Stillstand in der Wirtschaft hält an – zum Leid der Werktätigen

Aktuelles von Simon Szymoscyk

Schon seit einigen Jahren herrscht in der deutschen Wirtschaft der Stillstand. Mit neuen Daten hat das Statistische Bundesamt kürzlich eine vorherige Schätzung bestätigt. Demzufolge stagnierte das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller hierzulande gehandelten Waren und Dienstleistungen, zwischen Juli und September dieses Jahres weiter. Unternehmen investierten zuvor mehr in Ausrüstung und Maschinen, in der Baubranche wurde allerdings wieder weniger Kapital eingesetzt. Die Wirtschaftsleistung geht seit mittlerweile drei Jahren in jedem Quartal durchschnittlich zurück: Während die deutschen Industriekonzerne zuvorderst über geringere Umsätze und Gewinne klagen, bekommen vor allem die Werktätigen die anhaltende Flaute zu spüren.

Seit Ende 2024 wurden binnen Jahresfrist 120.300 Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe entlassen, teilte das Statistische Bundesamt vor einigen Wochen mit. Allein auf die Chemie- und Autobranche entfallen dabei beinahe 100.000 Stellen. Zwischen 2021 und 2023 wurden von Unternehmen außerdem mehr als 50.000 Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. In nahezu allen Branchen gehen Wirtschaftswissenschaftler von weiteren Massenentlassungen aus. Wer also noch eine Stelle hat, will sie – komme was wolle – halten. Die Statistikbehörde bemerkte erstmals seit 2023 einen Rückgang im privaten Konsum, dieser schrumpfte um durchschnittliche 0,3 Prozent. Nach den Preisexplosionen der vergangenen Jahre versucht die Arbeiterklasse gezwungenermaßen, ihr Geld zusammen zu halten.

Mit der politischen Entscheidung, infolge des Angriffs in der Ukraine kein Pipelinegas mehr aus Russland zu beziehen, mussten die Energiepreise in Deutschland in die Höhe schnellen. Die Unternehmen standen vor enormen Kosten und hoben die Preise an. Darauf folgte eine drastische Teuerung in allen Lebensbereichen der Arbeiterklasse, besonders die Preise für Lebensmittel wurden erheblich angehoben. Immobilienkonzerne erzielten in den vergangenen Jahren riesige Gewinne durch erhöhte Nebenkosten und Mietsteigerungen, während die Löhne der Arbeiter und Angestellten real weiter und weiter sanken. Die Jubelmeldung des Statistischen Bundesamtes, das in der vergangenen Woche eine Reallohnsteigerung um 2,7 Prozent festgestellt haben wollte, ist vor diesem Hintergrund nichts als Augenwischerei.

Neben den Stellenstreichungen der Großkonzerne zeigt nun auch die seit einigen Monaten stetig wachsende Anzahl von Firmenpleiten die verschärfte Lage. Und die Wirtschaftskrise dürfte sich in Deutschland auch im kommenden Jahr weiter fortsetzen. Zwar behaupten verschiedene Forschungsinstitute, es sei im kommenden Jahr eine wachsende Wirtschaft erkennbar. Doch bestätigen sie üblicherweise nach positiven Vorhersagen drei bis vier Monate später nur wieder die anhaltende Krise. Die Ampelkoalition vollführte diesen Eiertanz über ihre gesamte Legislatur.

Leider weigern sich auch die DGB-Gewerkschaften weiterhin, den Zusammenhang von Krieg und Krise zu benennen. Die enormen Sonderschulden für unbegrenzte Aufrüstung und Infrastruktur werden die Werktätigen durch Sozialkürzung zu spüren bekommen. Neue Straßen und Schienen werden dadurch nicht entstehen, während Rüstungsunternehmen dagegen schon jetzt kräftig verdienen.

In der Tarifverhandlung für die hiesige Stahlbranche hielt es die IG Metall als größte DGB-Gewerkschaft trotz des angedrohten Sozialkahlschlags der Merz-Regierung nicht für nötig, eine bezifferte Forderung zu erheben. Ausdrücklich forderte sie politische Maßnahmen von der Regierung, um die Kosten für Konzerne der Branche zu senken und Importe aus China zu begrenzen. Wie schon in den Tarifverhandlungen bei Volkswagen konnten sich die Manager der Stahlkonzerne von ArcelorMittal bis ThyssenKrupp Steel zurücklehnen und den Businessplan für die kommenden anderthalb Jahre den Beschäftigtenvertretern überlassen. Weiter lässt es sich nicht am eigenen Mandat vorüber gehen: Die Gewerkschaft kümmerte sich mal wieder um die Profite des Kapitals statt um die Interessen der Arbeiter.

Doch auch die „Wachstumsgesetze“ der Regierung und ihre Steuergeschenke für Unternehmen können die Probleme der Industrie nicht lösen. Sie produziert mit niedriger Auslastung und die Unternehmen werden ihre Produkte nicht los. Zudem engen die USA ihren Marktzugang ein und schotten sich ab. Die deutsche Wirtschaft kann die Krise nicht exportieren, wie es sonst der Fall war. Die Autoindustrie hat in China einen erheblichen Teil ihres wichtigen Absatzes eingebüßt und spielt in China selbst eine immer geringere Rolle: Für die Fahrzeuge der Zukunft bedarf es dort keiner deutschen Hilfe, die Joint Ventures mit deutschen Herstellern haben längst an Attraktivität verloren. Überhaupt ist das Land mittlerweile in der Lage, weltweit nachgefragte Rohstoffe und Fertigprodukte zu liefern. Chinesische Stahlproduzenten beherrschen längst den globalen Markt.

Das Aktionspotenzial in den Stahltarifverhandlungen blieb zwangsläufig hinter den Bedürfnissen und Herausforderungen der Werktätigen zurück. Keine Streiks, keine Produktionsstopps, kein Druck gegen die Konzernbosse: In Duisburg sprangen ein paar IG Metaller öffentlichkeitswirksam in einen Kanal, doch wie sie gingen auch ihre Perspektiven baden. Sie erhalten nach Abschluss nun 1,75 Prozent mehr Geld bis ins Jahr 2027.

Schwenken die Kolleginnen und Kollegen in den Gewerkschaften in den kommenden Auseinandersetzungen nicht auf einen kämpferischen Kurs, können sie weder ihrer eigenen Verarmung, noch dem Kriegskurs der Regierung etwas entgegenstellen. Es ist nicht unsere Aufgabe, durch Zurückhaltung im Klassenkampf eine eventuelle Marktführerschaft deutscher Konzerne zu ermöglichen. Denn ob die Wirtschaftsleistung nun wächst, schrumpft oder stagniert: Jeder Euro, den wir nicht für unsere Interessen erkämpfen, befeuert die Profite und damit auch ihre Kriegsmaschine.

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