Die Arbeiterklasse in Not!

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Der Staat wird alles tun, um das Kapital zu retten! Wir sollten alles tun, um uns vor der Pandemie, vor dem Kapital und seinem Staat zu schützen!


In rasantem Tempo sind große Teile der Arbeiterklasse durch die Corona-Pandemie in ökonomische und soziale Not geraten. Die Regierung hat bis jetzt nur halbherzige Maßnahmen für die Arbeiterklasse, für kleine Selbstständige und für die kleinen Bauern ergriffen. Die Kapitalseite aber wird aus den vollen Steuerkassen großzügig bedient. Die vollen Kassen, aus denen die Kapitalisten gierig schöpfen, wurden durch Sparmaßnahmen und Privatisierungen gefüllt – z. B. im Gesundheitssektor. Die Bevölkerung zahlt also doppelt und dreifach. Die Pandemie zeigt sehr deutlich, was es bedeutet, in einer Klassengesellschaft zu leben: das Leben und die Gesundheit der Mehrheit zählt nicht viel, die Profite einer kleinen Minderheit alles.


Innerhalb von zwei Wochen sind in Deutschland Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in ökonomische und soziale Unsicherheit geraten. Gerade in den Branchen, in denen Niedriglöhne die Normalität für Beschäftigte sind, schlägt die Pandemie voll ein: im Reinigungs-, Hotel- und Gastronomiegewerbe. Normal ist es hier, dass Beschäftigte nicht über einen Brutto-Vollzeitlohn von 2000 Euro kommen. Normal sind auch befristete Arbeitsverträge, die es den Arbeitgebern erleichtern, die Beschäftigten zu entlassen. Weiterhin ist die Rede von 7,5 Millionen Menschen, die Mini- und Midijobs haben und jetzt entweder schon nicht mehr arbeiten oder um ihren Job bangen. Die allermeisten Menschen sind auf diese, wenn auch geringen, Einnahmen existentiell angewiesen. Unzählige wurden und werden weiterhin in die Erwerbslosigkeit getrieben. Es heißt, dass die Bedingungen für den Erhalt von Leistungen zur Grundsicherung erleichtert werden sollen. Wie das tatsächlich in der Praxis sein wird, ist abzuwarten und aufgrund der Erfahrungen mit den Jobcentern und Arbeitsagenturen stark zu bezweifeln.

Weitere Millionen müssen trotz Ansteckungsgefahr arbeiten, teilweise unter erschwerten Bedingungen. Als erstes sind die Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zu nennen. Arbeiterinnen und Arbeiter in den Supermärkten, im Transport, im Lager, auf den Baustellen und in einigen großen Werken arbeiten weiter, größtenteils ohne besondere Schutzmaßnahmen. Der Grund dafür ist, dass die Unternehmen trotz Pandemie-Gefahr nicht bereit sind, ihre Tore zu schließen, weil sie Profiteinbußen fürchten. In Ländern wie Italien streiken Arbeiter. Sie sehen nicht, warum sie ihre Gesundheit für die Profite der Fabrikanten und Geschäftemacher aufs Spiel setzen sollen. Davon können wir hier in Deutschland nur lernen. Die Forderung, die wir hier aufstellen müssen, ist: sofortiger Stopp der Produktion in den nicht lebensnotwendigen Sektoren bei voller Lohnfortzahlung und Einführung von Arbeitsschutzmaßnahmen in den Produktions- und Dienstleistungsbranchen, die gesellschaftlich notwendig sind.

Die Bundesregierung rechnet für das Jahr 2020 mit etwa 2,35 Millionen Kurzarbeitern. Die Zahl kann natürlich noch steigen, je nachdem wie die Krise sich entwickelt. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die auf Kurzarbeit gesetzt werden, heißt es, mit etwa 60 bis 67 Prozent des ausgefallenen Gehaltes auskommen. Damit können einige gerade so ihre laufenden Kosten decken, – viele können nicht einmal das. Die Unternehmen sind dabei fein raus. Der Staat übernimmt die Kosten – also bezahlt real die Bevölkerung selbst dafür. Die Kapitalisten machen dabei keine Miese und die Arbeitskraft steht ihnen trotz des Stillstands im Betrieb weiterhin zur Verfügung. Für viele Arbeiter ist es natürlich besser, Kurzarbeitergeld zu bekommen, als entlassen zu werden. Es gibt aber keinen Grund für falsche Bescheidenheit: warum sollen nicht die Unternehmer dafür zahlen und warum soll das ausgefallene Gehalt um zirka 40 Prozent gekürzt werden? Die richtige Forderung ist also eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Verdi fordert die Erhöhung auf 90 Prozent, das ist eine gute Forderung. Jedoch spricht nichts dagegen, die Forderung auf 100 Prozent zu erhöhen, und im nächsten Schritt dafür zu kämpfen, dass die Kapitalseite die Löhne zahlt. Schließlich stehen den Unternehmen die Arbeiter weiterhin zur Verfügung.

Erschwerend für große Teile der Arbeiterklasse kommt hinzu, dass durch Schul- und Kitaschließungen die eh schon beengten Wohnverhältnisse zur psychosozialen Last für alle Familienmitglieder werden. Besonders für Alleinerziehende ist die Situation unerträglich. Hier unternimmt der Staat rein gar nichts, um die Versorgung, Bildung und Betreuung zu gewährleisten. Die Eltern, die Kinder und die Jugendlichen werden einfach sich selbst überlassen. Auch gesellschaftlich findet kaum eine Debatte darüber statt. Einzig die Digitalisierung der Bildung ist in aller Munde. Das mag für einen gewissen Teil der Familien infrage kommen. Ein Smartphone haben die Schüler wahrscheinlich alle, aber viele Arbeiterfamilien können sich einen oder bei mehreren Kindern sogar viele Computer gar nicht leisten. Was diese Maßnahmen betrifft, ist eine Sache jedenfalls klar: die Last fällt besonders hart auf die Schultern der Arbeiterfrau.

Von der Pandemie selbst sind etliche ältere Menschen und Menschen mit Immunschwäche betroffen. Sie sind jetzt gezwungen, in die freiwillige Selbstisolation zu gehen. Für viele Seniorinnen und Senioren, die alleine wohnen, bedeutet das, dass sie jetzt ganz auf sich gestellt sind und auf die Hilfe aus der Nachbarschaft hoffen müssen. Der Staat hält sich raus und übernimmt kaum Verantwortung für die Älteren.

Benachteiligte Menschen, wie Geflüchtete, Obdachlose und Tagelöhner, sind schutzlos der Ansteckungsgefahr, aber auch der Repression durch die Behörden ausgeliefert. Besonders Geflüchtete, die in Lagern festgehalten werden, können sich kaum gegen die Maßnahmen bzw. gegen fehlende Maßnahmen zur Wehr setzen. Besonders zynisch fällt der Spruch „Alle bleiben Zuhause“ gegenüber Menschen ohne Obdach aus. Anstatt die leerstehenden Hotels zu konfiszieren und eine menschenwürdige und ihre Gesundheit schützende Unterbringung und Versorgung zu gewährleisten, werden viele Menschen einfach der Straße und damit auch der Ansteckung durch das Virus überlassen.

Unternehmer, Kapitaleigner und ihre Interessenvertreter rufen jetzt nach einer Lockerung der Maßnahmen, obwohl Vertreter des Robert-Koch-Institutes davon ausgehen, dass die Infektionsraten erst um Ostern herum ihren Höhepunkt erreichen werden. Die Wirtschaft müsse wieder in Gang kommen, dafür braucht es den freien Verkehr von Arbeitern und Waren, heißt es. Aus ihrer Sicht soll der Staat jetzt dafür sorgen, dass die Produktion wieder anlaufen kann und der Markt normalisiert wird. Dafür müsse die Wirtschaft frei über die Arbeiterinnen und Arbeiter verfügen können. Die Corona-Krise bringt die Verachtung der Kapitalisten für die Arbeiterklasse klar zum Vorschein: die Gesundheit der Bevölkerung ist ihnen egal. Die Kassen sollen klirren. Wie viele Menschen dafür draufgehen, ist zweitrangig.

Der Staat hingegen kann nicht allzu offen und dreist die Interessen des Kapitals vertreten. Er muss die Maßnahmen so gestalten, dass die Bevölkerung das Gefühl hat, man kümmere sich um sie. Er muss aber auch dafür sorgen, dass die Gefahr so eingedämmt wird, dass die nötige Menge und Qualität der Arbeitskraft nicht Gefahr läuft, knapp zu werden, und dass der Unmut in der Gesellschaft nicht unnötig zunimmt. Die Maßnahmen, die bis jetzt verabschiedet wurden, sind auf der einen Seite dazu da, die Kapitalseite vor zu großen Verlusten zu schützen, und auf der anderen Seite, den gesundheitlichen Schaden so zu begrenzen, dass der Arbeitsmarkt nicht zusammenbricht. Schauen die Unternehmer jeweils auf ihre eigenen privaten Einzelinteressen, vertritt der Staat die Gesamtinteressen des Kapitals. Zu diesem Gesamtinteresse gehört, dass die Versorgung der Ausbeutungswirtschaft mit Arbeitskräften sichergestellt wird. Dafür muss ein Mindestmaß an Versorgung gewährleistet werden. Die Corona-Krise bringt den Staat in ein Dilemma: er muss gesamtgesellschaftliche Interessen (hier Gesundheit) kurzfristig über die ökonomischen Privatinteressen der Kapitalistenklasse stellen. Die Funktion des Staates im Kapitalismus ist es aber nicht, gesamtgesellschaftliche Interessen abzusichern, sondern die Herrschaft der Kapitalistenklasse. Angesichts seiner zögerlichen Haltung und den sehr widersprüchlichen Maßnahmen erkennt man, wie wenig er bereit ist, nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu handeln. Viel zu spät wurden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, dienen dazu weiterhin die Abläufe in der Produktion nicht zu stören. Im Zweifelsfall, das ist jedenfalls klar, wird der Staat sich für die Kapitalseite entscheiden, zumal die Arbeiterklasse in Deutschland nicht gut organisiert ist und nicht mit einer Stimme spricht.

In Krisenzeiten wie diesen wird die Notwendigkeit der Überwindung der Klassengesellschaft deutlicher denn je: der Kapitalismus offenbart uns seine tödliche Fratze. In vielen Teilen der Welt tut er das schon lange und ununterbrochen. Hier zeigt sich wieder, dass die Arbeiterklasse überall die gleichen Lebensinteressen hat, die in krassem Gegensatz zu den Profitinteressen der Kapitalisten stehen.Dauerhaft aus dieser mörderischen Plage des Kapitalismus herauszukommen, ist nur durch den Sozialismus möglich, damit endlich die Lebensinteressen der Mehrheit zählen und nicht die Privatinteressen einer Minderheit. Wenn es nötig sein wird, sich gegen eine Pandemie zu schützen, dann wird im Sozialismus die gesamte Gesellschaft geschützt, indem die Produktion angehalten wird, die Kinder versorgt werden usw. Im Kapitalismus ist es nicht möglich, die Produktion einfach anzuhalten, weil die einzelnen Kapitalisten sich in der Konkurrenz auf dem Markt behaupten müssen. Wenn sie nicht produzieren, können sie kein Kapital akkumulieren und werden aus dem Markt gedrängt. Im Gegensatz zum Kapitalismus wird im Sozialismus nicht für den Profit produziert, sondern um die Gesellschaft zu versorgen.

Jetzt kommt es darauf an, die verschiedenen Teile der Arbeiterklasse unter gemeinsamen und klassenkämpferischen Forderungen zusammenzubringen. Es muss verhindert werden, dass die Kapitalistenklasse ihre Interessen in der Pandemie-Krise auf Kosten der Gesundheit und des Lebens der Bevölkerung durchsetzt.

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