Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise führt zu neuen Konflikten innerhalb der EU. Die ungleichen Finanzreserven und die daraus folgende ungleiche Fähigkeit, die Wirtschaftskrise erfolgreich zu überstehen, hat die Widersprüche im imperialistischen Staatenbündnis weiter verschärft. Die Länder mit hoher Verschuldung, wie Spanien, Italien oder Frankreich, setzen sich für eine „Vergemeinschaftung“ von Schulden durch sogenannte Corona-Bonds ein, während die Länder mit größeren Finanzreserven wie z.B. Deutschland oder Österreich dies strikt ablehnen. Doch mit der wachsenden Ungleichheit der EU-Staaten wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass die EU auseinanderbricht. Vor allem China hat die Situation genutzt, um entsprechende Angebote zu machen, was den Druck auf die wirtschaftlich stärkeren EU-Länder in den Verhandlungen erhöht [1].
Obwohl Deutschland sich immer gegen gemeinsame europäische Kredite jenseits des ESM ausgesprochen hatte und auch keine Lockerungen bei den Reformprogrammen duldete, wurde beides im ersten Maßnahmenpaket vom April 2020 (siehe Info-Kasten) beschlossen. Hier wird deutlich, dass Teile des deutschen Kapitals bereit sind, Kompromisse einzugehen, um den Erhalt der EU zu sichern.
Schon bei der Verabschiedung des ersten Maßnahmenpaketes wurde ein zweites Paket für die langfristige wirtschaftliche Stabilisierung der EU angekündigt. Es war von einem „europäischen Marshall-Plan“ die Rede. Der Vorschlag eines europäischen Wiederaufbaufonds ist Mitte Mai von Merkel und Macron, also den führenden Kräften der beiden Konfliktparteien in der Auseinandersetzung um die europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik, konkretisiert worden. Vorgeschlagen wird eine Summe von 500 Mrd. Euro, welche ausschließlich in Form von nicht rückzuzahlenden Zuwendungen (sogenannten Transfers) vergeben werden soll. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande („Die sparsamen Vier“) kritisierten diesen Vorschlag scharf und forderten stattdessen die Vergabe von Krediten, die von den Staaten zurückgezahlt werden müssten. Ende Mai wurde der Vorschlag von Merkel und Macron von der EU-Kommission aufgegriffen und ergänzt.
„Next Generation EU“
Der neue Vorschlag sieht vor, zusätzlich zu den 500 Mrd. Euro, die weiterhin als Transfers ausgezahlt werden sollen, 250 Mrd. Euro als Kredite an die Mitgliedsstaaten zu vergeben. Finanziert werden soll der Fonds über gemeinsame europäische Anleihen, also Kredite, die die EU am Kapitalmarkt aufnimmt. Dies ermöglicht den verschuldeten EU-Staaten, günstiger an Kredite zu kommen. Die Mitgliedsstaaten haften für die gemeinsamen Anleihen nur mit ihrem jeweiligen Anteil an der jährlichen Wirtschaftsleistung der EU; für Deutschland sind das 27 Prozent. Es findet also keine Vergemeinschaftung von Schulden statt, so wie es bei Corona-Bonds der Fall gewesen wäre.
Die Verteilung des Geldes folgt einem Schlüssel, der die wirtschaftlichen Ausfälle durch die Corona-Pandemie und die Arbeitslosigkeit in den Ländern berücksichtigt. Demnach würden Italien, Spanien, Frankreich und Polen den größten Anteil bekommen. Die Vergabe von Mitteln soll einerseits an die Einhaltung der europäischen Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden, andererseits sollen die Mittel nur dann bewilligt werden, wenn sie den politischen Prioritäten der EU entsprechen. Dazu gehören Klimaschutz, Digitalisierung und die Stärkung der Unabhängigkeit der europäischen Wirtschaft. Außerdem soll es individuelle wirtschaftspolitische Empfehlungen geben.
Dieser Vorschlag stellt den Versuch dar, einen Kompromiss zwischen den sich widersprechenden imperialistischen Interessen innerhalb der EU zu finden. Deutschland und Frankreich stehen dabei stellvertretend für den Konflikt zwischen „Den sparsamen Vier“ auf der einen Seite und den südeuropäischen Ländern auf der anderen Seite. Deutschland hat verhindert, dass es zu einer Vergemeinschaftung von Schulden durch „Corona-Bonds“ kommt, hat dafür aber einer gemeinsamen Aufnahme von Krediten und nicht rückzuzahlenden Transfers zugestimmt. Doch noch gibt es große Uneinigkeit über die konkrete Ausgestaltung des Vorschlags.
Konflikte innerhalb der EU
Auf der einen Seite stehen die wirtschaftlich starken Länder mit niedriger Verschuldung und großer Wirtschaftsleistung. Zu ihnen gehören „Die Sparsamen Vier“ Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande, aber auch Finnland, Schweden und Deutschland. Diese Länder sind nicht auf Finanzhilfen aus der EU angewiesen, weil sie selbst genug Mittel haben, um die Krise auszugleichen. Der Vorschlag der EU-Kommission bedeutet für diese Länder, dass die Summe, mit der sie bürgen, höher ist als die Summe, die sie bekommen würden und werden deshalb auch „Nettozahler“ genannt.
Auf der anderen Seite stehen die meisten anderen EU-Staaten, unter ihnen Frankreich und die südeuropäischen Staaten, welche durch eine hohe Verschuldung nicht dazu in der Lage sind, sich durch nationale Konjunkturprogramme aus der wirtschaftlichen Notlage zu befreien. Diese werden auch „Nettoempfänger“ genannt, weil sie mit weniger Geld bürgen als sie aus dem Fonds bekommen würden. In der deutschen Presse ist erneut die Rede von den „faulen Südeuropäern“, die dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegen.
Hier werden Tatsachen auf den Kopf gestellt und Begriffe wie „Nettozahler“ und „Nettoempfänger“ genutzt, um zu verschleiern, dass es wenige Länder gibt, die seit Jahren massiv von der EU profitieren, während andere durch die ungleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen massive Verluste hinnehmen mussten. Laut einer Studie des Freiburger Centrums für europäische Politik cep hat Deutschland im Zeitraum von 1999 bis 2017 mit einem Plus von fast 1,9 Billionen Euro im BIP mit Abstand am stärksten von der Euro-Einführung profitiert. Daneben haben nur die Niederlande mit 346 Mrd. Euro bedeutend von der Euro-Einführung profitiert. Fast alle anderen Länder haben im gleichen Zeitraum Verluste im BIP erlitten: Frankreich hat knapp 3,6 Billionen und Italien gut 4,3 Billionen Euro eingebüßt. [2] Natürlich ziehen auch Frankreich und Italien ihren Nutzen aus der EU, aber sie profitieren in deutlich geringerem Maße. Berücksichtigt man also die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, wird vor allem Deutschland zum „Nettoempfänger“ Europas.
Die Gegner des vorgeschlagenen Wiederaufbaufonds sprechen sich zum Teil gegen gemeinsame europäische Anleihen aus und wollen die Vergabe von Mitteln auf Kredite beschränken. Die Kredite sollen an klare Bedingungen und harte Reformprogramme geknüpft werden. Außerdem wird die Summe von 750 Mrd. Euro von einigen Ländern als zu hoch angesehen und daher abgelehnt. Die Befürworter des Vorschlags dagegen lehnen Bedingungen oder Reformprogramme strikt ab und fordern zum Teil eine deutlich höhere Summe.
Die Visegrad-Staaten (Tschechien, Polen, Ungarn und die Slowakei) unterstützen den Vorschlag zwar weitestgehend, fordern aber gewisse Änderungen. Polen setzt sich gegen eine Zweckbindung der Mittel ein, da das Land in Infrastrukturprojekte investieren will, die im Zweifelsfall nicht den geforderten EU-Kriterien entsprechen. Der Vorschlag, die Vergabe der Mittel an die Einhaltung des europäischen Rechts zu knüpfen, richtet sich vor allem gegen Polen und Ungarn. Polen hatte mit einer Justizreform gegen europäisches Recht verstoßen und Ungarn hatte sich rechtswidrig geweigert, die zentral vorgeschriebene Verteilung von Flüchtlingen umzusetzen. Tschechien, aber auch die Slowakei und Ungarn empfinden die Vergabekriterien als ungerecht und fordern einen anderen Verteilungs-Schlüssel. Außerdem befürchten die Staaten der Visegrad-Gruppe, dass die Refinanzierung des Wiederaufbaufonds eine Kürzung der für sie sehr wichtigen EU-Fonds für strukturschwache Regionen und Agrarsubventionen bedeuten könnte.
Die Staaten treten als ideelle Gesamtkapitalisten für die Gesamtinteressen der nationalen Kapitale ein. Das schließt jedoch nicht aus, dass es auch innerhalb der Staaten Interessenkonflikte zwischen unterschiedlichen Kapitalgruppen gibt. Als Gegenprojekt zu den „Sparsamen Vier“, haben sich in eben diesen Ländern Oppositionsparteien zu einer Allianz für den vorgeschlagenen Wiederaufbaufonds zusammengeschlossen. Auch in Deutschland gibt es wichtige Konfliktlinien zwischen den Vertretern unterschiedlicher Kapitalgruppen.
Konflikte innerhalb Deutschlands:
Der Interessenskonflikt innerhalb Deutschlands lässt sich an den Positionen verschiedener Unternehmerverbände veranschaulichen. Ein wesentlicher Konflikt besteht hier zwischen dem Bund Deutscher Industrie (BDI) und dem Bundesverband Mittelständischer Wirtschaft (BVMW). Der BDI vertritt die Interessen der gesamten deutschen Industrie, während der BVMW vor allem die Interessen von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) abbildet. Obwohl KMU etwa die Hälfte des deutschen BIP erwirtschaften, spielen die Monopolkonzerne aufgrund ihres ökonomischen Gewichts eine deutlich größere Rolle. Dies bildet sich auch in den wirtschaftspolitischen Entscheidungen des deutschen Staates als ideeller Gesamtkapitalist ab. Der Warenexport ist für die Bundesrepublik mit einem Anteil von etwa 38 Prozent am BIP sehr wichtig. Diese Exporte werden vor allem von den Monopolkonzernen generiert: Im Jahre 2018 waren 0,4 Prozent der Unternehmen für etwa 68 Prozent der deutschen Exporte verantwortlich. [3] Von den deutschen Exporten gehen gut zwei Drittel in die EU. Für die Monopolkonzerne, und damit auch für den deutschen Imperialismus, hat der EU-Binnenmarkt also eine besondere Bedeutung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Handelskrieg zwischen den USA und China Unsicherheiten für das Exportgeschäft mit sich bringt. Aus diesem Grund unterstützt der BDI den Vorschlag der EU-Kommission, spricht sich aber dafür aus, die Vergabe von Geldern an klare Bedingungen zu knüpfen und lehnt „neue Steuern und Abgaben auf EU-Ebene“ zur Finanzierung des Fonds ab. [4] Der BDI vertritt das Gesamtinteresse der hochgradig exportorientierten deutschen Industrie und ist bereit, im Konkurrenzkampf mit anderen europäischen Kapitalen gewisse Zugeständnisse einzugehen, um die Stabilität des EU-Binnenmarktes zu schützen.
Die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren insgesamt deutlich weniger von der EU. Unter ihnen befinden sich Unternehmen, die ihre Waren ausschließlich auf dem deutschen Binnenmarkt absetzen. Exporte und Auslandsinvestitionen spielen für KMU eine weniger zentrale Rolle. Gleichzeitig hat eine hohe Staatsverschuldung Deutschlands, die durch Hilfsprogramme zugunsten der wirtschaftlich schwächeren Länder gefördert wird, negative Folgen für KMU. Eine hohe Staatsverschuldung führt dazu, dass die Bundesbank höhere Zinsen für Staatsanleihen oder für Kredite, die sie am Finanzmarkt aufnimmt, zahlen muss. Dadurch verschlechtern sich auch die Kreditbedingungen für KMU. Sie haben weniger Eigenkapital als Monopolkonzerne und können auf weniger Finanzierungs-Instrumente zurückgreifen, wodurch sie stärker von Bank-Krediten abhängig sind. So wendete sich der BVMW stets gegen eine höhere Staatsverschuldung Deutschlands zugunsten der Stabilität der EU und forderte in der Eurokrise stattdessen den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone.
Wie ist der EU-Wiederaufbaufonds zu bewerten?
Befürworter des Wiederaufbaufonds wie der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bezeichnen den Vorschlag als einen „historischen Schritt für die gesamte EU“; der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet meint, dass damit ein „Grundstein für ein neues Europa“ gelegt werde. Kritiker wie der stellvertretende Fraktionschef der FDP Alexander Graf von Lambsdorff werten den Vorschlag als eine „180-Grad-Kehrtwende“ der EU. [5]
Doch was ist neu an diesem Vorschlag? Geht es tatsächlich um eine historische Wende?
Viele bezeichnen die Finanzierung des Fonds über gemeinsame europäische Anleihen als etwas Neues. Doch nach demselben Prinzip wurden auch der ESM und zuvor die EFSF finanziert. Auch das im ersten Maßnahmenpaket beschlossene SURE (siehe Info-Kasten) soll durch gemeinschaftliche Anleihen finanziert werden. Um etwas Neues handelt es sich hier also nicht. Auch das „Außerkraftsetzen“ der Austeritätspolitik, das vor allem von den „sparsamen Vier“ und Teilen Deutschlands kritisiert wird, muss genau beleuchtet werden. Bisher wird zwar betont, dass es keine Austeritätspolitik geben soll, gleichzeitig bleibt die Frage offen, was passieren wird, wenn die Kredite nicht zurückgezahlt werden können. Deutschland und Finnland haben schon angekündigt, dass ihnen der von der EU-Kommission vorgeschlagene 30-jährige Rückzahlungszeitraum (von 2028 bis 2058) zu lang ist und schlagen vor, schon 2021 mit der Rückzahlung zu beginnen. Die Niederlande fordern schon, die Vergabe der Mittel an Strukturreformen zu knüpfen und auch der EU-Kommissar Johannes Hahn will „die Auszahlung der Wiederaufbauhilfen […] mit Reformfortschritten verknüpfen“. [6] Es ist auch möglich, dass die Rückzahlung der Mittel an die Ziele des Europäischen Semesters gebunden werden, was Privatisierung und Sozialabbau bedeuten könnte. Es ist also wahrscheinlich, dass die wirtschaftlich stärkeren Länder sich mit Forderungen nach „Reformprogrammen“ durchsetzen werden. Auch die Vergabe von Mitteln als Transfers ist nicht neu. Diese gibt es schon lange im Rahmen von Agrarsubventionen. Letztlich bleibt das einzig Neue an diesem Vorschlag, dass die EU sich in gewisser Weise verschuldet. Indem die von der EU aufgenommenen Schulden als nicht rückzuzahlende Transfers vergeben werden, entsteht ein Defizit im EU-Haushalt. Doch diese Schulden sind nicht mit den Staatsschulden einzelner Länder vergleichbar, welche meist nicht vollständig zurückgezahlt werden. Die Verschuldung der EU kann laut EU-Recht nicht wie die Schulden auf nationaler Ebene durch Umschuldung verlängert werden. Das Defizit muss also wieder ausgeglichen werden. Möglich wäre dies durch eine Erhöhung der Beiträge der EU-Mitgliedsstaaten oder die Kürzung der Haushaltsausgaben. Die EU-Kommission schlägt vor, das Defizit durch eigene Einnahmen auszugleichen, zum Beispiel durch Steuern oder Zölle. Das würde jedoch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der EU mit sich bringen und wird von den wirtschaftlich starken Ländern teilweise abgelehnt.
Es ist gut möglich, dass die EU-Verträge in absehbarer Zeit zugunsten einer europäischen Finanzpolitik angepasst werden. Denn die EU-Gesetzgebung steht einer Vereinheitlichung des EU-Kapitalmarktes im Weg. Bereits vor einem Jahr forderten der Chef der französischen Notenbank François Villeroy de Galhau und die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer gemeinsam den Aufbau einer EU-Kapitalmarktunion. Nach dem Vorbild der USA soll es Unternehmen in der EU demnach erleichtert werden, über die Finanzmärkte Zugang zu Kapital zu bekommen. Somit soll in Zukunft auch die Handlungsfähigkeit der EU in Krisensituationen verbessert werden. [7]
Der vorgeschlagene Wiederaufbaufonds stellt also nur bedingt etwas Neues, aber längst keine „historische Wende“ dar. Vielmehr geht es darum, die EU als imperialistisches Staatenbündnis, von dem nur wenige, vor allem wirtschaftlich starke Länder profitieren, zu erhalten. Damit dies gelingt, sind gewisse Zugeständnisse an die wirtschaftlich schwachen und stark verschuldeten Länder notwendig. Gleichzeitig versuchen Deutschland und Frankreich, die europäische Integrität im Sinne des Kapitals auszubauen, denn für sie bleibt Europa das Vehikel zu einer globalen Vormachtstellung. Gemessen an den Verlusten, die viele der europäischen Länder seit der Euro-Einführung hinnehmen mussten, ist die Summe des Wiederaufbaufonds nicht hoch. Für die Menschen in Europa ist durch das Hilfsprogramm keine Verbesserung zu erwarten. Das Geld wird vor allem an die Kapitalisten fließen und ihre Gewinne erhalten, während ein bedeutender Teil der Menschen in Europa weiterhin in Armut leben muss.
Das erste Europäische Maßnahmenpaket
Bereits im April hatte die europäische Kommission ein erstes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um kurzfristig auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu reagieren. Das Paket hat einen Umfang von insgesamt 540 Mrd. Euro und besteht aus drei Elementen: dem Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM), Geldern aus der EU-Kommission und Geldern aus der Europäischen Investitionsbank.
Der ESM stellt bis zu 240 Mrd. Euro für Mitgliedstaaten zur Verfügung, die mit dem Corona-Krisenmanagement finanziell überfordert sind. Die EU-Staaten können aus dem ESM Gelder in Höhe von zwei Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung als Kredit beantragen. Ausgegeben werden darf das Geld für „Corona-bedingte Ausgaben“. Nachdem es vor allem mit Italien zu Konflikten um die Realisierung von Coronabonds gekommen war, erklärte sich die EU-Kommission bereit, die Vergabe der Kredite nicht an Reformprogramme zu knüpfen, wie es bei Griechenland in der Euro-Krise der Fall war. Der EU-Fiskalpakt, der die Verschuldung der EU-Staaten auf 60 Prozent und das Haushaltsdefizit auf 3% ihres Bruttoinlandsproduktes beschränkte, wurde bereits vorher außer Kraft gesetzt. Trotzdem kündigte Italien an, kein Geld aus dem ESM zu beantragen, da aufgezwungene Reformprogramme befürchtet werden.
Das „Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in Ausnahmesituationen“ (SURE) ermöglicht es den EU-Staaten darüber hinaus, Darlehen bis zu 100 Milliarden Euro bei der EU-Kommission zu beantragen, um die stark steigenden Kosten des Kurzarbeitergeldes abzudecken. Finanziert wird dies durch Kredite, die die EU-Kommission an den Finanzmärkten aufnimmt. Für ein Viertel dieser Summe sollen die EU-Staaten bürgen.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellt zudem Unternehmenskredite mit einem Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung. Um das Geld zu bekommen, müssen die EU-Mitgliedstaaten, ähnlich wie beim SURE, eine Bürgschaft abgeben, damit die EIB ihr Spitzenrating an den Finanzmärkten nicht verliert. Diese Mittel sollen allen 27 EU-Staaten zur Verfügung gestellt werden und dienen als „Schutzschild für europäische Firmen“, auch hinsichtlich der Gefahr, dass ausländische Investoren die Gelegenheit nutzen wollen, um durch die Krise angeschlagene Unternehmen aufzukaufen.
[1] https://ec.europa.eu/germany/news/20200406chinesische-hilfslieferung-erreicht-italien_de
[4] https://bdi.eu/artikel/news/kommission-hat-die-notwendigkeit-entschlossenen-handelns-erkannt/
[5] FAZ, 20.5.2020, S. 2