11. April 1945, 15:15 Uhr: Die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald bringen das Lager unter ihre Kontrolle. Sie überwältigen ihre faschistischen Peiniger. Einigen gelingt die Flucht. Die Häftlinge behalten das Lager unter ihrer Kontrolle, bis sie es an die ankommenden US-Truppen übergeben können. Den Insassen von Buchenwald war unter der Führung des kommunistischen Internationalen Lagerkomitees ihre Selbstbefreiung gelungen.
Das Gedenken an die Selbstbefreiung der Insassen von Buchenwald ist seit jeher umkämpft und in den vergangenen Jahren wohl mehr denn je. Nicht nur die Selbstbefreiung an sich wird in Frage gestellt: Den Ausbruch des imperialistischen Kriegs in der Ukraine 2022 nutzt der deutsche Staat, um die Rolle der Roten Armee bei der Befreiung vom Faschismus kleinzureden und zu leugnen. Es wird versucht, den heutigen russischen Imperialismus mit der sozialistischen Sowjetunion gleichzusetzen. Diese Täter-Opfer-Umkehr dient dazu, von der neuen Kriegswut des deutschen Imperialismus abzulenken. Deutschland führt wieder Krieg – und das nicht nur in der Ukraine. Die Beteiligung Deutschlands am Völkermord in Palästina in den vergangenen zwei Jahren ist gleichbedeutend mit dem Verrat am Erbe der Insassen von Buchenwald.
Anlässlich des 80. Jahrestags der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald hat die Kommunistische Partei (KP) zu einem Gedenkwochenende in Weimar und Buchenwald eingeladen. 80 Genossen, vor allem aus Ostdeutschland, versammelten sich dafür am vergangenen Wochenende: Wir besuchten gemeinsam das ehemalige Konzentrationslager und gedachten dort der Befreiung vom Faschismus und seiner Opfer. Am Vortag führten wir ein antifaschistisches Tagesseminar durch. Unter dem Titel „Faschismus & Antifaschismus – Was ist Faschismus und wie müssen wir gegen ihn kämpfen?“ beschäftigten wir uns mit politischer Theorie des Kapitalismus-Imperialismus, mit dem Staat und dem Faschismus als Form bürgerlicher Herrschaft. Wir setzten uns mit richtigen und falschen Orientierungen im historischen antifaschistischen Kampf auseinander und diskutierten die Lehren, die wir für heute daraus ziehen können.





Wir alle kennen die Verbrechen des deutschen Faschismus. Der Besuch der Gedenkstätte Buchenwald führt diese Verbrechen so anschaulich wie wenige andere Orte vor Augen: Es galt Vernichtung durch Arbeit. Es herrschten Folter und Qualen, Unfreiheit und terroristische Willkür.
Circa 280.000 Häftlinge waren in den Jahren von 1937 bis 1945 in über hundert zu Buchenwald gehörenden Lagern inhaftiert. Allein auf dem Gelände des großen Lagerkomplexes auf dem Weimarer Ettersberg wurden über 56.000 Menschen ermordet – durch die brutalsten Formen der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft in Zwangsarbeit, aber auch durch die katastrophalen Lebensumstände. Zu diesen Ermordeten kommen eine unbekannte Zahl an Toten in Außenlagern und jene, welche die Todesmärsche, auf die die Faschisten sie kurz vor der Niederlage noch schickten, nicht überlebten.
8000 Rotarmisten fanden im Lager Buchenwald per versteckter Genickschussanlage den Tod. Und auch der Vorsitzende der KPD wurde nach neunjähriger Haft nach Buchenwald verbracht, wo er auf Geheiß von Hitler persönlich am 18. August 1944 getötet wurde. Im Lager Buchenwald waren in großer Anzahl politische Häftlinge inhaftiert – darunter zahlreiche Vorkämpfer der revolutionären Arbeiterbewegung.
Und keiner wusste von etwas? Eine weite gerodete Fläche mit Baracken auf einem Berg. Ringsum flaches Land. Der Tag für Tag rauchende Schornstein des Krematoriums von Buchenwald. Bis 1943 – als das Lager einen eigenen Gleisanschluss bekam – kamen die Häftlinge am Weimarer Bahnhof an. Zu Fuß wurden sie ins Lager auf den Ettersberg getrieben. Durch die Innenstadt der Gauhauptstadt Weimar. Industrie, Handwerk und Landwirtschaft in ganz Mitteldeutschland pressten die Arbeitskraft von Zwangsarbeitern aus Buchenwald aus. Das Lager, seine Insassen und die Vernichtung durch Arbeit waren nicht zu übersehen.
Doch Buchenwald war auch ein Ort der Hoffnung. Im Rundgang beschäftigten wir uns auch damit, wie sich selbst unter diesen schrecklichsten Bedingungen Widerstand entwickeln konnte, der schließlich zur Selbstbefreiung der Lagerinsassen führte.1 Er kam in Akten der Solidarität, wie zum Beispiel dem Verteilen von Essen an die Bedürftigsten oder dem Versuch, das Leben der Kinder im KZ zu schützen, zum Ausdruck. Die Gegenwehr im Lager war vielfältig: Beispielsweise sabotierten die Häftlinge die Rüstungsproduktion durch „Langsamarbeit“ in den dem Lager angeschlossenen Gustloff-Werken. Der Widerstand zeigte sich am stärksten im Aufbau einer Organisation im Lager. Hier ist die Rolle der sogenannten Roten Kapos zu betonen, die ihre Position als Funktionshäftlinge nutzten, um innerhalb des durch die SS gesetzten Rahmens die Selbstverwaltung des Lagers zu organisieren, die schließlich die Selbstbefreiung der Insassen ermöglichte. Das Internationale Lagerkomitee wurde von den inhaftierten Kommunisten aufgebaut und angeführt. Es organisierte Bildung, Selbstschutz und Solidarität unter den Häftlingen sowie den Aufbau der Internationalen Militärorganisation (IMO) im Lager.



Das Vorrücken der Alliierten war eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg der Befreiung, weil die waffen- und kräftetechnisch weitaus überlegenen SS-Wachen lieber flohen, als ernsthaft den Kampf aufzunehmen. Doch die Häftlinge selbst übernahmen das Lager am 11. April 1945 um 15:15 Uhr, noch bevor die Alliierten überhaupt eintrafen. Dahinter stand die straffe Organisierung der Häftlinge – von klandestinen Zellen bis hin zur Ausbildung an der Waffe – mit dem Ziel der Selbstbefreiung . Obwohl die bürgerlichen Geschichtsschreiber über die Rolle der Kommunisten lieber schweigen: Unsere Genossen ergriffen unmittelbar nach der Gründung des KZ die Initiative und trieben den Aufbau des Widerstands von Buchenwald kontinuierlich voran: In jedem Augenblick mit der Gefahr im Nacken, entdeckt und ermordet zu werden.
Unserer Vorkämpfer, der tapferen Genossen, die in Buchenwald kämpften und ermordet wurden oder überlebten, gedachten wir im Anschluss an unseren lehrreichen Rundgang am Mahnmal, das ihnen in der DDR errichtet wurde, mit einer Schweigeminute. Wir hörten eine Rede eines Vertreters der Kommunistischen Partei und legten rote Nelken nieder.

In der heute dominierenden bürgerlichen Geschichtsschreibung wird die Selbstbefreiung relativiert oder sogar geleugnet – einzig die US-amerikanische Armee hätte Buchenwald befreit, alles andere sei kommunistische Propaganda. Wenn wir die Rolle der Kommunisten in Buchenwald betonen, dann nicht, um uns damit einfach zu schmücken. Im Gegenteil – der Kampf unserer politischen Vorfahren muss uns Richtschnur und Verpflichtung sein. Lasst uns die Erinnerung an sie hochhalten und lasst uns ihre Fahne weitertragen! Denn: 56.000 Menschenleben mag die deutsche Bourgeoisie hier ermordet haben – die Erkenntnis, dass eine andere Welt möglich und nötig ist, konnte sie aber nicht vernichten.