Seit Jahren versuchen Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, aber auch aus afrikanischen Ländern nach Europa zu fliehen. Angesichts der tobenden Kriege in ihrer Heimat, in die die BRD und andere EU-Staaten zum Teil direkt involviert sind, angesichts der oftmals vorherrschenden Armut und Perspektivlosigkeit für weite Teile der Bevölkerung, nehmen sie die Entbehrungen und Risiken der Flucht auf sich in der Hoffnung, in den EU-Staaten eine sichere und friedliche Zukunft zu finden.
Zur Lage in Griechenland
Die EU und die einzelnen Regierungen der EU-Staaten stattdessen setzen auf Abschottung: die Flüchtenden sollen nicht nach Europa gelangen, die EU-Außengrenzen sollen sie aufhalten, besser noch die Nachbarstaaten der EU. Besonders die griechischen Inseln in der Ägäis standen die letzten Wochen und Monate im medialen Fokus. Hier, an der EU-Außengrenze zur Türkei wurden Flüchtlingslager gebildet, die wegen der zunehmenden Abschottung seitens der EU seit Jahren überfüllt sind. Moria auf Lesbos ist das größte dieser Lager: ausgelegt für 3.000 Menschen, leben dort aktuell knapp 20.000. In den letzten Monaten hat sich das Problem der überschrittenen Kapazitäten noch einmal verschärft, seitdem die türkische Regierung als Druckmittel gegen die EU ihre Grenzen öffnete, um in der Türkei festgehaltene Geflüchtete nach Griechenland weiterreisen zu lassen. Die skrupellose und menschenverachtende Politik der EU, Abkommen mit der Türkei und anderen Nachbarstaaten in der Mittelmeerregion abzuschließen, sodass die Flüchtlinge vor dem Überschreiten der EU-Außengrenzen gestoppt werden, bröckelt also weiter. Weiteres zur Situation in der Ägäis und zum Konflikt mit der Türkei findet sich im Artikel vom 17. März.
Jetzt kommt noch das hochansteckende Corona-Virus hinzu. Die massiv überfüllten Lager trifft die Pandemie völlig unvorbereitet. Die Lebensbedingungen vor Ort sind katastrophal – Nässe, Kälte, die Überfüllung und mangelhafte Versorgung setzen den Geflüchteten zu und schwächen ihre Gesundheit. Die offiziellen Empfehlungen, sich möglichst häufig die Hände zu waschen und Abstand zu halten, sind bezogen auf die Lager geradezu zynisch: Es gibt kaum Möglichkeiten, die Hygienemaßnahmen umzusetzen, es mangelt an Sanitäreinrichtungen und Seife, sogar Wasser ist streng rationiert. Die Menschen leben zusammengepfercht in Zelten. „Social Distancing“? Fehlanzeige! Hinzu kommt das Fehlen von medizinischer Versorgung. Schutzmittel, Ärzte und Medikamente sind Mangelware oder gar nicht vorhanden.
Zurecht also warnen Hilfsorganisationen seit Wochen vor einer Katastrophe, sollte das Virus einmal beginnen, sich dort auszubreiten. Doch statt ihre Empfehlung, die Lager aufzulösen, umzusetzen, arbeiten EU und griechische Regierung weiter daran, die Lager abzuschotten. Das heißt, anstatt Hilfe zu leisten, werden die Geflüchteten und Helfer ihrem Schicksal überlassen. Vor Kurzem kündigten die Regierungen einiger EU-Staaten medienwirksam an, besonders gefährdete Menschen aus den Lagern zu holen und aufzunehmen. Die Maßnahme ist jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein. So hat die BRD bisher knapp 50 unbegleitete Kinder und Jugendliche aufgenommen. Zur Erinnerung: In der Ägäis warten knapp 40.000 auf Hilfe, davon rund 1.600 unbegleitete Minderjährige.
Allein diese Tatsachen und die Reaktion der europäischen Regierungen sowie der EU insgesamt verdeutlichen ihre Heuchelei: Ihren Worten nach sind sie von humanistischen Werten und Menschenrechten geleitet, doch mit ihren Taten lassen sie Zehntausende im Stich – in vollem Bewusstsein über die Gefahr, die die Pandemie mit sich bringt, und die Opfer, die sie ohne Schutzmaßnahmen und ausreichende Versorgung in den Flüchtlingslagern noch fordern kann.
Zur Lage in Deutschland
Die Flüchtlinge, die es bis nach Deutschland geschafft haben, kommen in sogenannte Erstaufnahmeeinrichtungen, sie leben also zentralisiert in Heimen. In mehreren solcher Flüchtlingsunterkünfte gab es bereits bestätigte Fälle von COVID-19. In der Folge wurden die betroffenen Einrichtungen kurzerhand vollständig „unter Quarantäne gestellt“, was faktisch das Gleiche bedeutet, wie die Abschottung der Lager in der Ägäis: Keiner der Bewohner darf sein Heim verlassen. Die noch nicht vom Virus betroffenen Menschen sind also gezwungen, mit den Infizierten auf einem Fleck zusammenzuleben und so der Ansteckungsgefahr schutzlos ausgesetzt zu sein. Das Risiko, dass sich das Virus innerhalb der Einrichtungen ungehindert verbreiten wird, ist groß. Es wird noch gesteigert durch den Zustand der Unterkünfte. Auch hier leben und schlafen viele Menschen auf engem Raum. Auch hier teilen sich die Menschen die Sanitäranlagen, notwendige Hygienestandards sind dadurch nicht gegeben. Auch hier gibt es keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Hilfe – die meisten Flüchtlinge sind nicht automatisch krankenversichert, was bedeutet, dass sie für jeden Arztbesuch erst einen Antrag stellen müssen. Auch hier nimmt die Politik skrupellos in Kauf, dass sich das Virus ausbreitet, dass weiter Menschen erkranken oder sogar sterben. Die Angst der Geflüchteten vor einer Infektion ist verständlicherweise groß angesichts ihrer prekären Lage und der schlechten Versorgung. Gleichzeitig wird weiter abgeschoben, trotz Corona-Pandemie und damit verbundenen Reisewarnungen. Teilweise werden für die Ausweisung einzelner abgelehnter Asylbewerber sogar extra Flugzeuge gechartert.
Auf der anderen Seite organisiert der Staat gerade Flüge nach Deutschland – und zwar für die meist aus Osteuropa stammenden Erntehelfer, z. B. für die anstehende Spargelernte. Hier zeigt sich die kaltblütige Verwertungslogik des Kapitals: Migranten, die sich saisonal für einen Hungerlohn den Rücken kaputtarbeiten, sind willkommen. Jene aber, die Schutz vor Krieg, Elend und Verfolgung suchen, werden in ihre Herkunftsländer und damit nicht selten in den sicheren Tod abgeschoben.
In den letzten Wochen begannen Geflüchtete in den Unterkünften gegen die skrupellose Verfahrensweise zu protestieren. In Halberstadt z. B. kam es zu einem Hungerstreik mit der Forderung nach wirklichen Schutzmaßnahmen.
Der Staat reagiert auf die Proteste zuweilen mit harter Hand: In Suhl stürmten Mitte März, nachdem Geflüchtete gegen ihre Isolierung protestiert hatten, circa 200 martialisch auftretende Polizisten samt SEK und Wasserwerfer die Erstaufnahmeeinrichtung. Auch Demonstrationen der Solidaritätsbekundung sind, wie erst kürzlich beim Auseinandertreiben einer Aktion in Potsdam, im Visier staatlicher Repression.
Rassismus & Heuchelei
In dieser ohnehin schon für die Geflüchteten hochgefährlichen Situation, hetzen faschistische Kräfte wie die NPD und auch Teile der AfD erneut gegen Asylbewerber. Auf demagogische Weise versuchen sie, die deutschen Arbeiter mit Argumentationen wie „Unserer Wirtschaft geht es mit der von Corona ausgelösten Krise bereits schlecht, wir können nicht auch noch Flüchtlinge aufnehmen!“ gegen ihre ausländischen Klassenbrüder und -schwestern aufzubringen.
Sie schüren Misstrauen und Angst, die noch durch die Berichterstattung der bürgerlichen Medien und staatlichen Organe befeuert wird: Im Rahmen des beschriebenen Einsatzes in Suhl beispielsweise verbreitete die örtliche Polizei Falschmeldungen über angebliche IS-Flaggen in der Unterkunft. Vertreter der faschistischen „Identitären Bewegung“ reisten im März sogar nach Griechenland, um in Zusammenarbeit mit griechischen Faschisten ankommende Flüchtlinge zu attackieren.
Auch in der jetzigen Lage zeigt sich wieder deutlich, dass die faschistischen Kräfte den Hass zwischen den Völkern schüren, die Arbeiterklasse spalten und sie von ihrem wahren Feind, dem Imperialismus, ablenken. Finanziert und medial unterstützt vom Kapital spielen sie stets nur seinen Interessen in die Hände.
Im scheinbaren Gegensatz dazu inszenieren sich andere bürgerliche Kräfte wie etwa Vertreter der Grünen gerade als Stimme der Geflüchteten. Sie fordern ihre „Rettung“, die Auflösung der Lager und sprechen dabei von „europäischer Verantwortung“. Sie verschweigen, dass die EU erst diese Lager in der Ägäis und an anderen Orten errichten ließ, dass die EU maßgeblich für die katastrophale Situation, in der die Flüchtlinge gefangen sind, verantwortlich ist. Doch wer darüber hinweg sieht, wer keine klare Position gegen die Institutionen der EU bezieht, der lenkt von den wahren Ursachen ab und verhindert so, das Übel bei der Wurzel zu packen. Natürlich darf man in der aktuellen Auseinandersetzung auch nicht vergessen, dass die einzelnen Regierungen nicht weniger Verantwortung tragen als die gesamte EU. Es waren gerade Parteien wie die Grünen und die SPD, die über Jahrzehnte die Verschärfung der Asylgesetze, widrige Lebensbedingungen in Lagern sowie Abschiebungen mitgetragen haben und auch weiterhin mittragen.
Was ist zu tun?
Die Arbeiterklasse ist international. Weltweit teilt sie das gleiche Schicksal, sie führt den selben Kampf gegen den selben Feind. Den Geflüchteten, ob in der Ägäis oder in den Heimen der BRD muss unsere Solidarität gelten! Als Teil der Arbeiterklasse sind sie von den Folgen des Imperialismus – Kriege, Krisen, Armut und Perspektivlosigkeit – am meisten betroffen. Der Imperialismus und seine bürgerlichen Regierungen tragen die Verantwortung dafür, dass Menschen überhaupt fliehen müssen. Von ihnen dürfen wir keine Rettung in der Not erwarten, ihre „Solidarität“ ist nichts als Heuchelei. Auch dürfen wir nicht auf die geheuchelten Sorgen über eine zu große Belastung „unserer“ Sozialsysteme durch Flüchtlinge in Zeiten der herannahenden Wirtschaftskrise hereinfallen. Diese Sozialsysteme verwalten unsere Armut, sie werden uns so oder so nicht vor den Folgen der Krise schützen.
Unsere Solidarität muss also darauf ausgerichtet sein, die gemeinsame Organisierung der in Deutschland lebenden Arbeiter und der Geflüchteten für den gemeinsamen Kampf voranzutreiben. Die vorbildliche Solidaritätsarbeit der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und der kämpferischen Gewerkschaftsfront P.A.M.E. auf den griechischen Inseln zeigen deutlich, dass dieser gemeinsame Kampf möglich ist.
Es muss darum gehen, die in Deutschland lebenden Flüchtlinge in den Gewerkschaften zu organisieren – denn die Gewerkschaften sind die größten und machtvollsten Organisationen unserer Klasse. Die Tatsache, dass Geflüchtete formal aufgrund ihrer fehlenden Arbeitserlaubnis keine Gewerkschaftsmitglieder sein können – wie ein Gutachten der Ver.di-Bundesverwaltung darlegte – ist skandalös! In den Gewerkschaften müssen wir entschlossen für die gemeinsame Organisierung, für den gemeinsamen Kampf eintreten.
Die konkreten Maßnahmen, für die wir kämpfen müssen und die sich auch in unseren Sofortforderungen wiederfinden, lauten also:
- Sofortige Auflösung der Lager in der Ägäis! Aufnahme der Geflüchteten durch ihre Zielländer in der EU!
- Ausnahmslose Vergabe von Aufenthaltstiteln wie in Portugal zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung!
- Sofortige Auflösung der zentralen Flüchtlingsunterkünfte hier in Deutschland! Für eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen – unter Einhaltung aller zur Minimierung der Ansteckungsgefahr notwendigen Hygienemaßnahmen! Für eine sofortige und generelle Krankenversicherung!
- Schnelle und ausreichende Versorgung aller Geflüchteten mit Lebensmitteln, Schutzausrüstung und Medikamenten!
- Kostenloser und unkomplizierter Zugang für alle Geflüchteten zu medizinischen und Sanitäreinrichtungen!
- Ausnahmsloser Abschiebestopp!
- Weg mit dem Dublin-Abkommen! Aufhebung aller Verträge mit der Türkei und anderen sogenannten Drittstaaten, die Flüchtlinge an der Einreise in die EU hindern sollen!
- Stopp aller deutschen Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Katar!
- Bundeswehr raus aus Syrien und Mali!
- Geflüchtete in die Gewerkschaften des DGB aufnehmen und in den aktiven Kampf einbeziehen!