Stellungnahme der Zentralen Leitung der KO vom 24. Februar 2023
Seit neun Jahren herrscht bereits Krieg im Donbass, im Osten der Ukraine. Bereits bevor russische Truppen am 24. Februar 2022 die Grenze zur Ukraine überschritten, starben in Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und den Streitkräften der sogenannten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk auf beiden Seiten insgesamt 14.000 Menschen. Der bis vor einem Jahr lokal begrenzte Krieg begann 2014 – er ist eine Folge der aggressiven Osterweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands heran, den Bestrebungen der EU, sich die Ukraine ökonomisch einzuverleiben und ihre Arbeitskräfte auszubeuten, und des von NATO und EU unterstützten und mit umgesetzten Putsches, durch den die Regierung von Wiktor Janukowytsch gestürzt wurde. Die mit westlicher Hilfe an die Macht geputschte Regierung bestand aus rechtsradikalen, nationalistischen und offen faschistischen Kräften und lieferte schnell, was sich die Herrschenden in den Machtzentralen von EU und NATO erhofften: Wirtschaftliche und politische Verbindungen zu Russland wurden gekappt, Gewerkschaften, kommunistische und linke Organisationen und Parteien verboten und starker Repression ausgesetzt. Außerdem wurde durch verschiedene Maßnahmen die russische Sprache, immerhin Muttersprache etwa eines Drittels der Bürger der Ukraine, stark diskriminiert und das Geschichtsbild der ukrainischen Faschisten (die Sowjetunion, der Kommunismus und „die Russen“ als das Böse schlechthin – die Nazis und ihre Kollaborateure als Helden) als vorherrschendes und einzig zugelassenes Narrativ verankert. Der Widerstand gegen den Putsch im Osten und Süden der Ukraine wurde gewaltsam niedergeschlagen, wo das neue Regime dazu fähig war – im Donbass konnten sich die Aufständischen mit russischer Hilfe halten, es folgte ein jahrelanger Bürgerkrieg, bei dem vor allem auf der Seite Kiews neonazistische Einheiten wie das Asow-Regiment eine wichtige Rolle spielten.
Durch den Einmarsch Russlands, der sich nun zum ersten Mal jährt, eskalierte der Krieg jedoch zu einer neuen Qualität: Seitdem handelt es sich um einen direkten Krieg zwischen Russland und der Ukraine mit vielen Zehntausenden Toten, der die gesamte Ukraine erfasst, riesige Zerstörungen verursacht und die Gefahr eines Weltkriegs zwischen der NATO und Russland enorm verschärft hat. Es handelt sich um einen brutalen Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der NATO, die zwar nicht mit eigenen Truppen, aber mit gewaltigen Mengen an Waffen, Logistik, Aufklärungsdaten, militärischer Ausbildung und Knowhow die ukrainische Armee gegen Russland in den Kampf schickt.
Wer zahlt die Rechnung für den Krieg?
Nach einem Jahr können wir nun eine Bilanz ziehen: Welche direkten und indirekten Auswirkungen hat der Krieg für die Masse des Volkes in der Ukraine und in Russland? Welche auf den Rest der Welt? Wie sieht es mit den Kriegszielen aus und wer profitiert von dem massenhaften Töten und Sterben in der Ukraine?
Vor allem hat sich eines bestätigt: Die Rechnung für den Krieg wird auf allen Seiten die Arbeiterklasse, das einfache Volk, zahlen: Zehntausende, meist junge Männer, die in den Armeen Russlands, der Ukraine und der „Volksrepubliken“ in den Krieg gezwungen oder mit Versprechungen gelockt wurden, wurden aus dem Leben gerissen. Tausende Zivilisten sind tot, weitere Zehntausende Menschen auf beiden Seiten sind verstümmelt, traumatisiert, ihrer Lebensgrundlage und Träume beraubt. Es sind Millionen Menschen aus der Ukraine auf der Flucht. Alleine in Deutschland befinden sich über eine Million Geflüchtete aus der Ukraine. Große Teile der Ukraine, gerade auch des Donbass, zu dessen Schutz Russland die Invasion unter anderem angeblich gestartet hat, wurden in ein Trümmerfeld verwandelt. Die Ukraine, die unter dem sowjetischen Sozialismus von einem armen Agrarland zu einem modernen Industriestaat und einem wirtschaftlich wichtigen Teil der Sowjetunion aufgebaut worden war, hatte zwar durch die Wiedereinführung des Kapitalismus 1989-91 schon gewaltige wirtschaftliche Zerstörungen erlebt – doch nun werden die historischen Leistungen, die die ukrainische Arbeiterklasse mit ihren Händen als Teil der Sowjetunion geschaffen hatte, endgültig in Schutt und Asche gelegt.
Auch im Rest Europas treiben Sanktionen, Wirtschaftskrieg, Aufrüstung und die Sprengung der „Nord Stream“-Pipelines den Preis des Krieges für die armen Volksschichten in die Höhe. Die Inflation, angetrieben vor allem durch die hohen Öl- und Gaspreise, macht den Alltag für immer mehr Familien unbezahlbar. Große Teile der DGB-Gewerkschaften haben im letzten Jahr den Kurs der Klassenkollaboration mit dem Kapital noch vertieft; sie verzichten auf Mobilisierungen zur Verteidigung des Lebensstandards der Beschäftigten und für höhere Reallöhne; sie unterstützen die Aufrüstung und immer tiefere Verwicklung Deutschlands in den Krieg gegen Russland. Allerdings gibt es in Teilen einiger Gewerkschaften, vor allem an der Basis, auch Stimmen gegen die Sanktionen, gegen die Waffenlieferungen und die allgemeine Kriegshetze.
In Russland werden Kriegsgegner und Kriegsdienstverweigerer verfolgt, selbst den Krieg einen Krieg zu nennen, steht unter Strafe. Während der russische Staat eine Reihe von regierungstreuen Pseudokommunisten als „linke“ Feigenblätter toleriert, werden die tatsächlichen Kommunisten und andere linke Kriegsgegner, in ihren Aktivitäten eingeschränkt, eingesperrt und zensiert. In den sogenannten „Volksrepubliken“ des Donbass, die sich v.a. in der Anfangszeit mit sowjetischen Symbolen schmückten und sich auf die antifaschistischen und prosozialistischen Stimmungen der Bevölkerung stützten, werden Streikbewegungen ebenfalls seit Jahren unterdrückt und die Kommunisten nicht zu den Wahlen zugelassen.
In der Ukraine, die in der verlogenen Propaganda der Medien hierzulande als Demokratie und Hort der Freiheit beschönigt wird, ist der Kampf gegen den Krieg sogar noch schwieriger: Waren lange vor der russischen Invasion bereits alle kommunistischen und linken Parteien verboten, gilt dies nun praktisch für alle Oppositionsparteien überhaupt (mit Ausnahme derer, die noch weiter rechts stehen als die Regierungsparteien). Konnten Antifaschisten, Kommunisten oder auch nur Verteidiger der Rechte der russischsprachigen Minderheit seit 2014 ihres Lebens nicht mehr sicher sein, kann nun jeder, der die Diktatur kritisiert, vom ukrainischen Geheimdienst SBU verhaftet werden und auf unbestimmte Zeit verschwinden – so ist es z.B. mit dem Vorsitzenden des Kommunistischen Jugendverbands der Ukraine Michail Kononowitsch und seinem Bruder Aleksandr geschehen, die von März bis Dezember 2022 ohne Kontakt zur Außenwelt eingesperrt waren. Die Rechte der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften wurden seit 2014 immer stärker eingeschränkt und heute sind Tarifkämpfe faktisch verunmöglicht worden. Die Kapitalisten können einseitig aus Tarifverträgen aussteigen, Arbeitszeiten verlängern, Urlaubstage streichen und kranke Arbeiter kündigen.
In den NATO-Staaten haben die Herrschenden die lang ersehnte Gelegenheit ergriffen, um mit Hilfe völlig unrealistischer und hysterischer Bedrohungsszenarien („Als nächstes wird Putin die NATO angreifen“) die Abneigung großer Teile der Bevölkerung gegen weitere Aufrüstung zu überwinden. In Deutschland wurde die ohnehin oft umgangene Regelung, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, entsorgt. Die Ausrichtung der gesamten Gesellschaft auf das Führen von Kriegen, die Normalisierung von Militär und militärischer Gewalt, die seit Jahrzehnten schrittweise vorangetrieben wurde, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Grünen haben dabei vollendet, was sie mit dem Vorantreiben des Angriffs auf Jugoslawien 1999 begonnen hatten: Angetreten als Partei für Frieden und Umweltschutz hetzten grüne Politiker in den letzten Monaten am heftigsten und scheinen die Kriegsspirale immer noch ein Stück weiter drehen zu wollen. Wenn es nach dem SPD-Kriegsminister Pistorius geht, ist das alles aber nur der Auftakt: Selbst die Vorgaben der NATO, 2 % des Bruttoinlandsproduktes für Militär auszugeben sieht er nur als „Basis für alles weitere“. Die Bundeswehr zur stärksten Armee der EU zu machen, ist eine Ankündigung von mehr und größeren Kriegseinsätzen unter schwarz-rot-goldener Flagge. Historisch hat der deutsche Imperialismus schon zweimal bewiesen, dass Staaten Kriege anzetteln und zum Faschismus als Mittel der Durchsetzung ihrer Interessen greifen, um im Wettbewerb der imperialistischen Hierarchie zu bestehen. Das kapitalistische Herrschaftssystem, das beide Weltkriege verursacht hat, besteht heute genauso wie damals und es ist trotz seiner „demokratischen“ und „weltoffenen“ Lackierung kein bisschen menschenfreundlicher geworden.
Der Rassismus vor allem gegen Menschen aus Russland hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Aufrufe zum Boykott von Geschäften und Restaurants im Besitz russischstämmiger Immigranten sind keine Seltenheit und erinnern an die düstersten Kapitel der deutschen Geschichte. Während die Faschisten in der Ukraine totgeschwiegen, geleugnet oder verherrlicht werden und die Distanzierung von ihnen fast schon als Vaterlandsverrat gewertet wird, müssen sich öffentliche Personen mit russischem Hintergrund in der Öffentlichkeit von Putin distanzieren, um nicht durch einen von den medialen Kriegshetzern aufgepeitschten Mob „gecancelt“ zu werden.
Der russische Präsident wurde zum absoluten Feindbild der Medien und Politiker, zum verrückten und machthungrigen Diktator. Ein alter Trick der Herrschenden, der immer wieder funktioniert: die Zwänge und Mechanismen des Imperialismus, der Drang zum Profit des Kapitals und die Funktion des Staats als ideeller Gesamtkapitalist, der diese Interessen umsetzt, werden so verschleiert und die Illusion geschaffen, dass die Welt gerecht wäre, wenn sie ein paar Verrückte loswerden würden. So wird gleichzeitig die eigene Herrschaft gesichert und die Wut der Bevölkerung über die ständig steigenden Lasten und Kriegskosten abgelenkt.
Flüchtlinge in Deutschland werden gleichzeitig aktiv durch die herrschende Politik gespalten: Auf der einen Seite die „guten“ ukrainischen Flüchtlinge, die einen Zugang zu Wohnungen, Bürgergeld und dem Arbeitsmarkt bekommen – auf der anderen Seite werden v.a. Flüchtlinge aus muslimischen und/oder afrikanischen Ländern weiterhin unter rassistischen Generalverdacht gestellt, als Kriminelle oder „Terrorunterstützer“ eigentlich „nicht hierher“ zu passen. Eine Behandlung zweierlei Maß wurde gerade in den letzten Wochen bei den schwierigen, geradezu unmöglichen, Aufnahmebedingungen der syrischen Erdbebenopfer deutlich. Die Heuchelei und Ungleichbehandlung wird wiederum von rassistischen Kräften aufgegriffen, um gegen das „Hofieren“ der Ukrainer zu protestieren, anstatt eine menschenwürdige Behandlung Aller unabhängig vom Herkunftsland zu fordern.
Wohin führt der Krieg?
Die Gefahr einer Verallgemeinerung des Krieges, einer Eskalation in einen Weltkrieg, der höchstwahrscheinlich ein Atomkrieg mit unzähligen Millionen Todesopfern wäre, ist so groß wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Eine solche Eskalation bedarf nur noch eines Funkens aus der Glut. Ein versehentlicher oder absichtlicher Abschuss eines NATO-Flugzeugs durch eine russische Rakete könnte beispielsweise ausreichen, um in Europa einen Flächenbrand zu entfachen.
Der Frontverlauf in der Ukraine ist währenddessen festgefahren. Die Planungen Russlands, die ukrainische Armee in einem schnellen „Blitzkrieg“ zu überwinden und die Selenskyj-Regierung zu stürzen, sind gescheitert. Der Kampf ist in einen Stellungskrieg übergegangen, in dem es insgesamt trotz heftiger Kämpfe mit schweren Verlusten auf beiden Seiten über Wochen und Monate kaum Verschiebungen der Frontlinie gibt. An den Frontabschnitten, in denen es in den letzten Monaten zu größeren Bewegungen kam, ist insgesamt keine klare Tendenz zugunsten einer Seite sichtbar: Den bedeutenden Geländeverlusten der russischen Armee im Oblast Charkiw im Nordosten sowie bei Cherson im Süden der Ukraine steht die Eroberung von Sjewjerodonezk, Lyssytschansk und bald vermutlich Bachmut im Donbass gegenüber, die die ukrainischen Streitkräfte trotz massiver westlicher Waffenlieferungen nicht halten konnten. Tausende Soldaten wurden von beiden Seiten für eher geringe Geländegewinne geopfert. Bereits seit Monaten wird darüber spekuliert, dass sowohl die Ukraine als auch Russland eine neue Offensive im Spätwinter starten könnten, wofür auch seit längerer Zeit Reserven hinter der Frontlinie gesammelt werden. Es ist dennoch fraglich, ob eine der Kriegsparteien ihre weitreichenden Kriegsziele in absehbarer Zeit erreichen kann – im Falle Russlands mindestens die Eroberung der von Russland bereits formell annektierten Oblasts Donezk, Lugansk, Cherson und Saporischija, im Falle der Ukraine die gewaltsame „Befreiung“ aller von Russland besetzten Gebiete und auch der seit 2014 von Russland annektierten Krim. Die deutsche Bundesregierung unterstützt dabei mit ihrer Formulierung der „Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine“ die Maximalziele der ukrainischen Kriegsstrategen, die auch das Donbass und die Krim, wo sich der Großteil der Bevölkerung 2014 für die Abspaltung entschieden hatte, wieder mit militärischer Gewalt unter ihre Herrschaft zwingen wollen.
Die weitere Zuspitzung des Krieges äußert sich u.a. darin, dass die russische Kriegsstrategie von einer vergleichsweise begrenzten Operation mit begrenzten Kräften nach wenigen Wochen zu einer großflächigen Offensive unter massivem Einsatz der Artillerieüberlegenheit übergegangen ist und Russland nun einen zähen Abnutzungskrieg gegen die Ukraine führt; dass die NATO von einer begrenzten zu einer fast unbegrenzten Unterstützung der Ukraine übergegangen ist und immer mehr „rote Linien“, die einst formuliert wurden, überschritten werden, wie seit einigen Wochen die Lieferung von Kampfpanzern, die die ukrainische Armee befähigen soll, die russischen Truppen bis an die Grenzen zurückzudrängen und die Krim zurückzuerobern; der massive Einsatz neuer Waffensysteme wie z.B. von Kampfdrohnen, um jeweils die feindliche Infrastruktur (auf ukrainischem UND russischem Gebiet) anzugreifen und Verluste zu verursachen.
Wer will den Krieg?
Ein Krieg wurde von der NATO, der EU und ihren Verbündeten in Kiew seit Jahren vorbereitet. Entgegen der Propaganda der Herrschenden ist der Krieg nicht am 24. Februar 2022 vom Himmel gefallen. Das vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj schon im März 2021 unterschriebene Dekret zur „Deokkupation“, also Rückeroberung des Donbass und der Krim war bereits eine klare Kampfansage an Russland. Die Truppenkonzentration der ukrainischen Armee Ende 2021 und Anfang 2022 sowie der verstärkte Artilleriebeschuss des Donbass kündigten einen möglichen Angriff auf das Donbass an, bei dem klar war, dass Russland nicht tatenlos zusehen würde. Die Eskalation des Konflikts durch alle ukrainischen Regierungen seit 2014 wurde von den NATO-Verbündeten mitgetragen, unterstützt und angeheizt, vor allem, indem die ukrainische Armee über Jahre aufgerüstet wurde, um im Donbass den verbrecherischen Krieg weiterführen zu können. Die USA im Besonderen versuchen seit vielen Jahren, eine Annäherung von Berlin (und Paris) an Moskau, eine Zusammenarbeit auf politischer oder ökonomischer Ebene zu verhindern. Die „Nord Stream“-Infrastruktur, durch die billiges Erdgas von Russland durch die Ostsee nach Deutschland transportiert wurde und die mit der „Nord Stream 2“ Pipeline noch ausgebaut wurde, war der herrschenden Klasse in den USA immer ein Dorn im Auge. Die Pipelines mussten verschwinden und sie wurden gesprengt – nach dem US-amerikanischen Investigativjournalisten Seymour Hersh durch ein Sprengkommando der USA. Damit haben die USA sehr wahrscheinlich eine weitere sehr gefährliche Eskalation des Krieges betrieben. Denn sofern ihre Täterschaft hinter dem Anschlag bewiesen werden sollte, wäre das ein eindeutiger Kriegsakt gegen Russland (und theoretisch auch gegen Deutschland, das aber sicherlich das Bündnis mit den USA deshalb nicht aufgeben würde).
Die deutsche Regierung hat trotz ihrer wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland, v.a. durch den Erdgashandel, eine eindeutige Position für den Krieg eingenommen und spielt eine Schlüsselrolle darin. Die Freigabe der Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern durch die Bundesregierung hat eine Lawine von Panzerlieferungen aus anderen Staaten ermöglicht. Als Speerspitze der Kriegshetzer tun sich immer wieder die Grünen hervor, während die Massenmedien die Begleitmusik dazu spielen und jeden, der den Westen oder das ukrainische Regime auch nur vorsichtig kritisiert, als Putin-Knecht denunzieren. Während die Grünen mit vermeintlicher „Weltoffenheit“ und geheuchelten Warnungen vor dem Klimawandel viele junge Wähler anziehen und sogar vielen immer noch als „links“ gelten, befeuern sie am vehementesten von allen Parteien die größte Umwelt- und Klimazerstörung überhaupt, nämlich den Krieg. Doch auch SPD, CDU/CSU und FDP tragen den Kriegskurs voll mit. Kräfte wie die Linkspartei vertreten vordergründig eine differenziertere Herangehensweise, jedoch ohne die eigentliche Kriegsursache, den Kapitalismus, infrage zu stellen und ohne die Loslösung Deutschlands aus allen imperialistischen Bündnissen (wie EU, Eurozone, NATO usw.) zu propagieren. Das kürzlich veröffentlichte „Friedensmanifest“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer erhebt zwar einige richtige Forderungen gegen die herrschende Kriegspolitik, unterschlägt aber völlig den Zusammenhang zwischen Kapitalinteressen und Krieg – es erscheint so, als wäre der Krieg nur eine Folge von Dummheit oder bösen Absichten Einzelner und als wäre es möglich, ihn durch Appelle an die Vernunft zu beenden. Auf der anderen Seite ist gerade die Position der AfD aber auf ganz andere Weise brandgefährlich, weil sie eine eigenständigere Rolle eines deutschen Imperialismus fordert, der unabhängig von den USA und gestützt auf eine starke Armee seine Interessen vertreten soll – so wie es Deutschland bereits in zwei Weltkriegen getan hat.
Es steht außer Zweifel: Die NATO hat den Krieg gewollt und die Konfrontation mit Russland so lange vorangetrieben, bis es zwischen der Ukraine und Russland zum offenen Krieg kam. Nach Darstellung des ehemaligen israelischen Premierministers Naftali Bennett waren sowohl Russland als auch die Ukraine im März 2022 bereit zu einer Beendigung des Krieges und zu bedeutenden Zugeständnissen an die andere Seite – und es waren die NATO-Staaten, insbesondere die USA, Frankreich und Deutschland, die einen Waffenstillstand verhinderten. Das Kriegsziel der NATO wird dabei offen ausgesprochen: Die Ruinierung Russlands hat die deutsche Außenministerin Baerbock bereits unmittelbar nach Beginn der russischen Invasion ausdrücklich als Ziel benannt. Und darum geht es der NATO in diesem Krieg – die Schwächung ihres Rivalen Russland, die Sicherung der Ukraine als vorgeschobene Angriffslinie gegen Russland und als Markt für ihre Konzerne.
Ist die russische Regierung deshalb unschuldig? Sicherlich nicht. Russland hat den Überfall auf die Ukraine nicht begonnen, um das Land von Nazis zu befreien – auch wenn es wahr ist, dass die Regierung in Kiew jahrelang Nazis unterstützt und mit ihnen zusammengearbeitet hat. Es führt den Krieg auch nicht zum Schutz der Bevölkerung im Donbass, schließlich hat die russische Invasion die Zahl der Todesopfer vervielfacht. Es ging Russland um die Ausschaltung einer feindlichen Regierung, um ein starkes Signal gegen die NATO, um die Eroberung von wirtschaftlich und militärisch wertvollen Gebieten, insbesondere der Handels- und Militärhäfen am Schwarzen Meer.
Keine Parteinahme für die Kapitalisten der einen oder anderen Seite!
Das heutige Russland hat nichts mehr mit der Sowjetunion zu tun – die Behauptung, Putin wolle die Sowjetunion wiederherstellen, ist eine schamlose Propagandalüge der Massenmedien in Deutschland. Damit soll der Präsident des Rivalen Russland als machtgieriger Tyrann dargestellt werden, während gleichzeitig der Kommunismus, der einzig wirkliche Feind ihres kapitalistischen Herrschaftssystems, für den verbrecherischen Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht wird. Doch die Wahrheit ist genau das Gegenteil: In der Sowjetunion lebten Ukrainer, Russen und viele andere Nationalitäten friedlich und solidarisch über Jahrzehnte zusammen und begannen, zu einem und demselben Volk zu verschmelzen. Die Zerstörung der Sowjetunion und des Sozialismus 1989-91, die Rückkehr des Kapitalismus hat die Völker der ehemaligen Sowjetunion wieder als Feinde aufeinander gehetzt und mit dem Gift des Nationalismus und Faschismus infiziert. Der Krieg in der Ukraine reiht sich ein in eine ganze Serie blutiger Kriege, die die Zerstörung des Sozialismus in der Sowjetunion und Osteuropa auslöste: In Jugoslawien, zwischen Armenien und Aserbaidschan, Tadschikistan und Kirgisistan, in Transnistrien und Georgien wurden als Folge dieser Konterrevolution, die bis heute zu einem Sieg der „Demokratie“ und „Freiheit“ umgelogen wird, tausende Menschenleben gewaltsam ausgelöscht.
Das heutige Russland unter Putins Präsidentschaft ist ein Regime des Großkapitals, in dem die Arbeiterklasse nichts zu sagen hat und täglich um das Lebensnotwendige kämpfen muss. Trotz der unzweifelhaften Mitschuld der NATO am Krieg ist also klar, dass wir uns nicht hinter die Regierung Russlands und ihren Krieg stellen können.
Auf der anderen Seite stehen die Staaten der NATO und EU, in denen ebenfalls das Kapital die Politik bestimmt und deren führende Staaten – einschließlich Deutschland – für zahllose verbrecherische Kriege mit Millionen Todesopfern allein in den letzten Jahrzehnten verantwortlich sind: In Irak und Afghanistan, Jugoslawien und Libyen, Mali und Jemen.
Das militärische Kräftemessen in der Ukraine lässt sich aber letzten Endes nicht verstehen, ohne den globalen Zusammenhang in die Betrachtung einzubeziehen. Ihm zugrunde liegt der sich zuspitzende Konflikt zwischen zwei imperialistischen Lagern, die sich im Zuge des Krieges verfestigen: den USA und der Europäischen Union auf der einen Seite, die ihre bisherigen führenden Positionen im kapitalistischen Weltsystem nicht verlieren wollen und bereit sind, dafür über Millionen Leichen zu gehen – und China und Russland auf der anderen Seite, teilweise im Bündnis mit Indien, dem Iran und weiteren Staaten in der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), die die westliche Vorherrschaft herausfordern und ebenso wie das „westliche“ Lager danach streben, für ihr Kapital Absatzmärkte, Ressourcen und Transportwege zu sichern.
Russland, das in den 90er Jahren eine Phase der Schwäche durchgemacht hat, vertritt die eigenen Interessen bei der Neuaufteilung der Welt nun auch aggressiver nach außen – nicht nur in der Ukraine, sondern bereits seit Jahren in Syrien, in Kasachstan bei der Militärintervention gegen die Arbeiter- und Volksbewegung Anfang 2022, in der Zentralafrikanischen Republik, in Libyen und Mali, wo Russland ebenso wie die westlichen Staaten seine eigenen Stellvertreter unterstützt und mithilfe der Söldnergruppe Wagner die Interessen der russischen Großunternehmen vertritt. Auch wenn Russland für weitaus weniger Kriege, Tod und Zerstörung verantwortlich ist als die USA, liegt das nicht an einem grundsätzlich anderen Charakter dieses Staates. China, das heute mit den USA um den Spitzenplatz der imperialistischen Hierarchie konkurriert, führt bisher zwar keine direkten Kriege und unterstützt Russland im Ukrainekrieg auch nur vorsichtig und indirekt, gleichzeitig unterstreicht es zunehmend mit militärischen Mitteln seine territorialen Ansprüche im südchinesischen Meer gegenüber schwächeren Ländern wie Vietnam und den Philippinen, und droht angesichts der militärischen Einkreisung durch die USA immer deutlicher damit, die Wiedervereinigung mit Taiwan auch gewaltsam durchzusetzen. Wirtschaftlich und militärisch ist der „westliche“ imperialistische Pol immer noch stärker, doch vor allem China holt mit großen Schritten auf, ist bereits je nach Berechnungsmethode die größte oder zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und besitzt nach der Anzahl der Schiffe gerechnet die weltgrößte Kriegsmarine. Die westlichen Imperialisten, insbesondere in den USA, aber auch in Deutschland, können und wollen den Aufstieg eines Rivalen nicht hinnehmen, weshalb sie eine immer bizarrer anmutende antichinesische und antirussische Propaganda produzieren, mit absurden KZ- und Hitler-Vergleichen und unter völliger Ausblendung der aggressiven Rolle der NATO (und damit verbundener Bündnissysteme wie der EU und AUKUS im Pazifik), um China und Russland entgegen allen Tatsachen als die alleinigen Aggressoren darzustellen.
In dieser komplizierten Gemengelage versuchen alle kapitalistischen Staaten, ihre Interessen auch in Konkurrenz zu den eigenen Verbündeten durchzusetzen – auch innerhalb der beiden hauptsächlichen imperialistischen Pole gibt es zahlreiche Bruchlinien und Konflikte: Während China und Indien sich in einem schwelenden Territorialkonflikt befinden, aber beide eng mit Russland kooperieren, versucht der NATO-Staat Türkei, sich als „Vermittler“ zu betätigen und trotz seiner Waffenlieferungen an die Ukraine die Beziehungen nach Moskau aufrecht zu erhalten. Die deutsche Regierung war nie bereit, den Gashandel mit Russland einzustellen und griechische Reedereien nutzen den Krieg, um mit ihrem Monopol auf den maritimen Gashandel mit Russland ihre Profite zu steigern, während beide Staaten massiv die Ukraine unterstützen. Ungarn wiederum hat trotz Mitgliedschaft in der NATO und EU die Beteiligung an der Eskalation gegen Russland weitgehend verweigert.
Der weltweite Konflikt zwischen den beiden Polen wird immer schärfer und gefährlicher, er wurde und wird an vielen Schauplätzen ausgetragen, teilweise auch militärisch (in Syrien, in Georgien 2008, in der Ukraine, in Zukunft möglicherweise in Taiwan). Er droht, die Welt erneut in einen großen Krieg zwischen den Großmächten zu stürzen.
Es ist die kapitalistische Konkurrenz zwischen den Staaten, die für ihr Kapital die größtmöglichen Profite herauszuschlagen versuchen, weshalb der Kapitalismus den Krieg in sich trägt wie die Wolke den Regen. Der Kapitalismus ist der Grund, weshalb für den Profit immer wieder Millionen Menschen auf die Schlachtbank des Krieges geführt wurden. Forderungen nach Beendigung des Krieges, die die Kriegsursachen nicht benennen und den Kapitalismus nicht angreifen, laufen letzten Endes ins Leere. Sie schüren die Illusion, dass man die Herrschenden nur davon überzeugen müsste, dass der Krieg eigentlich in niemandes Interesse ist – was aber nicht den Tatsachen entspricht, denn die Kriegstreiber und -profiteure gibt es, sie haben Namen und Adressen.
Für uns kann es dabei keine Rolle spielen, welches kapitalistische Land das stärkere ist, welche Regierung die „schlimmere“ ist, oder wer den Krieg „angefangen“ hat – so oder so wird der Krieg von beiden Seiten nicht für die Interessen der Arbeiterklasse geführt, sondern für die der Kapitalisten. Beide Seiten handeln verbrecherisch, beide Seiten werden von uns nicht unterstützt.
Die Antikriegsbewegung in Deutschland ist in dieser kritischen Situation in einer tiefen Krise: Die Gewerkschaften und weitere Teile der ehemaligen Friedensbewegung sind auf den NATO-Kurs eingeschwenkt und haben alle ihre früheren Grundsätze vergessen um den vermeintlichen „Hitler“ Putin zu stoppen. Andere Teile der Friedensbewegung stellen sich auf die Seite Russlands, kritisieren ausschließlich die NATO und die Ukraine, während sie zum russischen Krieg schweigen oder ihn sogar unterstützen. Die erste Strömung ist für die Friedensbewegung aktuell die gefährlichere, weil sie die Bewegung in die Arme der eigenen herrschenden Klasse und der Kriegspolitik treibt. Für die kommunistische Bewegung ist die zweite Strömung die gefährlichere, da die berechtigte Ablehnung der NATO-Politik und die historische Verbundenheit mit der Sowjetunion viele, die sich als Kommunisten verstehen, zur Sympathie mit dem russischen Staat verleiten. Als Kommunisten haben wir aber keine andere Möglichkeit, als den Einfluss beider Tendenzen zu bekämpfen, denn beide halten die Arbeiterklasse davon ab, einen eigenständigen Standpunkt gegen den Krieg einzunehmen, sich dagegen zu organisieren, die Kriegsmaschinerie zu bekämpfen und zu sabotieren wo es geht und sich der eigenen Vernichtung als Kanonenfutter im nächsten Weltkrieg zu verweigern.
Für uns hier in Deutschland ist es dabei vor allem notwendig, dass wir uns der Kriegspolitik der deutschen Bundesregierung, der EU und NATO konsequent entgegenstellen:
- gegen die Waffenlieferungen
- gegen die Unterstützung des reaktionären Regimes in Kiew
- gegen die Sanktionen
- gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr
- gegen die Militärbasen der USA in Deutschland
- gegen die Spaltung der Flüchtlinge in „gute“ und „schlechte“, für die Gleichbehandlung aller Flüchtlinge unter menschenwürdigen Bedingungen
- gegen die Politik des „Burgfriedens“ – heraus auf die Straße für unsere Rechte, gegen die Preissteigerungen und Verarmungspolitik der Bundesregierung
- für eine sofortige Beendigung des Krieges
- für eine Gesellschaft, in der nicht der Profit, sondern die Bedürfnisse aller im Mittelpunkt stehen und die Ursachen der Kriege beseitigt sind – für den Sozialismus!
Einen Ausweg aus dem Elend des Krieges kann es nur geben, wenn sich in allen beteiligten Ländern die Masse des Volkes der Kriegspolitik ihrer Herrschenden entgegenstellt und bereit ist, den Kapitalismus als Kriegsverursacher auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen. Dafür brauchen wir eine eigene Partei der Arbeiterklasse, die konsequent die Interessen der breiten Masse der Bevölkerung vertritt. Wir versuchen, diese kommunistische Partei in Deutschland aufzubauen und stehen dabei an der Seite unserer Genossinnen und Genossen in der Ukraine, in Russland und überall auf der Welt. Wir rufen alle, die sich dem Krieg und der Verarmungspolitik konsequent entgegenstellen dazu auf, mit uns gemeinsam zu kämpfen!