Wir, die Kommunistische Organisation, zeigen uns solidarisch mit der palästinensischen Arbeiterklasse und ihrem Befreiungskampf. Dabei stehen wir entschieden gegen Antisemitismus sowie gegen jede andere Form von Rassismus.
Im Zusammenhang mit dieser Solidarität, im Zusammenhang mit unserem Kampf gegen Rassismus, Apartheid, Vertreibung und Unterdrückung, wurden uns in Gießen mehrere Räumlichkeiten gekündigt. Wie hier eine ehrliche Diskussion durch antimuslimischen und antipalästinensischen Rassismus verunmöglicht wird, wollen wir anhand dieser Vorgänge zeigen.
Ende Oktober dieses Jahres wurde durch eine sich selbst als „linkssozialisiert“ bezeichnende Gruppe ein Statement an die Lokalzeitung „Gießener Allgemeine“ geschickt1. In diesem machten die Verfasser deutlich, dass sie im sogenannten Nahostkonflikt einzig die Leben israelischer Bürger für schützenswert halten. Sie verunglimpften den Widerstand gegen Apartheid als „Israel-bezogenen Antisemitismus“. Im Zusammenhang mit diesem menschenverachtenden Statement wurden uns seitens der raumstation3539 eG und der Stadt die Räumlichkeiten für kommende Veranstaltungen wieder entzogen.
Während wir im Oktober noch eine öffentliche Veranstaltung in der Anschlussverwendung, einem anmietbaren Raum der raumstation 3539 eG, problemlos abhalten konnten, sind uns durch die aktuelle Hetze jetzt die Räumlichkeiten für eine Diskussion zum Klimawandel und den Kampf gegen denselben verwehrt worden.
Wir halten die von den Verfassern eingeforderte Anerkennung des „Existenzrecht Israels“ für eine Phrase, in der es faktisch nicht darum geht, jüdisches Leben zu schützen, sondern die dazu dient, palästinensische Stimmen und solche, die sich gegen die Unterdrückung der Palästinenserinnen und Palästinenser richten, zum Schweigen zu bringen. Sei es, indem Räume verweigert werden sollen oder indem Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit verweigert und mit Abschiebung gedroht wird, wenn sie nicht in die menschenverachtende Ideologie der Herrschenden einstimmen.
Diese Positionen vertreten wir nicht erst seit dem 7.10.2023, sondern haben in der Vergangenheit immer klar Position für ein befreites Palästina bezogen. In Gießen gab es zwar immer wieder verleumderische Stimmen gegen die Kommunistische Organisation und andere linke Gruppen, die sich deutlich gegen ein zionistisches Projekt stellten, welches sich selbst als koloniales Projekt versteht2. Der Entzug von Räumlichkeiten für die KO in Gießen reiht sich nun in diese Hetze ein.
Die Gießener Allgemeine hatte die Denunziation an die raumstation3539 eG und städtische Stellen weitergeleitet und diese zu Statements aufgefordert. Daraufhin wurde die Kommunistische Organisation in Gießen seitens der raumstation3539 eG zu einer Stellungnahme und Erklärung der Vorwürfe aufgefordert, deren Wortlaut wir im Anhang veröffentlichen. Dabei verwies die raumstation3539 eG explizit auf Stellen in ihrer Satzung, auf die wir Bezug nahmen. Wir erläutern in unserer Stellungnahme an die raumstation3539 eG unsere Position und zeigen auf, warum wir den israelischen Staat als siedlerkolonialistischen Apartheidsstaat charakterisieren. Wir machten deutlich, dass zahlreiche auch bürgerliche – Institutionen zu einer ähnlichen Einschätzung kommen, beispielsweise Human Rights Watch3, Amnesty International4, die israelische Institution B’Tselem5 und weitere jüdische Organisationen wie Jewish Voice for Peace6. Wir können hier keinen Widerspruch zur Satzung der raumstation3539 eG sehen.
Wir haben eine klare Haltung gegenüber einem Staat, der kolonialistische Methoden einer Apartheid umsetzt. Was für uns klar ist: Wie auch immer die Lösung aussieht, die Mindestanforderungen von unserer Seite sind, dass eben die Prinzipien, die die raumstation3539 eG in ihrer Satzung vorgibt, für alle Menschen in Israel und Palästina gelten müssen. Es ist der israelische Staat, der dies Tag für Tag mit Füßen tritt und verunmöglicht.Diesen Staat, sein Vorgehen und seine Rechtsungleichheit zu rechtfertigen oder dazu zu schweigen, ist menschenverachtend. Die grundsätzliche Kritik daran darf man nicht mit Antisemitismus verwechseln. Wir stehen entschieden gegen Antisemitismus sowie auch gegen jede andere Form von Rassismus. Genauso wenig rechtfertigen wir das Töten von Zivilistinnen und Zivilisten. Für uns ist jedes unschuldige Leben, das gewaltsam beendet wird, eines zu viel, egal auf welcher Seite7. Wichtig ist aber zu verstehen und zu erklären, woher der Widerstand des palästinensischen Volkes kommt.
Wir übermittelten unsere Stellungnahme an die raumstation 3539 eG, welche sich damit intern auseinandersetzte. Die raumstation 3539 eG beschloss aufgrund angeblicher Diskrepanzen zwischen der Stellungnahme der Zentralen Leitung der Kommunistischen Organisation und unserer lokalen Stellungnahme sowie der ,,Unerträglichkeit“ der in der bundesweiten Stellungnahme getätigten Aussagen, uns bis auf Weiteres die Anmietung ihrer Räume zu untersagen. Dabei kritisierte die raumstation 3539 eG weder konkrete Textstellen noch formulierte sie, worin genau die Diskrepanz bestünde. Zwischen unserer lokalen Stellungnahme und den bundesweiten Veröffentlichungen bestehen keine inhaltlichen Unterschiede und wir stehen hinter all unseren Veröffentlichungen. Das bedeutet aber auch, dass wir auf eine klar formulierte Kritik gerne eingehen und eine offene Diskussion nicht scheuen.
In einer Antwort vom 23.11.2023 gab die raumstation 3539 eG verschiedene Texte an, die gegen ihre Satzung verstoßen würden und die nicht unserer lokalen Stellungnahme entsprechen würden. Darunter fanden sich zwar auch unsere bundesweiten Stellungnahmen der KO (kommunistischepartei.de), aber auch Stellungnahmen der Rechtsabspaltung der KO (RAKO)8, die nicht unserer Position entsprechen und nichts mit unserer Organisation zu tun haben. Die raumstation 3539 eG schreibt hierzu:
,,Leider war es uns nicht möglich, eure Stellungnahme mit den auf der Webseite der K.O. veröffentlichten Texte zusammenzubringen. Und da diese nach wie vor online sind, gehen wir davon aus, dass Inhalt und Ton dieser Texte trotz eurer sich davon unterscheidenden Stellungnahme nach wie vor von euch so vertreten werden. Die darin enthaltenen einseitigen und gefühllosen Äußerungen zum Nahostkonflikt werten wir als offene Unterstützung und Weiterverbreitung von Kriegspropaganda eines totalitären Regimes in Gaza, das auf antisemitische, sexistische und homophobe Ideologie gestützt einen brutalen terroristischen Angriff auf Zivilist:innen geführt hat und einer Friedenslösung für alle Menschen in Israel/Palästina entgegenwirkt.“
Ausdrücklich geschehe dies nicht aufgrund einer Positionierung im aktuellen Konflikt in Palästina, sondern aufgrund von Verstößen gegen die Satzung der raumstation3539 eG9. Dort heißt es wiederum:
,,Die raumstation3539 arbeitet aktiv für die Verwirklichung der genannten Prinzipien und wendet sich dabei gegen zuwiderlaufende Strategien, insbesondere gegen jede Tendenz zu Sexismus, Rassismus, Nationalismus, Homophobie und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“
Eine Begründung, warum wir in unserer bundesweiten oder auch lokalen Stellungnahme ,,gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ verbreiten würden, bleibt die raumstation3539 eG schuldig. In einer Antwort der raumstation 3539 eG vom 23.11.2023 wirft sie uns darüber hinaus ,,selektiven Humanismus“ vor. Im Gegenteil begeht die raumstation3539 eG einen Fehler, wenn sie Antizionismus und Antisemitismus gleichsetzt und so jegliche Kritik am Staate Israel im Keime erstickt und der Kriminalisierung der Palästina-Solidarität Vorschub leistet. Eine ehrliche Diskussion wird dadurch verhindert. Auch bleibt eine Erklärung für die angeblichen Diskrepanzen zwischen unserer bundesweiten und unserer lokalen Stellungnahme bisher aus. Im Gegenteil weisen wir noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass sich beide Stellungnahmen inhaltlich nicht unterscheiden.
Des Weiteren steht das Nutzungsverbot der Räume der raumstation3539 eG für uns in keinem Verhältnis zu unserem lokalen Auftreten. Unsere kommende Veranstaltung sollte nicht vom aktuellen Palästina-Konflikt handeln, sondern drehte sich um die Klima- und Umweltfrage und die Diskussion darum. Anstatt uns über die brennenden Fragen unserer Zeit und ihre Lösungen diskutieren zu lassen, verbietet man uns dies aufgrund vager, nicht näher inhaltlich begründeter Vorwürfe eines angeblichen Antisemitismus. In Wahrheit aber beugt sich die raumstation3539 eG, wie so viele Strukturen und Organisationen in der BRD, der öffentlichen Hetze. Sie entzieht uns die Räumlichkeiten aufgrund unehrlicher, anonymer Vorwürfe und aufgrund der medialen Stimmungsmache gegen unsere Organisation. So schreibt die raumstation 3539 eG zwar, dass die Nutzungsuntersagung für uns nicht aufgrund einer inhaltlichen Positionierung im Palästinakonflikt geschehe, aber es sollte natürlich vollkommen klar sein, dass diese Entscheidung eine politische ist und die pro-israelische Position der raumstation3539 eG deutlich aufzeigt.
Während die raumstation3539 eG immerhin so aufrecht, wenn auch nicht vollkommen ehrlich, ist, inhaltlich zu begründen, warum sie uns die Raumnutzung verwehrt, ist das Verhalten der kommunalen Kongresshalle noch unaufrichtiger. So verwehrt uns die Kongresshalle in Gießen die Raumnutzung aufgrund angeblicher formaler Fehler. Sie begründen die Entscheidung damit, dass wir einen ,,falschen Veranstaltungstitel“ angegeben hätten und nicht erkenntlich gewesen sei, dass wir die Räume als Kommunistische Organisation nutzen würden. Diese Begründung ist mehr als fraglich, da die ,,formalen“ Fehler in der bisherigen E-Mail-Kommunikation keine Rolle gespielt hatten. Anstatt uns auf die ,,formalen“ Fehler hinzuweisen, damit wir die benötigten Angaben aktualisieren können, stellt uns die Kongresshalle vor vollendete Tatsachen und verwehrt uns die Nutzung des bereits gebuchten Raumes für Dezember. Unaufrichtig ist dieses Verhalten, da ganz klar ist, dass auch hier eine politische Motivation das ausschlaggebende Moment ist. So wird die Stadträtin Astrid Eibelshäuser (SPD), welche im Aufsichtsrat der kommunalen Stadthallen Gesellschaft (SHG) sitzt, zitiert, dass die Stadt sich das Recht vorbehalte, Veranstaltungen mit ,,antisemitischen“ Charakter juristisch zu überprüfen und gegebenenfalls von der Raumnutzung auszuschließen. Eine inhaltliche Definition, was als Antisemitismus gelte, wird nicht genannt10. Diese Aussage folgte nur wenige Tage nach der Denunziation von uns und unserer Organisation. Die Verbindung zwischen Denunziation und der Nutzungsuntersagung ihrer Räume seitens der Kongresshalle ist offensichtlich.
Das Untersagen der Raumnutzung für linke Gruppen wie die KO reiht sich ein in die massive staatliche Repression gegen palästina-solidarische Positionen, wie wir sie vertreten. In Zeiten wie diesen, in denen tausende palästinensische Zivilisten durch israelische Bomben und Kugeln getötet werden, in denen die BRD aktiv diese Kriegsverbrechen mitfinanziert, im großen Stil Waffen nach Israel exportiert und uneingeschränkte Solidarität mit Israel ausspricht, in denen der deutsche Imperialismus wieder eine aktivere Rolle im Wettstreit um Macht, Einfluss und Ressourcen spielt und sich für den nächsten Krieg bereit macht, zeigt auch innerhalb der deutschen Gesellschaft die zunehmende Militarisierung und Faschisierung ihre hässliche Fratze. Palästina-solidarische Gruppen und Organisationen werden pauschal als antisemitisch abgestempelt, ihre Positionen unterdrückt und Aktivisten, die in Solidarität für das palästinensische Volk auf die Straße gehen, werden angeklagt1112. Besonders perfide ist der Generalverdacht für alle Palästinenser und alle palästina-solidarischen Muslime, die in der BRD leben, die rassistisch und islamophob angefeindet werden, die z.T. abgeschoben werden sollen oder denen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden soll1314. Wir werden jetzt keinen Meter von unserer palästina-solidarischen Position zurückweichen und werden uns gesammelt gegen die staatliche Repression wehren. Für ein freies Palästina!
Anhang: Statement der KO Gießen
1 https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/mietvertraege-stadt-prueft-92661247.html
2https://kommunistischepartei.de/politik/hetze-gegen-kommunisten-in-giessen/
3https://www.hrw.org/report/2021/04/27/threshold-crossed/israeli-authorities-and-crimes-apartheid-and-persecution
4https://www.amnesty.de/sites/default/files/2022-08/Amnesty-Uebersetzung-Zusammenfassung-Bericht-Israels-Apartheid-against-Palestinians-2022.pdf
5https://www.btselem.org/publications/fulltext/202101_this_is_apartheid
6https://www.jewishvoiceforpeace.org/resource/our-vision/
7https://kommunistischepartei.de/stellungnahmen/der-terrorist-heisst-israel/
8https://kommunistischepartei.de/stellungnahmen/der-kongress-hat-getagt-die-ko-bleibt-internationalistisch-und-marxistisch/
9https://raumstation3539.net/wp-content/uploads/2016/04/Satzung.pdf
10https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/mietvertraege-stadt-prueft-92661247.html
11https://kommunistischepartei.de/allgemein/tadamun-ist-solidaritaet/
12https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/staatsanwaltschaft-gsta-gensta-muenchen-hamas-israel-palstina-billligung-140-straftat-demo/
13https://kommunistischepartei.de/stellungnahmen/solidaritaet-mit-zaid-abdulnasser/
14https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/10/berlin-hamas-israel-samidoun-vereinsverbot-konsequenzen-.html