Schon wieder tote Arbeiter bei der Bahn

83-jähriger und 64-jähriger Arbeiter sterben auf Güterbahnhof

Aktuelles von August Nikitin

Am vergangenen Samstag stürzten ein 83-Jähriger Arbeiter und sein 64-Jähriger Kollege bei Arbeiten an einer Verladebrücke am Güterbahnhof Köln-Eifeltor von einer Hebebühne, nachdem diese mit einer weiteren Verladebrücke kollidierte. Der 83-Jährige starb noch am Unfallort, sein Kollege wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen eingeliefert, konnte jedoch auch durch eine Notoperation nicht gerettet werden. Neben der Polizei, die gegen den Führer der zweiten Verladebrücke ermittelt, untersucht auch das Amt für Arbeitsschutz den Fall. Es sei nicht geklärt, warum ein 83 Jahre alter Mann auf einer Hebebühne arbeitete.

Nicht nur das Alter der beiden Arbeiter ist erschreckend, sondern auch die Häufung von Unfällen auf Baustellen des DB-Konzerns und deren fehlende Aufklärung: Am 11. September 2023 wurde der 33-jährige Weichenmechaniker Ali C. in Köln-Mülheim bei Bauarbeiten von einem Regionalexpress erfasst. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den für die Streckensperrung verantwortlichen Mitarbeiter, doch ein Lokführer berichtete anonym von großem Druck, der hinter Baumaßnahmen herrsche, damit die Züge wieder fahren könnten[1]. In Hürth südlich von Köln wurden schon am 4. Mai 2023 die beiden Gleisarbeiter Murat D. und Benjamin S. bei Bauarbeiten von einem ICE überfahren. Nach zwei Jahren Prozess wurde die Schuldfrage nicht geklärt und alle Beteiligten freigesprochen.

Nicht nur in Köln, sondern in ganz Deutschland zeigen die Deutsche Bahn und andere Konzerne, wie sie das Leben ihrer Arbeiter aufs Spiel setzen, um den Zugverkehr schneller wieder aufzunehmen und die Kosten zu senken. Ein 54-jähriger Eisenbahner wurde am 21. April dieses Jahres im Rheinhafen Kehl bei Rangierarbeiten zwischen zwei Wagons eingeklemmt und erlag seinen Verletzungen. Genau eine Woche später wurde ein Bahnmitarbeiter im Rangierbahnhof Neuseddin ebenfalls von zwei Wagons eingeklemmt und starb. Am 29. April wurde ein Bauarbeiter in Hamburg von einem ICE erfasst und überlebte nur knapp und mit schweren Entstellungen. In Oberhausen wurde am 9. Mai wieder ein Arbeiter der Deutschen Bahn zwischen zwei Wagons tödlich eingeklemmt. Im Bahn-Instandhaltungswerk Wittenberg starb am 14. Mai ein 38-Jähriger bei Sandstrahlarbeiten durch einen Sturz. Bei Brückenarbeiten des für Stuttgart 21 verantwortlichen Baukonzerns Porr stürzten am 20. Mai zwei polnische und ein deutscher Arbeiter in Horb in den Tod. Der Baukonzern drängte darauf, die Bauarbeiten schnell wieder fortzusetzen.

In den meisten Fällen werden entweder keine Schuldigen gefunden oder einzelne Fehler bei Beschäftigten der Deutschen Bahn als Ursache für tödliche Unfälle ermittelt. Doch schon 2022 schrieb die Kanzlei Gleiss Lutz im Untersuchungsbericht zu einem Bahnunfall in Garmisch-Partenkirchen: “Vorstandsmitglieder der damaligen Schienennetzgesellschaft der Deutschen Bahn müssen erkannt haben, dass durch eine Überforderung die Gefahr menschlichen Versagens erhöht wurde und dass selbst einzelne Versäumnisse katastrophale Folgen haben konnten[2].

Mit zunehmendem Alter der Arbeiter steigt außerdem das Risiko für tödliche Arbeitsunfälle signifikant. Im Zeitraum 2009 bis 2016 waren mehr als 30 Prozent aller tödlich auf Arbeit Verunglückten zwischen 50 und 60 Jahre alt, weitere 17,3 Prozent waren zwischen 60 und 70 Jahre alt.[3] Mit 83 und 64 Jahren waren die beiden Arbeiter aus Köln allein durch ihr Alter schon einer großen Gefahr ausgesetzt.

Wie die Ermittlungen der Polizei Köln weiterlaufen, die mittlerweile schon von einem Tötungsdelikt spricht, ist das eine. Doch welche Versäumnisse sich auch immer finden lassen, sie können nicht davon ablenken, dass sich unsere Klassengeschwister bei der Deutschen Bahn und bei anderen Unternehmen für Profitinteressen tagtäglich in Lebensgefahr begeben müssen und immer wieder das steigende Arbeitsvolumen und fehlende Sicherheitsmaßnahme mit ihrem Leben bezahlen. Mit Blick auf die zahlreichen toten Arbeiter wirkt die Einigung der Bahngewerkschaft EVG im Februar noch absurder, die deren vorgezogene Verhandlung und damit die Absage an einen Streik damals mit „Wertschätzung und Sicherheit“ begründete[4]. Die Gewerkschaften sind wichtige Organisationen der Arbeiterschaft, die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen setzen jedoch unsere Leben aufs Spiel, wenn sie bei Tarifverhandlungen vor der Konzernführung einknicken.

Wir dürfen die Toten nicht in Vergessenheit geraten lassen und uns nicht damit zufriedengeben, dass Bahn und Staat die Schuldigen unter den Arbeitern suchen. Stattdessen müssen wir die wahren Schuldigen anprangern und uns kollektiv für Arbeitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Mit Streik, kollektivem Austausch und organisierter Solidarität müssen wir gegen das Sterben von Arbeitern kämpfen.


[1]https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bahn-bauarbeiten-unfaelle-sicherheit-100.html Letzter Abruf: 10.12.2025

[2]https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zugunglueck-garmisch-partenkirchen-untersuchungsbericht-schienennetz-sicherheit-li.3322797?reduced=true, Letzter Abruf: 10.12.2025

[3]https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fakten/Absturzunfaelle.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Letzter Abruf: 10.12

[4]https://kommunistischepartei.de/aktuelles/vorauseilender-gehorsam-ueber-den-evg-tarifabschluss/ Letzter Abruf: 11.12.2025

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