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Ein Beitrag zur neuen Bewegung „Aufstehen“ und Allem, was dazu gehört
„Aufstehen“ – so lautet der Name einer Idee Sahra Wagenknechts und Oskar Lafontaines (beide Partei die Linke), die sich seit einigen Wochen großer Aufmerksamkeit durch die Medien erfreut. Es geht um eine politische „Sammelbewegung“, die Menschen relativ partei- aber vor allem klassenunabhängig organisieren möchte. Die große – nach bereits länger andauernden innerparteilichen Debatten – Präsenz dieses Projektes in der Presse hängt mit der zur Bewegung gehörenden Website zusammen. Ist sie momentan doch noch nicht mehr als ein Internetphänomen. Die momentan stattfindenden, scheinbar oder auch real hitzig geführten Debatten – weit über die Medien und die Strukturen der Partei die Linke (PdL) hinaus, bis hinein in die außerparlamentarische Linke, die Gewerkschaftsbewegung und einige mehr – haben uns dazu veranlasst, diesen etwas ausführlicheren Hintergrundartikel zu veröffentlichen. Wir wollen Klarheit schaffen, worum es bei der Sammelbewegung und den mit ihr zusammenhängenden Debatten tatsächlich geht und was das für die Arbeiterklasse in Deutschland bedeutet. Ferner wollen wir Handlungsoptionen aufmachen, die aus unserer Sicht und als Antwort auf die beschriebenen Entwicklungen auf die Tagesordnung gehören. Aber der Reihe nach:
„Aufstehen“ – wer, was, wie und warum?
Bereits seit einiger Zeit gibt es in der Linkspartei, die 2007 aus einer Fusion zwischen PDS („Partei des demokratischen Sozialismus“) und WASG („Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“) hervorgegangen ist, Debatten über die eigene politische und organisatorische Ausrichtung. Wie ihre Vorgänger auch ist die PdL keine revolutionäre Organisation. Ihre ideologischen und organisatorischen Grundlagen stehen einer revolutionären Praxis grundlegend entgegen. Sie verfolgt nicht das Ziel, den Kapitalismus durch den bewusst geführten Klassenkampf von unten abzuschaffen und den Sozialismus aufzubauen. Stattdessen gibt sie vor, durch einen auf die parlamentarische Ebene fixierten Reformkampf Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen für die breiten Massen erreichen zu wollen. Ihrer programmatischen Grundlage und ihrer politischen Praxis nach ist die PdL also als sozialdemokratische Kraft einzuordnen. Diese Erkenntnis ist festzuhalten, denn auf dieser Grundlage spielten und spielen sich auch die parteiinternen Debatten ab, die mit zur Gründung von „Aufstehen“ geführt haben. Derzeit fallen in der Partei besonders zwei Flügel, mit in der Diskussion unterschiedlichen Standpunkten, auf: zum einen der im Wesentlichen von der Parteivorsitzenden Katja Kipping angeführte, zum anderen der Flügel um die Vorsitzende der Bundestagsfraktion Sahra Wagenknecht. Doch auch wenn bürgerliche Medien diese Flügel gern als die „Parteilinken und -rechten“ betiteln, geht es in den Auseinandersetzungen keineswegs um den grundlegenden Kurs der PdL. Ihre sozialdemokratische Ausrichtung an sich wird nicht oder nur von sehr unbedeutenden Kräften zur Debatte gestellt. Der parteiinterne Streit beschränkt sich auf Fragen des Profils, das man sich geben möchte und daran anknüpfend des Klientels, das man mit diesem oder jenen Themenschwerpunkt, mit dieser oder jener Haltung ‚ansprechen‘ möchte.
So viel zum politischen Kurs in der PdL, der wesentlicher Teil der Vorgeschichte von „Aufstehen“ ist. Die Entwicklung der Sammelbewegung geschah auf Initiative Sahra Wagenknechts und ihrer Anhängerschaft, die schon lange Zeit vorher in der PdL für solch ein Modell plädiert haben. Wagenknecht, die zur Zeit der Konterrevolution ’89/’90 noch offen die DDR und ihre Errungenschaften verteidigte, dann lange Zeit als Galionsfigur der „Kommunistischen Plattform“ in der PdL galt, propagiert heute in Lobreden auf Ludwig Erhardt die „soziale Marktwirtschaft“, möchte eine regierungsfähige Linkspartei und schlägt auch gern mal nationalistische, ausländerfeindliche Töne an („Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt“). Doch die Politikerin, deren politische Entwicklung einem Beispiel für Opportunismus aus dem Lehrbuch gleichkommt, ist nicht allein: Neben weiterem Support aus der eigenen Parteiführung (insbesondere Oskar Lafontaine), schillert die Bewegung momentan auch durch die Unterstützung von Vertretern der Grünen und der SPD, wie bspw. durch Antje Vollmer oder den Bundestagsabgeordneten Marco Bülow. Hinzu kommen noch verschiedene Personen des öffentlichen Lebens. Erklärtes Ziel der Bewegung ist es, die Masse der Abgehängten, der prekär Beschäftigten, all die Wütenden, die etwas verändern wollen, zu erreichen. Willkommen seien bei „Aufstehen“ alle Interessierten, egal ob und welcher Partei sie angehören. Ein großes Augenmerk läge auf all jenen vom Parlamentarismus Enttäuschten, den Nicht-(mehr)-Wählenden und sogar denen, die bisweilen in der AfD eine Hoffnung sehen. Diese Menschen zu erreichen und zu organisieren, ist natürlich auch das Ziel der Kommunisten und der klassenkämpferischen Kräfte. Bei „Aufstehen“ geht es jedoch um etwas ganz anderes: „wir wollen neue Mehrheiten in Deutschland und Europa“ (https://www.aufstehen.de/). Diesen Ausspruch kann man tatsächlich wörtlich, bezogen auf die Parlamente – auf das Ziel einer rot-rot-grünen Koalition – verstehen. Denn auch, wenn “Aufstehen“ nach bisheriger Aussage ’nur‘ eine „Bewegung“ und nicht etwa eine neue Partei in der bürgerlichen Parlaments-Landschaft sein möchte, geht es am Ende immer wieder um das Erreichen sozialer Reformen durch den parlamentarischen Apparat. Im Wesentlichen ist dies die Lösung, die man den Massen bietet.
„Aufstehen“ – ganz was Neues?
Wie bereits erwähnt, ist die Aufmerksamkeit für „Aufstehen“ groß und die Gründer schaffen es auch ziemlich gut, dem Projekt einen Flair des Aufbruchs und des Neuen inmitten von verkrusteten Verhältnissen zu geben. Aber ist solch eine Bewegung wirklich etwas Neues? Erinnern wir uns zurück: in den 1980er Jahren formieren sich in der BRD aus Teilen der Friedens- sowie der Ökologiebewegung die Grünen. Jung und hipp, mit Turnschuhen und langen Haaren im Bundestag – auch sie genossen den Eindruck in der Bevölkerung, etwas Neues und Alternatives zu sein. In den 90ern dann eine Anti-Globalisierungsbewegung, die für Aufmerksamkeit sorgt, mit dem Bündnis „Attac“ als wohl bekanntestem Vertreter und daneben die PDS, die im Westen aber relativ erfolglos blieb. 2007 bildet sich die Linkspartei, angetreten mit dem forschen Ziel, eine bedeutende gesellschaftliche Kraft links der SPD zu werden. Deutschland, das Land der periodisch wiederkehrenden Bewegungen? Wohl kaum. Auch in anderen Ländern ist immer wieder zu beobachten, wie neue Bündnisse oder Bewegungen einen Aufbruch vom kapitalistischen Elend hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, Ökologie und Frieden beschwören. „La France insoumise“ (deutsch: „Unbeugsames Frankreich“), die Basis Jean Luc Mélenchons zur französischen Präsidentschaftswahl 2017, die breiten Unterstützerkreise von Bernie Sanders während seiner Kandidatur zum US-Präsidenten 2016, Jeremy Corbyns „Labour Party“, „Podemos“ in Spanien, das griechische Linksbündnis „Syriza“ und dessen Abspaltung „Volkseinheit“ sind nur ein paar der vielen Beispiele für derartige Phänomene. Der Kapitalismus braucht stets geeignete Mechanismen, um die ausgebeuteten und nicht an der politischen Macht teilhabenden Massen – die objektiv überhaupt kein Interesse an seinem Fortbestehen haben – in sein Herrschaftssystem integrieren zu können. Die krassen Widersprüche und Probleme, die die Produktion dadurch hervorbringt, dass sie auf den Profit der herrschenden Klasse orientiert ist, wachsen stetig. Das bedeutet auch, dass sie immer offensichtlicher und spürbarer werden für weite Teile der Bevölkerung. Doch die Bourgeoisie hat Methoden entwickelt, mit denen sich die Wut über die Verhältnisse und die Suche nach Alternativen kanalisieren lässt – in für sie ungefährlichere Bahnen. Soziale und politische Bewegungen, die die realen Missstände zwar thematisieren, aber statt der Abschaffung des Kapitalismus nur seine ‚Verbesserung‘ als Lösung propagieren, sind für solche Fälle ideal. Sie fangen die Enttäuschung der Massen ab und säen Hoffnung auf Veränderungen. Doch der Kapitalismus ist nicht reformierbar. Die bitterste Erfahrung mit diesem Umstand musste in den letzten Jahren wohl das griechische Volk machen. Syriza, das sich selbst als „radikal links“ bezeichnende Bündnis aus verschiedensten griechischen Parteien und Organisationen errang Anfang 2015 mit Alexis Tsipras an der Spitze und in Koalition mit der nationalistischen „ANEL“ die Mehrheit im Parlament und übernahm die Regierung Griechenlands (weiteres zu Syriza, der politischen Entwicklung Griechenland und der Haltung der deutschen Linken findet sich in einem anderen Hintergrundartikel der KO). Der Wahlsieg von Syriza rührt zweifellos aus der Hoffnung auf soziale Veränderungen und einem Kurs fernab von Spardiktaten und Bankenrettung, die das Bündnis mit seinem Wahlantritt in weiten Teilen der griechischen Lohnabhängigen befeuert hatte. Tatsächlich stand aber auch von Anfang an fest, dass Syriza die Rückzahlung der Schulden akzeptieren würde und dass das Bündnis mit seiner Fokussierung auf das Parlament viel mehr zur Schwächung, zur Desorganisierung der Arbeiterklasse, als zu ihrer Stärkung beitragen würde. Es dauerte nicht lange, bis die Folgen dieser neuen Regierung sichtbar wurden: der massive Sparkurs ging weiter, die Krisenauswirkungen hatten nach wie vor das griechische Volk und vor allem die Arbeiterklasse zu tragen, für immer mehr Menschen wurden die Lebensbedingungen nicht nur nicht besser, sondern schlechter und zu einem Austritt aus der imperialistischen EU oder NATO kam es nie. Eine herbe Enttäuschung für die Teile des Volkes, die in Syriza etwas Gutes sahen, ein lohnender Umstand für die griechische Bourgeoisie. Sie konnte so nicht nur die Lasten der eigens verursachten Krise weiter auf den Rest der Bevölkerung abwälzen, sondern noch dazu die Wut und den Protest dagegen mit Hilfe der Regierung Syrizas in ihr Herrschaftssystem integrieren und sich vor möglichen direkten Klassenkonfrontationen schützen.
Es liegt in der Logik der Sozialdemokratie, dass sie die Hoffnungen, die die Menschen in sie setzen, nicht erfüllen kann. Weil die Menschen nicht dumm sind, verstehen sie das natürlich irgendwann und kehren den bestehenden sozialdemokratischen Organisationen den Rücken. Weil die herrschende Klasse trotzdem auf Mechanismen angewiesen ist, um die Unzufriedenheit der Massen einzufangen und unschädlich zu machen, braucht sie auch immer wieder neue reformistische Organisationen, die den Massen die immer gleichen illusorischen Versprechungen in jeweils neuer Verpackung präsentieren. Je tiefer die Krise des Systems, je geringer also die Spielräume für tatsächliche Zugeständnisse des Kapitals an die Arbeiterklasse, desto schneller kommt das ‚Verfallsdatum‘ der reformistischen Bewegungen und Parteien, desto öfter müssen neue Formen zur Systemintegration geschaffen werden.
„Aufstehen“ – was sagen die Anderen?
Die Flügel-„kämpfe“ in der PdL wurden im zweiten Absatz bereits kurz angerissen. Während es Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger sind, die nun voll und ganz die „Aufstehen“-Bewegung tragen und bewerben, üben andere Teile der Partei – insbesondere der Flügel um Katja Kipping – scharfe Kritik. Zentrale Punkte ihrer Reaktionen sind der Vorwurf der Querfront (aufgrund des Vorhabens von „Aufstehen“, auch z.B. derzeitige AfD-Sympathisanten anzusprechen) und das Abdriften nach rechts, das quasi ‚Überflüssigmachen‘ der PdL selbst, bis hin zur Spaltung der Partei. Außerdem wird ein undemokratischer Ausbau von Wagenknechts Einfluss kritisiert, mit dem Argument, sie selbst würde sich mit ihrer Führungsposition in dieser Bewegung nur profilieren und in Szene setzen wollen. Trotz solcher ‚harten‘ Vorwürfe, ist der Dramatik dieser Debatte innerhalb der PdL nur mäßige Bedeutung zuzuschreiben. Wie weiter oben schon erwähnt, geht es eben nicht um die Frage der grundsätzlichen Ausrichtung oder Strategie der PdL, sondern vor allem um die richtige Ausrichtung für bestmögliche (Wahl)-Erfolge und natürlich für eine zukünftige Regierungsbeteiligung. Auch sind die Vorwürfe, Wagenknecht vollziehe mit ihren Positionen zur Flüchtlingsfrage einen Schwenk nach rechts zwar zutreffend, aber aus dem Munde Katja Kippings vor allem heuchlerisch. Konkret zeigt sich die Verlogenheit dieser Empörung an Kippings Positionierung zu saisonalen Gastarbeitern: anstatt vehement die prekäre Situation von Spargelstechern und anderen aus dem osteuropäischen Ausland kommenden Saisonarbeitern anzuprangern, die meist schwere körperliche Arbeit verrichten müssen und obendrein schlecht bezahlt werden, statt die Verantwortung des deutschen Imperialismus dafür klar zu benennen, wies sie in der Vergangenheit lediglich auf die Unentbehrlichkeit dieser Ausgebeuteten für die deutsche Wirtschaft hin – begründet offene Grenzen also mit kapitalistischer Standortlogik, statt mit Klassensolidarität.
Ein Klassenstandpunkt, den man bei den Debatten in der PdL gänzlich vermisst, findet sich in den umfangreichen Berichten der bürgerlichen Medien über die Bewegung natürlich erst recht nicht wieder. Sie toben sich lediglich in Beiträgen aus, die relativ nichtssagend den innerparteilichen Konflikt wiedergeben, mit inhaltlicher Schlagseite mal in diese, mal in die andere Richtung. Aber so oder so, sie befeuern also die Ablenkungsmanöver, die die PdL mit ihrer Politik für die Arbeiterklasse spielt – indem sie einen großen Konflikt vorgaukeln, wo die wesentlichen Entscheidungen schon längst getroffen wurden. Es ist wichtig zu verstehen, dass beide Flügel der Linkspartei keineswegs die Interessen der Arbeiterklasse vertreten. Während der Pol um Wagenknecht die Arbeiterklasse mit falschen Versprechen über soziale Reformen in die Irre führt und zu ihrer Spaltung in inländische und migrantische Arbeiter beiträgt, ist der Teil der Partei um Katja Kipping oder Dietmar Bartsch noch stärker auf Regierungsbeteiligungen ausgerichtet, verbreitet antikommunistische Propaganda, verteidigt die „Westbindung“ Deutschlands an die EU und die NATO, verharmlost die israelische Besatzungspolitik und propagiert eine „offene Einwanderungspolitik“, um dem deutschen Kapital billige ausländische Arbeitskräfte zu liefern und damit ebenfalls die Arbeiterklasse zu spalten. In einem Aufruf, der den Titel „Solidarität statt Heimat“ trägt, deklarieren sie die Klasse sogar zu einem Teil des Rassismus-Problems – die Klassenfrage wird also komplett verwaschen und die Herrschaft der Bourgeoisie, die Spaltung und Chauvinismus erst sät, in Schutz genommen.
Der Staat als Herrschaft des Kapitals kann eben nicht, wie es „Aufstehen“ anstrebt, im Sinne der Arbeiterklasse umfungiert werden. Deshalb ist dieses Programm zwangsläufig eine Irreführung der Massen und nichts Positives. Die Sozialdemokratie ist auch kein Schritt „in die richtige Richtung“, sondern ein Integrationsmechanismus für den Kapitalismus, der die Arbeiterklasse in das Ausbeutersystem integriert und ruhig stellt. Letzten Endes hat sich die Sozialdemokratie immer als Feind der Arbeiterbewegung erwiesen und alles Revolutionäre bekämpft. Für den Kampf zur Befreiung der Arbeiterklasse muss sich diese unabhängig vom bürgerlichen Staat, dem Kapital und seinen Institutionen organisieren. Dies voranzutreiben ist die Aufgabe der kommunistischen Partei. „Aufstehen“ ist aber das genaue Gegenteil davon und kann von den Kommunisten daher nur negativ bewertet werden.
„Aufstehen“ – ein Grund zur Hoffnung?
Für uns ist selbstverständlich, dass wir als Kommunisten die „Aufstehen“-Sammelbewegung weder begrüßen noch irgendwelche Hoffnungen in sie auf Verbesserungen für die Lage der Arbeiterklasse und aller anderen vom Kapitalismus unterdrückten Schichten hegen. Als Marxisten-Leninisten haben wir die eindeutige Einschätzung von der Sozialdemokratie, dass sie – in welcher Form oder Partei auch immer – die objektive Rolle als eine Machtstütze der Kapitalistenklasse innehat. Ihre besondere Bedeutung besteht darin, dass sie Protest und Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen aus dem Proletariat heraus kanalisiert in für die Herrschaft der Bourgeoisie ungefährliche Bahnen. Sie versucht – und das nicht selten erfolgreich – zwar in den Augen der Massen einen kämpferischen, systemkritischen Eindruck zu erwecken, aber in Wirklichkeit sorgt sie gerade dafür, dass die Kämpfe der Arbeiter zahnlos werden. Sie lässt keine Perspektive für den Protest der Unterdrückten gegen die Unterdrückung zu, außer der Integration in das unterdrückerische, d.h. kapitalistische System.
So ist es im Wesentlichen auch mit „Aufstehen“. Sozialabbau, Flüchtlingsproblematik, Enttäuschung über die etablierten Parteien usw. – Wagenknecht und Co greifen die Unzufriedenheit mit den politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen, die bei immer größeren Teilen der Bevölkerung herrscht, auf und schreiben sich die Veränderung dieser Verhältnisse im Sinne der Massen auf die Fahnen. Das ist genau der kritische, ja kämpferische Eindruck, den sie versuchen von sich zu vermitteln. Was sie nicht sagen ist, dass all diese Probleme und Widersprüche Teil des Kapitalismus sind, dass sie notwendigerweise aus der Fäulnis seiner Produktionsweise erwachsen sind und ohne den Kampf gegen dieses System nicht überwunden werden können. Auf dieser Grundlage schaffen sie es dann auch, in der Arbeiterbewegung die Vorstellung zu säen, die bestehenden Verhältnisse angenehmer, sozialer zu gestalten und dafür zunächst einmal „neue Mehrheiten zu schaffen“.
Für die PdL bedeutet die Sammelbewegung eine weitere Schwächung des sowieso schon marginalisierten antikapitalistischen Flügels. Es gibt so gut wie keine Kräfte mehr, die ein rot-rot-grünes Bündnis ausschließen, dies ist gleichbedeutend mit einem Bekenntnis für die Seite des Kapitals. Nicht durch die Propagierung des Reformismus und die Integration von Protestbewegungen in systemerhaltende Kanäle, denn das war immer schon ihr Charakter. Das Neue besteht darin, dass „Aufstehen“ der Annäherung an SPD und Grüne eine sehr konkrete Form gibt, weshalb die Gründer selbst keinen Zweifel daran lassen, dass es am Ende um eine „rot“-„rot“-grüne Koalition auf Bundesebene geht. Sollte es – weil es im Sinne der herrschende Klasse ist – in Zukunft dazu kommen, bliebe für uns von dieser Regierung erst recht nichts zu hoffen. Der Charakter der Sozialdemokratie kommt natürlich bei einer Regierungsbeteiligung erst recht zum Tragen, sodass sich im Zweifel die arbeiter- und volksfeindliche Politik des Imperialismus noch verschärft. Die Politik des „Links“-Bündnisses Syriza in Griechenland, die wir bereits weiter oben erwähnten, ist dafür ein Paradebeispiel. Und auch bezogen auf Deutschland rufen wir in Erinnerung: Es war die „rot“-grüne Regierung von SPD und Grünen zwischen 1998 und 2005, die den ersten Angriffskrieg der BRD und mit der „Agenda 2010“ den schwersten Angriff auf die Arbeiterklasse durchsetzte. Es ist die SPD, die aktuell einen der größten Rüstungshaushalte der BRD beschloss. Es war die PDS bzw. die Linkspartei, die in allen Landesregierungen, an denen sie beteiligt war, Sparprogramme, Sozialabbau, Abschiebungen, Privatisierungen von sozialem Wohnraum – die Politik des Kapitals insgesamt – mitgetragen und umgesetzt hat.
Zuletzt wollen wir noch einmal unterstreichen, dass „Aufstehen“ bzw. die Politik Sahra Wagenknechts zwar ein Teil des Rechtsrucks in der Linkspartei, aber keineswegs dessen Ursache ist. Die liegt im allgemeinen Streben der Partei, regierungsfähig zu werden, was zwangsläufig das Aufgeben linker Inhalte und erst recht linker Politik beinhaltet. Nahezu alle Aspekte der derzeitigen Gesamtentwicklung in der PdL laufen darauf hinaus: der Wagenknecht gegenüberstehende, aber ebenso imperialismuskonforme Kipping-Flügel; die Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen, das die massive Zerschlagung der noch bestehenden Sozialsysteme zur Folge hätte; die Resolution zum 70. Jahrestag der Gründung Israels als Plädoyer für imperialistische Aggression im Ausland; das schon seit einigen Jahren stattfindende Aufweichen der ursprünglichen Ablehnung aller Kriegseinsätze; die Instrumentalisierung von ‚kriminellen‘ Geflüchteten auf der einen Seite sowie von migrantischen Saisonarbeitern auf der anderen, usw.
AUFSTEHEN UND KÄMPFEN!
Von der neuen Sammlungsbewegung und der Sozialdemokratie insgesamt sind also keine positiven Veränderungen zu erwarten. Damit stellt sich natürlich die Frage nach der richtigen Alternative.
Wir stellen fest, dass die immer stärker werdenden Probleme und Widersprüche, von denen die Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft betroffen ist, notwendiger Bestandteil des kapitalistischen Systems sind. Es ist der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, die Realität, dass die Produktion auf den Schultern von Vielen liegt, jedoch der Zweck dieser Produktion einzig und allein die Erzielung von Profiten für Wenige ist. Wenn wir diesen Widerspruch und mit ihm die gesellschaftlichen Probleme überwinden wollen, müssen wir den Kapitalismus und seine Produktionsweise konsequent abschaffen. Es hilft nicht, auf Verbesserungen innerhalb dieses Systems, noch dazu ‚von oben herab‘ – also in Form von parlamentarischer Stellvertreterpolitik – zu hoffen. Jede Organisierung, jeder Kampf für Reformen, jede Bewegung aus der Arbeiterklasse heraus muss als Ziel die Beendigung der Diktatur des Kapitals vor Augen haben, muss immer mit Blick auf die dem System innewohnenden Widersprüche durchgeführt werden.
Andernfalls werden Illusionen geschürt, gerät die eigentliche Lösung in den Hintergrund. Die Wut und Enttäuschung der Massen wird unschädlich gemacht. Der bewusst geführte Klassenkampf geht verloren, aber die Widersprüche und die volksfeindliche Politik bleiben.
Die sozialistische Revolution ist für die Befreiung der Arbeiterklasse und der Volksmassen, für einen endgültigen Sieg über die Ausbeuterordnung zwingend erforderlich.
Um diese Tatsachen jedoch in den alltäglichen Auseinandersetzungen nicht aus den Augen zu verlieren und um erst einmal wieder die Perspektive des revolutionären Bruchs mit dem Kapitalismus in den Massen zu verankern, braucht es eine Organisation, die die bewusstesten Teile der Arbeiterklasse, ihre Erfahrungen und ihre revolutionäre Kraft in sich fasst. Diese Organisation muss die kommunistische Partei sein. Sie entwickelt eine Strategie, sie ist mit den Massen eng verbunden, sie führt den Kampf um den Sozialismus an und sie schafft auch die breite Organisierung des Volkes in Massenorganisationen und niedrigschwelligen Tageskämpfen.
Es kann und wird keine Verbesserungen für die Arbeiterklasse im Staat der Bourgeoisie geben ohne die unabhängige klassenorientierte Organisierung als Teil einer revolutionären Strategie. Das heißt auch: keine Verbesserungen ohne den konsequenten Bruch mit der Sozialdemokratie in all ihren Formen.
Ihre „Demokratie“ ist unsere Unterdrückung. Ihr Pluralismus ist unsere Vernebelung. Ihre Sammelbewegungen sind unsere Integration – in ihr faulendes System. Schluss damit, schaffen wir erneut eine starke, revolutionäre Arbeiterbewegung – schaffen wir die kommunistische Partei.