Weder Die LINKE, noch Wagenknecht – für den Aufbau einer Kommunistischen Partei!

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Stellungnahme der Zentralen Leitung der KO vom 14. November 2023

Nun ist es also offiziell: nach monatelangen Andeutungen hat Sahra Wagenknecht – und mit ihr zusammen neun weitere Bundestagsabgeordnete – ihren Austritt aus der Partei Die LINKE angekündigt und im gleichen Atemzug ihre Pläne für die Gründung einer eigenen Partei vorgestellt. Zunächst solle aber ein Verein – das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) die Parteigründung Anfang 2024 vorbereiten, um bei der Europawahl im Juni 2024 erstmals antreten zu können.

Diese vorhersehbare Entwicklung stößt im bürgerlichen Umfeld auf ein geteiltes Echo: manche sehen darin eine Gefahr für die Demokratie1, andere erkennen darin den endgültigen Todesstoß für die Gesamtlinke in Deutschland2. Andererseits wird aber auch die Hoffnung in die neue Partei projiziert, dass sie dem anhaltenden Höhenflug der AfD und dem Rechtsruck ein Ende setzen könnte. Für uns als Kommunisten ist allerdings klar, dass nichts davon der Fall ist. Die neue Partei wird sich problemlos in das bürgergliche Parteienspektrum einreihen und sich nach den Interessen des Kapitals richten.

Erste Umfragen, welche die BSW bereits als Option bei der sogenannten Sonntagsfrage anführen, prognostizieren der noch nicht einmal gegründeten Partei bereits 12% der Wählerstimmen.3 Andere bescheinigen der auf die Person Wagenknecht zugeschnittenen Partei ein Wählerpotential von bis zu 27%.4 Wie sinnvoll derartige Befragungen sind, während es noch kein wirkliches Parteiprogramm gibt, sei dahingestellt. Die mediale Berichterstattung legt allerdings nahe, dass hier eine Zeitenwende in der politischen Landschaft Deutschlands bevorstehen könnte. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wagenknecht und ihre Anhänger hinterlassen eine Partei, die mit ihrem sozialdemokratisch-reformistischen Ansatz ohnehin zum Scheitern verurteilt war. Auch ein Parteiprogramm, das die Krisen an seinen Wurzeln anpackt und auf ein Ende des Kapitalismus abzielt, ist nicht zu erwarten. Somit sind auch alle Hoffnungen, dass die neue Partei der zunehmenden Rechtsentwicklung etwas entgegensetzen könnte, illusorisch. Nur der Sozialismus, basierend auf den Interessen der Arbeiterklasse und dem proletarischen Internationalismus verschrieben, kann die notwendigen Auswüchse des Kapitalismus wie Rechtsruck, sozialer Verelendung und imperialistischer Kriegslust überwinden.

Das Ende der Partei Die LINKE

Die 2007 durch den Zusammenschluss der SPD-Abspaltung WASG und der SED-Nachfolgepartei PDS entstandene PdL galt in Teilen des bürgerlichen Spektrums lange als Vertreterin der sozial Benachteiligten in Deutschland. Ihr selbstgestecktes Ziel des „ökologische[n] und demokratische[n] Sozialismus“5 sollte unter anderem durch höhere Mindestlöhne, die Einführung einer Vermögenssteuer, Mietendeckel und höhere Mindestsicherung erreicht werden. Tatsächlich hatte die PdL den Sozialismus allerdings nie angestrebt. Der bürgerlich-reformistische Charakter der Partei, welcher sich durch die strategischen Zielstellung und Organisationsstruktur zog, der den Fokus auf Wahlen und Ämterbesetzung statt auf eine effektive Vertretung der Arbeiterklasse legte, offenbarte, dass die PdL eben keine Alternative zum kapitalistischen System, sondern lediglich eine weitere systemstützende sozialdemokratische Kraft darstellt. Dies bewies die PdL überall dort, wo sie Regierungsverantwortung übernahm (seit ihrer Gründung immerhin in fünf Bundesländern): In Thüringen etwa wurde die Umsetzung der Schuldenbremse in den Regierungsvertrag übernommen und in Brandenburg wurden bis 2019 10.000 Stellen in öffentlichen Dienst gestrichen. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die Partei, die zwar vorgibt, die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten, in Wahrheit aber den Standpunkt des Kapitals einnimmt, zunehmend an Bedeutung verloren hatte und schon bei der Bundestagswahl 2021 lediglich auf 4,9% kam und nur dank dreier Direktmandate überhaupt in den Bundestag eingezogen war. Die Auseinandersetzungen zwischen der PdL und Sahra Wagenknecht, die sich seitdem anhand der Themen Migration, Identitätspolitik und Ukraine-Krieg zuspitzten und nun in einer Abspaltung enden, besiegeln lediglich das Ende einer bürgerlichen Partei, die außer illusorischer Hoffnungen nie etwas zu bieten hatte.

Inhaltlich hat die PdL bereits angekündigt, sich nach dem Bruch mit Wagenknecht neu orientieren zu wollen.6 Ziel solle eine sozial gerechte Gestaltung des ökologischen Umbaus der Wirtschaft sein. Unter anderem stehe ein „soziales Klimageld“ von 200 Euro für diejenigen, die weniger als 4.000 Euro brutto pro Monat verdienen und Subventionen für energieintensive Unternehmen zur Debatte. Darüber hinaus wurde bereits im Juni in Reaktion auf Wagenknechts Abspaltungsbestrebung formuliert, dass die PdL „die Partei der Lohnabhängigen-Klasse und zugleich die Partei der sozialen und politischen Bewegungen“7 sei und darüber hinaus die Klima- und Demokratiepolitik erneuern wolle. Ob sich diese reformistisch-verwaltende Position der Parteispitze, die den Namen einer Neuorientierung wohl kaum verdient, tatsächlich durchsetzen kann, hängt auch davon ab, wie das Machtvakuum gefüllt wird, das Wagenknecht und ihre Unterstützer in der Partei hinterlassen haben. Während sich die Parteispitze eine interne Einigkeit und Geschlossenheit herbeisehnt, um auch zukünftig noch die Aussicht auf Regierungsbeteiligungen zu haben, liegt im selbstgesteckten Ziel, bis 2025 mindestens 10.000 neue Mitglieder für die PdL zu gewinnen,8 auch die Möglichkeit, dass alte und neue „Parteilinke“ die Pläne der Parteispitze vereiteln. Denkbar ist, dass auch der Flügel, der Regierungsbeteiligungen ablehnt und auf eine scheinbar „radikalere“ Arbeit aus der Opposition heraus setzt, entscheidend an der Neuorientierung mitwirken wird. Klar ist aber: jede reformistische Politik leidet an ihrem systemerhaltenden Charakter, und nicht daran, ob sie aus der Regierung oder aus der Opposition heraus betrieben wird und welche Reformen genau gefordert werden. Wie sich die PdL nach Wagenknecht tatsächlich orientieren wird, bleibt abzuwarten. Richtungsstreitigkeiten sind abzusehen, eine wirkliche Neuorientierung allerdings nicht, erst recht keine hin zu einer kommunistischen Partei, was ohnehin nie das Ziel der PdL war.

Klar ist aber: mit dem Austritt Wagenknechts und ihrer Mitstreiter aus der PdL steht der Partei auch der Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag bevor. Damit gehen nicht nur Rechte im Parlament verloren, wie etwa der sogenannten Großen und Kleinen Anfrage, bei der eine Fraktion die Bundesregierung zur schriftlichen Stellungnahme zu bestimmten Themen zwingen kann. Auch finanzielle Mittel werden der PdL entzogen, damit einhergehend wird die Partei auch über 100 Mitarbeiter verlieren. Dieser Umstand wird von vielen aus dem sozialdemokratischen Umfeld als herber Verlust nicht nur für die Partei, sondern für die Gesamtlinke in Deutschland gewertet, da nun ein Verschwinden von linken Themen, wie der Forderung nach einer Vermögenssteuer oder einer Absenkung des Rentenalters in der Öffentlichkeit bevorstehen könnte. Doch schon die bisherige Verwendung von Öffentlichkeit und Geldern zielte nicht auf die Vertretung der Arbeiterklasse und des Aufbaus einer revolutionären Bewegung ab. Auch wenn gelegentlich sinnvolle Projekte gefördert und u.a. der Rahmen für Debatten um offensivere Gewerkschaftspolitik eröffnet worden ist, wurden die Ressourcen in der Regel dafür eingesetzt, eine staatstragende „Linke“ aufzubauen, die gerade die Entstehung einer revolutionären Bewegung verhindern soll. Das mittelfristige Verschwinden der PdL und ihrer bisher genutzten Strukturen zeigt nur umso mehr die Notwendigkeit einer Partei, die für den Sozialismus kämpft, die ihre Ressourcen auch unabhängig von staatlichen Zuwendungen und Repressionen in den Kampf in den Massen und Betrieben investiert und so authentisch für eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus einstehen kann.

Wagenknecht wird diese Lücke nicht füllen

Die Hoffnung, dass Wagenknecht und ihr Bündnis nun die konsequente Vertretung für soziale Gerechtigkeit übernehmen könne, ist illusorisch. Der Bruch Wagenknechts mit der PdL entstand eben nicht aufgrund der reformistischen Sackgasse der PdL, die lediglich eine Mitverwaltung der kapitalistischen Krisen herbeisehnte. Im Gegenteil, die noch zu gründende Partei wird ebenfalls nur auf eine Mitverwaltung des maroden Systems abzielen. „Deutschland braucht eine starke, innovative Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit, Frieden und fairen Handel, Respekt vor der individuellen Freiheit seiner Bürger und eine offene Diskussionskultur“ heißt es im Gründungsmanifest des BSW.9 Diese phrasenhaft anmutende Ansammlung von Forderungen, die auf der Website des Bündnisses noch etwas näher ausgeführt werden, offenbart allerdings schon einige Weichenstellungen.

Wirtschaftliche Vernunft: Wirtschaftlich soll der „faire Wettbewerb“ und mit ihm auch der Standort Deutschland und der Mittelstand gestärkt werden. Zwar sollen „gut bezahlte sichere Arbeitsplätze“ geschaffen werden, doch eine Fokussierung auf die Arbeiterklasse als zentrales Subjekt sowie die Abschaffung des auf Profite und nicht Bedürfnisse orientierten Kapitalismus, der Ausbeutung und Unterdrückung voraussetzt und zwangsläufig zu Krisen und Kriegen führt, sucht man vergeblich.10

Soziale Gerechtigkeit: Unter sozialer Gerechtigkeit wird eine (vermeintliche) Wiederherstellung des Aufstiegsversprechens der sozialen Marktwirtschaft verstanden. Ein starker Staat solle eine „faire Leistungsgesellschaft mit echter Chancengleichheit und einem hohen Grad an sozialer Sicherheit“ sicherstellen.11 Die Bedingungen von sozialer Ungerechtigkeit werden somit nicht als dem kapitalistischen System innewohnend betrachtet, sondern lediglich einem zu schwachen Staat zugeschrieben. Die Rolle des Staates als Vertreter der Kapitalistenklasse, der zur Niederhaltung der Arbeiterklasse und Aufrechterhaltung der Ausbeutungsverhältnisse im Sinne der Kapitalistenklasse existiert, wird hierbei nicht reflektiert und grundsätzlich in Frage gestellt.

Freiheit: Dem BSW zufolge wird die persönliche Freiheit dadurch verteidigt, dass einerseits „Cancel Culture, Konformitätsdruck und die zunehmende Verengung des Meinungsspektrums“ bekämpft werden. Damit führt Wagenknecht ebenjenen Kulturkampf, den sie ihrer alten Partei und den Linksliberalen vorwirft, selbst fort, statt die Freiheit in der Abwesenheit von Ausbeutungsverhältnissen zu suchen. Zudem wird offen rassistisch eine Begrenzung von Migration mit der „verschärften Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum [und] um Jobs mit niedrigen Löhnen“ gerechtfertigt. Statt einer proletarischen internationalen Solidarität zur Bekämpfung der Armut herbeiführenden kapitalistischen Verhältnisse wird mit der Forderung nach „faire[n] Weltwirtschaftsbeziehungen“ das Ausbauen deutscher imperialistischer Bestrebungen gefordert.12

Frieden: Außenpolitisch wird eine Orientierung an der „Tradition des Bundeskanzlers Willy Brandt und des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow“ herbeigesehnt. Mit diesem Verweis auf Brandt als Vertreter einer alternativen und erfolgreicheren imperialistischen Strategie zur Vernichtung des Sozialismus und Gorbatschow als dessen Totengräber wird deutlich, dass hier eine stark antikommunistische Partei entsteht. Die richtigerweise geforderte Abkoppelung Deutschlands von US-amerikanischen Interessen werden allerdings nicht mit antiimperialistischen Bestrebungen begründet, sondern wiederum mit eigenen Machtfantasien, nämlich mit dem Ziel eines „eigenständiges Europa[s] souveräner Demokratien in einer multipolaren Welt“.13 Doch klar ist: innerhalb eines imperialistischen Weltsystems kann es niemals Frieden geben. Das Ziel einer multipolaren Welt ist kein Friedensprojekt.

Auch wenn die Parteigründung und das erste ausgearbeitete Parteiprogramm noch aussteht ist jetzt schon deutlich abzusehen, dass die Partei keine inhaltliche Erneuerung in die politische Landschaft Deutschlands bringen wird – und erst recht keine klassenkämpferische. Die thematische Ausrichtung bewegt sich im bereits bekannten und im Bundestag bereits vertretenen politischen Spektrum, wenn auch in einer neuen, häufig als „linkskonservativ“ bezeichneten Anordnung. Zwar mag die neue Partei das Ende der PdL herbeiführen und der AfD gegebenenfalls einige Stimmen bei bevorstehenden Wahlen wegnehmen. Einen Umsturz der kapitalistischen Verhältnisse wird sie allerdings nicht befördern und somit auch dem gesetzmäßigen Verschärfen der Krisen nichts entgegensetzen.

Was wir brauchen, ist eine starke sozialistische Kraft!

Wer sich konsequent gegen Rechtsruck, soziale Verelendung und imperialistische Kriegslust einsetzen will, darf seine Hoffnung nicht auf eine weitere systemverwaltende bürgerliche Partei setzen, sondern muss zum Aufbau einer Kommunistischen Partei beitragen. Nur wenn gemeinsam das Ende der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse angestrebt und der Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten wird, statt diese mit illusorischen Hoffnungen in das bestehende System oder reformistische Lösungen zu enttäuschen, kann mit dem Sozialismus eine echte Alternative zum Kapitalismus und dessen zerstörerische Tendenzen aufgezeigt und erkämpft werden.

1 https://www.wiwo.de/politik/deutschland/wagenknecht-partei-kurzfristig-gut-fuer-die-volksparteien-langfristig-schlecht-fuer-die-demokratie-/29455966.html

2 https://www.fr.de/politik/aufstieg-fall-linke-bsw-sahra-wagenknecht-gysi-bartsch-bundestag-partei-zr-92641978.html

3 https://www.rnd.de/politik/buendnis-sahra-wagenknecht-umfrage-sieht-neue-partei-bei-zwoelf-prozent-6PARFQ4VYBHMZOJJXNACV3OGJY.html

4 https://www.merkur.de/politik/linke-gruendung-bsw-partei-afd-buendnis-sahra-wagenknecht-zr-92593933.html

5 https://www.die-linke.de/fileadmin/download/wahlen2021/Wahlprogramm/DIE_LINKE_Wahlprogramm_zur_Bundestagswahl_2021.pdf

6 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/linke-positionspapier-partei-sahra-wagenknecht

7 https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand-2022-2024/detail-beschluesse-pv/unser-plan-2025-comeback-einer-starken-linken/

8 https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand-2022-2024/detail-beschluesse-pv/unser-plan-2025-comeback-einer-starken-linken/

9 https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/bsw/

10 https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/themen/wirtschaftliche-vernunft/

11 https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/themen/soziale-gerechtigkeit/

12 https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/themen/freiheit/

13 https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/themen/frieden/

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