Die durch das Coronavirus ausgelöste Pandemie hinterlässt ihre Spuren, auch in großen Teilen der deutschen Wirtschaft. Sie erscheint als Brandbeschleuniger einer sich schon seit Längerem andeutenden Überproduktionskrise, also einer Wirtschaftskrise. In dieser Situation ist die Diskussion um „Staatshilfen“ in vollem Gange. Damit sind finanzielle Mittel gemeint, die der Staat in Form von Zuschüssen, Krediten oder anderen Subventionen gewährt, um Unternehmen in der Krise vor der Insolvenz zu bewahren. Zuletzt stand der Lufthansa-Konzern im medialen Fokus, der schlussendlich eine Stabilisierungshilfe von 9 Milliarden Euro erhielt. Es sind aber weitere solcher Finanzspritzen zu erwarten, beispielsweise für Unternehmen in der Branche der Automobilzulieferer.
Das Thema Staatshilfen bleibt also aktuell. Im Folgenden wollen wir zunächst einen groben Überblick geben, um anschließend die Fragen darzustellen, die sich für eine umfassende Bewertung der Problematik ergeben. Es sind also Fragen, deren Klärung von großer Wichtigkeit ist, wenn wir eine Einschätzung darüber treffen wollen, welche Bedeutung Staatshilfen für die Arbeiterklasse haben und wie wir uns folglich positionieren müssen.
Staatshilfen in der Vergangenheit
Staatliche Hilfen sind keineswegs eine neue Erfindung, sondern ein bewährtes Instrument des bürgerlichen Staates, die Auswirkungen von Krisen auf die Unternehmen und Banken abzufedern. Die in den letzten Monaten beschlossenen Mittel – das Corona-Hilfspaket, die Senkung der Mehrwertsteuer, die Kredite und direkten Zuschüsse für Lufthansa etc. – haben ihre Vorgänger: Schon während der sogenannten Finanzkrise 2008/2009 gab es vergleichbare Programme, die darauf abzielten, Banken und Konzerne vor dem finanziellen Aus zu retten, die Nachfrage zu erhalten und Profite abzusichern. Dazu gehörte etwa die Bankenrettung oder auch die Umweltprämie zur Subventionierung von Neuwagen.
So wenig die Staatshilfen an sich ein neues Phänomen sind, so wenig sind es die Diskussionen darum. Sie betreffen auch das bürgerliche Lager selbst: Nicht nur in Bezug auf Lufthansa schrieb man auf Wirtschaftsseiten und in Kommentarspalten von ungerechtfertigten Markteingriffen, von Wettbewerbsverzerrung, von Missbrauch im Sinne „politischer“ Interessen oder auch einfach von der Unfähigkeit des Staates, ein Unternehmen wirtschaftlich zu gestalten. Die bürgerlichen Kritiker sind zum Teil auch schnell dabei, staatliche Eingriffe mit sozialistischer Planwirtschaft gleichzusetzen.
Der Staat als ideeller Gesamtkapitalist
Um diese Art der Kritik besser verstehen zu können, werfen wir zunächst einen Blick auf die grundlegende Situation: Der bürgerliche Staat hat in seiner Rolle als ideeller Gesamtkapitalist zur Aufgabe, Profite zu gewährleisten und die kapitalistische Produktionsweise stabil zu halten, also das gesamtkapitalistische Interesse national wie international umzusetzen.
Dass der Staat eine solch klar definierte Aufgabe hat, zeigt sich auch daran, dass keineswegs einfach alle Betriebe vor der Insolvenz bewahrt werden. Es geht um Unternehmen mit strategischer Bedeutung für den deutschen Imperialismus. Die Frage, wer konkret alles darunterfällt, wird lebhaft diskutiert und muss auch von uns noch genauer untersucht werden. Allgemein verstehen wir darunter aber Knotenpunkte der deutschen Wirtschaft: Betriebe mit einer hohen Bedeutung für die Infrastruktur, einer führenden Rolle auf dem Weltmarkt oder auch schlicht mit einer derartigen Größe, dass sich ihre Insolvenz – und der damit verbundene Wegfall ihrer Wertschöpfung – auch spürbar negativ auf die Finanzen des Staates auswirken würde (zum Beispiel durch die fehlenden Steuereinnahmen).
In diesen Fällen springt der Staat ein, um mit finanziellen Hilfen nicht nur das betroffene Unternehmen, sondern besonders die gesamte nationale kapitalistische Wirtschaft und seine eigene Stellung im imperialistischen Weltsystem vor den Auswirkungen eines Bankrotts zu bewahren.
Die Arbeiterklasse als ohnmächtiger Zuschauer
Wenn es um Staatshilfen geht, wird in der öffentlichen Debatte von Seiten der Regierenden in der Regel aber vor allem betont, dass es um die Rettung von Arbeitsplätzen ginge – ein staatlicher Eingriff im Sinne der Arbeiter also, zur Sicherung ihrer Jobs. Den Eindruck vermittelt das Vorgehen schnell und so ist es nicht verwunderlich, wenn Beschäftigte den Staatshilfen erst einmal schulterzuckend dankbar gegenüberstehen. Diese Passivität spiegelt im Grunde nur die realen Verhältnisse wider: Während der Staat auf der einen und das Kapital auf der anderen Seite Bedingungen aushandeln (Wie hoch sollen die Hilfen sein? Müssen sie nach einer Frist zurückgezahlt werden? Erhält der Staat Mitspracherechte? …), hat die Arbeiterklasse den Mund zu halten. So sehr die Herrschenden ihr Glauben machen, dass zu ihrem Wohlergehen verhandelt wird, so wenig wird sie in die Entscheidungen miteinbezogen. Bankrott oder Staatshilfe – ohnmächtig steht sie der Entscheidung gegenüber. Diese ohnmächtige Rolle ist allgemeines Prinzip der kapitalistischen Produktionsweise. Erst die selbstständige Organisation und Aktivität der Arbeiter ist die Voraussetzung, ihre Interessen zu erkämpfen.
Und eigentlich hat die Arbeiterklasse in Deutschland große Organisationen an der Seite, die ihrem Interesse doch Ausdruck verleihen könnten. Welche Rolle spielen hier die DGB-Gewerkschaften? Die Sozialpartnerschaft der Gewerkschaftsführung und der große Einfluss der Sozialdemokratie auch auf die Mitgliederbasis führen in weiten Teilen der Gewerkschaftsbewegung bislang zu einer Verzichtshaltung, besonders in der Krisensituation. Mit der Logik, doch wenigstens die Arbeitsplätze erhalten zu können, werden die Gewerkschaften zum handzahmen Anhängsel der Kapitalinteressen. Das gilt nicht nur für ihre Position zu Staatshilfen, sondern ganz allgemein für ihre Position zu Klassenkämpfen in Krisenzeiten. Eine vermeintlich kämpferischere Position spart man sich für wirtschaftlich bessere Zeiten auf. Die IG Metall als größte Einzelgewerkschaft etwa führte für die Metall- und Elektroindustrie Anfang des Jahres eine Tarifverhandlung mit dem Ergebnis einer Nullrunde – in Rücksicht auf die gefährdeten Profite vor allem der Automobilindustrie. Aber auch in den zuletzt geführten Diskussionen um das Kurzarbeitergeld stellten die Gewerkschaften keine Forderungen, die über die Pläne der Bundesregierung hinausgingen – etwa eine Aufstockung auf 100% des ausfallenden Gehalts und eine Finanzierung dessen durch die „Arbeitgeber“.
Die Ohnmacht der Klasse wird also nicht nur nicht durchbrochen von den Gewerkschaften des DGB, sondern zum Teil sogar bestärkt. Zwar wird ausgiebig verhandelt und über Zugeständnisse diskutiert, doch es mangelt an konkreten Schritten der Mobilisierung und des Kampfes, um die Belegschaften aus der Ohnmacht zu holen – und ihre eigene Handlungsfähigkeit zu stärken.
Hilfe für wen?
Der Staat handelt nicht etwa nach einem Plan, der darauf angelegt ist, Stück für Stück die Bedürfnisse der breiten Bevölkerungsmehrheit zu befriedigen. Er handelt als Steuermann und Verwalter des Kapitalismus, das heißt im Einklang mit dem Profitstreben – erst recht, wenn er selbst als Kapitalist an einem Unternehmen beteiligt ist.
Das erklärt, warum auch die Staatshilfen zwar dem Unternehmen helfen mögen, aber nicht den Arbeitern. Die finanziellen Spritzen ziehen keineswegs höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Sicherheit oder zumindest einen Stopp von weiteren Verschlechterungen nach sich. So sind allein bei der Lufthansa-Group Zehntausende von Stellenabbau gefährdet – trotz der 9 Milliarden Euro Staatshilfe.
Auch sind beispielsweise Kredite, die gewährt wurden, ein willkommener Vorwand für die Unternehmer, den Angriff auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verstärken. Schließlich stehe man ja in der Pflicht, die Schulden zu begleichen. Nicht nur im Falle von Lufthansa sind staatliche Finanzhilfen mit harten Sparmaßnahmen, also Lohneinbußen, Kündigungen, Arbeitsverdichtung und so weiter verbunden.
Dass die Kapitalisten dann noch allzu gern vom gemeinsamen Schicksal sprechen und davon, dass alle gleichermaßen von der Krise betroffen seien und nun den Gürtel enger schnallen müssten, ist ein Hohn. Sie haben ihre Posten, sie bekommen ihre Prämien und Dividenden. Sie landen auf den Polstern ihrer umfangreichen Rücklagen – die Beschäftigten in Kurzarbeit, prekärer Beschäftigung oder Erwerbslosigkeit.
Doch noch nicht genug damit, dass die sogenannten Hilfen für die Arbeiter gar keine sind, dafür aufkommen dürfen sie dennoch. Denn die finanziellen Mittel des Staates kommen aus Steuergeldern, das heißt zum allergrößten Teil aus den Taschen der Arbeiterklasse selbst. Die Unternehmer pressen die Arbeiter also nicht nur über die unbezahlte Arbeitszeit aus, sondern sie bedienen sich obendrein noch an ihren Steuerabgaben – um letztendlich noch effizienter ausbeuten zu können.
Zusammengefasst
Uns muss klar sein, dass die Entscheidung über Staatshilfen, Staatseinstiege und Sanierungen nicht im Geringsten in unseren Händen liegt, sondern damit steht und fällt, wie am besten Profit abgeschöpft werden kann. Auch auf die Ausgestaltung der Staatshilfen haben wir keinen Einfluss: Weder gibt es eine Garantie für den Erhalt von Arbeitsplätzen noch von bisherigen Arbeitsbedingungen. Insofern steht die Arbeiterklasse den Maßnahmen ohnmächtig gegenüber. Die Ohnmacht kann nur überwunden werden, wenn sie der massiven Abwälzung der Krisenlasten, die die Staatshilfen bedeuten, mittels Streiks den Kampf ansagt. Für eine solche Orientierung müssen wir in den Gewerkschaften kämpfen. Eine wirkliche Garantie, also das Recht auf Arbeit, kann es nur im Sozialismus geben. Nur eine sozialistische Planwirtschaft ist in der Lage, die Bedürfnisse der Arbeiterklasse und des Volkes vollumfänglich zu befriedigen, stetig die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern und die Produktion frei von Überproduktionskrisen zu entwickeln.
Offene Fragen und Diskussionen
Wie eingangs erwähnt, gibt es einige Fragen, die sich aus dem Thema Staatshilfen ergeben, die teilweise offen sind, teilweise auch lebhaft in der kommunistischen Bewegung diskutiert werden. Wir wollen sie kurz anreißen, weil wir ihre Klärung für notwendig halten, um zu einer umfassenderen Einschätzung zu gelangen, als sie in diesem Text gegeben werden konnte.
Zum einen drängt sich die Frage auf, ob Staatshilfen wie die gegenwärtig diskutierten lediglich immer mal wieder auftretende Erscheinungen zur Krisenbewältigung sind oder ob sie nicht vielmehr Ausdruck einer grundsätzlichen Tendenz sind: Wächst die Bedeutung des Staates für die Kapitalakkumulation? Also ist die Bourgeoisie – abseits von allen Lobhymnen auf die Selbstregulierung des freien Marktes – nicht immer stärker auf den Staat angewiesen, um ihren Profit überhaupt noch generieren zu können? Inwiefern trägt die Monopolbildung, die aus der stetigen Konzentration und Zentralisation von Kapital resultiert und damit ein Charaktermerkmal des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus ist, zu diesem Bedeutungszuwachs bei?
Daran anschließend stellt sich die Frage, inwieweit jene staatlichen Eingriffe uns die Grenzen des Kapitalismus vor Augen führen. Zum einen ist das Kapital nicht mehr in der Lage, sich selbst in der Krise zu helfen. Zum anderen entwickelt sich der Staat zu einer derart zentralen Instanz für die Produktion, dass er selbst, im Zusammenspiel mit der eben erwähnten Monopolbildung, den “freien Markt” untergräbt. Zeigt sich darin letztlich die Grenze der kapitalistischen Produktionsweise durch eine Tendenz zu einer zentralisierten Planwirtschaft, eine immer gesellschaftlichere Produktion? Welche Bedeutung haben sie für den Kampf der Arbeiterklasse um den Sozialismus? Inwiefern kann die Arbeiterklasse beim Aufbau des Sozialismus diese Entwicklung nutzen?
Um diese Entwicklung zu durchdringen, brauchen wir ein besseres Verständnis vom Verhältnis zwischen dem Staat und den Monopolen. Diese Frage wird unter Kommunisten heiß diskutiert, Vorstellungen wie die Theorie zum Staatsmonopolistischen Kapitalismus treten hier in Erscheinung. Konkret spiegelt sich die Frage bspw. in der Debatte um Staatsbeteiligungen, also Mitspracherechte für den Staat im Gegenzug zu seinen Hilfsleistungen, wider: Die Kapitalseite wehrt sich meist mit Händen und Füßen gegen solche Beteiligungen. Doch auch der Staat selbst scheint nicht immer unbedingt einen Einstieg anzustreben – ist er sich mit der Kapitalseite bereits einig oder will er bloß die Verantwortung für anstehende Unternehmensentwicklungen (z. B. Massenentlassungen) nicht tragen? Ist es richtig, Mitspracherechte für den Staat einzufordern und kann dies zur Politisierung von Arbeitskämpfen beitragen? Im Text haben wir schon die strategische Bedeutung angesprochen, die Teile des Kapitals für den bürgerlichen Staat offensichtlich einnehmen und die er darum auch eher zu “retten” bereit ist. Was bedeutet das für ihre Beziehung zueinander?
Die Fragen rund um das Verhältnis von Staat und Kapital sind zentral. Ihre Klärung ist nicht nur bedeutend für die Einschätzung von Staatshilfen. Innerhalb der kommunistischen Bewegung werden daraus mitunter problematische Schlüsse für ihre Strategie gezogen. So werden beispielsweise aus der besonderen Bedeutung der Monopole für den Staat Möglichkeiten zur Zusammenarbeit der Arbeiterklasse mit der, ebenfalls von den Monopolen abhängigen, kleinen und mittleren Bourgeoisie abgeleitet.