Kriegskonferenz im Alpenvorland

Die Münchner Sicherheitskonferenz 2024

Beitrag von Rudy Vermelho

Zum 60. Mal fand vom 16. bis 18. Februar die sogenannte Münchner „Sicherheitskonferenz“ (Munich Security Conference, MSC) statt. Die MSC ist eine offiziell private, aber staatlich stark bezuschusste, Tagung zu Fragen der globalen Außen- und sogenannten Sicherheitspolitik und eine der größten Konferenzen der kriegspolitischen Think Tanks des Kapitals. Bis zum Jahr 1993 unter dem ehrlicheren Namen „Münchner Wehrkundetagung“ bekannt, soll heutzutage der euphemistische Begriff der „Sicherheit“ ganz bewusst verschleiern, worum es eigentlich geht: Um die Schaffung und Bewahrung von „Sicherheit“ für die – vor allem westlichen – Kapitalinteressen, in erster Linie durch militärische Mittel. Dass eine solche „Sicherheit“ bedeutet, den Kampf um diese Interessen im Zweifelsfall bis aufs Äußerste zu führen und die Welt an den Rand globaler und potenziell nuklearer Kriege zu bringen, sollte spätestens vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges klar sein. Darüber kann auch das zynische Motto der Konferenz „Frieden durch Dialog“ nicht hinwegtäuschen.

Und so ist es nicht erstaunlich, dass dieses Jahr die Themen Ukrainekrieg und Israels Krieg gegen Palästina die prominentesten Rollen in der MSC einnahmen. Geladen waren dazu unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Israels Staatspräsident Isaac Herzog, sowie rund 180 weitere Regierungsvertreter, Vertreter der Rüstungsindustrie und Militärs – zum Großteil aus NATO-Ländern.i Während die Volksrepublik China noch mit ihrem Außenminister Wang Yi teilnehmen darf, sind die Vertreter der Russische Föderation und des Iran seit 2023 offiziell ausgeladen.ii Die MSC des Jahres 2022 fand unmittelbar vor der Eskalation des Krieges und des Einmarsches Russlands in die Ukraine zwar auch ohne Vertreter Russlands statt, Russland hatte die Einladung aber bewusst ausgeschlagen. Damals erklärte der Vorsitzende der MSC, Wolfgang Ischinger, noch, man bedauere, dass „Russland sich nicht stellt“ und beteuerte „Niemand bedroht Russland“.iii Zur MSC des Jahres 2023 änderte sich diese Haltung zu einer expliziten Ausladung. In den Worten des Konferenzleiters Christoph Heusgen: „Wir sind uns zu schade, diesen Kriegsverbrechern im Kreml mit der Münchner Sicherheitskonferenz eine Bühne für ihre Propaganda zu bieten“.iv Nicht, dass die Veranstalter der MSC generell ein Problem mit der Einladung von Kriegsverbrechern hätte. Immerhin nahmen dieses Jahr beispielsweise der saudi-arabische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud, einer der Hauptverantwortlichen des völkerrechtswidrigen Krieges und zahlreicher Kriegsverbrechen im Jemen mit ca. 400.000 Totenv – hauptsächlich Zivilisten – und der bereits erwähnte Herzog, mitverantwortlich für den laufenden Völkermord an den Palästinensern, teil, um nur zwei von Vielen zu nennen. Welch eine Bigotterie auch alleine angesichts der jüngsten Kriege der USA und der meisten EU-Länder mit vielen Hunderttausenden zivilen Toten in Jugoslawien, Afghanistan oder Irak.vi Ein Problem hat man offensichtlich nur mit der Einladung derjenigen Kriegsverbrecher, welche sich der gewünschten NATO-Hegemonie im imperialistischen Kampf um die Neuaufteilung der Welt militärisch widersetzen.

Nicht fehlen durfte auch diesmal die gebetsmühlenartige Forderung von Politik und Rüstungsindustrie, allen voran Selenskyj, nach immer mehr, neueren und hochentwickelten Waffen zur Eskalation des Krieges, wie der berüchtigten deutschen „Taurus“-Marschflugkörper. Aber nicht nur die weitere militärische Aufrüstung der Ukraine stand im Vordergrund, sondern vor allem auch die Aufrüstung Deutschlands und der NATO-Staaten. Bundeskanzler Olaf Scholz nutzte die Gunst der Stunde, um die dauerhafte Anhebung der deutschen Rüstungsausgaben für die nächsten zwei Jahrzehnte „und darüber hinaus“ auf die von der NATO geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzukündigen. Begründet wurde das mit der Notwendigkeit, dass „wir Europäer […] uns sehr viel stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern [müssen]“ und der Schaffung von „glaubwürdiger Abschreckung“.vii Noch weiter ging Kriegsminister Boris Pistorius: Es könne sein, dass man „drei oder sogar 3,5 Prozent erreichen“ müsse.viii Die Kriegsfähigkeit der EU soll auch unabhängig der USA sichergestellt werden.

Einen großen Unterschied zur Konferenz des Vorjahres gab es jedoch: Während im Frühjahr 2023 noch Euphorie unter den Kriegstreibern herrschte, man könne Russland auf dem Schlachtfeld, mit Hilfe der vielen Milliarden Dollar an Rüstungsgeschenken und -krediten an die Ukraine, besiegen, machte sich dieses Jahr angesichts der vollkommen gescheiterten ukrainischen Sommeroffensive und des stetigen Vorrücken Russlandsix, Ernüchterung breit. Die anhaltende Blockade des sogenannten „Nationalen Sicherheitszusatzgesetzes“ durch den von Republikanern dominierten US-Kongress, welches unter anderem 60 Milliarden Dollar Kriegshilfe für die Ukraine, sowie 14,1 Milliarden Dollar für Israel vorsiehtx, tat ihr Übriges. Angesichts der Lage und der nicht unwahrscheinlich erscheinenden möglichen erneuten US-Präsidentschaft Donald Trumps, fühlte sich US-Vizepräsidentin Kamala Harris dann auch verpflichtet, die globale interventionistische Rolle der USA, vor allem im Rahmen der NATO, auch für die Zukunft zu bekräftigen.xi Illusionen über eine größere Friedfertigkeit einer Trump-Regierung sollte man sich indes nicht machen. Die Abwendung des US-Interesses vom Schlachtfeld der Ukraine ist vor allem eine Zuwendung zu einem möglichen neuen Schlachtfeld in China, daraus machte der republikanische US-Senator J.D. Vance auf der Konferenz keinen Hehl.xii

ihttps://securityconference.org/msc-2024/ abgerufen am 20.02.2024

iihttps://www.merkur.de/politik/putin-news-russland-sicherheitskonferenz-siko-muenchen-gaeste-oppositionlle-kasparow-kreml-heusgen-92068460.html abgerufen am 20.02.2024

iiihttps://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_91686870/muenchner-sicherheitskonferenz-ein-fatales-signal-von-putin.html abgerufen am 20.02.2024

ivhttps://www.merkur.de/politik/putin-news-russland-sicherheitskonferenz-siko-muenchen-gaeste-oppositionlle-kasparow-kreml-heusgen-92068460.html abgerufen am 20.02.2024

vhttps://caat.org.uk/homepage/stop-arming-saudi-arabia/the-war-on-yemens-civilians/ abgerufen am 20.02.2024

viAlleine im Irak wurden in einer Studie der Johns Hopkins University von 2003 bis 2006 bis zu 940.000 Tote durch die Invasion der US-geführten Koalition gezählt: https://web.archive.org/web/20150907130701/http://brusselstribunal.org/pdf/lancet111006.pdf abgerufen am 21.02.2024

viihttps://www.tagesschau.de/ausland/europa/sicherheitskonferenz-selenskyj-scholz-ukraine-100.html abgerufen am 20.02.2024

viiihttps://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundeswehr-sicherheitskonferenz-100.html abgerufen am 20.02.2024

ixDie Ankündigung des ukrainischen Generalstabs, die seit 2016 zu einer der wichtigsten Festungen der Ukraine ausgebaute und völlig zerstörte Stadt Awdijiwka aufzugeben, um einer imminenten Einkesselung zu entgehen und der folgende hastige Abzug der ukrainischen Truppen, fiel genau in die Zeit der Münchner Tagung.

xhttps://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-milliardenhilfen-ukraine-100.html abgerufen am 20.02.2024

xihttps://www.tagesschau.de/inland/muenchner-sicherheitskonferenz-guterres-harris-100.html abgerufen am 20.02.2024

xiihttps://www.tagesschau.de/inland/bilanz-sicherheitskonferenz-100.html abgerufen am 20.02.2024

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