Von Chris Aurora
Auch wenn ich beim Erfahrungsschatz und dem geballten marxistischen Wissen der anderen Diskussionsteilnehmer nicht mithalten kann möchte ich mich dennoch mit einem kurzen Anstoß an der Diskussion innerhalb der KO beteiligen und rufe hiermit mehr Genossinnen und Genossen dazu auf ihre Meinung kundzutun.
Ich habe noch nicht alle Diskussionsbeiträge aufgrund ihres Umfangs und der Komplexität vollständig durchdringen können unterstütze aber die Stoßrichtung der Beiträge der Genossen Saidi, Relko und Hensgen und ich teile die Thesen über den russischen Imperialismus des Genossen Spanidis finde aber ebenso die Aufzählung und Einordnung der Ereignisse, die der Genosse Kissel im zweiten Teil seines Beitrags vornimmt sehr hilfreich. Ich teile aber seine Kritik am Joint- Statement nicht, da sie sich mir nicht wirklich erschließt und ich die Anhaltspunkte für seine Vorwürfe nicht aus dem Statement herauslese.
Im ersten Teil liefere ich noch einige Punkte meinerseits um dann danach konkrete Handlungsoptionen für die nächste Zeit zur Diskussion zu stellen.
1.War das russische Staatsgebiet so konkret und zeitnah bedroht?
Es ist absolut richtig, dass die aggressive Expansion der Nato nach Osteuropa, in die Türkei usw. die Russische Fördertation bedrohen und es wohl Rückeroberungspläne der Ukraine gegen den Donbass und die Krim gab, aber einen wirklichen Krieg gegen Russland hätte sich die Ukraine meiner Meinung nach nicht leisten können. Die Strategie der NATO besteht meiner Einschätzung nach vor allem darin Russland einzukreisen und die Staaten um Russland herum als Rammböcke aufzurüsten. Die direkte Konfrontation in einem offenen, schnell auch mit nuklearen Mitteln geführten Krieg können sich diese Rammböcke aber (noch) nicht erlauben. Ich halte damit den vom Genossen Kissel angedeuteten Plan einer Zerstücklung Russlands ebenfalls für unwahrscheinlich. Natürlich ist die USA und der NATO Block mit weitem Abstand besser ausgerüstet aber auch Russland verfügt über ein beachtliches nicht zu unterschätzendes militärisches Potenzial, das es gerade nutzt um seine Einflusssphäre zu verteidigen und nach 30 Jahren mit dem Rücken zur Wand innerhalb der gegeben Optionen in die Offensive überzugehen. Für eine qualifizierte Ausführung und um Dopplung zu vermeiden verweise ich hier auf die Thesen 12,13 und 14 des Beitrags vom Genossen Spanidis.
2. Die KKE und die anderen uns nahestehenden Kommunistischen Parteien betreiben weder im Joint- Statement noch sonst wo eine Gleichsetzung der NATO mit Russland, das wird vor allem in These 5 des JS deutlich. Das veröffentliche Statement ist eine Stellungnahme und hat damit zu Recht keinen Anspruch auf eine vollständige Analyse der Situation. Die dort aufgestellten Thesen sind, wie es in diesem Format üblich sein, sollte knapp formuliert aber dennoch inhaltlich richtig. An den sonstigen Stellungnahmen und Aktionen der KKE aber auch der TKP und z.B der PdA zeigt sich meiner Meinung nach ziemlich eindeutig, dass sie den NATO Imperialismus bzw. die darin eingehegten Imperialisten ihrer Länder als Hauptfeind erkannt haben und aktiv bekämpfen.
3. Der Antikommunismus und die Entnazifizierung
Der Angriffskrieg erstreckt sich mittlerweile weit über den Donbass und die Krim hinaus damit erübrigt sich denke ich die These für die Russische Föderation stehe der Schutz der Volksrepubliken im Vordergrund, was genau das Ziel des Einmarschs ist muss genauer analysiert werden. Würde tatsächlich dieses Interesse im Vordergrund stehen hätte man die Volksrepubliken schon vor 8 Jahren anerkannt, denn die ukrainischen Faschisten morden dort schon die ganze Zeit. In Russland regiert der Antikommunismus. Die russische Administration in Luhansk hat als erstes nach der Eroberung der Macht die KP dort wieder verboten und die Gewerkschaftsrechte eingeschränkt. Die Forderungen nach Entnazifizierung und Entmilitarisierung sowie der Schutz der russischen Sprache und damit der russischen Minderheit sind gerade die ersten, die wieder fallen gelassen werden. Stattdessen steht als Kompromiss im Raum, dass die Ukraine kein NATO Mitglied wird, keine Atomwaffen entwickeln darf aber dafür darf sie trotzdem der EU beitreten. Ich sehe die Zerschlagung der faschistischen Bataillone als positiven Nebeneffekt und nicht als hauptsächliches Ziel des Einmarschs. Das führt aber wie der Genosse Spanidis schon ausgeführt hat nicht zur Schwächung des ukrainischen Nationalismus oder der faschistischen Bewegung sondern zum Gegenteil. Der Großteil der ukrainischen Arbeiterklasse wird die erlittenen Verluste von geliebten Menschen, ihrem Heim sowie die mit dem Krieg einhergegangene massive Vernichtung der Produktionsstätten nicht vergessen und wird damit noch anfälliger für faschistische Propaganda.
4. Der Krieg bietet keine Vorteile für die Völker.
Der Krieg schadet vor allem der Arbeiterklasse. Egal welche Seite gewinnt und zu welchem Kompromiss die feinen Herren am Verhandlungstisch kommen, während sich zeitgleich die Proletarier beider Länder gegenseitig abschlachten, wird die weltpolitische Lage durch den Krieg weiter eskaliert. Viele andere Staaten überlegen gerade doch der NATO beizutreten und der NATO Block ist in sich deutlich geschlossener als vorher. Sie nutzen schon jetzt den Krieg als Ausrede um die bereits abstrus ungleichmäßige Hochrüstung weiter anzuheizen und haben durch den Krieg propagandistische Mittel an die Hand bekommen um auch den geringsten Widerstand innerhalb der bürgerlichen Parteien und Medien zu brechen und die Heimatfront zu organisieren. Vor allem die BRD nimmt gerade Anlauf um die militärische Dominanz wieder aufzubauen, Lindner spricht von dem Aufbau einer der schlagkräftigsten Armeen Europas und Deutschland will Herzstück einer EU Armee werden. Weder die russische von den Sanktionen gebeutelte Arbeiterklasse, die gerade zu Tausenden bei Antikriegsprotesten festgenommen wird, noch die evtl. dann unter Besatzung oder weiter unter ihrer pseudoliberalen mit Faschisten eng verknüpften Regierung leidenden Arbeiterklasse der Ukraine gewinnt irgendwas durch diesen Krieg. Auch die atomare Bedrohung der NATO gegenüber Russland wird sich eher verschärfen und weiter ausgebaut als eingestellt.
Im zweiten Teil möchte ich dazu aufrufen trotz der unvollständigen Analyse jetzt schon konkrete Handlungsoptionen in der Organisation zu diskutieren und bei Zustimmung umzusetzen.
Unabhängig von der zugrunde liegenden genauen Analyse der Kriegsgründe, des russischen Imperialismus oder eben Antiimperialismus scheint es so als wären sich die diskutierenden Seiten zumindest was die abzuleitenden Handlungsoptionen für uns als Kommunisten in der BRD angeht recht einig. Ich halte es in Anbetracht der momentan zu beobachtenden Entwicklungen in der NATO und der BRD für einen Fehler auf die vollständige Analyse warten zu müssen. Keine der diskutierenden Seiten widerspricht der Hauptfeindthese, was für mich bedeutet es gibt Meinungen und Aktionen mit denen wir schon jetzt geschlossen an die Öffentlichkeit treten sollten.
1. Unsere Agitation und Propaganda, unsere Stellungnahmen und Aktionen müssen sich vor allem auf die schon vorher geplanten und jetzt mit dem Krieg begründeten Kriegsvorbereitungen, die Aufrüstung der Bundeswehr und die forcierte Eskalation des Krieges konzentrieren. Diese also aufzudecken, zu benennen, zu verurteilen und gegen diese zu agitieren sollten wir zur Hauptaufgabe erklären. Der Aufbau einer klassenkämpferischen Antikriegsbewegung bleibt unser Ziel.
2. Wir sollten uns scharf gegen die aufkeimenden Pläne zum Abbau von antifaschistischen Denkmälern, wie dem Thälmann – Denkmal in Berlin und der Denunziation und dem Vandalismus an Denkmälern für die Rote Armee stellen.
3. Wir sollten gegen die Relativierung des deutschen Faschismus in Form von einer stattfindenden Gleichsetzung der Russischen Föderation mit dem NS Staat oder Hitler mit Putin vorgehen. Auch die dabei immer wieder auftauchenden Vergleiche der Russischen Föderation mit der Sovietunion und die implizierte Gleichsetzung der SU mit dem NS Staat gilt es zu verurteilen.
4. Wir sollten auch z.B mit einer öffentlichen Quellensammlung oder Ähnlichem aufzeigen wie die faschistischen Kräfte in der Ukraine von der EU und der NATO gezüchtet und bewaffnet wurden und dagegen vorgehen wenn heute die Medien oder Vertreter der ukrainischen Regierung in der BRD behaupten es gäbe dort keine bis auf die Zähne bewaffneten in die offizielle Armee eingegliederten Faschisten wie das ASOV- Bataillon oder diese verharmlosen.
5. Außerdem sollten wir unbedingt die mit dem Krieg einhergehende oder oft durch ihn gerechtfertigte Mehrbelastung(Inflation bei 7,3%, steigende Lebensmittel- und Benzinpreise, mögliche Ausfälle der Fähigkeit zu Heizen bei weiter steigenden Mieten, Ausfälle der Produktion und damit einhergehende Entlassungswellen usw.) für das Proletariat in Deutschland untersuchen und es für die Agitation nutzen, dass gleichzeitig die deutsche Bourgeoisie Rekordprofitemacht (z.B DAX- Konzerne konnten ihren Umsatz 2021 um 14 Prozent steigern).
6. Zudem ist es vielleicht auch sinnvoll die krasse Doppelmoral und unerträgliche Heuchelei der herrschenden Klasse und Teilen der Gesellschaft im Umgang mit den ukrainischen Geflüchteten zu entlarven und darauf aufmerksam zu machen, dass diese Menschen hier auch in verschärfte Ausbeutungsbedingungen geraten und zum Beispiel von Kapitalisten wie Tönnies oder denen der Gesundheitsindustrie als billige Arbeitskräfte missbraucht werden bzw. im schlimmsten Fall in der Zwangsprostitution landen, denn auch diese Fälle gibt es schon.
Um mit diesen Forderungen und Erkenntnissen an die Öffentlichkeit zu treten brauchen wir meiner Meinung nach keine fertige Analyse des Krieges oder des globalen Imperialismus. Diese Optionen können wir schon jetzt in Veröffentlichungen und Aktionen an die Menschen herantragen und um diese in Diskussionen verteidigen zu können reichen die bereits von den Genossen vorgelegten Argumente.