Das imperialistische Weltsystem

Beschluss des 6. Kongresses der KO/des Gründungskongresses der KP

Das imperialistische Weltsystem

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Monopolbildung als das Wesen des Imperialismus

Der Staat im Imperialismus

Das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung

Wechselseitige ungleiche Abhängigkeiten

Das imperialistische Weltsystem

Kriege und die Neuaufteilung der Welt

Zentrale Entwicklungen im imperialistischen Weltsystem heute und die Rolle des deutschen Imperialismus

Wir kämpfen gegen den deutschen Imperialismus und den Imperialismus als Ganzen

Einleitung

Der Kampf für die Überwindung der herrschenden Verhältnisse hin zum Sozialismus erfordert ein klares Verständnis über die herrschenden Gesetzmäßigkeiten des Imperialismus. Wir bleiben nicht bei der historischen Analyse Lenins Anfang des 20. Jahrhunderts stehen, sondern unterscheiden zwischen Gesetzmäßigkeiten, die der kapitalistischen Produktionsweise im Allgemeinen eigen sind und ihren spezifischen historischen Erscheinungen.

Der Imperialismus ist der Kapitalismus in seinem monopolistischen Stadium. Das Verständnis der aktuellen Dynamiken im Imperialismus, wie beispielsweise imperialistische Kriege, hängt eng mit dem Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung und der zunehmenden Herausbildung von Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den kapitalistischen Staaten zusammen. Nur mit diesem Verständnis kann der Kampf für den Sozialismus genauer ausgerichtet und die ideologische Unabhängigkeit der Kommunisten von revisionistischen Scheinalternativen bewahrt werden. Unsere eigene Organisationsgeschichte und die Spaltung der Kommunistischen Organisation 2022/23 in Folge unterschiedlicher Einschätzungen des imperialistischen Kriegs in der Ukraine hat gezeigt, dass Imperialismus, verstanden als „aggressive Außenpolitik einer Handvoll Staaten” oder verstanden als eine starre Einteilung der Welt in „unterdrückende” und „unterdrückte” Staaten uns auf Irrwege führt.

Mit dieser Resolution legen wir eine umfassendere Beschreibung des Wesens des Imperialismus, des Wirkens des Gesetzes der ungleichmäßigen Entwicklung und des imperialistischen Weltsystems vor. Sie ist Produkt unserer Analyse, die wir im Laufe des Jahres 2023 kollektiv vertieft und erweitert haben.

Diese Resolution ersetzt nicht die Programmatischen Thesen, in denen wir bereits die Grundzüge des Imperialismus als höchstes und letztes Stadium des Kapitalismus sowie der imperialistischen Hierarchie heute dargelegt haben. Sie stellt ihre Erweiterung dar.

Monopolbildung als das Wesen des Imperialismus

Der heutige Kapitalismus ist imperialistischer Kapitalismus, sein ökonomischer Kern ist das Monopol. Das im heutigen Kapitalismus dominierende Monopolkapital hat sich durch die Gesetzmäßigkeiten der fortschreitenden Konzentration und Zentralisation des Kapitals herausgebildet, wodurch dem tendenziellen Fall der Profitrate teilweise entgegengewirkt wird. Ab einem bestimmten Punkt machen Konzentration und Zentralisation des Kapitals einen qualitativen Sprung und bilden Monopole. Eine Rückentwicklung vom Monopolkapitalismus zum Kapitalismus der freien Konkurrenz ist nicht möglich, weil dies dem grundlegenden Entwicklungsgesetz der Konzentration und Zentralisation widerspricht. Das Monopol bestimmt die Epoche, in der wir leben und hat sich Schritt für Schritt die gesamte Welt untergeordnet. Diese Entwicklung geht mit einer weltweit ausgeprägten gesellschaftlichen Produktion und Arbeitsteilung einher und schafft so ein weltweites kapitalistisches System: das imperialistische Weltsystem.

Beim Monopol handelt es sich um ein Großunternehmen, eine Abmachung oder ein Übereinkommen, einen Verband oder eine Vereinigung von Kapitalisten, die zur Festsetzung hoher Warenpreise und Erzielung hoher Monopolprofite in ihren Händen die Produktion und den Absatz eines bedeutenden Teils der Erzeugnisse eines oder mehrerer Produktionszweige konzentrieren. Zentral für die ökonomische Überlegenheit der Monopole ist, dass sie sich einen permanenten Extraprofit − in Form des Monopolprofits − aneignen können. Der Monopolprofit entsteht dadurch, dass ein Teil des von anderen, nicht-monopolistischen Unternehmen geschaffenen Mehrwerts an die Monopolkapitalisten fließt. Dies gelingt ihnen durch:

  • Festsetzung von Preisen
  • die Beherrschung von Produktion und Markt mit Hilfe ökonomischer und außerökonomischer Gewalt
  • Erzielung einer außerordentlichen Steigerung des Ausbeutungsgrades/der Mehrwertrate mittels planmäßiger Organisierung und Ausnutzung der gesellschaftlichen Produktivkräfte
  • Erreichung einer relativ hohen Mehrwert-/Profitrate
  • Verhinderung des Ausgleichs der Profitraten zur Durchschnittsprofitrate über einen längeren Zeitraum durch die Monopolisierung von Produktion und Markt

Beim Monopol handelt es sich um ein gesellschaftliches Verhältnis, das in der Zuspitzung des Widerspruchs von zunehmender Vergesellschaftung der Produktion bei privater Aneignung des Profits begründet liegt. Der Monopolprofit schafft den Kapitalisten Spielräume, um Teile der Arbeiterklasse, die sogenannte Arbeiteraristokratie, zu bestechen und auf ihre Seite zu ziehen.

Der Imperialismus als neue, besondere Epoche löste die Epoche des Kapitalismus der freien Konkurrenz Ende des 19. Jahrhunderts ab. Die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus (das Wertgesetz, das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate, das Gesetz der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung und weitere) haben jedoch weiterhin Gültigkeit. Somit handelt es sich beim Imperialismus, dem monopolistischen Stadium des Kapitalismus, um keine eigenständige Gesellschaftsformation, in der eigene, vom Kapitalismus unabhängige Gesetzmäßigkeiten gelten würden.

Der Staat im Imperialismus

Auch der kapitalistische Staat verändert im Imperialismus nicht grundlegend seinen Charakter, erfährt jedoch gewisse Anpassungen durch die Dominanz des Monopolkapitals. Der Staat ist eine „Maschine zur Niederhaltung der unterdrückten, ausgebeuteten Klasse“ (Engels, MEW 21, S. 170f.). Im unversöhnlichen Klassengegensatz setzt er die Interessen der gesamten Kapitalistenklasse durch, indem er ihr möglichst gute Bedingungen für die Anhäufung von Kapital bietet. Deshalb ist der bürgerliche Staat nichts anderes als die politische Herrschaft der Bourgeoisie. Der Staat ist im Kapitalismus ideeller Gesamtkapitalist und bleibt dies auch im Imperialismus. Er vertritt grundsätzlich die Interessen der ganzen Bourgeoisie, insbesondere aber die Interessen der mächtigsten Teile darin, wobei auch das nicht-monopolistische Kapital zusammengenommen einen gewissen Stellenwert für die nationale Kapitalakkumulation hat. Monopole und Monopolbourgeoisie weiten ihre Macht aus, erreichen durch ihren überproportional großen Anteil am Mehrwert zentrale Bedeutung für die nationale Kapitalakkumulation und entwickeln so in der Tendenz eine herausragende Stellung bezüglich ihres Einflusses auf den Staat. In seiner Funktion als ideeller Gesamtkapitalist übernimmt der Staat innen- wie außenpolitische Aufgaben und wirkt somit als weltweiter Interessenvertreter seiner nationalen Bourgeoisie. Dennoch vertritt er nicht einfach die Interessen der internationalen Bourgeoisie, sondern ist in der sich stetig zuspitzenden Konkurrenz zwischen den Monopolen und Staaten um die Neuaufteilung der Welt in erster Linie Vertreter des jeweiligen nationalen Kapitals.

Dementsprechend sind Staatstheorien, die von einem grundlegenden Charakterwechsel des Staates im Imperialismus ausgehen falsch. Einige Theorien des „Staatsmonopolistischen Kapitalismus” unterstellen, dass der Staat im Imperialismus zum ausschließlichen Instrument der Monopole würde. Solche Anschauungen widersprechen der marxistischen Analyse vom Staat als Instrument der Klassenherrschaft, da sie eine grundlegende Interessendivergenz zwischen der Monopolbourgeoisie und der nicht-monopolistischen Bourgeoisie behaupten. Auch wenn die nicht-monopolistische Bourgeoisie in der Konkurrenz mit der Monopolbourgeoisie unterlegen ist, sind dennoch beide Teile der Bourgeoisie ungleich voneinander abhängig und bilden weiterhin eine Klasse. Da der Staat nur der Ausdruck der Herrschaft der Bourgeoisie ist, müssen sich die Interessen der gesamten Bourgeoisie in seinem Handeln widerspiegeln. Das bedeutet, dass der Staat auch gegen das Interesse einzelner Monopolisten oder des Monopolkapitals insgesamt handelt, wenn dieses Handeln gleichzeitig im Interesse der gesamten Bourgeoisie als Klasse ist.

Strategien, die auf derartigen Theorien aufbauen − wie beispielsweise die antimonopolistischen Strategie der DKP− sind gefährlich, da sie mit Illusionen über strategische Bündnisse der Arbeiterklasse mit den „nicht-monopolistischen” Teilen der Bourgeoisie einhergehen. Solche strategischen Vorstellungen gehen davon aus, dass ein solches Bündnis ein Zurückdrängen der Macht der Monopole erreichen könne. Sie formulieren dementsprechend eine eigenständige „Etappe” − eine „fortschrittliche” oder „antimonopolistische” Demokratie, die weder einfach Kapitalismus noch Sozialismus sei und von welcher aus der Kampf für den Sozialismus geführt werden könne. Letztlich wird damit die Illusion geschürt, man könne die Macht der Monopole brechen, ohne die Macht der Bourgeoisie als Klasse brechen zu müssen. Der Kampf um den Sturz letzterer wird auf eine unbestimmte Zukunft verschoben und stattdessen ein Bündnis mit Teilen der Bourgeoisie propagiert.

Ebenso falsch sind Vorstellungen, die insbesondere unter sozialdemokratischen Kräften verbreitet sind. Ihnen zufolge sei der Staat für Reformen hin zum Sozialismus oder für grundlegende Verbesserungen im Sinne der Arbeiterklasse zu nutzen. Sie verkennen den Charakter des Staates als Organ der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, wenn sie davon ausgehen, dass für Reformen nur die richtigen Kräfteverhältnisse im Parlament oder in „demokratischen” Mobilisierungen erforderlich seien.

Das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung

Für den Kapitalismus insgesamt und in seinem imperialistischen Stadium im Besonderen ist das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung zentral. Es bringt die ungleichmäßige Entwicklung einzelner Unternehmen, Industriezweige und Länder zum Ausdruck, die auf der Grundlage von kapitalistischem Privateigentum, der kapitalistischen Konkurrenz sowie der Anarchie der Produktion im Kapitalismus entsteht. Einzelne Betriebe innerhalb eines Industriezweiges entwickeln sich im Konkurrenzkampf ungleichmäßig. Einzelne machen einen Sprung nach vorne und dehnen ihre Produktion aus, was andere wiederum zu verstärkter Akkumulation veranlasst. Eine allgemein zu beobachtende Tendenz ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Produktivkräfte vom Niederen zum Höheren. Zwar entwickeln sich die Produktivkräfte im Imperialismus weiter, aber sie sind im Vergleich zu ihrer potentiellen Entwicklung unter sozialistischen Produktionsverhältnissen massiv gehemmt. Die Produktivkraftentwicklung führt in der Regel dazu, dass nicht ausschließlich die Bourgeoisie von der ökonomischen Entwicklung profitiert, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung inklusive Zugeständnissen an die Arbeiterklasse stattfindet. Auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln führt die Produktivkraftentwicklung allerdings zu einer Konzentration des Reichtums der Gesellschaft in immer weniger Händen und dementsprechend zu einer gleichzeitigen Ausdehnung der Armut.

Die ungleiche Entwicklung im Imperialismus bietet jungen kapitalistischen Ländern die Möglichkeit, sprunghaft die älteren einzuholen und teilweise zu überholen. Auf der anderen Seite führt die Herrschaft der Monopole in den Ländern, in denen sich der Kapitalismus schon seit längerem herausgebildet hat, zu einem verzögerten Wachstum. Denn ihnen wohnt die Tendenz zu Fäulnis und Parasitismus sowie zur Hemmung der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung inne. Die Herausbildung des Finanzkapitals verstärkt die Loslösung des Eigentümers von der materiellen Produktion der Gesellschaft in ungeahntem Ausmaß − was wie produziert wird, wird zur völligen Nebensache in den Augen der profitgetriebenen Finanzbourgeoisie.

Die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung liegt im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise begründet und setzt sich innerhalb eines Landes und zwischen Ländern fort: Eine ungleichmäßige Entwicklung einzelner Unternehmen, Industriezweige und ganzer Staaten sind die Folge, welche mit der Monopolbildung an Intensität zunimmt, da die Bedeutung der jeweiligen Monopole zunimmt. Während die einzelnen Monopole immer größere Wirtschaftsbereiche kontrollieren und zur Absicherung ihrer Marktstellung über gewaltige ökonomische, politische und militärische Mittel verfügen, bleibt der chaotische Charakter der kapitalistischen Produktion bestehen. Das Streben nach profitablen Anlagen für überschüssiges Kapital führt zum Export von produktivem oder Leihkapital in andere Länder mit Wirtschaftszweigen, die eine hohe Profitrate versprechen.

Ob eine solch hohe Profitrate in einem Land erzielt werden kann, in dem der Kapitalismus noch schwach entwickelt ist oder in einem Land, in dem der Kapitalismus bereits weit entwickelt ist, ist von der konkreten historischen Situation abhängig. Bis heute hat der Kapitalexport in hochentwickelte kapitalistische Staaten an Bedeutung gewonnen. Hierfür ist die ungleichmäßige Entwicklung eine notwendige Voraussetzung. Sie führt zur Herausbildung von Abhängigkeiten zwischen Staaten. Bei diesen Abhängigkeiten handelt es sich um ein Konkurrenzverhältnis zwischen Staaten, aber auch Einzelkapitalen, das sich auf Basis der Entwicklung der Produktivkräfte durch Macht auszeichnet und so den relativen Entwicklungsstand der Länder untereinander kennzeichnet. Die Macht der einzelnen Kapitale und Staaten bestimmt sich in letzter Instanz durch ihren Anteil am gesellschaftlich produzierten Mehrwert.

Es kommt im Imperialismus also nicht zu einer geplanten, gleichmäßigen Entwicklung, durch die sich der Entwicklungsstand verschiedener Länder aneinander angleichen könnte, vielmehr setzt sich das Gesetz ungleichmäßigen der Entwicklung weltweit durch.

Der Imperialismus ist dementsprechend ein Weltsystem, das grundsätzlich die gesamte kapitalistische Welt umfasst, allerdings in sich stark hierarchisch strukturiert ist. So analysierte Lenin, dass um 1900 eine kleine Zahl von Ländern fast die ganze Welt unter sich aufgeteilt hatte und diese als Kolonien und Halbkolonien unterdrückte. Dieser Zustand war jedoch nicht statisch, sondern ständigen Verschiebungen unterworfen. Denn tendenziell entwickeln sich gesetzmäßig größere und kleinere Monopole in allen kapitalistischen Staaten, welche dann im nationalen und internationalen Rahmen miteinander konkurrieren. Das komplexe Wechselspiel aus Konkurrenzkämpfen der Kapitale, politischen Strategien der Bourgeoisie, Kriegen und Wirtschaftskrisen − wobei Faktoren wie gesetzliche Rahmenbedingungen, Geografie, Interventionen eines Staates eine Rolle spielen − lässt bestimmte Länder und Regionen in der Hierarchie des imperialistischen Weltsystems aufsteigen, während andere relativ gesehen absteigen. Im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, um Absatzmärkte und aufgrund des Gesetzes der ungleichmäßigen Entwicklung stehen die Monopole in Konkurrenz zueinander. Diese Konkurrenz der Monopole bleibt fortbestehen, auch wenn sie sich zeitweise zur Durchsetzung ihrer Interessen in internationalen Kapitalistenverbänden (Monopolvereinigungen oder Staatenbündnissen) vereinigen. Es kann demensprechend nicht zu einem allumfassenden „Ultramonopol” kommen, denn der Weg dorthin wäre mit unzähligen Kriegen gepflastert. Der Kapitalismus müsste notwendigerweise bersten, bevor es zu einer friedlichen Vereinigung der Welt unter ein „Ultramonopol” käme, wie Lenin schreibt (vgl. LW 22, S.106). Auch eine sogenannte „multipolare Weltordnung”, in der es mehrere führende imperialistische Zentren bzw. Blöcke gibt, ist Ausdruck der ungleichmäßigen Entwicklung und der mit ihr einhergehenden Veränderung der Kräfteverhältnisse. Eine multipolare Welt bedeutet notwendigerweise eine Verschärfung der Konkurrenz der Monopole der unterschiedlichen Blöcke, also tendenziell mehr Konflikte als weniger. Es ist eine falsche Vorstellung, dass in diesen Konflikten einer der imperialistischen Blöcke die Interessen der weltweiten Arbeiterklasse vertreten oder begünstigen könnte. Sie führt dazu, die Arbeiterklasse zu einem Anhängsel einer Bourgeoisie zu machen. Jede Bourgeoisie versucht in erster Linie ihre Stellung in der internationalen Konkurrenz auf dem Rücken der Weltarbeiterklasse zu verbessern und keinesfalls in Interessenidentität mit ihr. Jedoch ist die Konkurrenz der Monopole letztlich auch ihre Achillesferse: Widersprüche im imperialistischen Weltsystem zwischen den kapitalistischen Staaten müssen dafür ausgenutzt werden, die eigene Bourgeoisie zu stürzen, um die proletarische Diktatur zu errichten. Es wäre eine Illusion, dass sich mit dem Durchsetzen einer „multipolaren Weltordnung“ automatisch potenziell bessere Kampfbedingungen für die Arbeiterklasse ergeben würden. Vielmehr muss sich die Arbeiterklasse immer, auch in der Konkurrenz und im Kampf der imperialistischen Staaten untereinander, ausschließlich von den eigenen Klasseninteressen leiten lassen und diese liegen im Sturz der Bourgeoisie und dem Aufbau des Sozialismus/Kommunismus.

Wechselseitige ungleiche Abhängigkeiten

Die historisch spezifische Tatsache, dass ein oder mehrere Staaten wie die USA und China oder Staatenbündnisse wie EU, NATO, BRICS o.ä. das imperialistische Weltsystem dominieren, hebt nicht die umfassenden wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen allen kapitalistischen Staaten auf der Welt auf. Sie stehen zueinander in einem System der wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten, die sich auf allen Ebenen ungleichmäßig entwickeln und dadurch eine Hierarchie zwischen den Staaten ergeben. Entscheidende Faktoren für diese Hierarchie sind der Umfang der gesellschaftlichen Produktion und Arbeitsteilung, der Weltmarkt, der Kapitalexport und der Zugang zu Rohstoffquellen.

Die Produktion ist heute weltweit so vernetzt, dass die Monopole über den gesamten Globus hinweg agieren und entsprechende Produktionsketten entwickeln. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist so ausdifferenziert wie nie zuvor. Die Ausweitung der kapitalistischen Produktion und die Zunahme des Austausches erhöhen den Bedarf an Rohstoffen, welcher durch die heimische Förderung nicht gedeckt werden kann. Durch die Entwicklung der Produktivkräfte beginnen die relativ weiter entwickelten Staaten, deren Ressourcenverbrauch steigt, sich Rohstoffquellen in anderen Ländern verfügbar zu machen und stehen um eben diese Rohstoffquellen in Konkurrenz zueinander. Kein Land der Welt kann seine Produktion heute vollständig autark organisieren, auch wenn das Interesse daran in Zeiten militärischer Konfrontation steigt. Ansonsten dominiert das Interesse des Kapitals, sich möglichst frei zu bewegen, und zwar dorthin, wo die Profitraten am höchsten sind. Dieses Interesse wird insbesonderevon denjenigen Teilen der Bourgeoisie verkörpert, die ausschließlich als Eigentümer und nicht mehr als Anwender des Kapitals in Erscheinung treten.

Dementsprechend nimmt der Kapitalexport im Imperialismus zu und gewinnt gegenüber dem Warenexport relativ an Bedeutung, was selbstverständlich nicht heißt, dass der Umfang des Warenexportes abnehmen würde. Dieses Finanzkapital nimmt gerade hinsichtlich der Bedeutung des Kapitalexports eine besondere Rolle ein, da es ökonomische Abhängigkeiten in Form von Gläubigern und Schuldnern hervorbringt. Die relative Zunahme des Kapitalexportes gegenüber dem Warenexport geht mit einer zunehmenden Bedeutung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses gegenüber dem Verkäufer-Käufer-Verhältnis einher. Ersteres dauert verglichen mit letzerem allgemein länger an und bildet sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen als ein ungleiches, aber wechselseitiges Verhältnis heraus. Ebenso wie der Verkäufer davon abhängig ist, dass er einen Käufer findet, ist der Käufer davon abhängig ist, dass er einen Verkäufer findet, der ihm Ware bietet, die ein Bedürfnis befriedigt. Genauso verhält es sich mit dem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis: Der Schuldner ist vom Gläubiger abhängig und der Gläubiger vom Schuldner: Der eine ist gezwungen, sein Geld zurückzuzahlen, der andere ist darauf angewiesen, dass das Geld zurückgezahlt wird. Gleichzeitig wird deutlich, dass diese Abhängigkeiten ungleich sind, da klarerweise zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner keine Symmetrie herrscht.

Was für das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis gilt, gilt im Allgemeinen für die kapitalistischen Beziehungen im Imperialismus: Die Abhängigkeiten zwischen Teilen des Kapitals, zwischen den Monopolen, zwischen den kapitalistischen Staaten werden zum allgemeinen System, dem sich niemand entziehen kann. Abhängigkeitsverhältnisse haben einen qualitativen Charakter. So gibt es im imperialistischen Weltsystem Verhältnisse mit bestimmten Qualitäten – z.B. das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner −, die aus den wesentlichen Gesetzmäßigkeiten des Imperialismus erwachsen. Diese qualitativen Verhältnisse können wiederum quantitativ stärker oder schwächer sein, z.B. durch die Höhe der Verschuldung. Entsprechend dem Grad der ökonomischen Abhängigkeiten zwischen Staaten entwickeln sich politische und militärische Abhängigkeiten zwischen ihnen.

Es ist daher eine falsche Vorstellung, von weit verbreiteten einseitigen Abhängigkeiten zwischen den Staaten im heutigen imperialistischen Weltsystem auszugehen. Im heutigen Imperialismus haben wir es nicht mehr mit einer „Handvoll Räuber“ (Lenin), also einer kleinen Anzahl imperialistischer Staaten, zu tun. Mit der weltweiten Entwicklung hin zum Monopolkapitalismus müssen wir heute zwischen kleineren und größeren Räubern unterscheiden. Die Bourgeoisien der schwächeren Staaten sind nicht vollständig hilflos den führenden Staaten im Imperialismus ausgesetzt. Sie haben aufgrund ihrer politischen Souveränität die Möglichkeit, den Staat und seine politischen, ökonomischen und militärischen Mittel in ihrem Interesse zu nutzen. Der ungleichmäßigen Entwicklung entsprechend können diese Mittel in unterschiedlichem Maße genutzt werden. Während einzelne Staaten beispielsweise durch ihre geographische Lage, z.B. Zugang zu wichtigen Meereshandelsstraßen oder besonderen Rohstoffvorkommen, Verhandlungsgewicht in der internationalen Konkurrenz bekommen, haben andere Staaten nur die Möglichkeit, zwischen den führenden imperialistischen Blöcken als ihre ungleichen, hierarchisch höher gestellten Bündnispartner zu wählen. Tendenziell werden die Abhängigkeiten ungleicher, je weiter unten ein Land in der imperialistischen Hierarchie steht. Trotz einer relativ hohen Zahl von Ländern am unteren Ende der Hierarchie handelt es sich bei diesen Abhängigkeiten jedoch nicht um einen neuen Kolonialismus. Einzelne noch existierende tatsächliche Kolonien, wie beispielsweise Palästina, sind davon ausgenommen.

Es ist daher auch falsch, die Bourgeoisien der schwächeren Staaten in „Kompradorenbourgeoisie” und nationale Bourgeoisie zu teilen, wobei die „Kompradoren” ausschließlich im Interesse stärkerer Staaten, wie beispielsweise der USA, agieren würden. Auch die Bourgeoisie schwächerer kapitalistischer Staaten bleibt im Allgemeinen politisch souverän. Unterschiedliche Teile der Bourgeoisie mögen wechselnde Strategien zur Verbesserung ihrer Stellung im imperialistischen System vertreten und somit immer wieder Konkurrenz und Spaltung manifestieren − allerdings kann dadurch nicht von einer starren Trennung ausgegangen werden, wie die Begriffe „Kompradoren” und nationale Bourgeoisie sie nahelegen. Abgesehen von einer falschen Analyse ist das fatale an diesen Begriffen, dass sie die Möglichkeit eines Bündnisses mit der nationalen Bourgeoisie implizieren, da diese ja − ähnlich wie die Arbeiterklasse − ein Interesse an der Vertreibung der ausländischen Einflüsse im Land habe. Mit einem solchen Verständnis soll die Arbeiterklasse im Rahmen eines Bündnisses mit der nationalen Bourgeoisie zum gemeinsamen Kampf gegen (bestimmte) ausländische Bourgeoisien gebracht werden. Faktisch führt dieses Verständnis zu einer Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Interessen der nationalen Bourgeoisie.

Von wirklich einseitigen Beziehungen im imperialistischen Weltsystem kann nur noch in Bezug auf koloniale Unterdrückung und Besatzung gesprochen werden, weil hier die politische Souveränität und die Verfügung über einen Staat durch die unterdrückte Bourgeoisie eingeschränkt oder nicht vorhanden ist. Selbst hieraus ergibt sich jedoch nicht ein strategisches Bündnis der Arbeiterklasse mit der unterdrückten Bourgeoisie, sondern ein anderer taktischer Umgang mit dieser. So muss der Hauptschlag im palästinensischen Befreiungskampf aktuell gegen das israelische Kolonialregime geführt werden und nicht im selben Maße gegen die eigene palästinensische Bourgeoisie.

Das imperialistische Weltsystem

Hinsichtlich der wesentlichen Entwicklungstendenzen im Imperialismus gibt es keinen qualitativen Unterschied zwischen den kapitalistischen Ländern. An die Stelle eines weltweiten Kolonialsystems zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dessen Herrscher eine Handvoll vor allem europäischer Länder waren, ist ein weltweites System sich ungleich entwickelnder kapitalistischer Staaten und deren Verhältnisse getreten. Ehemalige Kolonien haben sich zu modernen kapitalistischen, politisch eigenständigen Staaten entwickelt, die in ein Netz von gegenseitigen Abhängigkeiten eingebunden sind. Dennoch existiert eine Gruppe führender Staaten im Imperialismus, deren Gewicht im imperialistischen Weltsystem so groß ist, dass sie und die Konkurrenz unter ihnen in nahezu jedem Konflikt um die Neuaufteilung der Welt eine zentrale Rolle spielen.

Die in der internationalen kommunistischen Bewegung verbreitete Vorstellung, dass das Wesen des Imperialismus heute als die Herrschaft derselben „Handvoll Räuber” wie zu Lenins Zeiten (USA, Deutschland, England, Frankreich und wenigen anderen) über den Rest der Welt zu verstehen sei, ist Ausdruck von Revisionismus, der auf einer eklektischen und unwissenschaftlichen Lesart Lenins beruht. Anstatt seine Vertiefung des Verständnisses der wesentlichen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus als Grundlage der Analyse der heutigen Verhältnisse zu nutzen, wird seine Darstellung der konkreten historischen Erscheinungen schematisch auf heute übertragen. So wird auch die damalige Existenz von Kolonien und Halbkolonien u.a. mit dem Begriff „Neokolonialismus” auf heute übertragen und als vorherrschend verabsolutiert. Eine Einteilung in „unterdrückende” und „unterdrückte” Länder entspricht heute nicht mehr der Realität, weil sich in fast allen Ländern eine politisch souveräne, also nicht unterdrückte, Bourgeoisie mit einem eigenen Staat entwickelt hat. Diese schematische Zweiteiligung ist nicht nur in Teilen des marxistisch-leninistischen, sondern auch im maoistischen Spektrum vorzufinden. Oft führt dies zu der falschen Vorstellung, dass die Arbeiterklasse in „unterdrückten Ländern“ ein strategischen Bündnis mit der Bourgeoisie eingehen müsse.

Aus der revisionistischen Gleichsetzung von Imperialismus mit der Vorherrschaft weniger Staaten folgt häufig die Vorstellung, es gäbe kapitalistische Staaten, die eine fortschrittliche, „objektiv antiimperialistische“ Rolle spielen würden. So wird z.B. Russland wegen seiner Interessendivergenzen mit den USA oft eine solche Rolle zugesprochen. Aber auch die Vorstellung, dass beispielsweise der Widerstand der Bourgeoisien in Mali, Afghanistan oder Burkina Faso gegen den Einfluss der USA oder Frankreichs in ihren Ländern im Interesse der Arbeiterklasse sei, sind falsch. Sie unterschlagen die Bedeutung des Klassenkampfs in diesen Ländern und missachten, dass die Hinwendung dieser Bourgeoisien zu anderen führenden Staaten im imperialistischen Weltsystem letztlich immer auf Kosten der Arbeiterklasse geht.

Mit dieser falschen Imperialismusvorstellung geht meist die unwissenschaftliche Gleichsetzung von Imperialismus mit der Vorherrschaft einzelner, „westlicher“ oder „nördlicher“ Staaten wie die USA, Westeuropa und Japan einher. Wir halten jedoch daran fest, dass der Imperialismus eine gesetzmäßige Entwicklung des Kapitalismus in seinem monopolistischen Stadium ist. Es ist falsch, relativ unterlegenen imperialistischen Polen innerhalb dieses Systems eine prinzipielle Friedensfähigkeit oder fortschrittliche Rolle zuzuschreiben. Die fatale Konsequenz aus solchen Fehleinschätzungen ist, dass die Arbeiterklasse sich unter der Fahne fremder Interessen, nämlich des einen oder anderen imperialistischen Pols sammelt. Die Unterstützung eines kapitalistischen Staates bedeutet immer die Unterstützung seiner Bourgeoisie, sie ist eine Abweichung vom Klassenkampf − und nicht gleichzusetzen mit einer taktischen Ausnutzung von Widersprüchen zwischen den Bourgeoisien von einem gänzlich unabhängigen Standpunkt der Arbeiterklasse aus. Ein solches „Ausnutzen von Widersprüchen” darf nicht von falschen Vorstellungen einer strategischen Zusammenarbeit mit Teilen der Bourgeoisie auf dem Weg zur nationalen Befreiung oder zum Sozialismus ausgehen. Es ist nur legitim, wenn es als taktische Maßnahme der Vorbereitung der Arbeiterklasse im Kampf zum Sturz der Bourgeoisie dienlich ist.

Kriege und die Neuaufteilung der Welt

Die ungleichmäßige Entwicklung und die Konkurrenz um Profite führt zu einem ständigen Kampf um die Neuaufteilung von Einflusssphären, Märkte, Rohstoffquellen, geostrategischen Stellungen − ein Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Die Mittel, mit denen weltweit die Konkurrenz um die Neuaufteilung durchgesetzt wird, reichen von der „friedlichen” Einflussnahme im Rahmen von Kapitalexport bis hin zum imperialistischen Krieg. Das heißt, Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern sind Teil des Ringens um die Neuaufteilung der Welt. Sie sind nichts grundlegend anderes als die nicht-kriegerisch ausgetragene Konkurrenz, sondern ihre Fortsetzung. Da der Kampf um die Neuaufteilung notwendig aus der ungleichmäßigen Entwicklung des imperialistischen Weltsystems erwächst, ist auch der imperialistische Krieg ein wesentlicher Bestandteil und kann unter kapitalistischen Verhältnissen niemals gebannt werden. Er dient der Sicherung, aber auch der Schwächung oder Auflösung von Abhängigkeitsverhältnissen. Seine konkrete Form, die jeweilige Kriegsbeteiligung und Bündnisbildung, wird von bestehenden Abhängigkeiten beeinflusst.

Die sich tendenziell verschärfende zwischenimperialistische Konkurrenz führt geradewegs zu gesteigerter Aggression nach außen, Aufrüstung und militärischer Konfrontation. Die zeitweilige Zusammenarbeit verschiedener kapitalistischer Länder, die sich in vielfältigen zwischenstaatlichen Bündnissen ausdrücken kann, hebt diese Tendenz zur Aggression nicht auf: Zum einen verfolgt diese Zusammenarbeit selbst stets das Ziel, den beteiligten Ländern eine bessere Position im Kampf um die Neuaufteilung zu verschaffen, also lediglich eine bessere Ausgangslage für den imperialistischen Krieg. Zum anderen entwickeln sich die zwischenimperialistischen Widersprüche objektiv und stellen früher oder später die etwaige Zusammenarbeit von Staaten immer wieder infrage. Somit sind zwischenstaatliche Bündnisse unter kapitalistischen Verhältnissen nur Ausdruck der imperialistischen Entwicklung auf einer bestimmten Stufe und insbesondere der ungleichen Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Ländern. Behauptungen, nach denen es tendenziell zu einer Abschwächung der zwischenimperialistischen Widersprüche in der Welt käme, stützen sich auf Momentaufnahmen der internationalen Entwicklung, klammern die Dynamik der Neuaufteilung aus und reproduzieren letztendlich die Propaganda der bürgerlichen Regierungen von einer „friedvollen internationalen Zusammenarbeit”.

Zentrale Entwicklungen im imperialistischen Weltsystem heute und die Rolle des deutschen Imperialismus

Gegenwärtig erleben wir, dass die USA in ihrer internationalen politischen, wirtschaftlichen und teilweise auch in ihrer militärischen Führungsrolle im imperialistischen Weltsystem infrage gestellt wird. In China legte die Konterrevolution vom Sozialismus zum Kapitalismus die Grundlage für dessen Integration in das imperialistische Weltsystem. Heute ist es Chinas monopolkapitalistische Entwicklung, die seinen internationalen Aufstieg antreibt. Mit umfangreichem Waren- und Kapitalexport, mit Infrastrukturprojekten, mit Aufrüstung und, wenn auch bisher beschränkter, internationaler Militärpräsenz macht China den USA die weltweite Spitzenposition streitig. Die Rivalität zwischen den USA und China bestimmt in zunehmendem Maße die Entwicklung des imperialistischen Weltsystems. Diese Rivalität besteht nicht unabhängig von anderen zwischenstaatlichen Konflikten und spielt auch in regionalen Auseinandersetzungen eine Rolle wie im Ukraine-Krieg, dem Nahen und Mittleren Osten, im südchinesischen Meer oder der Sahel-Zone.

Ausgehend von den um die Spitzenposition ringenden Ländern stehen sich unterschiedliche zwischenstaatliche Allianzen gegenüber, die wir als imperialistische Blöcke bezeichnen. Von diesen Blöcken sind die NATO, die EU, die G7 und die BRICS − deren Länder am weltweiten BIP einen höheren Anteil tragen als die G7 − in ihrer Bedeutung für die internationale Konfrontation hervorzuheben. Keiner dieser Blöcke ist monolithisch: Es gibt weitere kapitalistische Länder und Staatenbündnisse (beispielsweise die G20-Staaten), die zwar nicht unmittelbar um die Führungsrolle im imperialistischen Weltsystem ringen (können), aber um sichtbaren internationalen Einfluss und eine höhere Position in der Hierarchie.

Deutschland nimmt mit seiner hohen industriellen Entwicklung, Kapitalakkumulation und Monopolisierung eine führende Rolle im internationalen Export von Kapital und Waren ein. Ferner nimmt die BRD politischen Einfluss − diplomatisch und mit sogenannter Soft Power (etwa deutsch-imperialistische Öffentlichkeitsarbeit im Ausland), sie rüstet erkennbar auf, ist weltweit militärisch und kriegerisch präsent. Die BRD beteiligt sich aktiv an der Neuaufteilung der Welt im Interesse des deutschen Kapitals. Den Rahmen für ihr Handeln bilden überwiegend wechselseitig bestehende Abhängigkeiten mit den anderen Staaten an der Spitze der Hierarchie. So ist beispielsweise China unverzichtbarer Absatzmarkt deutscher Monopole, während gleichzeitig das Handelsdefizit mit China wächst, also die chinesischen Importe in der BRD inzwischen zahlenmäßig weit höher sind als umgekehrt. Neben dem chinesischen Markt spielen der EU-Binnenmarkt und der US-amerikanische Markt eine zentrale Rolle für den deutschen Waren- und Kapitalexport.

Zunehmend versucht die BRD, eigenständiger in den internationalen Beziehungen vorzugehen. Neben einer Ausweitung der militärischen Handlungsfähigkeit durch Aufrüstung und Umstrukturierung der Bundeswehr bedeutet dies auch, eigene direkte politische und ökonomische Beziehungen (z.B. Handelsabkommen) zu wichtigen Ländern und Staatenbündnissen in Lateinamerika (Brasilien und die MERCOSUR-Staaten), Afrika und Asien (Indien und die ASEAN-Staaten) zu entwickeln oder Beziehungen zu diesen Ländern durch die EU zu fördern.

Die wechselseitigen Abhängigkeiten finden ihren Ausdruck auch in zwischenstaatlichen Bündnissen mit deutscher Beteiligung wie in der NATO. Dort stellte sich die BRD über mehrere Jahre gegen die US-Forderung nach einer Erhöhung des Kriegsetats auf 2% des BIP − mit dem russischen Angriff auf die Ukraine erfüllte Deutschland dann schließlich diese Zielvorgabe.

Die EU ist für die deutschen Monopole eine Allianz von besonderer Bedeutung: Als wichtigster Markt und politisch von der BRD dominiert ist sie ein wesentlicher Faktor für die deutsche Beteiligung an der Neuaufteilung. Die EU ist ein imperialistisches Bündnis, das zur Aufrechterhaltung und Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse in Deutschland, den EU-Staaten und darüber hinaus beiträgt. Der Kampf für den Sozialismus muss den Kampf gegen die EU beinhalten.

Wir kämpfen gegen den deutschen Imperialismus und den Imperialismus als Ganzen

Wie oben dargestellt, ist das Wesen des Imperialismus das Monopolkapital als gesellschaftliches Verhältnis, welches sich die gesamte Welt unterordnet. Diese Entwicklung ist nicht auf einzelne Staaten beschränkt und imperialistisch ist eben keine Eigenschaft, die von manchen Staaten ausgeprägt und von anderen nicht ausgeprägt wurde.

Das bedeutet für uns als Kommunisten, dass wir gegen den Imperialismus als Ganzen kämpfen und nicht gegen die Vorherrschaft oder Politik einzelner als besonders aggressiv geltender Staaten. Der ausschließliche Kampf gegen einzelne Länder an der Spitze der imperialistischen Hierarchie bedeutet nur die Unterstützung aufsteigender Staaten und sich neu formierender Führungsmächte im imperialistischen Weltsystem. Ein solcher Kampf unterstützt daher maximal eine Veränderung der konkreten Ausgestaltung der wechselseitigen Abhängigkeiten in der imperialistischen Hierarchie.

Den Kampf gegen den Imperialismus insgesamt zu führen bedeutet, den Kampf sowohl gegen die eigene, als auch gegen jede andere Bourgeoisie zu führen, insbesondere wenn deren Monopole im eigenen Land eine Rolle spielen. Es ist eine taktische Frage, welche Gewichtung der Kampf gegen ausländische Bourgeoisien im Verhältnis und in Verbindung zum Kampf gegen die eigene Bourgeoisie bekommt.

Als Kommunisten in Deutschland kämpfen wir gegen den deutschen Imperialismus. Die BRD ist heute Teil der Spitze der imperialistischen Hierarchie und ringt im Rahmen wechselseitiger Abhängigkeiten und mithilfe der EU aggressiv um ihren eigenen Aufstieg. Der Kampf gegen die deutsche Bourgeoisie hat eine relevante Bedeutung für viele Kämpfe auf der Welt, weil deutsche Monopole überall auf der Welt aktiv sind, die Arbeiterklasse ausbeuten, Völker unterdrücken und imperialistische Kriege vorantreiben.

Im Sinne des proletarischen Internationalismus und des weltweiten Ziels der sozialistischen Revolution ist es zentral, die Kämpfe im nationalen Rahmen gegen die jeweils eigene Bourgeoisie zu koordinieren, zu unterstützen und gegenseitige Solidarität zu leisten, um die Kette kapitalistischer Staaten auf ein Neues an ihrem schwächsten Glied auseinanderzubrechen. Also in dem Land oder den Ländern, wo der Kapitalismus zuerst in eine existenzielle Krise gerät und die Arbeiterklasse in der entstandenen revolutionären Situation die Macht erkämpfen kann. Kommunisten dürfennicht „nur” einen Kampf gegen die schlimmsten Auswüchse des Imperialismus wie den imperialistischen Krieg führen, wie manche Teile der Friedensbewegung es für sich beschreiben. Das Ziel unseres antiimperialistischen Kampfes ist immer die Überwindung des Imperialismus und nicht dessen vermeintliche Eindämmung oder die Eindämmung seiner Folgen. Wir kämpfen gegen den deutschen Imperialismus, um auf seinen Trümmern den Sozialismus aufzubauen. Wir kämpfen gegen den Imperialismus als Ganzen, weil wir ein Teil der internationalen Arbeiterklasse sind und mit ihr den faulenden Kapitalismus weltweit stürzen müssen.

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