Die Partei aufbauen und keinen Mythos aus ihr machen


Stellungnahme des ZK der KP vom 27. Juli 2024

Die Bekanntmachung unserer Parteigründung hat, wie erwartet, sehr unterschiedliche Reaktionen in unserem Umfeld und bei anderen Kräften der kommunistischen Bewegung hervorgerufen: begeisterte, interessierte, aber auch kritische und feindselige. Wir wollen hier nun auf die kritischen Stimmen eingehen und auf einige grundsätzliche Irrtümer hinweisen, die sich in den Kritiken finden:

  1. Eine letztlich opportunistische Vorstellung von Einheit und Vereinigung der Bewegung, die die Einheit vor die Klarheit setzt
  2. Die Vorstellung der KP als fertiges und perfektes Resultat eines abgeschlossenen Reifeprozesses
  3. Ein spontaneistisches Verständnis von Partei und Massen, welches das leninistische Avantgardekonzept letzten Endes ins Gegenteil umkehrt.
  4. Ein falscher Begriff von Kadern, der die ideologische Dimension der Kaderentwicklung ausblendet.

Am Ende wollen wir ebenfalls kurz auf den Vorwurf des Legalismus eingehen.

Insbesondere zwei Gruppen lehnen unsere Parteigründung vehement ab und haben ihrer Kritik daran eigene Stellungnahmen gewidmet. Es handelt sich einerseits um die Rechtsabspaltung der KO (RAKO) und zum anderen um einen Kreis von Gruppen aus dem Zusammenhang der Roten Jugend Deutschland (die wir im Folgenden RJD nennen). Mit Polemik („Autismus“, „Etikettenschwindel“, die KP als „K-Gruppe“) und markigen Sprüchen („Wir erkennen diese Parteigründung nicht an“) wird dabei nicht gespart. Das übergehen wir jetzt bewusst und konzentrieren uns auf das, was tatsächlich die Bewegung voranbringen kann: Nämlich die inhaltliche und sachliche Diskussion über die Frage, was eine kommunistische Partei ist, wie sie entstehen kann und was erfüllt sein muss, damit man von einer KP sprechen kann.

Erstens: Es ist die Rede von organisatorischer Zersplitterung, von Zirkelwesen in der kommunistischen Bewegung. Die RJD meint, bevor es keine „entscheidenden Schläge gegen das Zirkelwesen“ gab, solle sich niemand KP nennen. Die Überwindung des Zirkelwesens sieht die RJD allerdings nicht in der Festigung organisatorischer Strukturen auf Basis einer geteilten programmatischen Grundlage, einer funktionierenden Arbeitsteilung und entsprechend arbeitenden Gremien und Ortsgruppen. Denn diese Kriterien erfüllt unsere Organisation. Sie ist keine Ansammlung von Zirkeln, sondern eine demokratisch-zentralistische Organisation, die bereits vor dem Beginn des Gründungsprozesses arbeitete wie eine Partei. Das reicht den Kritikern aber nicht aus, sie sehen anscheinend die Überwindung von Zirkeln, von mehr oder weniger unkoordinierten lokalen Gruppen und Zusammenschlüssen überhaupt als Voraussetzung für die Gründung einer Partei. Ist damit gemeint, alle, die sich Kommunisten nennen, in einer Organisation zu vereinigen? Darf man erst dann den Schritt der Parteigründung gehen?

Dass das nicht unser Ansatz ist, dass wir diesen Ansatz nicht nur für falsch, sondern für eine opportunistische Abweichung halten, ist nichts Neues. Wir haben mit dem Klärungsprozess selbst die Notwendigkeit der ideologischen Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Erfahrungen mit dem Revisionismus der vergangenen Jahrzehnte innerhalb der kommunistischen Bewegung anerkannt und führen die Klärung im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir haben die inhaltliche Diskussion stets offen geführt, haben die Klärung zentraler Fragen zusammen mit allen Interessierten vorangetrieben, Orte des organisationsübergreifenden Austauschs geschaffen, eine solidarische Kultur der Kritik & Selbstkritik praktiziert und befördert, den Dissens in unseren eigenen Reihen für die Bewegung besprechbar gemacht und unsere Lehren und Erkenntnisse daraus mit ihr geteilt und eine bundesweite Kampagne zur gemeinsamen antiimperialistischen Praxis ins Leben gerufen.

Nichtsdestotrotz haben wir bereits 2022 in unserem Selbstverständnis festgehalten, dass wir die organisatorische Vereinigung eines Großteils der Bewegung nicht als Voraussetzung für die Parteigründung erachten und uns davon unabhängig machen. Eine starke Partei entsteht nicht allein dadurch, dass sie sich so nennt, das ist ebenso wahr wie trivial. Sie entsteht aber vor allem auch nicht dadurch, dass man alle möglichen gegensätzlichen und unvereinbaren Positionen und Herangehensweisen unter einem Dach vereint. Das öffnet dem Revisionismus Tür und Tor und schafft nur die Garantie der nächsten Spaltung. Die Stärke einer KP entsteht aus ihrer inhaltlichen Klarheit und Einheitlichkeit – nur diese ermöglichen es uns, im Klassenkampf geschlossen und überzeugend aufzutreten und uns die Führungsrolle zu erkämpfen – eine Führungsrolle, von der viele sehr gerne reden, ohne aber einen Weg aufzeigen zu können, wie man sie perspektivisch einnehmen kann. Für das, was die RJD vorschlägt – die Einheit ohne Klarheit – gibt es in unserer Bewegung einen Begriff: Zentrismus. Zentrismus ist eine Form des Opportunismus, und wie jede Form des Opportunismus ist er schädlich – während er vermeintlich die Zersplitterung bekämpft, verhindert er in Wirklichkeit die Entwicklung revolutionärer Konsequenz und erlaubt es den bürgerlichen Einflüssen in unserer Bewegung, ihr spalterisches Werk zu tun. Unser Vorschlag ist daher: Lasst uns die Widersprüche ausdiskutieren – sachlich, ohne unnötige Polemik, aber scharf in der Sache, mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen, das uns immer noch vereint. Man kann und soll mit uns übrigens auch jetzt noch über eine organisatorische Vereinigung sprechen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daran hat unsere Parteigründung nichts geändert. Das Ringen auch um organisatorische Einheit ist für uns mit der Parteigründung keineswegs beendet.

Zweitens: RJD und RAKO rücken beide die Partei in weite Ferne. Eines schönen Tages, da wird es so weit sein, dass wir die KP gründen können. Aber erst, wenn erhebliche Massen des Proletariats uns bereits folgen, wenn wir über zahllose kampfgestählte Kader verfügen und überhaupt die Partei im Grunde schon fertig vorliegt. Es ist davon die Rede, die KP müsse eine „unüberwindbare Kampf- und Widerstandsfähigkeit“ (RJD) besitzen – allein daran wird die ganze Absurdität der Vorstellung klar, die dahintersteckt: Eine Partei, die so stark ist, dass sie unbesiegbar ist? Kann es so etwas jemals geben? Diese fast schon religiöse Überhöhung der Partei ist nicht hilfreich, denn sie führt dazu, die Partei zu einem unerreichbaren Fernziel zu machen. Dieses Verständnis ist mechanisch und sieht den Parteiaufbau nicht als dialektischen Prozess, sondern als einmaligen Sprung an. Die Partei kann klein sein, sie kann schwach sein und trotzdem kann sie der Kern sein, in dem die revolutionäre Linie ausgearbeitet wird, der Kader heranbildet und durch seine Rolle im Klassenkampf wächst und sich weiterentwickelt. Die KP ist nicht dadurch definiert, dass sie bereits die Vorhut aller Klassenkämpfe ist – das war nicht einmal die KPD, als sie gegründet wurde. Was die KP ausmacht ist, dass sie all ihre Anstrengungen darauf ausrichtet, es zu werden. Das ist unser Ziel und darauf arbeiten wir gestern wie heute gezielt und systematisch hin. Und die Grundlagen dafür existieren zum Glück schon jetzt.

Drittens: Die Partei entsteht nicht einfach aus den alltäglichen Kämpfen der Massen. Sie entsteht nicht daraus, dass man einfach einige Jahre lang versucht, die Bevölkerung der proletarischen Wohnviertel anzusprechen und schon gar nicht, wenn man dabei die Frage der Organisierung in Betrieb und Gewerkschaft außen vor lässt. Sie entsteht überhaupt nicht von selbst, sondern nur durch den bewussten Zusammenschluss der Kommunisten, durch einen geplanten Aufbauprozess, der die Herausbildung eines ideologisch gefestigten und immer erfahreneren Kollektivs, einer Kampfgemeinschaft beinhaltet und sich die passenden Organisationsstrukturen schafft. Diese Organisation, die wir seit Lenin die kommunistische Partei nennen, muss es lernen, die Massen zu führen und nicht umgekehrt. Die Arbeit in den Massen ohne ein klares Programm, das möglichst als Richtschnur für jeden Kampf der Klasse auf jedem Kampffeld dienen kann, und ohne eine Partei, in der die Erfahrungen zentral ausgewertet werden und zur ständigen Stärkung der Partei genutzt werden können, bleibt Handwerkelei. Mit Handwerkelei meint Lenin, dass diese Arbeit die vereinzelten Kämpfe für sich stehen lässt, aber unfähig ist, sie unter einem einheitlichen strategischen Ziel zu vereinen, also auf den Sturz des Kapitalismus, auf den Sozialismus auszurichten. Dieses Programm kann sicherlich nicht unabhängig von jeglicher Praxis entstehen – aber Praxis bedeutet eben auch nicht nur, dass wir im Hier und Jetzt möglichst viel auf die Straße gehen sollen, wie es der verkürzte Praxisbegriff maoistisch orientierter Gruppen in Deutschland nahelegt. Es schließt in Wirklichkeit auch – und angesichts unserer heutigen Situation könnte man sagen vor allem – die gesamte historische Praxis unserer Bewegung ein. Wir können nicht so tun, als müssten wir bei Null anfangen, nur weil unsere Massenverankerung schwach ist, denn das bedeutet, die reichen Erfahrungen und Erkenntnisse früherer Generationen zu ignorieren, obwohl diese es uns heute erlauben, vergangene Fehler nicht noch einmal zu wiederholen.

Indem die RJD die Massenverankerung gegen die Parteigründung stellt, stellt sie die leninistische Konzeption der Avantgarde auf den Kopf und vergisst, dass es eben schon eine Partei geben muss, um eine wirkliche Massenverankerung zu erreichen, die mehr ist als sich durch die Schaffung einer „roten Subkultur“ in einem sehr beschränkten Kreis – letztlich einer Szene – einen Namen zu machen.

Viertens: Was macht die Kader einer KP aus? Die RJD hebt hervor, Kommunistinnen und Kommunisten seien für sie Leute, die bereit sind, ihr Leben im Kampf zu opfern. Ist das ein richtiges Verständnis? Keine Frage, in bestimmten historischen Situationen kann es das bedeuten und das darf man nicht verschweigen; momentan stellt der Klassenkampf in der BRD aber doch eher andere Anforderungen an uns als Kommunisten. Ganz grundsätzlich ist die ideologische Schulung, die Fähigkeit der Kommunisten, in jeder Situation des Kampfes das Wesentliche zu erkennen, die Führung zu übernehmen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, manchmal auch um sein Leben nicht sinnlos wegzuwerfen, eine essenzielle Grundlage jeder Kaderpartei. Indem dieser Kernbestandteil unterschlagen wird, wird der Begriff des Kommunisten zu einer Art Märtyrerkult und der Klassenkampf auf eine militärische Auseinandersetzung auf Leben und Tod reduziert. Tatsächlich geht es im Klassenkampf aber in der Regel um etwas ganz anderes als um Heldengeschichten und epische Schlachten, nämlich um einen geduldigen Kampf um die Organisierung der Massen und die Veränderung des Bewusstseins.

Schließlich kurz zur Frage der Repressionen: Die RJD wirft uns vor, in unserem Bericht vom Parteitag das Thema nicht aufzuwerfen. Ein seltsamer Vorwurf, denn die Gefahr von Repressionen durch den bürgerlichen Staat besteht für eine revolutionäre Organisation immer, ob sie sich nun Partei nennt oder nicht. Je mehr der Klassenkampf sich zuspitzt, desto unmittelbarer wird sie. Diese Frage ist für uns von existenzieller Wichtigkeit und wir beschäftigen uns mit ihr, ohne die Details in der Öffentlichkeit auszuführen, aber auch, ohne sie gegenüber allen anderen Fragen zu verabsolutieren. In der Erklärung zur Parteigründung wäre dieser Punkt daher auch fehl am Platze gewesen, es sei denn, man schätzt die Verhältnisse schon so ein, dass eine legale Arbeit einer kommunistischen Partei gar nicht mehr möglich ist. Das tun wir allerdings nicht.

Abschließend möchten wir kritisieren, dass die Art und Weise, wie von Seiten der RJD aus einer inhaltlichen Diskussion eine Konfrontation gemacht wurde, unserer Bewegung insgesamt schadet. Wir haben es schon in der Vergangenheit gesagt und wiederholen es noch einmal: Wir wollen keine Grabenkämpfe, kein gegenseitiges Abarbeiten an anderen Gruppen. Wir wollen eine offene und produktive Auseinandersetzung über alle brennenden Fragen der kommunistischen Bewegung – und das schließt auf jeden Fall auch gegenseitige Kritik ein, so wie wir es mit dieser Antwort versuchen und wofür wir Vertreter der Kämpfenden Jugend Bremen bereits zweimal zu unseren Podien eingeladen haben. Egal von wem: Schlammschlachten in den Kommentarspalten, herabwürdigende Bezeichnungen und Aufrufe zur Isolation anderer Gruppen gehören nicht zu einer konstruktiven Form der Auseinandersetzung. Für eine solche stehen wir bereit.

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