Stellungnahme des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei vom 5. März 2025
Geschlechtsspezifische Gewalt, massive ökonomische Benachteiligung von Frauen und besonders Müttern, Kürzungen im sozialen Bereich, steigende Kosten für Kinderbetreuung, aber auch Wohnraum und Lebensmittel, kaputtprivatisierte Bildung, Pflege, ÖPNV und Gesundheitssektor – gegen die vielzähligen Missstände, von denen Frauen besonders betroffen sind, regt sich Protest. Besonders am 8. März werden Parolen laut, die zum Widerstand gegen die Benachteiligung von Frauen aufrufen, Selbstbestimmung und Befreiung einfordern. Doch nur ein klares Verständnis der Ursachen der Unterdrückung der Arbeiterinnen, Mütter und Hausfrauen kann dazu beitragen, diese zu überwinden.
Der 8. März ist seit weit über hundert Jahren fester Bestandteil des Kampfes um die Befreiung aller Ausgebeuteten und Unterdrückten gewesen. 1910 beschloss der Internationale Sozialistenkongress in Kopenhagen, einen Tag zur Agitation für das Frauenwahlrecht zu veranstalten, der die Bedeutung der sozialistischen Revolution für die Befreiung der Frauen vermitteln sollte: Den Internationalen Frauentag, der seither stattfindet. Die Tradition der proletarischen Frauenbewegung stand jederzeit klar an der Seite aller vom Kapitalismus unterdrückten Menschen – anders als die bürgerlichen feministischen Organisationen, die Kolonialismus, Nationalismus, Krieg und Faschismus akzeptierten oder sogar unterstützten.
Letztere versuchten immer wieder, den Klassengegensatz, der die übergroße Mehrheit der Frauen von einer kleinen Minderheit trennt, zu verschleiern: Während die bürgerlichen Frauen ein Interesse an der Verbesserung ihrer Position auf dem Boden des Kapitalismus haben, müssen die Proletarierinnen gemeinsam mit den männlichen Arbeitern das Ende der kapitalistischen Ausbeutung anstreben, um sich zu befreien. Historisch entstand die ungleiche Stellung der Geschlechter zusammen mit der Etablierung von Klassengesellschaften, also schon lange vor dem Aufkommen des Kapitalismus. Heute sind die Geschlechterverhältnisse von den ausbeuterischen kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnissen bestimmt, die nur im gemeinsamen Kampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten überwunden werden können. Wir organisieren uns für diesen Kampf in der Kommunistischen Partei mit dem Ziel einer Gesellschaft, in der allen Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht alle Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und Entfaltung offenstehen.
Die verschiedenen Spielarten des Feminismus, den wir als Ideologie der bürgerlichen Frauenbewegung begreifen, und auch sogenannte intersektionale Ansätze, die den Anspruch erheben, die Anliegen verschiedener diskriminierter und unterdrückter Gruppen zu berücksichtigen, verschleiern oder relativieren den entscheidenden Widerspruch in der Klassengesellschaft, indem sie das Verhältnis der Geschlechter über diesen Widerspruch stellen oder zumindest davon loslösen. Die proletarische Frauenbewegung kämpfte stattdessen immer für die Einigkeit der Klasse und gegen die Illusion, dass ein Kampf auf Grundlage des Geschlechts zur Befreiung führen könnte. So rief Clara Zetkin vor hundert Jahren am Internationalen Frauentag 1925 zur internationalen Solidarität gegen imperialistische Kriege und Aufrüstung sowie zur Unterstützung antikolonialer Befreiungsbewegungen auf. Sie begriff diese Kämpfe in ihrem Zusammenhang mit der ausbeuterischen kapitalistischen Produktionsweise und erklärte, dass die „Lasten und Leiden“ der Frauen nicht behoben werden können, „solange das Privateigentum an den großen Produktionsmitteln die Reichen reicher, die Armen ärmer macht“.1 Die Proteste am Internationalen Frauentag waren also von Beginn an eng verbunden mit einer größeren klassenbewussten und internationalen Bewegung im Sinne des wissenschaftlichen Sozialismus – und das war kein Nachteil für die Frauen, wie es aus feministischer Perspektive oft (unter Verweis auf die angebliche Behandlung als Nebenwiderspruch2 und ähnliche Märchen) behauptet wird. So ist das Frauenwahlrecht gerade durch die schlagkräftige Unterstützung der revolutionären Arbeiterbewegung durchgesetzt worden; das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und die öffentliche Kinderbetreuung wurden durch das Beispiel der sozialistischen Umgestaltung in Sowjetunion und DDR auch in den kapitalistischen Staaten vorangetrieben.
Gleiche Rechte beseitigen die ökonomische Abhängigkeit nicht!
Als Teil der sozialistisch-kommunistischen Bewegung kämpfte die proletarische Frauenbewegung am 8. März für mehr als nur das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung innerhalb der bestehenden Ordnung, denn für sie war klar: Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter bedeutet für die allermeisten Frauen kein gutes Leben. Sie bleiben unterdrückt, weil sie als Mitglieder der Arbeiterklasse arm und abhängig sind. Diese Einschätzung hat sich beispielsweise in Deutschland immer wieder bestätigt: Es wurden wichtige Bürgerrechte und Freiheiten erkämpft und die gesetzliche Vormundschaft des Mannes in Familie und Ehe abgeschafft, was die Lage der Frauen konkret verbesserte. Doch faktisch befinden sich viele von ihnen bis heute in Abhängigkeitsverhältnissen. Sie arbeiten im Vergleich zu Männern öfter in Teilzeit – rund 50 Prozent der erwerbstätigen Frauen, 13 Prozent der Männer3 –, für niedrigere Löhne und unter schlechteren Arbeitsbedingungen, was dazu führt, dass über die Hälfte der arbeitenden Frauen langfristig nicht allein von ihrem Einkommen leben kann4. Sie leiden daher besonders unter steigenden Kosten, mangelhafter sozialer Fürsorge und fehlendem Arbeitsschutz gegen die Macht der Unternehmer im kapitalistischen Ausbeutungsbetrieb. Die Lohnarbeiterin ist benachteiligt, weil ihre Fähigkeit zur Mutterschaft in der von Privateigentum und Profitstreben beherrschten Klassengesellschaft nicht als gesellschaftliche Leistung anerkannt und materiell gewürdigt wird. Sie ist im Angesicht der (potenziellen) Unterbrechung oder Reduzierung der Lohnarbeit durch Schwangerschaft und Sorgearbeit finanziell und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt: niedrigere Löhne, weniger Aufstiegschancen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind die Folge. Diese Schlechterstellung führt dazu, dass Frauen – insbesondere, wenn sie Mütter sind – häufig die Versorgung von Kindern und Angehörigen im privaten Haushalt übernehmen. Dadurch wird ihre finanzielle Abhängigkeit – besonders von männlichen Partnern, Familienangehörigen oder Vorgesetzten – wiederum verstärkt. Nur eine sozialistische Gesellschaft, in der die Mutterschaft ebenso wie alle anderen sozial notwendigen Arbeiten als wichtige gesellschaftliche Leistung gewertet wird, kann diese Grundlage der Unterdrückung beseitigen.
Teure Lebenshaltungskosten, niedrige Einkommen und das Fehlen einer menschenwürdigen Grundversorgung für alle machen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für die übergroße Mehrheit aller Frauen unmöglich. Sie sind potenziell besonders gefährlichen Formen der Ausbeutung in Form von Leihmutterschaft, Prostitution und Porno-Industrie ausgesetzt. Ihre benachteiligte und unterdrückte Stellung ist die Grundlage geschlechtsspezifischer Gewalt. In Deutschland erleben zwei von drei Frauen in ihrem Leben sexuelle Übergriffe, denen insbesondere arme, abhängige Frauen hilflos ausgeliefert sind. Die wohlhabenden Frauen der Bourgeoisie können zwar auch betroffen sein, leiden aber nicht unter finanziellen Einschränkungen, sie können für die Übernahme der Arbeiten als Mutter, Hausfrau und Ehefrau andere Menschen bezahlen, und sie sind nicht gezwungen, aufgrund materieller Abhängigkeiten Gewalt zu tolerieren. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass diese Frauen eines Tages erkennen, dass die vollständige Beseitigung der Ursachen von sexistischer Diskriminierung und Gewalt, von der auch sie betroffen sein können, nur durch die sozialistische Revolution möglich ist. Die Geschichte zeigt, dass sich die bürgerliche Frauenbewegung im Zweifel für den Erhalt der herrschenden Ordnung einsetzt, in der die Frauen der Bourgeoisie aufgrund ihrer Klassenlage zu den Herrschenden gehören, anstatt ihre proletarischen „Geschlechtsgenossinnen“, die nur durch das Umwerfen der Klassenherrschaft aus ihrer unterdrückten Lage befreit werden können, zu unterstützen.
Keine Befreiung ohne Klassenkampf
Die gesellschaftliche Stellung der Geschlechter spiegelt sich in den herrschenden sexistischen Rollenbildern wider, unter denen alle Menschen leiden, die beispielsweise mit ihrem Aussehen oder Verhalten nicht den etablierten Geschlechternormen entsprechen. Wir grenzen uns sowohl von traditionellen, beispielsweise radikalfeministischen, Ansätzen, als auch von neueren queerfeministischen Strömungen ab, da sie nach unserer Analyse die Wurzeln der herrschenden Geschlechterverhältnisse in der Klassengesellschaft verfehlen, indem sie sich auf klassenübergreifende Gruppen (Frauen, FLINTA etc.) mit angeblich gemeinsamen Interessen beziehen. Sie erkennen den entscheidenden Klassenwiderspruch und die Einheit der Interessen des gesamten Proletariats unabhängig vom Geschlecht nicht und sind daher auch nicht in der Lage, die gesellschaftlichen Probleme und die darauf aufbauenden ideologischen Rechtfertigungen ernsthaft infrage zu stellen. Sexistische Einstellungen legitimieren und fördern die Gewalt, die besonders Frauen im Alltag erleben. Sie sind aber letztlich nicht die Ursache, sondern Ausdruck der materiellen Abhängigkeit und Unterdrückung. Sie können nicht durch mehr Repräsentation oder sprachpolitische Maßnahmen dekonstruiert, sondern nur durch die Überwindung der Klassenherrschaft ihrer Grundlage beraubt werden. Sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen sind notwendig, auch wenn die Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Klassengesellschaft oberflächlich und unvollständig bleibt: „Ohne revolutionären Klassenkampf des Proletariats keine wirkliche volle Frauenemanzipation, ohne Beteiligung der Frauen daran keine Zerschmetterung des Kapitalismus, keine sozialistische Neuschöpfung“, so Zetkin.5 Eine Welt frei von Ausbeutung und Unterdrückung ist nicht wählbar – innerhalb der kapitalistischen Klassengesellschaft stehen bestenfalls Reformen zur Debatte, demokratische und fortschrittliche Errungenschaften sind niemals sicher und unsere erkämpften Rechte können jederzeit zurückgenommen werden, wenn das dem Erhalt der bestehenden Herrschaftsverhältnisse nutzt. Mit den Idealen von Demokratie, Gleichheit und Menschenrechten schmückt sich der bürgerliche Ausbeuterstaat genau dann, wenn es ihm zu gesellschaftlicher Akzeptanz verhilft, doch er richtet sich letztlich immer nach den Bedürfnissen der Kapitalakkumulation und nicht nach denen der Menschen. Im Zuge des politischen Rechtsrucks streichen derzeit große internationale Konzerne, die sich mithilfe von Regenbogenfahnen ein progressives Image verschaffen, ihre Programme für Vielfalt und Gleichberechtigung.
Gerade in Krisenzeiten wie jetzt haben reaktionäre sexistische Ideologien Konjunktur. Die Angriffe auf Errungenschaften wie das Recht auf Abtreibung, öffentliche Kinderbetreuung und andere soziale Einrichtungen nehmen zu. Dies kann nur von einer kämpferischen klassenbewussten Bewegung verhindert werden, die sich nicht an der falschen Stelle spalten lässt, sondern das einfordert, was ihr zusteht: ein Leben in Würde, in Frieden und Solidarität. Eine wirkliche Emanzipation, die nicht nur auf dem Papier stattfindet, erkämpfen wir uns nur in breiter Solidarität aller Herzen, Hände und Köpfe gegen die bürgerliche Klassenherrschaft, welche versucht, die vielfältigen Unterschiede innerhalb unserer Klasse gegeneinander auszuspielen. Um eine schlagkräftige Bewegung aufzubauen, brauchen wir eine klare Abgrenzung von denjenigen, die den revolutionären Klassenkampf zum Sturz des Kapitalismus nicht unterstützten, da sie letztlich der Befreiung aller Menschen – auch der Frauen – feindlich gegenüberstehen. Unsere Gegner sind das Kapital und seine politischen Vertreter; dazu gehört auch die Sozialdemokratie, die unter dem weiten Mantel der demokratischen Phrasen die Aufrechterhaltung der Ausbeutung deckt. Daher kritisieren wir feministische Ansätze, die letztlich nur die Position der Frauen in Konkurrenz mit den Männern verbessern und damit die Interessen der übergroßen Mehrheit aller Frauen und Männer verraten.
Klarheit, Einheit und Organisation
Theoretische Klarheit und die kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung unserer wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse sind die notwendige Grundlage eines einheitlichen Vorgehens. Als Aufschlag für eine Diskussion über die Ursachen der herrschenden Geschlechterverhältnisse und die Möglichkeiten ihrer Überwindung haben wir ein Referat „Zur Frauen- und Geschlechterfrage“ erarbeitet, in dem wir unseren aktuellen Erkenntnisstand zu diesen Fragen abbilden. Auf dieser Grundlage bilden wir uns kollektiv weiter, diskutieren unsere Fragen und laden alle Interessierten ein, sich daran zu beteiligen.
Mit dem Kampf für den Sozialismus immer vor Augen müssen wir im Hier und Jetzt für konkrete Forderungen kämpfen: Kostenlose flächendeckende Kinderbetreuung und Bildung! Anerkennung der Bedeutung von Pflege und Gesundheitsversorgung und eine entsprechende Finanzierung! Höhere Löhne für alle, die mehr als nur die Inflation ausgleichen!
Wir setzen uns ein gegen Militarismus und Krieg, gegen das Verheizen unserer Kinder und Geschwister als Soldaten – egal welchen Geschlechts – für die Interessen des Kapitals! Wir wollen unsere Errungenschaften gegen reaktionäre Gesetzgebung, die Rassismus und Sexismus fördert, verteidigen und erweitern! Wir stellen uns den arbeiterfeindlichen Einschränkungen des Streikrechts sowie der Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit entgegen! Dabei muss uns klar sein: Wir werden uns immer wieder kleine Zugeständnisse erkämpfen können, doch nur im gemeinsamen Kampf als Klasse werden wir unsere Forderungen kompromisslos verwirklichen können und eine Gesellschaft schaffen, in der Entfaltung und Entwicklung aller Menschen unabhängig vom Geschlecht als Individuen und als Mitglieder der Gemeinschaft möglich ist!
Um uns für den revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus zu organisieren, bauen wir die Kommunistische Partei auf. Wir kämpfen im Geiste der internationalen Solidarität aller vom Kapital Ausgebeuteten und Unterdrückten für eine Gesellschaft, die all ihre Mitglieder mit ihren besonderen Fähigkeiten und Bedürfnissen würdigt und unterstützt, anstatt sie gegeneinander aufzuhetzen. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“, denn, wie Clara Zetkin sagte: „Mehr noch als für die Proletarier gilt für euch, Proletarierinnen, dass ihr in diesem Kampfe nur eure Ketten zu verlieren, aber eine Welt zu gewinnen habt.“6
1 Clara Zetkin 1925: Heran an die schaffenden Frauenmassen! In: Die Kommunistische Fraueninternationale, Jg. 5, Nr. 2, S. 1207-14.
2 In der Tradition der kommunistischen Bewegung, auf die wir uns beziehen, wird die Befreiung der Frau nicht als nebensächlich oder unwichtig abgetan, tatsächlich ist sie sogar die einzige, die konsequent für die vollständige Befreiung aller Frauen kämpft. Dass die Überwindung des Kapitalismus eine notwendige Voraussetzung dafür ist, ist eine Tatsache, die sie aber keineswegs daran gehindert hat, sich auch für unmittelbare Verbesserungen einzusetzen.
3 Statistisches Bundesamt: Teilzeitquote nach Geschlecht in der Altersgruppe 15 Jahre und älter, Stand 15. Mai 2023.
4 Irene Pimminger 2024: Wie unabhängig sind Frauen in Deutschland? Zur Bedeutung existenzsichernder Beschäftigung für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen. DGB-Bundesvorstand, Abteilung Frauen, Gleichstellungs- und Familienpolitik
5 Clara Zetkin: Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung. Frankfurt am Main: Verlag Roter Stern 1971, S. 228.
6 Clara Zetkin 1921: Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung. In: Die Kommunistische Internationale, Jg. 2, Nr. 15, S. 530-555.