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Die kommunistische Weltbewegung nach der Niederlage
Die kommunistische Bewegung befindet sich in einer anhaltenden tiefen Krise. Die Niederlage von 1989 ist der Endpunkt einer Entwicklung, die von zunehmendem Revisionismus geprägt war, der schließlich zur Preisgabe aller Errungenschaften führte. Seitdem hält der Zerfall und die ideologische Zersetzung an. Viele Parteien haben sich aufgelöst, manche sind sozialdemokratisch geworden – mit Namensänderung oder ohne. Seitdem werden viele Fragen von den Parteien sehr unterschiedlich bis gegensätzlich beantwortet. Notwendig ist ein Prozess, um zu einer gemeinsamen Klärung und Koordination mit dem Ziel gemeinsamer Analysen und verbindlicher Beschlüsse zu kommen. Die seit 1999 stattfindenden internationalen Treffen der Kommunistischen Parteien (weitere Informationen unter solidnet.org) sind von tiefgreifenden Differenzen geprägt, die in unterschiedlicher Intensität ausgetragen werden. Der Notwendigkeit einer offenen, auch kontroversen Auseinandersetzung im internationalen Maßstab wird häufig entgegengestellt, jede Partei habe für ihr Land selbst zu entscheiden.
Die grundlegenden Fragen, die Gegenstand der Auseinandersetzung sind und intensiver wissenschaftlicher Klärung sowie offener kontroverser Debatten bedürfen, sind die Analyse der Niederlage des Sozialismus, die Einschätzung des Imperialismus, die Rolle der Kommunistischen Partei und ihre Strategie.
Warum ist ein Klärungsprozess nötig?
Alle historischen Erfahrungen, an erster Stelle die Oktoberrevolution, haben gezeigt, dass ohne Klarheit der Kommunistischen Partei über die grundlegenden Fragen, die Arbeiterklasse nicht siegreich sein kann. Aufgrund der Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise kommt es zwingend zu einer Zuspitzung der Widersprüche und zu verstärkten Angriffen auf die Arbeiterklasse. Eine Situation, in der die Bourgeoisie die Widersprüche nicht mehr beherrschen kann, also nicht mehr so herrschen kann, wie sie müsste, und die Arbeiterklasse ihre verschärfte Unterdrückung nicht mehr hinnehmen will, ist unausweichlich.
Wenn dann die Kommunistische Partei als höchste, bewusste, organisierte Form der Arbeiterklasse keine richtige Einschätzung und Herangehensweise hat, ist eine Niederlage sehr wahrscheinlich. Bereits vor einer revolutionären Situation würde die Kommunistische Partei nicht in der Lage sein, die Klasse zu organisieren, zu bilden und zu orientieren. Das heißt, dass das Eintreten einer revolutionären Situation verzögert werden kann, da diese in erster Linie objektive Ursachen hat, aber auch vom subjektiven Faktor abhängig ist. Nur mit der Kommunistischen Partei kann die Arbeiterklasse von der Klasse an sich zur Klasse für sich werden, also zum subjektiven Faktor werden. Die Bourgeoisie bekommt Atempausen und kann ihre Herrschaft neu absichern.
Auf der konkreten Ebene der praktischen Arbeit stellt sich die Frage der richtigen Orientierung, der passenden Form der Organisierung und der richtigen Verbindung von konkreten Fragen des alltäglichen Lebens mit den Fragen des Kampfs der gesamten Klasse. Diese Fragen werfen die Bedeutung der Strategie und der Orientierung brennend auf. Wer Menschen im Betrieb, im Stadtteil, in der Schule oder Uni organisiert, weiß, dass die Frage, warum es zu Kriegen kommt, die Frage, warum manche so reich, die meisten von uns aber arm sind, die Frage, ob es richtig ist, auf eine andere Regierung zu hoffen, ob es sinnvoll ist, Reformforderungen aufzustellen und wenn ja, welche und wie und an wen, die Frage, wie andere politische Kräfte einzuschätzen sind, die Frage, wie „wir da unten“ gegen „die da oben“ gewinnen können, die Frage, wie man mit der geballten Macht der anderen Klasse umgeht, und die Frage, wie wir es denn eigentlich machen würden, wie also der Sozialismus aussehen würde oder ob etwas anderes vorstellbar wäre, auftaucht und eine Antwort benötigt.
All dies sind schwierige Fragen, zu deren Beantwortung und richtiger Vermittlung eine revolutionäre Organisation notwendig ist. Keine andere Kraft kann diese Fragen richtig beantworten. Ein Klärungsprozess zur Frage des Imperialismus und dessen Gesetzmäßigkeiten, ebenso zum Sozialismus und dessen Gesetzmäßigkeiten, zu allen Fragen der kommunistischen Bewegung, ist nötig, um in der alltäglichen Praxis, in der Organisierung der Klasse voranzukommen. Sonst droht die Gefahr der Handwerkelei und des Abrutschens in reformistische Antworten.
Was muss geklärt werden?
Der Opportunismus in der kommunistischen Bewegung und den Parteien greift die Grundlagen des Wissenschaftlichen Sozialismus an. Er rollt die Errungenschaft der Formierung der revolutionären Arbeiterbewegung mit der Wissenschaft und ihre Entwicklung hin zu einer Bewegung, die auf wissenschaftlicher Grundlage die Befreiung der Arbeiterklasse erkämpft, zurück. Es sind nicht die Erkenntnis und Analyse von Gesetzmäßigkeiten, von denen die Praxis und die Strategie abgleitet werden, sondern Behauptungen, Spekulationen und taktische Überlegungen. Grundlegende Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung und besonders des Kampfs der Arbeiterklasse, die aus den Kampferfahrungen und der wissenschaftlichen Arbeit erkannt wurden, werden ignoriert, abgelehnt, verdreht oder getrennt von den konkreten Fragen nur benannt.
Zum Klärungsprozess gehört daher unbedingt die Beschäftigung mit den wissenschaftlichen Grundlagen der revolutionären Arbeiterbewegung, sowie ihren Ursprüngen und ihrer Entwicklung.
Die Revision bezieht sich im Zentrum auf die Frage der Strategie mit der Behauptung eines „Zwischenschritts“ vor der sozialistischen Revolution, auf den orientiert wird. Damit verbunden ist die Revision der Imperialismusanalyse, da diese Vorstellung eine demokratische Etappe im Imperialismus, eine Politik des Friedens, der sozialen Sicherheit für möglich hält und darauf orientiert.
Folgende Bereiche sind Gegenstand der Debatte und sollten auch im Klärungsprozess bearbeitet werden: Politische Ökonomie des Imperialismus, Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus, Einschätzung des Opportunismus, wissenschaftliche Analyse und Klärung des Faschismusbegriffs, Analyse der materiellen Lage, Zusammensetzung und Bewusstseinslage der Arbeiterklasse, Rolle und Organisationsform der Kommunistischen Partei und Geschichte der kommunistischen Bewegung.
Zu diesen Fragen müssen Thesen, Arbeitsfragen und Materialien entwickelt werden, um sie im Rahmen eines Zeitplans diskutieren und bearbeiten zu können.
Welche Form?
Die Bearbeitung dieser Fragen muss in einem strukturieren und kollektiven Rahmen stattfinden. Zu jedem Bereich muss ein systematischer Zugang geschaffen werden, um Verzettelung und verkürzte Analysen zu vermeiden. Es geht nicht um eine Artikelflut oder wilde Ansammlung von Einzelpositionen. Die Form muss eine zielgerichtete und sachliche Auseinandersetzung ermöglichen.
Der Klärungsprozess muss von Anfang an einen Bezug zur Praxis haben. Viele von uns sind praktisch aktiv. Unsere brennenden Fragen speisen sich aus der Praxis und sie treibt uns an, diese Fragen zu bearbeiten. Das Ziel des Prozesses muss es sein, eine kollektive, reflektierte, geplante Praxis zu erreichen. Das heißt, die Schritte dorthin müssen von Beginn an eingeplant sein und sie werden durch die Fortsetzung der praktischen Aktivitäten der Teilnehmenden vorangetrieben.
Die genaue Form sollte möglichst effektiv für die Organisierung der beteiligten Genossen sein und allen einen festen Rahmen der politischen Arbeit und ihrer Reflexion ermöglichen.
Offen und begrenzt zugleich
Der Klärungsprozess muss zum einen möglichst offen sein und viele Menschen einbeziehen, damit sie die Diskussionen und Fragen verstehen. Dazu ist die Entwicklung von Bildungsmaterial und – angeboten wichtig, zum Beispiel in Form von Veranstaltungen, Seminaren, Lesezirkeln und einer Schulung. Zu anderen politischen Organisationen und Gruppen muss auf Grundlage einer Einschätzung ein Bezug hergestellt werden. Gegenüber den beiden Organisationen, aus denen viele der Genossen kommen, die am Klärungsprozess teilnehmen, der DKP und SDAJ, wird ein konstruktives Austauschverhältnis angestrebt.
Zugleich müssen von Anfang an Leitplanken gesetzt werden. Der Klärungsprozess findet nicht im luftleeren Raum statt und wird nicht von politisch neutralen Kräften angestrebt. Einige grundlegende Positionierungen sind vorausgesetzt, was nicht bedeutet, dass zu diesen Fragen keine wissenschaftliche Arbeit mehr geleistet werden muss. Aber eine Abgrenzung gegenüber politischen Strömungen, die in diesen Grundfragen eine andere Position haben, ist eine Voraussetzung des Prozesses. Zu diesen Grundfragen gehört: Der real existierende Sozialismus war die größte Errungenschaft der Arbeiterbewegung und der größte Fortschritt für die Menschheit. Dies ist die Voraussetzung für die Analyse der Ursachen der Niederlage. Alle Positionen und Organisationen, die ihn als „sozialimperialistisch“ oder keinen „wahren Sozialismus“ bezeichnen, sind falsch, ahistorisch und idealistisch. Die Nutzung der theoretischen und praktischen Errungenschaften der DDR und das Wissen und die Erfahrung der Genossen, die den Aufbau des Sozialismus geleistet haben, ebenso wie die der Genossen, die Erfahrungen des Klassenkampfs in Westdeutschland gesammelt haben, sind ein wichtiger Bestandteil des Klärungsprozesses. Nur auf dieser Grundlage wird man zu einer Analyse kommen können, die auch die Entwicklung des Opportunismus und seine zerstörerische Wirkung erklären können. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Entstehung von opportunistischen Positionen in der kommunistischen Bewegung ist notwendig, um ein historisches Verständnis zu entwickeln und eine Orientierung zu geben. Dies bezieht sich sowohl auf die Entwicklung revisionistischer Positionen in der UdSSR als auch in anderen Ländern, auf den „Eurokommunismus“ und auf die Reaktion auf revisionistische Entwicklungen, die selbst problematische Formen bis hin zu konterrevolutionären Positionen durch die sogenannten K-Gruppen annahm.
Was ist das Ziel?
Dieser Prozess hat das Ziel, die Bedingungen für die Gründung der Kommunistischen Partei zu schaffen. Das bedeutet, den Faden des Wissenschaftlichen Sozialismus aufzugreifen, der im 20. Jahrhundert mit der kommunistischen Bewegung und der Kommunistischen Internationale seinen Höhepunkt fand. Wer eine Kommunistische Partei in Deutschland, eine kommunistische Weltbewegung mit einer Internationalen möchte, muss an den Wissenschaftlichen Sozialismus anknüpfen – an die Verbindung von revolutionärer Theorie mit revolutionärer Bewegung.
Das bedeutet auch, dass eine ideologische Klärung, eine Analyse der Klassenverhältnisse in Deutschland und der politischen Entwicklung im nationalen und internationalen Rahmen, eine Voraussetzung für die Schaffung der Kommunistischen Partei ist. Damit einhergehend muss der Aufbau wissenschaftlicher Kapazitäten erfolgen. Die Entwicklung einer revolutionären Praxis, der Beginn der Verankerung in der Arbeiterklasse ist die zweite wichtige Voraussetzung. Eine Basis, also die Kampferfahrung von einer kritischen Menge von Menschen und einer gewissen Präsenz in den wichtigen Industriezentren ist notwendig, um eine Partei auf die Beine stellen zu können. Ohne beide Voraussetzungen wird eine Gründung unmöglich sein oder in einer Sackgasse enden. Zudem muss dieser Prozess sich bereits auf die internationale kommunistische Bewegung und Debatte beziehen und sich dort einbringen.
Zeitlicher Rahmen notwendig
Allen Beteiligten muss klar sein, dass es sich bis dahin nicht um eine Kommunistische Partei handelt. Das heißt auch, dass nicht dieselben Prinzipien und Rechte und Pflichten gelten können. Dennoch wird ein hohes Maß an Disziplin, Leidenschaft und politischer Bewusstheit notwendig sein, um den Prozess erfolgreich zum Ziel führen zu können. Lebendige Diskussion, offener Austausch und keine verfrühten Beschlüsse oder verfestigte, noch nicht adäquate Strukturen auf der einen, verbindliche und kollektive Arbeit, gezielte Diskussionen mit zeitlichem Rahmen, eben kein endloses Debattieren ohne praktisches Ziel, ein fester und transparenter organisatorischer Rahmen sind auf der anderen Seite notwendig. Diesen Widerspruch müssen alle im Auge behalten und darauf achten, dass keine Einseitigkeit entsteht.
Welche Gefahren lauern?
Eine häufige, verständliche Reaktion auf den Beginn eines Klärungsprozesses ist, auf das negative Beispiel der sogenannten K-Gruppen zu verweisen. Uns ist bewusst, dass immer die Gefahr droht, eine Sekte zu werden, also nicht im intensiven politischen und praktischen Prozess innerhalb der Gesellschaft und besonders der Arbeiterklasse zu stehen, sondern sich mehr mit sich selbst, nur noch mit grundsätzlichen oder sehr speziellen Fragen und politischen Gegnern zu beschäftigen und dabei sich von der Bevölkerung zu isolieren.
Es ist notwendig, zu verstehen, wie es zu solchen Erscheinungen kommt. Der Druck ist auf alle sich kommunistisch verstehenden Organisationen und Zusammenhänge groß. Zum einen muss ein ideologischer, wissenschaftlicher Klärungsprozess stattfinden, auf der anderen Seite müssen praktische Schritte gemacht werden und die politische Entwicklung analysiert und eine Stellung dazu bezogen werden. Außerdem gibt es die Notwendigkeit und das Bedürfnis, sich mit einer Organisation zu identifizieren und nach außen sichtbar aufzutreten. All dies kann, bei unzulänglicher Reife, schnell zu problematischen Entwicklungen führen. All dies nicht zu tun, ist aber keine Alternative, da es zu Passivität und Entpolitisierung führen würde.
Einige Grundsätze können helfen, Fehler zu vermeiden, wenn sie in der Zusammenarbeit berücksichtigt werden. Dazu gehört, sich immer wieder das Ziel um das es geht vor Augen zu führen und davon ausgehend die eigene Situation einzuschätzen. Dazu gehört auch die offene, sachliche und immer wieder auf den Kern der Frage zurückführende Diskussion, der genossenschaftliche Umgang und das Bewusstsein und die Artikulation über die Unzulänglichkeiten und Mängel der Strukturen sowie offenen Fragen und Widersprüche.