AI Act – Fortgesetzte Überwachung und Aufrüstung durch KI

Beitrag von Diana Barth

Der lang diskutierte europäische AI (Artificial Intelligence) Act ist einen Schritt näher dran, Realität zu werden: Am vergangenen Mittwoch stimmte das EU-Parlament über das neue Gesetz ab. Es wäre das erste weltweit, das die KI (Künstliche Intelligenz)-Technologie umfassend regulieren soll. Nun muss es noch vom Europarat abgesegnet werden, um voraussichtlich Ende Mai in Kraft zu treten und ab 2025 Anwendung zu finden.

Die KI-Branche

Die europäische KI-Industrie befindet sich im Vergleich zur Konkurrenz aus den USA oder China noch eher im Anfangsstadium, sodass das Gesetz zunächst insbesondere die nicht-europäischen Unternehmen betreffen würde. Allerdings bemühen sich die europäischen Länder, ihren Rückstand aufzuholen und eigene Konkurrenten ins Rennen gegen die führenden KI-Monopole zu schicken, wie sich mit drei Beispielen aus Deutschland illustrieren lässt: Das Kölner Übersetzungs-Start-Up DeepL, das behauptet, die beste Übersetzungsqualität weltweit anbieten zu können, ist letztes Jahr mit einer Milliarde Dollar bewertet worden und ist somit zum sogenannten “Einhorn” aufgestiegen. Ein weiteres deutsches Einhorn findet sich in München – das Rüstungsunternehmen Helsing wurde erst vor drei Jahren gegründet und ist bereits das erste europäische Start-Up in der Rüstungsindustrie, das eine Milliardenbewertung bekommt. Für die Bundeswehr soll es Eurofighter-Kampfjets mit Algorithmen ausstatten. Als OpenAI Konkurrent brüstet sich Aleph Alpha aus Heidelberg damit, KI mit “europäischen Werten” zu entwickeln und auch konform mit dem kommenden AI Act zu sein.

Was ist der AI Act?

Über den AI Act werden KI-Technologien künftig in Risikokategorien eingeteilt: von niedriger Gefahr bis zu “inakzeptabel”, wobei letzteres zu ihrem Verbot führen soll.

Das Gesetz erlaubt die freie Nutzung von KI in Bereichen mit “minimalem Risiko”, beispielsweise bei Videospielen oder Spamfiltern. Der Großteil der eingesetzten KI-Systeme in der EU fällt darunter und muss somit keine Einschränkungen fürchten. Unter den Hochrisiko-Bereichen wird unter anderem der Einsatz von KI in Infrastruktur, Prüfungsbewertung und Einstellungsverfahren, Strafverfolgung, “Migrations-, Asyl- und Grenzkontrollmanagement” und der Justiz aufgeführt. Diese sollen laut Gesetz strengen Verpflichtungen unterliegen. Als inakzeptabel wird die Emotionserkennung am Arbeitsplatz oder die flächendeckende Gesichtserkennung gewertet.

Die Folgen des Gesetzes

Wer dies als notwendige Zügelung der unendlichen Möglichkeiten zur “missbräuchlichen” Verwendung erwartet hatte, wird enttäuscht: Das Gesetz ebnet den Weg für biometrische Überwachung, klammert die militärische Anwendung aus dem Gesetz aus und sieht Ausnahmen für die als inakzeptabel gewerteten Technologien vor, etwa wenn die KI der “nationalen Sicherheit” dient oder beim Einsatz an den Außengrenzen. Auf all diese Risiken weist netzpolitik.org zurecht hin.

Beides steht nicht im logischen Widerspruch zueinander, sondern stellt eine normale Erscheinung des bürgerlichen Staates und seiner Institutionen dar, der damit seiner Rolle als ideellem Gesamtkapitalisten[1] gerecht wird. Der AI Act ist ein Paradebeispiel dafür, wie Regulierungen und Kapitalinteressen in einem Gesetzestext in Einklang gebracht werden.

Eine Frage der politischen Macht

Es zeigt sich, dass das Problem, dass KI auch in unerwünschten Bereichen eingesetzt wird, nicht durch Gesetze gestoppt werden kann. Der Kern des Problems liegt viel tiefer: Wer verfügt über die neuen Technologien? Wer kontrolliert sie? Wer entscheidet darüber, welche Bereiche mit KI weiterentwickelt werden?

Letzten Endes verweist die Frage der KI auf die Frage, wer die Macht über die Produktionsmittel besitzt und wer nicht. Nur wenn die Arbeiterklasse selbst die Produktion lenken kann und die enorme Produktivkraftentwicklung, die die KI-Entwicklung mit sich bringt, nach den Bedürfnissen der Menschheit bewusst und planmäßig gestalten kann, wird es möglich sein, die KI in den Bereichen (von Katastrophenschutz bis hin zu ökonomischen Planungsprozessen) zielgerichtet einzusetzen, in denen sie zu einem wirklichen gesellschaftlichen Fortschritt führen. Erst wenn neue Technologie nicht mehr unter der Kontrolle des Kapitals steht, wird sie nicht mehr im Interesse der Kapitalisten z.B. zur Überwachung am Arbeitsplatz genutzt und stellt keine Gefahr mehr dar, unsere Lebensgrundlagen (beispielsweise durch die Entwicklung von Biowaffen mit KI) zu untergraben.

[1] „Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe, sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist.“ Engels, Friedrich: Anti-Dühring (1877), in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): Marx-Engels-Werke (MEW) Bd. 20, Berlin/DDR 1962, S. 260.

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