Die Militarisierung des Alls


Aktuelles von Alexander Maturin

Wir betrachten die Erfolge der Weltraumforschung nicht nur als Errungenschaften unseres eigenen Volkes, sondern ebenso als Errungenschaften der gesamten Menschheit. Wir stellen sie gerne in den Dienst aller Völker – im Namen des Fortschritts, des Glücks und des Wohlergehens aller Menschen auf der Erde. Unsere Leistungen und Entdeckungen sollen dem Frieden und der Sicherheit der Völker dienen, nicht dem Krieg.“Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR und Ministerrat der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, 1961.

Als 1961 Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall flog, versuchte die Sowjetunion die Raumfahrt als Bereich des Friedens und der Völkerverständigung, nicht des Krieges zu etablieren. Doch weder diese früh formulierte Vision einer friedlichen Nutzung des Weltalls noch mehrere Anträge vor der UN konnten die imperialistischen Mächte davon abhalten, den Orbit Schritt für Schritt in ein neues Kampfgebiet zu verwandeln. Spätestens mit den konterrevolutionären Prozessen um 1990, der Auflösung der sozialistischen Staatenordnung und der damit einhergehenden Erosion internationaler Abrüstungs- und Kontrollmechanismen wurde der Weltraum zum Schauplatz kaum gehemmter Aufrüstung: Die USA bauten ihr militärisches Satellitennetz massiv aus und gründeten zuletzt 2019 eine unabhängige „Space Force“ (USSF). Diese ging aus dem seit 1982 bestehenden „Air Force Space Command“ (AFSPC) hervor und betreibt über 70 Satelliten sowie zwei experimentelle Raumgleiter. Ebenso begann die Russische Föderation schon früh mit der Entwicklung eigener militärischer Weltraumsysteme. Und schließlich hat laut US-Analysen auch China in den letzten Jahren massiv aufgeholt.

Moderne Konflikte zeigen, wie relevant weltraumgestützte Infrastruktur für die moderne Kriegsführung geworden ist: Wo früher noch die Angst vor im All stationierten Interkontinentalraketen und Atomsprengköpfen vorherrschte, haben heute Aufklärung, Navigation, Drohnensteuerung und Kommunikationsnetze zentrale Bedeutung. Ohne Satelliten ist schlichtweg kein moderner Krieg mehr führbar. So war man in der Ukraine zunächst angewiesen und dann abhängig von der Unterstützung durch das Starlink-Netzwerk des faschistoiden Multimilliardärs Elon Musk, welche seitdem durch diverse NATO-Kriegsministerien finanziert wird.

Der Orbit wird folglich zu einer Voraussetzung imperialistischer Machtprojektion und zu einem strategischen Schauplatz, auf dem Staaten ihre wirtschaftlichen und militärischen Interessen absichern. Nun schließt sich auch die Bundesrepublik offen dieser Entwicklung an. Mit der am 19. November vorgestellten „ersten nationalen Weltraumsicherheitsstrategie“ (WRSS) erklärt die Bundesregierung das All zum Teil ihres sicherheitspolitischen Operationsraums und leitet damit eine neue Phase deutscher Aufrüstung ein. Die Welt ist nicht genug, und in der Vorstellung von Raumfahrtministerin Dorothee Bär (CSU) gehen deutsche Interessen inzwischen weit über den Hindukusch hinaus: „Deutschlands Sicherheit wird im Weltall verteidigt.“

Deutsches Star Wars

Die Bundesrepublik führt damit konsequent ihren Kriegskurs von Kriegskrediten, Aufrüstung und Wehrdienst in neuen Horizonten weiter. Das Ziel der Weltraumsicherheitsstrategie wird eindeutig damit benannt, gemeinsam mit militärischen Bündnispartnern im Weltraum handlungsfähiger zu werden. Dafür werden drei Handlungsfelder aufgestellt: 1. Gefahren und Bedrohungen erkennen, 2. internationale Kooperation fördern und 3. Abschreckung und Wehrhaftigkeit stärken. Bundesaußenminister und Oberleutnant der Reserve Johann Wadephul (CDU) führte aus: „Der Weltraum ist längst auch Austragungsort militärischer Konflikte oder wirtschaftlichen Wettbewerbs […]. Das Rennen um die Vorherrschaft im All ist in vollem Gange. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland auch im Weltraum seine Interessen schützt. […] Deutschland ist bereit, seinen Beitrag zur Stärkung unserer Sicherheit in der NATO und der EU auch im Weltraum zu leisten.

‚Verteidigungs‘-Minister Boris Pistorius (SPD) hingegen betonte bewusst die militärische Dimension des Unterfangens: „Die Bundeswehr bildet dabei das Rückgrat der nationalen Weltraumsicherheitsarchitektur.“ Deutsche Unternehmen und die Bundeswehr seien auf weltraumgestützte Dienste angewiesen, also müsse Deutschland auch in dieser Sphäre „wehrhaft“ werden. Ein Narrativ russischer Sabotage – etwa von GPS-Daten im Baltikum – soll die militärische Eskalation rechtfertigen. Tatsächlich dient diese Erzählung vor allem als politisches Werkzeug, denn sie konstruiert bewusst ein permanentes Bedrohungsszenario, das militärische Intervention und technologische Aufrüstung im Orbit scheinbar alternativlos macht.

In erster Linie ginge es um den Schutz deutscher Weltraumsysteme. Dieser beruht auf störungsresistenten Systemen und purer Masse an Satelliten, kann letztendlich jedoch nur durch den Abschuss anderer, gegen sie gerichteten Satellitensysteme sichergestellt werden. Was hier geplant wird sind also offene Gefechte im All. Die daraus potenziell resultierenden Mengen an Weltraumschrott, der schon heute mit internationaler Kollaboration kaum eingedämmt werden kann, könnten gravierende Folgen auch für wissenschaftliche Messungen und die zivile Raumfahrt der absehbaren Zukunft haben. Darüber hinaus wird aber auch die ominös futuristisch anmutende Befähigung „zu militärischen Weltraumoperationen zur Wahrnehmung unseres Verteidigungsauftrages“ erteilt. Zu diesen Zielen ist die sogenannte Weltraumsicherheitsstrategie bereits mit konkreten Ausgabeplänen der Bundesregierung hinterlegt und reiht sich somit in die massive Aufrüstung des deutschen Staates ein: Rund 35 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren allein vom Bundesministerium für ‚Verteidigung‘ in den Bereich Weltraum investiert werden.

Daran anschließend spielt auch die zivil-militärische Verschmelzung eine zentrale Rolle – ganz im Stile des im Detail streng geheimen „Operationsplans Deutschland“ zur Militarisierung der Bundesrepublik. Denn auch zivile Akteure sollen im Sinne der „integrierten Sicherheit“ in die nationale Weltraumsicherheitsarchitektur miteinbezogen werden. So wird die Abhängigkeit von Satellitennavigation, Kommunikation und Erdbeobachtung zum Argument, um die Bundeswehr tief in den Raumfahrtsektor zu integrieren. Gleichzeitig wird mit dem angeblichen Schutz von Infrastruktur legitimiert, der Bundeswehr Zugriff auf Daten und Technologien zu ermöglichen, die bisher dem zivilen Bereich vorbehalten waren. Denn ein Umsetzen der Weltraumstrategie wird ohne Militarisierung der technologischen Basis – inklusive Infrastruktur, Forschung und Hochschulen – kaum möglich sein. Schlagwort der Stunde dafür ist „Dual-Use“, also Technologien, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Raumfahrtministerin Bär präsentierte stolz: „Ich freue mich sehr über diese Strategie und bin dankbar, dass wir den zivilen und militärischen Teil so Hand in Hand gemeinsam beraten haben.“ So plant Deutschland in der diese Woche stattfindenden ESA-Ministerratskonferenz Rekordinvestitionen einzubringen, unter anderem, um mit der European Launcher Challenge zu garantieren, dass „alles, was im Weltall benötigt wird, auch dort ankommt“ und folglich die Basis für unabhängige militärische Operationen im All zu schaffen.

Imperialismus bedeutet keine Sicherheit

Mit ideologischen Begriffen wie „Wehrhaftigkeit“ und „Resilienz“ sowie dem Narrativ einer angeblich regelbasierten, notwendigen Reaktion auf äußere Bedrohung soll dabei verschleiert werden, dass es sich hierbei um aggressive Aufrüstung zur offensiven Fähigkeitserweiterung der deutschen Kriegsmaschinerie handelt. Selbst die Veröffentlichung des Auswärtigen Amtes kann diesen Widerspruch nicht umgehen: „Wesentlicher Bestandteil der Strategie ist der Einsatz für eine friedliche […] Nutzung des Weltraums, um ein Wettrüsten zu verhindern. […] Der Aufbau einer wehrhaften und abschreckungsfähigen Weltrauminfrastruktur ist jedoch […] unerlässlich.“

Das deutsche Kapital will seinen Einfluss im imperialistischen Wettbewerb vergrößern. Die Weltraumstrategie positioniert Deutschland dafür offen als führenden militärischen Akteur im Orbit innerhalb der EU und als strategisch abgestimmten Bestandteil von NATO-Strukturen. Gleichzeitig wird die Rivalität mit Russland und China in den Weltraum ausgeweitet und die internationale Eskalationsspirale weiter befeuert. Historische Erfahrungen zeigen dabei, dass die Erschließung neuer Gefechtsfelder stets der Vorbote großer Kriege war – wie etwa die Militarisierung der Luftfahrt vor dem Ersten Weltkrieg.

Doch für uns als deutsche Arbeiterklasse bedeutet diese wortwörtlich über die Welt hinaus fortgesetzte Aufrüstung einen stets erweiterten Ressourcenverbrauch bei gleichzeitigem Angriff auf soziale Errungenschaften wie den 8-Stunden-Tag. Während mit der neuen Grundsicherung voraussichtlich 86 Millionen eingespart werden sollen, was für Hunderttausende eine konkrete Verschlechterung ihrer direkten Lebensumstände bedeutet, wird hier mehr als das Vierhundertfache für den Krieg der Sterne ausgegeben, ohne mit der Wimper zu zucken. So folgen nun aller Wahrscheinlichkeit nach Subventionen und Großaufträge für deutsche Kapitale wie Airbus, OHB, Rheinmetall und Hensoldt, während die Arbeiterklasse, welche den Reichtum der Gesellschaft schafft, durch Inflation, Steuern und Kürzungen dafür bezahlt. Gleichzeitig erhöht die Aufrüstungsspirale die Gefahr, dass Deutschland aktiver Teil eines offenen imperialistischen Konfliktes wird, deren Opfer wiederum die arbeitende Bevölkerung wäre. So wird die Militarisierung der Gesellschaft vorangetrieben und künftig rund 50 Prozent des Bundeshaushalts in Kriegsgerät und kriegsdienliche Infrastruktur fließen, während Schulen verfallen, Sozialwohnungen abgebaut werden und Brücken kollabieren.

Deutsche Allmachtsfantasien

Die Weltraumsicherheitsstrategie liefert das ideologische und organisatorische Gerüst für die Ausweitung deutscher Großmachtfantasien bis ins All. Unter dem Etikett der „Sicherheit“ wird der Weltraum zum nächsten Feld der Aufrüstung erklärt, in dem deutsche Interessen global durchgesetzt werden sollen – und das nicht nur durch Technologie, sondern durch die zunehmende Bereitschaft, den Orbit als Teil des militärischen Operationsraums zu begreifen.

Was hier entsteht, ist kein defensives Schutzprogramm, sondern der deutsche Einstieg in die Militarisierung des Weltraums. Die Bundesregierung präsentiert dies als Anpassung an internationale Entwicklungen, doch ihre eigenen Aussagen zeigen, dass sie aktiv angetrieben, nicht bloß nachvollzogen werden. Weder der Weltraum noch die Weltlage werden dadurch sicherer, vielmehr beginnt das Kapital nach der abgeschlossenen Aufteilung der Welt nun mit der gewaltsamen Aufteilung des Alls.

Umso wichtiger ist es also, die Position des Sozialismus gegen diese imperialistischen Bestrebungen ins Gedächtnis zu rufen: Widerstand gegen den Kriegskurs des deutschen Kapitals und seiner Regierung! Verweigerung der Militarisierung der Gesellschaft und des Weltraums. Forschung und Raumfahrt für zivile Zwecke und zum Wohle der Menschheit! Oder in den Worten von Juri Gagarin: „Als ich die Erde in meinem Raumschiff umkreiste, sah ich, wie wunderschön unser Planet ist. Menschen – lasst uns diese Schönheit bewahren und mehren, statt sie zu zerstören.“

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