Der Handschlag mit türkischen Faschisten

Die Entwicklung in der kurdischen Frage


von August Nikitin und Tom Hensgen

Inhaltsverzeichnis

1. Zu den jüngsten Entwicklungen in der Türkei

2. Die Akteure

3. Die Türkei und der Genozid in Palästina

4. Die Bewegung in Deutschland und die Rolle des deutschen Staates

5. Die Lage der Kurdinnen und Kurden

6. Unsere Schlussfolgerungen

Vorbemerkung: Die neueren Ereignisse in Syrien wurden für diesen Artikel nicht berücksichtigt, da dieser bereits Mitte November verfasst wurde.

Der folgende Artikel ist sowohl eine Reaktion auf die neuesten politischen Entwicklungen in der Türkei als auch auf die derzeitigen Demonstrationen der kurdischen Nationalbewegung in Deutschland. Wir halten es für notwendig, die Ereignisse seit Oktober kurz darzustellen, die Akteure vorzustellen, um sie einzuordnen und in diesem Zusammenhang eine Kritik an Teilen der deutschen Linken zu äußern.

1. Zu den jüngsten Entwicklungen in der Türkei

Ein Handschlag erschütterte Anfang Oktober die türkische Politik: Devlet Bahçeli, Vorsitzender der nationalistischen MHP, begrüßte scheinbar freundlich die Parlamentarier der DEM-Partei1, darunter auch deren kurdisch-stämmigen Co-Vorsitzenden Tuncer Bakırhan2. Am 22. Oktober ergänzte Bahçeli, der PKK-Führer Abdullah Öcalan sollte “in der Fraktion der DEM-Partei in der Großen Nationalversammlung der Türkei sprechen. Er soll verkünden, dass es mit dem Terrorismus vorbei ist und die Organisation aufgelöst ist.”.3

Abgeordnete der DEM-Partei hatten die Situation zuvor als “sehr verschwommen” beschrieben. Man sehe von Seiten der MHP und AKP “keinen Plan, in dem eine gute Zusammenarbeit in der Türkei vorgesehen ist, einen Entwurf, ein Konzept, das nach und nach umgesetzt wird.4 Dennoch trafen sich am nächsten Tag DEM-Abgeordnete mit Öcalan. Es war der erste Besuch, den der inhaftierte PKK-Mitbegründer seit über drei Jahren empfangen durfte. In der türkischen Öffentlichkeit wurden diese Besuchsrechte schon als erste Zugeständnisse an die kurdische Nationalbewegung gehandelt.

Während dieser Annäherungsgespräche zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Nationalbewegung, verübten zwei Mitglieder der PKK einen Anschlag auf das teilstaatliche türkische Luft- und Raumfahrtunternehmen (TUSAS). Dieses entwickelt unter anderem Drohnen und Kampfflieger, die auch im Kampf gegen die PKK und die kurdischen Zivilistinnen und Zivilisten eingesetzt werden. Laut der PKK selbst, die sich kurz darauf zu dem Anschlag bekannt hatte, stehe der Anschlag nicht in Verbindung zu den jüngsten politischen Entwicklungen, sondern sei schon seit längerer Zeit geplant gewesen. Bereits in den Tagen vor dem Anschlag flog das türkische Militär 48 Angriffe5 auf PKK-Gebiet im Nordirak/Südkurdistan6, diese wurden danach weitergeführt. Hinter den Angriffen der türkischen Armee und der PKK steckt die Motivation, die eigene Stärke zu zeigen, um bei den Verhandlungen eine bessere Ausgangsbasis zu haben und um gegenüber der eigenen Anhängerschaft nicht als schwach wahrgenommen zu werden.

Nicht nur die Luftangriffe des türkischen Militärs werden fortgesetzt, die Regierung hebt erneut die Repressionen gegen die DEM an: Anfang November entließ Erdoğan drei gewählte Bürgermeister der DEM-Partei ihres Amtes. Alle drei hatten sich bei den Kommunalwahlen Ende März in mehrheitlich kurdischen Gebieten gegen ihre Konkurrenten durchgesetzt. Die Absetzung führte zu militanten Protesten in Mardin/Mêrdîn7, Halfeti/Xelfetî und besonders in der Provinz Batman/Êlih. Mittlerweile droht 37 weiteren DEM-Bürgermeistern die Amtsenthebung8.

2. Die Akteure

Um die Entwicklungen in der Türkei verstehen und einordnen zu können, ist es notwendig, die einzelnen Parteien grob zu charakterisieren. Im Folgenden beschränken wir uns auf die MHP/BBP, die AKP, die PKK und die DEM.

Die MHP und die BBP

Die MHP, die als eine der Mutterparteien für die nationalistischen Bozkurtlar (deutsch: “Graue Wölfe”) dient, geht ideologisch von einer göttlichen oder naturgegebenen türkischen Kultur und Volkszugehörigkeit aus, die untrennbar mit dem türkischen Staat verbunden sei. Die MHP stützt sich dabei weniger auf die Religion als die ihr nahestehende, aber formal eigenständige BBP. Die ideologischen Ursprünge des türkischen Nationalismus liegen auch in dem Streben nach dem türkischen Großreich “Turan”, das je nach Interpretation ganz Transkaukasien, große Teile Zentralasiens und eben auch die kurdisch-bevölkerten Gebiete umfassen soll. Die These, Kurden seien nur Türken mit „fehlgeleiteter Kultur„, wird dabei mit zahlreichen pseudo-wissenschaftlichen Argumenten untermauert und führt noch heute zu Gewaltexzessen gegen Kurden. Trotz der jüngsten Äußerungen hat sich das Ziel, die kurdische Kultur zumindest auf türkischem Boden zu vernichten, nicht verändert. Dieses Ziel ist wie der historische Antikommunismus und die Gleichsetzung von Volk und Nation fundamentaler Bestandteil der ideologischen Grundlage der “Grauen Wölfe”.

Die Selbstbezeichnung der “Grauen Wölfe” lautet Ülkücüler (deutsch: „Idealisten). Ihr Antikommunismus ist verbunden mit ihrer Entstehungsgeschichte: 1952 wurde die “Tactical Mobilisation Group” (TMG) unter anderem durch Alparslan Türkeş ins Leben gerufen. Über den vom CIA angeworbenen Altnazi Rudi Nazar intensivierten sich die Kontakte zur CIA. Diese bauten zu dieser Zeit anti-kommunistische Untergrund-Armeen auf, um sozialistische Gruppen zu bekämpfen und im Falle eines Einmarsches der Sowjetunion oder einer Revolution Sabotage-Akte durchzuführen (vgl. Gladio in Italien, Kibitz in Deutschland9, u.a.). Für diesen Zweck wurden Türkeş, sowie den anderen Führungsmitgliedern, Material und Waffen bereitgestellt. Für die TMG, umgangssprachlich Konter-Guerilla genannt, wurden offene und verdeckte Zellen innerhalb der Polizei, Militärpolizei, Armee und nationalistischen Jugendbewegungen aufgebaut. Von der Gründung der MHP an waren die Partei und die TMG eng vernetzt. Gemeinsam ermordeten sie hunderte von Studenten, Arbeitern, Intellektuellen, Gewerkschaftern und Kommunisten.

Bis 2014 stand die MHP in einer mehr oder weniger klaren Rechts-Opposition zu Erdoğan und der AKP. Besonders die Gespräche zwischen AKP-Politikern und der PKK waren den MHP-Führern ein Dorn im Auge. Mit dem Abbruch aller Friedensgespräche mit der PKK 2015 durch Erdoğan10 unterstützte die MHP-Spitze gegen den Willen ihrer Wählerbasis die AKP bei ihrem Verfassungsreferendum 201711.

Erdogan und die AKP

Auf die „Volksallianz“ zwischen MHP, BBP und AKP12 war und ist die AKP angewiesen. Die seit 2002 regierende konservative AKP, die anfangs auch noch außerhalb von konservativen muslimischen Kreisen große Zustimmung erhielt, verlor bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 massiv an Stimmen, was eine Regierungsbildung verhinderte und zu Neuwahlen führte13. Nach dem fehlgeschlagenen Putschversuch von 2016 wollte Erdoğan seine Macht im Staat erneut festigen. Am 16. April 2017 ließ die AKP-Regierung dann, wie eben erwähnt, unterstützt von der MHP-Spitze, ein Referendum über eine Verfassungsänderung abhalten. Diese von beiden Parteien gemeinsam ausgearbeitete Änderung zielte darauf ab, das politische System der Türkei in ein Präsidialsystem umzuwandeln. Der Vorschlag erhielt die Zustimmung von 51,4 Prozent der Wähler. Das Präsidialsystem wurde schließlich 2018 mit den gleichzeitig stattfindenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen eingeführt. Die Zusammenarbeit mit der MHP war entscheidend, um eine Mehrheit für das Vorhaben zu sichern und die formelle Macht des Präsidenten deutlich zu erweitern.

Bei den Kommunalwahlen 2019 konnte die AKP ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Wahl 2014 zwar um 1,44 Prozentpunkte auf 44,31 Prozent steigern, verlor jedoch wichtige Oberbürgermeisterposten in den Metropolen Istanbul, Ankara und Antalya an die Oppositionspartei CHP. Diese Niederlagen waren ein bedeutender Rückschlag für die AKP, da diese Städte wirtschaftlich und politisch eine zentrale Rolle in der Türkei spielen. In den letzten Kommunalwahlen in diesem Jahr konnte die AKP nicht einmal mehr die meisten Stimmen erreichen. Die laizistische14 CHP profitierte unter anderem von den massiven Teuerungen durch die Inflation mit Prognosen von bis zu 44%15 und der heuchlerischen Haltung Erdoğans zum Genozid in Palästina16.

Die neuesten Entwicklungen lassen vermuten, dass Erdoğan wieder ein Bündnis für eine Verfassungsänderung bilden möchte. Um die Verfassung so anzupassen, dass er 2028 wieder für die Präsidentschaftswahl zugelassen werden kann, benötigt er formal die Stimmen der DEM-Partei17.

Erdoğan und seine Partei machten schon 2013 Zugeständnisse innerhalb von Verhandlungen mit Teilen der kurdischen Nationalbewegung aus. In Verbindung mit einem Ende des Kopftuchverbots für Beamte18 verkündete er auch Verbesserungen im Umgang mit der kurdischen Kultur und Sprache, bspw. an Schulen und eine Absenkung der 10 Prozent Hürde, die zu dieser Zeit speziell die „Partei des Friedens und der Demokratie“ (BDP) betraf.19 Die BDP war ebenfalls eine wichtige Partei der kurdischen Nationalbewegung und fusionierte mit der HDP.

Mit der Kurdischen Autonomieregion im Nordirak/Südkurdistan pflegt Erdoğan dagegen schon länger enge Beziehungen und eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit. Schon 2012 gingen Exporte im Wert von 11 Milliarden US Dollar, ganze 70% des gesamten Exports in den Irak, an die Gebiete der Kurdischen Autonomieregion.20 Zwei Jahre später wurde ein Öl-Export-Deal mit einer Laufzeit von 50 Jahren für die Lieferung von Öl aus dem Nordirak/Südkurdistan in die Türkei beschlossen.21 Die Führung der Autonomieregion sprach dabei von einem Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit von der irakischen Regierung. Die PKK hat seit Jahrzehnten in dieser Region ihr Hauptquartier, welches immer wieder von türkischen Luftangriffen betroffen ist. Dieses Jahr gab es umfangreiche Absprachen zwischen der türkischen und der irakischen Regierung zur Bekämpfung der PKK auf irakischem Boden, zur Errichtung von türkisch-irakischen Militärbasen und zur wirtschaftlichen Kooperation22. Die Führung der kurdischen Autonomieregion ist mit dem Vorgehen gegen die PKK einverstanden, sie verurteilt nicht die türkischen Luftangriffe, sondern die Existenz der PKK auf ihrem Gebiet, obwohl diese bei der Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staats eine wichtige Rolle einnahm.

Die PKK

Die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) hat sich 1978 im Osten der Türkei bzw. in Nordkurdistan gegründet. Ihrem Gründungsprogramm zufolge verfolgte sie das Ziel, unter Führung der Arbeiterklasse einen sozialistischen, kurdischen Staat zu erkämpfen, um dem Kapitalismus und der nationalen Unterdrückung, die die Kurdinnen und Kurden erfahren, ein Ende zu setzen23. Im Libanon wurde sie von der PLO militärisch ausgebildet und half dort 1982 bei der Verteidigung gegen den israelischen Überfall auf den Libanon. Nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei, wurden viele PKK-Mitglieder festgenommen, gefoltert und ermordet, einige von ihnen leisteten in den Gefängnissen Widerstand. 1984 begann sie ihren Guerillakrieg gegen den türkischen Staat. Aufgrund ihrer militärischen Unterlegenheit gegenüber dem türkischen Staat kam es in den 90er Jahren zu mehreren einseitigen Waffenstillständen von Seiten der PKK. In ihrem Kampf für die Rechte der Kurdinnen und Kurden in der Türkei erhielt die PKK von Millionen Menschen in der Türkei Zustimmung. Ab den 90er Jahren ereignete sich der sogenannte Paradigmenwechsel innerhalb der PKK. Ursächlich hierfür sind unter anderem ihre militärische Unterlegenheit, der Fall des Sozialismus in der Sowjetunion (da dieser zu einer generellen ideologischen Krise führte) und schließlich die Entführung des PKK-Vorsitzenden Öcalan 1999. Ihre neue ideologische Ausrichtung umfasst den Wandel vom kommunistischen Selbstbild hin zum sog. Demokratischen Konföderalismus, einer von Öcalan entworfenen und am ,,marktwirtschaftlichen Anarchismus”24 orientierten Ideologie. Die PKK und ihre Schwesterparteien in Syrien, dem Irak und Iran folgen dieser neuen Ideologie. Besonders relevant bei ihrer Neuausrichtung ist die Orientierung an den USA: Seit den 90ern bezogen sich Teile der PKK positiv auf die USA, die NATO, die EU und auf Israel. Als logische Konsequenz aus diesem ideologischen Wandel kam es ab 2015 zu einer engen militärischen Kooperation der PYD (Schwesterpartei der PKK in Syrien) mit den USA und der Errichtung zahlreicher US-Militärbasen in Nordostsyrien/Rojava. Schließlich erhielt dieses Bündnis auch seine ökonomische Komponente, als 2020 langfristige Verträge zum Handel mit Erdöl und Erdgas unterzeichnet wurden. Der Kampf der PKK/PYD gegen den sogenannten Islamischen Staat im Nordirak/Südkurdistan und in Nordostsyrien/Rojava hat unzähligen Zivilistinnen und Zivilisten das Leben gerettet und ermöglicht vielen, die dort leben, das Ausleben ihrer Kultur, was unter der Herrschaft von Assad nicht möglich war. Dieser Kampf darf jedoch nicht unabhängig von ihrem Verhältnis zu den USA in ihrer Theorie und Praxis bewertet werden. Die Entwicklungen und den Charakter der PKK haben wir hier nur kurz skizziert, da bereits einige Artikel zur Thematik veröffentlicht wurden, in denen unter anderem Tom Hensgen insbesondere auf die Haltung der PKK gegenüber dem US-Imperialismus eingegangen ist.25

Die DEM

Seit Jahrzehnten ist es Teil der PKK-Politik einen legalen politischen Arm zu haben. Auch dieser erfährt immer wieder massive Repressionen unter anderem in Form von Razzien, Amtsenthebungen, Verhaftungen und Parteiverboten. Die heutige DEM-Partei ist der derzeitige legale Arm der kurdischen Nationalbewegung. Ihr politischer Charakter beinhaltet die Illusion, dass die Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden im Kapitalismus zu lösen sei und es keine kommunistische Partei und keinen Sozialismus bräuchte. Daher ist die DEM eine im Kern bürgerliche, systemstützende Partei. Sie erfüllt die Funktion einer klassischen sozialdemokratischen Partei: Sie lenkt Protestpotential in systemkonforme Bahnen statt politische Kämpfe auf Basis einer revolutionären Strategie zu führen. Die Herrschenden gehen sowohl mit den Mitteln der Repression als auch der Integration gegen sie vor, was die neuen Entwicklungen besonders verdeutlichen.

3. Die Türkei und der Genozid in Palästina

Der offene israelische Genozid am palästinensischen Volk, welcher seit 2023 mit voller Brutalität durchgeführt wird, hat zwei besonders wichtige Mittäter: Die USA und Deutschland. Hierbei ist hervorzuheben, dass die USA in Jordanien, dem Irak und Syrien Militärbasen haben. Verschiedene islamische und vom Iran unterstützte bewaffnete Gruppen verübten seitdem knapp 200 Angriffe auf die amerikanischen Militäreinrichtungen in der Region, um die US-Präsenz anzugreifen und Israel zu schwächen. Auch die Unterstützung durch die Türkei und Aserbaidschan für Israel sind nicht zu unterschätzen, da sie es ermöglichen, dass Unmengen von Öl an Israel geliefert werden. Sie machen sich ebenfalls am Genozid mitverantwortlich, in dem sie den Treibstoff für Panzer und andere Militärfahrzeuge zur Verfügung stellen26. Dennoch greift die Türkei rhetorisch Israel an, schickt Hilfspakete nach Palästina und unterstützt die Hamas, daher ist das Verhältnis der türkischen Regierung insgesamt widersprüchlich27.

Es bleibt hierbei festzuhalten, dass die PKK mit ihrem Verhältnis zu den USA schwerwiegende Probleme verursacht hat. Die Militärbasen der USA dienten selbstverständlich nicht bloß der Bekämpfung des sog. IS, sondern auch dem Zugriff auf Erdöl und Erdgas aus der Region und jetzt der Rückendeckung für Israels Genozid sowie insgesamt der US-imperialistischen Interessen vor Ort. Die PKK hat das palästinensische Volk de facto verraten, da sie in großem Ausmaß auf militärischer und ökonomischer Ebene mit den USA kooperiert.

4. Die Bewegung in Deutschland und die Rolle des deutschen Staates

Israelfahnen auf kurdischer Friedensdemo

Bei einer kurdischen Demo am 27. Oktober in Köln, welche sich zurecht gegen die türkischen Aggressionen richtete, wurden vereinzelt Israelfahnen gezeigt. Das sorgte für viel Kritik und veranlasste die Bewegung dazu, öffentlich zu reagieren. Auf dem Blog ,,people’s Bridge“28 haben sich Aktive der kurdischen Nationalbewegung dazu geäußert. Sie sind auf die Geschichte der PKK eingegangen und führten eine Sammlung von propalästinensischen Zitaten der Partei an. Sie verlieren dabei jedoch kein Wort zu den zahlreichen proisraelischen Äußerungen29 der letzten Jahre bis Jahrzehnte aus ihrer Partei, zu der militärischen und ökonomischen Zusammenarbeit der PYD mit den USA und deren Auswirkungen auf den Genozid in Palästina. Mit einer Zitatesammlung sowie der Zusammenarbeit von PKK und PLO in den 80ern lässt sich die derzeitige Rolle der PKK nicht reinwaschen.

Gerade hier in Deutschland erleben wir, dass Teile der kurdischen Bewegung die Hamas als Terroristen diffamieren30 und von jeglichen propalästinensischen Kräften eine Distanzierung gegenüber der Hamas einfordern. Die Forderung nach Distanzierung von der Hamas bewegt sich auf der Linie des deutschen bzw. generell des westlichen Imperialismus und hat nichts mit einem kritischen Herangehen an die Hamas als bürgerliche Kraft zu tun, das wir als Kommunisten befürworten. Es ist faktisch eine Distanzierung vom gewaltsamen Widerstand gegen die Besatzung und damit eine Legitimierung dieser Besatzung. Denn objektiv ist die Hamas Teil des palästinensischen Widerstands und außerdem dessen stärkste Kraft. Dass der Klassenkampf der Arbeiterklasse sich in Palästina auch mit der Hamas und anderen bürgerlichen Organisationen auseinandersetzen muss, ändert nichts daran, dass die Dämonisierung dieser Kräfte heute den gesamten Widerstand als solchen trifft und schwächt. Ein Kampf gegen die Hamas auf der Linie bürgerlicher Staaten, etwa der BRD, welcher die Propaganda der israelischen Regierung reproduziert, dämonisiert und schwächt den Widerstand an sich. Stattdessen muss die israelische und deutsche Propaganda gegenüber dem Befreiungskampf entlarvt werden. Unsere Position zur Strategie und Taktik des palästinensischen Befreiungskampf ist hier verlinkt31.​​

Demonstration für die Freiheit Öcalans

Für den 16. November mobilisierte die kurdische Nationalbewegung europaweit nach Köln, Teile der deutschen Linken riefen ebenfalls dazu auf. Die Perspektive Kommunismus hat mit der Interventionistischen Linken und den Jugendkommunen einen gemeinsamen Aufruf zum Internationalistischen Block in der Demo veröffentlicht32.

Ein Blick auf den Aufruf zeigt, dass er das typisch romantisierende Bild von Nordostsyrien/Rojava darstellt: ,,Das zeigen die Revolution seit 2012 in Rojava (Nordostsyrien), die von Beginn an auch eine Frauenrevolution war, der erfolgreiche Kampf gegen den IS sowie der professionalisierte Guerillakampf in den kurdischen Bergen gegen die türkische Armee. Nicht zuletzt zeigt es sich in der 40-jährigen Kontinuität und der tiefen gesellschaftlichen Verankerung der Bewegung in der Region und innerhalb der kurdischen Gesellschaft weltweit. Diese konkreten revolutionären Erfahrungen sind gerade in Zeiten von Hoffnungslosigkeit und reaktionärem Rollback besonders wertvoll. Sie gilt es zu verteidigen und sie stehen im Vordergrund, wenn wir uns zusammen für die Freiheit Öcalans einsetzen.33

Auch hier zeigt sich, ebenso wie bei ,,people’s Bridge„, keine Kritik an der Annäherung der PKK gegenüber den USA. Stattdessen wird behauptet, dass eine Revolution stattfindet, obwohl die Produktionsverhältnisse nicht angetastet werden und die Ideologie des Demokratischen Konföderalismus (DK) auf ,,Klassenkompromissen“ aufbaut. Das heißt: Der DK setzt auf Wirtschaftskooperativen, die auf einem kapitalistischen Markt gegeneinander konkurrieren statt einer sozialistischen Planwirtschaft. Er setzt auf die demokratische Beteiligung von Großgrundbesitzern und Kapitalisten statt auf dessen kompromisslose Enteignung. Das kapitalistische Eigentum und die politische Herrschaft der Bourgeoisie werden nicht infrage gestellt, sondern befürwortet. Es wird von einer 40-jährigen Kontinuität geschrieben als hätte es keinen Ideologiewechsel in der PKK gegeben. Sich für die Freiheit politischer Gefangener einzusetzen ist korrekt, doch da eine revolutionäre Perspektive zu sehen, leitet sowohl die Kämpfe in den kurdischen Gebieten, als auch folgerichtig die Kämpfe in Deutschland in eine völlig falsche, systemkonforme Richtung.

Insbesondere nach dem Zeigen der Israelflaggen bei der Demo im Oktober, wäre am 16. November die Gelegenheit gewesen, eine klare Ablehnung des Genozids in Palästina nach außen zu tragen. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Von Aktiven aus der Palästinabewegung, die an der Demo teilgenommen haben, haben wir erfahren, dass der Veranstalter und die Ordner Bezüge zu Palästina innerhalb der Demo unterbunden haben. Das zeigt erneut, dass die von der PKK/DEM angeführte kurdische Nationalbewegung eine Orientierung aufweist, die der internationalistischen Solidarität und Verbrüderung der Völker direkt zuwiderläuft.

Die Rolle Deutschlands

Oft wird die Rolle Deutschlands in der deutschen Linken so dargestellt, als handle der Staat als Handlanger Erdoğans. Das ist jedoch unzutreffend, Erdoğan diktiert der Bundesregierung nicht, wie sie zu handeln hat, sondern die Bundesregierung handelt auf Grundlage der ökonomischen Interessen des deutschen Kapitals. ,,Deutschland ist nicht nur der wichtigste Abnehmer türkischer Waren, sondern auch einer der größten ausländischen Investoren vor Ort. Mehr als 8.000 deutsche Unternehmen sind in der Türkei ansässig.“ berichtet die deutsche Industrie- und Handelskammer34. Auf dieser ökonomischen Beziehung, die seit Jahrzehnten besteht, bauen sich die politischen und militärischen Kooperationen auf.

Die Kooperationen des deutschen Staates mit der Türkei werden wieder intensiviert. Darüber täuschen auch Differenzen in der Israel-Palästina-Frage nicht hinweg. Für Scholz sei es „selbstverständlich„, dass der Türkei als NATO-Partner deutsche Waffen für ihren Krieg gegen die PKK und für ihre Repressionen in den kurdischen Gebieten geliefert werden. Bis Mitte Oktober wurden schon Rüstungslieferungen im Wert von 103 Millionen Euro genehmigt, die Tendenz ist weiterhin steigend35. Auch in Deutschland unterstützt der deutsche Staat die Bekämpfung von türkischen und kurdischen Linken oder führt sie selbst durch. Das zeigen bspw. lange Haftstrafen für Mitglieder der maoistischen TKP/ML 202336 oder auch das seit 1993 und immer wieder hart durchgesetzte Verbot der PKK und ihrer Symbolik. Das Verbot der PKK in Deutschland, das unter anderem als Vorwand der Kriminalisierung verschiedener deutscher linker Strukturen und Organisationen genutzt wird, führte sogar schon zu Toten. 1994 wurde der Kurde Halim Dener von deutschen Zivilpolizisten erschossen, nachdem dieser PKK-nahe Plakate verklebte. Berichten von 2016 zufolge würden ca. 6.000 Spitzel in Deutschland für den türkischen Geheimdienst MIT arbeiten und ihn mit Informationen versorgen37. Auch dies hat oft sehr schlimme Folgen: Entweder ermordet der Geheimdienst direkt in Mitteleuropa kurdische Aktivistinnen38 oder sie werden erst in die Türkei abgeschoben und dann dort gefoltert.

Die Verbände der türkischen Diaspora DITIB (AKP-nah), ATİB und Türk Federasyon (beide MHP nah), alle mit Sitz in Deutschland, haben Beziehungen zu den bürgerlichen Parteien39 und staatlichen Organen der Bundesrepublik. Sie stellen ganze Gemeinden und sind für viele türkische Muslime der Lebensmittelpunkt, was ebenfalls zu einem weiter wachsenden Einfluss der Verbände führt. In türkisch-geprägten Gemeinden trifft man meist zwangsläufig auf DITIB, ATİB oder Türk Federasyon.

Der deutsche Staat profitiert in vielerlei Hinsicht von diesen Beziehungen: Deutsche Unternehmen finden in der Türkei Absatzmärkte, billige Arbeitskräfte, einen Abnehmer deutscher Waffen und zahlreiche Waren, die sie importieren. Die deutschen Behörden können Repressionen und Abschiebungen verstärken, was sie mit dem bewaffneten Kampf der PKK legitimieren. Auf diese Weise kann der Staat lange Haftstrafen verhängen, Verlage räumen40, Symbole verbieten usw., was er natürlich auch gegen alle möglichen politischen Bewegungen richten kann und wird. Es ist im Interesse der deutschen Bourgeoisie, die Türkei als einen zuverlässigen NATO-Partner in der Region zu behalten und zu verhindern, dass sich durch eine sozialistische oder kurdische Staatsgründung die Machtverhältnisse und damit ggf. ökonomische Beziehungen verändern. Schließlich nutzt es auch dem deutschen Staat, einer rechten Massenbewegung (den Grauen Wölfen) freien Lauf zu lassen, da sie natürlich die Spaltung der Arbeiterklasse befördert und gegen Linke agiert.

Dementsprechend bedeutet ein Kampf gegen die türkischen Kriege, gegen die Unterdrückung der Kurden und gegen die MHP/AKP, der hier in Deutschland stattfindet, vor allem eine Aufklärung der deutschen Rolle in diesem Zusammenhang und ein Kampf gegen den deutschen Staat. Selbstverständlich darf sich dieser Kampf nicht gegen Moscheen und religiöse Menschen im Allgemeinen richten, das Angreifen von DITIB Moscheen wie in Leipzig lehnen wir entschieden ab41.

5. Die Lage der Kurdinnen und Kurden

Die Lebensbedingungen der Kurdinnen und Kurden unterscheiden sich sehr stark und sind abhängig davon, in welchem Land (Irak, Iran, Syrien, Türkei) sie leben, welche Klassenzugehörigkeit sie haben und welchen Zeitpunkt wir analysieren wollen, da sich ihre Lage natürlich im Laufe der Zeit verändert hat. Im Rahmen dieses Artikels ist es nicht möglich, eine umfassende Analyse der Lage der Kurdinnen und Kurden vorzunehmen. Dennoch halten wir an dieser Stelle einen kurzen Einblick für notwendig.

Zum Nordirak/Südkurdistan sei kurz gesagt, dass es die kurdische Autonomieregion gibt. Diese wird vor allem von der demokratischen Partei Kurdistan (gegründet von Mustafa Barzani) und der patriotischen Union Kurdistan (gegründet von Dschalal Talabani) geführt, wobei Teile dieser Region de facto unter Kontrolle der PKK stehen. Das Gebiet in Nordostsyrien/Rojava wird von der PYD geführt, jedoch stehen Teile dieser Region seit Jahren unter türkischer Militärbesatzung. Im Nordwestiran/Ostkurdistan leiden die Kurdinnen und Kurden unter religiöser, politischer und kultureller Diskriminierung. Der Mord an der Kurdin Jina Mahsa Amini 2022 löste Massenproteste aus, welche vor allem auch im kurdischen Teil des Irans stattfanden und vom PKK-Slogan ,,Frau, Leben, Freiheit” geprägt waren.

Die Lage der Kurdinnen und Kurden in der Türkei

Relevant für diesen Artikel ist vor allem die Situation in der Türkei: Mit der Gründung der Republik Türkei 1923 wurden die kurdischen Gebiete, die sich im Osten des Landes befinden, annektiert. In den 20er und 30er Jahren ereigneten sich in diesem Teil des Landes vereinzelte regionale Aufstände durch Stammesführer sowie religiöse Führer, in den Thesen der Kommunistischen Partei der Türkei (TKP) von ihrem letzten Parteikongress sind hierzu einige Einschätzungen vorzufinden42. In der Geschichte der Türkei haben die Kurdinnen und Kurden verschiedene Formen der nationalen Unterdrückung und des Rassismus erfahren: Hierbei handelt es sich unter anderem um Massaker, Zwangsassimilierungen, Städteumbenennungen, Zwangsumsiedlungen, das Verbot ihrer Sprache, Parteiverbote, Amtsenthebungen sowie andere Formen der politischen Repression. Im Zuge des faschistischen Militärputsches 1980 war der Staatsterror gegen Linke und Minderheiten, wie die Kurden, extrem hart: Politische Organisationen wurden zerschlagen, ihre Mitglieder verfolgt, verhaftet, gefoltert und ermordet. Während des bewaffneten Kampfes zwischen der PKK und der Türkei, welcher vor allem zwischen 1984 und 1999 stattfand, wurden durch die türkische Armee ca. 3.500 kurdische Orte zerstört, 2.500.000 Menschen vertrieben und 40.000 ermordet43.

Der bewaffnete Guerillakrieg der PKK in der Türkei ist seit 1999 im Wesentlichen vorbei. Es finden lediglich einzelne Anschläge statt, die sich zwar vor allem gegen militärische Ziele richten, dennoch auch gezielte Morde an Zivilisten beinhalten. Der türkische Staat geht dementsprechend nicht mit den gleichen Methoden und nicht mit der gleichen Härte gegen die kurdische Nationalbewegung vor wie damals. Heute werden deren Demos weiterhin mit Polizeigewalt niedergeschlagen, Bürgermeister ihres Amtes enthoben, Parteien verboten, Wahllokale von bewaffneten Soldaten bewacht und so Wähler eingeschüchtert, Razzien durchgeführt und Leute verhaftet. Diese harten Formen der Repression sind auch in dem Rahmen zu beurteilen, dass die PKK weiterhin im Osten des Landes eine gewisse Massenbasis hat und stark bewaffnet auftreten kann, da sie ihr Hauptquartier im Nordirak/Südkurdistan hat und auch Nordostsyrien/Rojava nicht weit ist. Dementsprechend richtet sich die Repression des türkischen Staates gegen die kurdische Nationalbewegung, weil sie zahlenmäßig stark und bewaffnet ist.

Selbstverständlich sind nicht alle Kurdinnen und Kurden in der Türkei Teil der kurdischen Nationalbewegung. Auch Kurdinnen und Kurden außerhalb der Bewegung sind von blutigen Militärkampagnen, wie 2015 nach den ,,Friedensverhandlungen” und von starken Repressionen, wie 2016 nach dem Putschversuch, betroffen44. In Medien und Politik wird gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung gehetzt. Ein Bezug zur eigenen kurdischen Identität kann schnell mit dem Vorwurf des Separatismus und Terrorismus konfrontiert werden. Teile der türkischen Arbeiterinnen und Arbeiter sind rassistisch verhetzt und wählen rechte, nationalistische Parteien, greifen Kurden an und lehnen jegliche Gleichberechtigung ab. Zusätzlich leiden Kurden unter verschiedenen Formen der kulturellen Unterdrückung und der Diskriminierung: Ein Beispiel hierfür ist die Rolle der kurdischen Sprache im Bildungssystem. Vor einigen Jahren war kurdischsprachiger Unterricht in den Schulen verboten. Derzeit ist es teilweise möglich, sie als Wahlfach zu wählen und zu lernen, während alle anderen Fächer auf türkisch erlernt werden müssen. Oft wird das Kurdisch-Wahlfach jedoch auch gestrichen. Aus diesen Gründen wurden mehrere kurdische Privatschulen aufgebaut, die jedoch auf staatlichen Druck hin schließen mussten oder nur im Geheimen bestehen können45. Der Umgang mit der kurdischen Sprache richtet sich nicht nur gegen die Sprache, sondern auch gegen die Selbstidentifikation der Betroffenen. Dies führt zwangsläufig zu schlechteren Noten, weniger Selbstbewusstsein, schlechteren Bildungs- und Berufsaussichten für Kurdinnen und Kurden46.

Der gemeinsame Kampf gegen den Kapitalismus

Die Kommunistinnen und Kommunisten in der Türkei stehen vor großen Aufgaben. Die TKP entwickelt z.B in ihrer Agitation und Propaganda besondere Methoden, um auf die kurdischen Arbeiter und Bauern zuzugehen, sie anhand ihrer Probleme anzusprechen, zu organisieren und zu Kommunisten zu entwickeln. Sie erklären, dass Kurden und Türken keine Feinde sind, sondern der Rassismus gegenüber den Kurden im Sinne des Kapitals ist. Der Kapitalismus hat ein Interesse daran, die Arbeiterklasse zu spalten, sie gegeneinander aufzuhetzen und die Löhne zu drücken. Der Kapitalismus profitiert davon, wenn er einen Sündenbock hat, dem er die Schuld für ökonomische Probleme geben kann und gleichzeitig benötigt der türkische Staat den antikurdischen Rassismus für sein militärisches Vorgehen in Syrien und dem Irak. Auch die Existenz einer rechten Massenbewegung ist im Interesse des Kapitalismus, da so die Opposition niedergehalten werden kann.

Der Kapitalismus ist also die Ursache der verschiedenen Formen der Diskriminierung gegenüber den Kurden und seine Überwindung ist die Lösung. Kurdische und türkische Arbeiter sowie die Arbeiter anderer Minderheiten organisieren sich gemeinsam gewerkschaftlich und politisch, sie führen den Klassenkampf gemeinsam. Sie kämpfen gemeinsam für Verbesserungen ihrer derzeitigen Kampf- und Lebensbedingungen und schaffen das Bewusstsein dafür, dass nur der gemeinsame Kampf für den Sozialismus die richtige Perspektive darstellt.

Jegliche Zwischenetappen, wie die Vorstellung, dass erst eine nationale Befreiung der Kurden zu erkämpfen sei, bevor der Sozialismus möglich wäre, würden nur dazu führen, eine neue Kapitalistenklasse an die Macht zu bringen. Solche Vorstellungen richten sich gegen den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse. Es gibt keine materielle Grundlage, die eine solche Zwischenetappe notwendig macht. Alle Arbeiterinnen und Arbeiter des Landes werden ausgebeutet und haben ein objektives Interesse daran, dies zu beenden. Sie alle sind Klassengeschwister. Nicht der Bewusstseinsstand der Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern ihre ökonomische Lage ist ausschlaggebend für ihre objektiven Interessen und dementsprechend auch für die Strategie der Kommunistinnen und Kommunisten. Der Kampf für die Gleichberechtigung der verschiedenen Völker ist ein Bestandteil des Kampfes für den Sozialismus und kein von ihm getrennter Kampf.

6. Unsere Schlussfolgerungen

Unsere Positionen müssen auf einem wissenschaftlichen Fundament fußen, das heißt, auf Grundlage des Marxismus-Leninismus beurteilen wir politische Entwicklungen. Unsere Analysen bauen auf unserem bisherigen Wissen auf, welches wir auch in diesem Thema weiter ausbauen werden, z.B. was die Lage der Kurdinnen und Kurden in den verschiedenen Regionen betrifft. Unserer Ansicht nach gibt es bei den Themen Kurdistan und Palästina einige problematische Positionen in der deutschen Linken, daher richten wir hier eine Kritik an die entsprechenden Akteure.

Die Parole ,,Palästina Kurdistan – Intifada Serhildan“47 findet in Teilen der deutschen Linken viel Zustimmung. Doch weder die Lage noch die Kämpfe der Kurden sind mit der der Palästinenser vergleichbar, alleine deshalb schon, weil innerhalb der Kurden sehr differenziert werden muss. Die kurdischen Serhildans (Aufstände) im Rahmen des bewaffneten Kampfes in den 90ern fanden unter der Führung der PKK statt, welche seitdem ihren Charakter erheblich veränderte, was jedoch nicht in einer kurzen Parole wiedergegeben werden kann. Die Parole setzt Kämpfe gleich, die extrem unterschiedlich sind. Da die Parole zu falschen Vorstellungen führt, lehnen wir diese ab. Es geht uns jedoch nicht bloß um einen Slogan, dieser steht hier lediglich sinnbildlich für falsche Argumentationsmuster, die in der Bewegung weit verbreitet sind.

Die AKP und ihre ultranationalistischen Verbündeten nutzen die „Friedensangebote“ taktisch. Ihre heuchlerische Haltung zum Genozid in Palästina, die Inflation sowie die Verluste bei den letzten Kommunalwahlen 2024 rütteln an ihrem Rückhalt in der Bevölkerung. Die PKK/DEM selbst ordnet sich der Entscheidung unter, die, sollte es zu einer Einigung kommen, hinter geschlossenen Türen zwischen AKP, PKK/DEM und türkischem Geheimdienst ausgehandelt werden. Das kann keine Grundlage für das Ende der Unterdrückung der Kurden in der Türkei sein. Auch Öcalans Freilassung würde daran nichts ändern. Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) verurteilt, dass sich die PKK/DEM auf solche falschen Spielchen einlässt48. Unsere Genossinnen und Genossen in der Türkei sind sich über den kapitalistischen Klassencharakter des Staates im Klaren und lehnen es ab, falsche Hoffnungen über diesen zu verbreiten.

Der Kampf gegen Repressionen gegenüber der PKK/DEM, der Kampf gegen jede Einschränkung und Repression gegenüber der kurdischen Sprache und Kultur sowie der Kampf gegen den türkischen Staat und türkische Faschisten sind korrekt. Aus diesem Kampf darf jedoch nicht die Unterstützung der PKK/DEM folgen, da es sich hierbei nicht um antiimperialistische und revolutionäre Organisationen handelt. Sie befinden sich auf einem Irrweg, da sie bereit für ,,Klassenkompromisse“ sind, die Spaltung der Arbeiterklasse befördern und mit ihrem Kampf das kapitalistische System aufrechterhalten. Die Perspektive liegt jedoch nicht in der Sackgasse des Wechselspiels von Anschlägen und Verhandlungen, sondern in der Organisierung für die sozialistische Revolution.

1 Nachfolgepartei der HDP

2 https://www.bbc.com/turkce/articles/cx2n4qq9n1po

3 ebd.

4 ebd.

5https://anfdeutsch.com/kurdistan/guerillaaktionen-und-turkische-angriffe-in-sudkurdistan-44020

6 Das kurdische Siedlungsgebiet wurde viergeteilt: Nordkurdistan befindet sich im Osten der Türkei, Westkurdistan in Nordostsyrien (auch Rojava genannt, bedeutet Westen), Südkurdistan im Nordirak und Ostkurdistan im Nordwestiran.

7 Bei kurdischen Städten in Nordkurdistan bzw. im Osten der Türkei erwähnen wir sowohl den offiziellen, türkischen Namen als auch den kurdischen.

8 https://www.middleeasteye.net/news/turkey-investigate-37-municipalities-run-pro-kurdish-party

9 https://www.ruhr-uni-bochum.de/agnse/wiki-KIBITZ

10 https://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-recep-tayyip-erdogan-erklaert-friedensprozess-mit-kurden-fuer-beendet-a-1045653.html

11 https://web.archive.org/web/20180112214858/https://www.birgun.net/haber-detay/akp-nin-anketlerinde-mhp-lilerin-cogu-hayir-ci-145153.html

12 Seit 2023 sind auch die kurdisch-schiitische Hüda Par und die islamistisch geprägte Yeniden Refah Teil des Bündnis.

13 Dazu muss gesagt werden, dass es bei Wahlen stets massive Repression im Sinne der Regierungsparteien gibt vgl. https://www.fr.de/politik/tuerkei-wahl-2023-forscher-weisen-manipulation-bei-tuerkei-wahl-nach-zr-92315802.html

14 für eine strenge Trennung von Staat und Religion

15 https://www.faz.net/aktuell/finanzen/finanzmarkt/tuerkische-notenbank-hebt-inflationsprognosen-an-110098230.html

16 https://jacobin.de/artikel/erdogan-gazakrieg-palaestina-israel

17 Sie stimmen nicht einzeln, sondern als Partei geschlossen für etwas ab.

18 Dies stellt in der Türkei einen direkten Angriff auf den meist sehr streng ausgelegten Säkularismus dar.

19 https://www.bbc.com/news/world-europe-24330722

20 https://carnegieendowment.org/posts/2013/04/erdogans-kurdish-gambit?lang=en

21 https://www.aa.com.tr/en/economy/turkey-krg-agree-50-year-energy-deal/153832

22 https://taz.de/Annaeherung-von-Tuerkei-Irak-und-Syrien/!6031825/

23 Ihr Gründungsprogramm https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/programm_1/index.htm

24 Dabei stützen sich Öcalan und die PKK unter anderem stark auf Murray Bookchin.

25 https://kommunistischepartei.de/diskussion/die-pkk-und-der-proletarische-internationalismus/

und https://kommunistischepartei.de/diskussion/das-selbstbestimmungsrecht-der-voelker-und-die-kurdische-frage/ und https://kommunistischepartei.de/diskussion/erwiderung-an-young-struggle-wer-von-der-pkk-und-rojava-redet-darf-nicht-vom-us-imperialismus-schweigen/

26 https://magazin.zenith.me/de/wirtschaft/palaestina-proteste-und-handelspolitik-der-tuerkei

27 https://www.tagesschau.de/ausland/europa/tuerkei-exporte-israel-100.html

28 https://peoples-bridge.org/?p=452&lang=de

29 Siehe dazu z.B hier https://kommunistischepartei.de/diskussion/die-pkk-und-der-proletarische-internationalismus/ und https://kommunistischepartei.de/diskussion/das-selbstbestimmungsrecht-der-voelker-und-die-kurdische-frage/ und https://kommunistischepartei.de/diskussion/erwiderung-an-young-struggle-wer-von-der-pkk-und-rojava-redet-darf-nicht-vom-us-imperialismus-schweigen/

30 z.B. https://anfdeutsch.com/aktuelles/-43572

31 https://kommunistischepartei.de/geschichte-theorie/zur-strategie-und-taktik-des-palaestinensischen-befreiungskampfes/

32 https://perspektive-kommunismus.org/2024/10/28/demo-in-koeln-freiheit-fuer-oecalan-die-revolutionaere-perspektive-verteidigen/

33 https://perspektive-kommunismus.org/2024/10/28/demo-in-koeln-freiheit-fuer-oecalan-die-revolutionaere-perspektive-verteidigen/

34https://www.dihk.de/de/aktuelles-und-presse/tdw/deutsch-tuerkische-kooperation-beim-wiederaufbau-wie-deutsche-unternehmen-mitmischen-koennen-122736

35 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/scholz-tuerkei-erdogan-migration-waffenexporte-102.html

36 https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-muenchen-freiheitsstrafen-tuerkische-kommunisten-tkp-ml-mitglieder-auslaendische-terrorgruppe

37 https://www.tagesspiegel.de/politik/medienbericht-turkischer-geheimdienst-hat-6000-spitzel-in-deutschland-6879946.html

38 https://www.bundestag.de/presse/hib/821706-821706

39 z.B. in Hamm https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/ob-hamm-vorwuerfe-graue-woelfe-100.html, Filderstadt https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/spd-filderstadt-graue-woelfe-rechtsextremismus-deutsch-tuerkischer-freundschaftsverein-fastenbrechen-kommunalwahl-100.html, Neuss https://rp-online.de/nrw/landespolitik/cdu-innenpolitiker-posiert-mit-grauen-woelfe_aid-69460015, etc.

40 https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/mezopotamien-verlag-bleibt-verboten-224853

41 https://kommunistischepartei.de/stellungnahmen/angriff-auf-eine-moschee-in-leipzig-arbeiterfeindlich-rassistisch-pro-imperialistisch/

42 https://www.tkp.org.tr/temel-metinler/kongre-konferans-metinleri/turkiye-komunist-partisi-14-kongre-siyasi-raporu/

43 https://www.bpb.de/themen/europa/tuerkei/185907/der-kurdenkonflikt/

44 https://www.newarab.com/analysis/turkey-kurdish-educators-take-their-classrooms-underground

45 https://moderndiplomacy.eu/2022/01/13/kurdish-education-in-turkey-a-joint-responsibility/ und https://www.newarab.com/analysis/turkey-kurdish-educators-take-their-classrooms-underground

46 https://www.disorient.de/diskriminierung-kurdisch-sprache-schule-kurdistan

47 Beides ist jeweils der historisch und politisch geprägte arabische und zentral-kurdische Begriff für “Aufstand”/”Aufruhr”.

48 https://www.tkp-deutschland.com/was-war-los-losung-oder-ein-politisches-manover/

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