespräch. Ein Frieden, den man bereits im April 2022 in Istanbul mit deutlich geringeren Gebietsverlusten, ohne die Zerstörung der verbliebenen ukrainischen Industrie und ihrer Energieversorgung, ohne den nicht zu bewältigenden Schuldenberg und nicht zuletzt mit hunderttausenden Toten weniger hätte haben können. Damals wurde die ukrainische Regierung aber von den sogenannten „westlichen Partnern“, allen voran Boris Johnson, davon abgehalten, den ausgehandelten Vertrag zu unterschreiben.ix Ob und welche Druckmittel dabei zum Einsatz kamen, ist nicht bekannt. Warum die Ukraine aber vor drei Jahren zum Abbruch der Friedensverhandlungen gebracht wurde, dürfte jetzt klar werden: Die ukrainische Regierung war nicht verzweifelt genug.

Unverhohlen gibt nämlich die neue US-Regierung nun zu, was ihre Ziele bei dem Massaker in der Ukraine sind: Es geht ihr um die Sicherung des ukrainischen Lithiums und der Vorkommen an Seltenen Erden. Es ist kein Zufall, dass der Krieg gerade um die Gebiete geführt wird, wo sich die meisten dieser Vorkommen befinden. Und es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass diese nicht schon von Anfang an zu den Hauptgründen gehörten, den Krieg zu führen. Immerhin hatte die EU mit der Ukraine im Juli 2021 ein strategisches Abkommen zur Gewinnung von „kritischen Rohstoffen“ beschlossen.x Russlands Invasion machte diesen Ambitionen vorerst einen Strich durch die Rechnung. Wäre aber bereits im April 2022 ein Friedensvertrag unterschrieben worden, wäre der Druck auf die Ukraine, die unter ihrer Kontrolle verbliebenen Bodenschätze für viele Milliarden Dollar abzugeben, gering gewesen. Nun, da Russland klar gewinnt, steigt die Verzweiflung der ukrainischen Regierung und damit auch die Bereitschaft, die Unterstützung der USA teuer zu erkaufen. Lithium und die verschiedenen Metalle der Seltenen Erden sind essenziell für die Herstellung moderner Technologien wie Akkumulatoren, Bildschirme und Elektromotoren, beispielsweise für Autos oder Windräder. Besonders im Zusammenhang mit der „Energiewende“ wird ihre Bedeutung in Zukunft weiter zunehmen. Dass auch in Deutschland die fanatischsten Kriegstreiber und die größten Profiteure und Treiber der Energiewende ein und dieselben sind, dürfte damit auch kein Zufall sein. Diese geraten allerdings jetzt in Panik, denn trotz der riesigen Investitionen der EU-Staaten in den Krieg in der Ukraine – gerade erst verplapperte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und verriet, dass ein bisher geheim gehaltenes neues 700-Milliarden-Euro Paket an EU-„Hilfen“ für die Ukraine direkt nach der Bundestagswahl geplant istxi –, denkt die US-Regierung gar nicht daran, sie an der Kriegsbeute zu beteiligen. Geschockt von der Initiative der USA, obwohl lange angekündigt, wurde parallel zum bilateralen Treffen in Riad hastig ein Sondergipfel der EU einberufen. Aus Sicht der EU darf es nämlich keinen Frieden geben und erst recht nicht nach Konditionen, die nicht von der EU bestimmt wurden. Zur Not muss also die wegfallende Finanzierung der USA durch die EU-Staaten abgefedert werden. Nach Paris eingeladen waren daher bezeichnenderweise bei weitem nicht alle EU-Staaten, sondern nur die mächtigsten und von denen auch nur solche, deren Kriegsbereitschaft man sich sicher sein kann. Die widersprüchlichen Interessen innerhalb der EU und die Tatsache, dass den schwächeren Ländern im Zweifel ihre politischen Richtlinien diktiert werden, treten auch hier immer deutlicher zu Tage. xii Ob die ukrainische Regierung bereit ist, sich dem Willen der USA zu widersetzen, dem der EU zu unterwerfen und den Krieg weiterzuführen, ist unklar. Ebenso die Frage, ob die willigen EU-Staaten überhaupt in der Lage wären, die Rüstungsproduktion derart anzukurbeln, dass die US-Waffen ersetzt werden könnten. Der Wille der ukrainischen Bevölkerung wird von der EU ohnehin ignoriert. Kürzlichen Umfragen zufolge befürwortet mehr als die Hälfte der befragten Ukrainer einen möglichst schnellen Frieden, und würde auch territoriale Konzessionen an Russland in Kauf nehmen.xiii Sowohl für den Fall der Fortsetzung des Krieges als auch für den Fall eines Friedens ist die Zukunft des Selenskyj-Regimes ungewiss.

Selbstverständlich sind die natürlichen Ressourcen der Ukraine nicht der einzige Grund, einen solchen imperialistischen Krieg zu führen – auch komplexere geopolitische Interessen spielen eine Rolle: Die Schwächung Russlands, wie durch die inzwischen auf 4700 gewachsene Zahl der gefallenen Offiziere und die Leerung beträchtlicher Lagerbestände an Munition und Kriegsgerät ist zumindest ein erwünschter Nebeneffekt. So schätzt das britische Verteidigungsministerium, dass Russland wegen dieser Verluste fünf Jahre brauchen wird, um seine Armee zur Vorkriegsstärke zurückzubringen.xiv Dass es aber nie um die Freiheit oder Demokratie in der Ukraine ging, dürfte dank der Selbstentlarvung der USA und der Panik der gehörnten EU, nicht an der zukünftigen Ausbeutung der Ukraine beteiligt zu werden, klar sein.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass ein baldiger Frieden und ein Ende des Mordens in der Ukraine zu begrüßen und im Interesse der Arbeiterklasse ist, denn wie immer sind es die Arbeiter, die in den Schützengräben sterben. Der Kampf der Klasse muss dann dem Ausverkauf der ukrainischen natürlichen Ressourcen und den Marionetten, die die Arbeiterklasse für die Interessen des Klassenfeindes sterben und ausbluten lassen, gelten. Die Bodenschätze der Ukraine gehören niemandem außer dem ukrainischen Volk. Eine dauerhafte Friedenslösung kann niemals unter der Herrschaft von Imperialisten entstehen.

i https://www.unrefugees.org/emergencies/ukraine/

ii https://ukraine.ohchr.org/sites/default/files/2025-02/Ukraine%20-%20protection%20of%20civilians%20in%20armed%20conflict%20%28January%20%202025%29_ENG_0.pdf

iii https://en.zona.media/article/2022/05/20/casualties_eng-trl

iv https://www.reddit.com/r/UkraineRussiaReport/s/sKB5EctYSB

v https://www.reuters.com/world/europe/slovakia-will-adopt-measures-against-ukraine-if-gas-transit-problem-not-solved-2025-01-09/

vi https://english.elpais.com/international/2025-02-07/ukraine-on-alert-over-series-of-attacks-on-recruitment-offices.html

vii https://archive.ph/enw7u

viii https://www.businessinsider.com/ukraine-investigate-155th-mechanized-brigade-france-anne-kyiv-desertion-2025-1

ix https://www.pravda.com.ua/articles/2022/05/5/7344096/

x https://single-market-economy.ec.europa.eu/news/eu-and-ukraine-kick-start-strategic-partnership-raw-materials-2021-07-13_en

xi https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/baerbock-verplappert-sich-nach-der-wahl-milliarden-fuer-ukraine-li.2295623

xii https://www.deutschlandfunk.de/europaeische-ukraine-beratungen-in-paris-102.html

xiii https://kyivindependent.com/ukrainians-poll/

xiv https://www.newsweek.com/russia-casualties-ukraine-five-years-reconstitute-army-admiral-sir-tony-radakin-1928858

Alle Links abgerufen am 20.02.2025

Verwandt

Aktuell