…und dennoch war die DDR ein Stück Zukunft

Stellungnahme des Zentralkomitees der KP vom 07.10.2024

Mit dem 75. Jahrestag der DDR-Gründung feuern bürgerliche Tageszeitungen und Websites zur politischen Bildung mal wieder aus allen antikommunistischen Rohren, um die immergleiche Leier über die böse DDR abzulassen. Von Mr.Wissen2go über die Bundesstiftung Aufarbeitung und den Tagesspiegel, bis zu den Lehrinhalten im Schulunterricht klingt es einstimmig: Die DDR war eine Diktatur, in der ein totalitäres SED-Unrechtsregime eine Gewalt- und Willkürherrschaft aufgebaut hat. Von den riesigen Errungenschaften, von denen die BRD heute noch Lichtjahre entfernt ist, wird lieber nicht gesprochen. Besonders im Osten Deutschlands trifft diese undifferenzierte Darstellung auf breite Ablehnung. Zurecht sieht man sich mit den eigenen authentischen Erfahrungen in Widerspruch zur BRD-Propaganda. Denn die große Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung ist noch heute der Meinung, dass zum Beispiel das Gesundheitssystem, die soziale Absicherung, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, der Schutz vor Kriminalität und Verbrechen und das Schulsystem in der DDR besser waren als in der Bundesrepublik. Etwa 60 Prozent geben an, dass die positiven Seiten in der DDR allgemein überwogen.1

Natürlich müssen der bürgerliche Staat, seine Denkfabriken und Medien ein besonders schlechtes Bild vom Sozialismus als gesellschaftlicher Alternative verbreiten. Wer jedoch sozialen Fortschritt will, tut gut daran, mit dem DDR-Tabu zu brechen und sich die Errungenschaften und Probleme des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden unvoreingenommen anzuschauen. Es ist schließlich kein Zufall, dass in der DDR Probleme bereits gelöst waren, die uns heute wieder zur Verzweiflung bringen: Obdachlosigkeit, Armut oder Frauenunterdrückung konnten an der Wurzel gepackt und beseitigt werden, gerade weil die DDR sozialistisch war.

Die Tragödie dieser Zeit ist, dass viele Menschen unzufrieden mit Kriegshetze und sozialem Kahlschlag sind, sich ihre Unzufriedenheit aber nach rechts kanalisiert, in Richtung von Parteien, die nicht weniger profitgesteuerte Systemparteien des Kapitals sind als die Parteien der Mitte – Parteien, die selbst zu Sozialabbau und Krieg drängen. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass der Sozialismus durch die DDR mit dem Makel des Scheiterns gekennzeichnet ist. Als kommunistische Partei liegt uns daran, genau herauszuarbeiten, was die Fehler sind, welche die DDR gemacht hat, um diese in Zukunft vermeiden zu können. Es ist zwingend notwendig, wieder zu einem fundierten Plan für ein sozialistisches Deutschland zu kommen, in dem die Erfahrungen der ehemaligen DDR-Bürger aufgehen. Sonst bleibt der Sozialismus eine Träumerei, statt einer glaubwürdigen gesellschaftlichen Alternative. Trotzdem müssen wir auch heute schon selbstbewusst und deutlich sagen: Die DDR war das bessere Deutschland. Sie war ein Stück Zukunft. Das müssen wir sagen, weil es stimmt. Und wir müssen dabei laut und überzeugend sein, weil wir die Deutungshoheit über unsere eigene Geschichte als Arbeiterbewegung zurückerobern müssen. Gerade heute, in Zeiten zunehmender Angst vorm Weltkrieg, zunehmender sozialer Unsicherheit, in Zeiten des Aufstiegs faschistischer Kräfte, andauernder Benachteiligung der Frauen und eines maroden Gesundheitssystems müssen wir einige Errungenschaften der DDR besonders deutlich hervorheben:

Jeder Mensch war in der DDR materiell abgesichert, konnte Kulturangebote wahrnehmen und regelmäßig Urlaub machen

In der DDR wurde das Recht auf Arbeit verwirklicht. Kündigungen waren sehr schwer durchzusetzen, verlangten nach gewerkschaftlicher Zustimmung und mussten damit verbunden werden, dem Arbeiter andere zumutbare Arbeitsplätze anzubieten. Im Notfall konnten Betriebe sogar dazu verpflichtet werden, bestimmte Arbeiter einzustellen. Damit war abgesichert, dass jeder Mensch über ein Einkommen verfügte und ökonomisch unabhängig war. Die Betriebe waren auch dazu verpflichtet den Arbeitern ein vielfältiges Sport- und Kulturangebot zu liefern, Kantinenspeisung bereit zu stellen, Urlaubsstätten anzubieten und bei der Verbesserung der Wohnsituation zu helfen.2 Damit war jeder DDR-Bürger schon über den Arbeitsplatz grundlegend materiell abgesichert und der Zugang zu Sport, Kultur und Urlaub garantiert.

Ergänzend gab es eine Sozialversicherung, die alle verschiedenen Versicherungszweige mit einer verpflichtenden Einheitsversicherung abdeckte. Die Höhe des Beitrags hing auch nicht vom individuellen Risiko ab, wie wir es heute kennen. Profitzwang war dem Versicherungssystem völlig fremd, da die Versicherung nicht privat, sondern im allgemeinen Staatshaushalt verwaltet wurde. Neben den üblichen Leistungen wie Rente, Lohnausgleich im Krankheitsfall, Schwangerschafts- und Wochengeld übernahm die Sozialversicherung ausnahmslos alle Kosten für die medizinische Versorgung.3 Sogar die Mindestrente reichte zuverlässig für die Grundversorgung, sportlich-kulturelle Betätigung und regelmäßige Urlaube.

Entscheidend für die soziale Sicherheit der DDR-Bürger waren auch die starken Subventionen von Gütern des Grundbedarfs. Bei einem Durchschnittsgehalt von ca. 1300 Mark im Jahr 1989 schmälerten die Mieten zwischen 80 Pfennig und 1,25 Mark pro Quadratmeter das Gehalt kaum. Auch Kinobesuche, die Mitgliedschaft im Sportverein, Bahnfahrten und Grundnahrungsmittel konnten für Spottbeträge in Anspruch genommen werden. In den ca. 5000 subventionierten Ferienheimen kostete ein Bett kaum 4 Mark pro Nacht.4

Obdachlosigkeit gab es in der DDR nicht mehr. Auch die Armut wurde im Laufe ihrer Entwicklung besiegt. Jeder Mensch war grundlegend abgesichert und konnte am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Da wollen wir wieder hin!

Der Sozialismus begründete Frieden und internationale Solidarität

Internationale Solidarität wurde in der DDR großgeschrieben. Von Briefmarken bis zu großen Wandbildern – die Themen Frieden und Solidarität waren omnipräsent. Das drückte sich auch im internationalen Engagement des sozialistischen deutschen Staates aus. Einerseits unterstützte die DDR diverse antikoloniale und anti-Apartheidsbewegungen in Afrika, Lateinamerika und Asien. So etwa den südafrikanischen ANC, der umfassende militärische, medizinische und infrastrukturelle Hilfe erhielt, während die BRD Geschäfte mit dem Apartheidsregime machte, Freiheitskämpfer wie Nelson Mandela als Terroristen labelte und deren Verfolgung unterstützte.5 Die DDR stand nicht auf der Seite der Kapitalisten, sondern stets auf der Seite der kolonisierten Völker und der internationalen Arbeiterklasse. Und diese internationalistische Solidaritätsarbeit war nicht bloß die Politik einiger hoher Staatsmänner, sondern eine echte Massenbewegung. Kinder schickten hunderttausende Postkarten an Mandela und Angela Davis, als sie im Gefängnis saßen. Die Spenden des Solidaritätskomitees der DDR wurden nicht einfach durch einige Bildungsbürger und Unternehmer mit ihren wirtschaftlichen Partikularinteressen entrichtet, sondern durch die Massenorganisationen von der breiten werktätigen Bevölkerung gesammelt. Mehrere Milliarden Mark wurden so von den Arbeitern der DDR mit Überzeugung an die Solidaritätsprojekte gespendet – z.B. durch den Kauf von Solidaritätsmarken und freiwillige Mehrarbeit.6

Mit diversen Wirtschafts- und Aufbauhilfen für ökonomisch schwächere Staaten, von Ausbildungsbrigaden über Preissubventionen bis zum direkten Ausbau der heimischen Industrie, förderte die DDR gezielt die souveräne Entwicklung ex-kolonialer Staaten, statt deren Abhängigkeit zu verstärken.7

Dass die DDR zum Beispiel antikoloniale Bewegungen auch militärisch unterstützte und sich selbst in Reaktion auf die Neugründung der Bundeswehr mit der NVA wappnete, steht nicht in Widerspruch zu ihrem Einsatz für den Frieden. Im Gegenteil: Sich vor der imperialistischen Aggression schützen zu können, ist eine zentrale Voraussetzung für jeden sozialistischen Staat. Und ein nachhaltiger Kampf für den Frieden schließt ein, dass die Ursache der Kriege, das Privateigentum, bekämpft wird. Denn Kapitalismus ohne Krieg kann es nicht geben. Die NVA war eine notwendige Verteidigungsarmee, die niemals Eroberungskriege führte. Vielfältige Bestrebungen der DDR „für völlige Abrüstung in Ost- und Westdeutschland“ (Ulbricht, 1960) und der konsequente Einsatz in der UNO für internationale Abrüstung und Kernwaffenverbot verdeutlichen ihre klare antimilitaristische Grundposition.

Die DDR-Frauen waren auf dem Weg zur völligen Emanzipation

In der DDR wurden nicht nur direkt alle Gesetze aufgehoben, die die Frau benachteiligten, sondern auch Frauenorganisationen geschaffen, die prominent in den Staat integriert wurden und in den Betrieben dafür kämpften, dass die Gleichstellung immer weiter vorangetrieben wurde. Für die Kinder wurden Betreuungseinrichtungen massiv ausgebaut. Kindergärten, Kinderkrippen, Schulhorte und die Einführung der Ganztagsschule, jeweils natürlich mit Essensversorgung, reduzierten den Aufwand für die Kindererziehung erheblich. Die Angebote waren nahezu kostenlos und stellten eine ganztägige Betreuung der Kinder sicher. Unter anderem durch den Ausbau von Wäschereien, Kantinen und vielen anderen Einrichtungen konnte die notwendige Hausarbeit erheblich reduziert werden. Mit dem „Babyjahr“ konnten Frauen (später auch Männer) unter Kündigungsschutz und Krankengeldzahlung das erste Jahr bis zur Kinderkrippe überbrücken, ohne einer extremen Mehrfachbelastung ausgesetzt zu sein. Alleinstehende Mütter wurden bei der Vergabe von Wohnraum und Arbeitsplätzen bevorzugt.

Mit der kostenlosen „Wunschkindpille“ und der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen konnten die Frauen schließlich die Familien- und Lebensplanung noch bewusster gestalten und mündig über ihren eigenen Körper bestimmen. Der Effekt dieser Politik war erheblich. Die Hilfen für werdende Mütter führten dazu, dass die DDR zu einem der Länder mit der niedrigsten Mütter- und Säuglingssterblichkeit in der Welt wurde8 und eine deutlich höhere Geburtenrate als die BRD aufwies.9 Die materielle Absicherung und infrastrukturelle Unterstützung durch bevorzugte Wohnraumvergabe, Beihilfezahlungen, Arbeitsplatzgarantie, Kinderkrippen und vieles mehr führte dazu, dass DDR-Frauen im Durchschnitt schon mit 22 bis 23 Jahren Kinder bekamen.10 Die Angst davor, finanziell nicht gut genug aufgestellt zu sein oder nicht ausreichend Zeit fürs Kind zu haben, war kein Grund mehr dafür, keine Kinder zu bekommen.

Im Bereich der Arbeitsmarktintegration schaffte es die DDR tatsächlich zur höchsten Erwerbsquote von Frauen auf der Welt.11 Der Anteil der Studentinnen an den Unis stieg sogar auf über die Hälfte.12 Auch unter Richtern und Betriebsgewerkschaftsleitungen lag der Anteil der Frauen zum Ende der DDR bei um die 50 Prozent.13 Frauen, die nur noch an den Haushalt gefesselt waren, gab es in der DDR zum Schluss kaum noch. Mit der wirtschaftlichen Integration wurde die Frau ökonomisch selbstständig, sie war nicht mehr abhängig vom Mann. Außerdem wurde sie durch die Betriebe, mit deren vielfältigen Kultur- und Sportangeboten, aber auch mit der Aktivität in den Gewerkschaften, Frauenausschüssen usw. breit ins gesellschaftliche Leben integriert. Tatsächlich verbesserte sich auch das Sexleben für die Frauen enorm.14 Juristisch einfache Scheidungen und die überwundene ökonomische Abhängigkeit vom Mann führten dazu, dass Paare sich viel häufiger tatsächlich liebten. Wenn die Frauen nichts mehr für ihre Männer empfanden oder schlecht behandelt wurden, brauchten sie durch eine Scheidung nichts zu befürchten und konnten sich auf die Suche nach neuer Liebe machen. In der DDR war die Scheidungsrate folgerichtig um 50 Prozent höher als in der BRD.15

Auch auf politischer Ebene ermöglichten die Frauenförderprogramme eine breite Partizipation der Frauen. Ihr Anteil in der Volkskammer stieg auf ein Drittel.16 Zum Vergleich: Der Frauenanteil im Bundestag in den 70er Jahren war gerade einmal 5,8 Prozent.17
Dadurch, dass Frauen, insbesondere auch Arbeiterfrauen, die materiellen und infrastrukturellen Voraussetzungen dafür hatten, sich am politischen Leben aktiv zu beteiligen, stieg ihre Repräsentation insgesamt stark an.

Natürlich gab es weiterhin Sexismus in der DDR. Unter anderem die ungenügende Auseinandersetzung mit dem männlichen Rollenbild führte dazu, dass bis zum Ende der DDR Frauen deutlich mehr Hausarbeit leisteten als Männer. Probleme wie Lohnunterschiede und auch sexualisierte Gewalt waren noch nicht ganz behoben.
Doch in nur 40 Jahren wurden die DDR-Frauen insgesamt, trotz Fehlern und einem sehr reaktionären Frauenbild unmittelbar nach dem deutschen Faschismus, von degradierten Hausfrauen zu selbstbewussten, ökonomisch selbstständigen und politisch involvierten Frauen, die sich in großen Schritten auf die völlige Emanzipation zubewegten. Für letztere hatte die DDR erstmals die Voraussetzungen geschaffen.

Gesundheit war in der DDR keine Ware

Auf Grundlage des in der Verfassung festgeschriebenen Rechts auf Gesundheit war die gesundheitliche Versorgung kostenfrei organisiert. Polikliniken mit verschiedenen medizinischen Fachbereichen in der Stadt, Ambulatorien mit Ärzten und Pflegern auf dem Land, ein enges Netz von Gemeindeschwestern sowie die für den Gesundheitsschutz zuständigen Gesundheitsämter sorgten für eine rasche und sehr umfängliche Versorgung der Erkrankten. Lange Wartezeiten für einen Arzttermin oder die privilegierte Behandlung von Privatpatienten gab es in der DDR nicht.

Da sich das Gesundheitssystem der DDR in Volkseigentum befand, war es vom kapitalistischen Profitzwang befreit. Fallpauschalen, Wettbewerb und Insolvenz gab es nicht – Gesundheit war keine Ware mehr, und der Patient kein Kunde. Trotz 30 Jahren massiver Anti-DDR-Propaganda und realen Problemen des DDR-Gesundheitssystems, wie die Abwanderung von Ärzten oder Engpässe bei modernen Importgeräten, bleibt es deshalb bei den ehemaligen DDR-Bürgern hoch angerechnet. 84 Prozent von ihnen halten die Krankenhäuser und Kliniken der DDR für eine Errungenschaft, die „hätte bewahrt werden sollen“.18

Ein wichtiges Merkmal des DDR-Gesundheitssystems war die Kostenfreiheit und allgemeine Zugänglichkeit. Jegliche ärztliche Beratung, Medikamente, Hilfsmittel wie etwa Prothesen, Behandlungen, aufwändige Operationen, Zusatzuntersuchungen und Kuraufenthalte (auch prophylaktische Kuraufenthalte) waren in der DDR vollkommen kostenfrei. Alles wurde durch die Sozialversicherung übernommen, in die alle einzahlten. Somit hatte jeder DDR-Bürger auch gleichermaßen das Recht auf die kompliziertesten und modernsten Behandlungsverfahren – die Zwei-Klassen-Medizin war abgeschafft. Mit einem umfassenden Netz von Landambulatorien, Gemeindeschwesternstationen und Röntgenfahrzeugen für die Prophylaxe auf dem Land, wurde in der DDR ein lückenloses Netz ärztlicher Betreuungseinrichtungen geschaffen. Die maximale Entfernung zur nächsten Betreuungseinrichtung betrug in der DDR lediglich 20 Kilometer.19 Kostenfreiheit, Zugänglichkeit und die prophylaktische Orientierung im DDR-Gesundheitswesen wirkten sich auch darauf aus, wie oft die DDR-Bürger zu Ärzten gegangen sind. Im Jahr 1980 ist der DDR-Bürger durchschnittlich neun Mal im Jahr zum Arzt gegangen20 – das ist etwa doppelt so oft wie in der BRD zur gleichen Zeit.

Die DDR war der antifaschistische Staat

Das Selbstverständnis der SBZ/DDR als antifaschistischer Staat blieb nicht bei leeren Worten: Alleine 1948 und 1949 wurden dort mehr NS-Verbrecher verurteilt als im westlichen Teil Deutschlands von 1945 bis 1989 insgesamt. Und das obwohl die DDR nur ein Drittel der Einwohner der BRD hatte und die meisten ranghohen Faschisten bereits, um einer konsequenten Bestrafung zu entgehen, in die Westzonen geflüchtet waren.21 Im Fokus der antifaschistischen Fahndung der DDR standen hauptsächlich ranghohe, leitende Faschisten und Kapitalisten, die Hitler an die Macht hievten und von Zwangsarbeit, Rüstungsproduktion und territorialer Expansion profitierten. Die Strafverfolgung der BRD richtete sich hingegen fast ausschließlich gegen die untersten Chargen der SS- und KZ-Mörder, während die in exponierten Stellungen tätig gewesenen Schreibtischtäter und Hintermänner verschont blieben und sogar hohe Ämter wie das des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers besetzten.22

Doch die DDR blieb nicht dabei stehen, NS-Verbrecher zu verfolgen, sondern sie beseitigte gründlich die Ursachen des Faschismus. Als kapitalistische Herrschaftsstrategie ist der Faschismus schließlich nicht vom Kapitalismus zu trennen. Er wird bewusst von der Bourgeoisie als offen terroristische Herrschaftsform genutzt, wenn die bürgerliche Demokratie nicht mehr ausreichend Integrationspotential bietet, die Arbeiterbewegung zu einer ernsthaften Gefahr für die Kapitalherrschaft wird oder die Gesellschaft für einen Krieg „auf Linie“ gebracht werden muss. Boden und Produktionsmittel wurden in der DDR deshalb vergesellschaftet, die Wirtschaft wurde einheitlich im Interesse des werktätigen Volkes geplant. Es gab keine großen Privateigentümer mehr, die durch ihren Profitzwang ein Interesse an Krieg und Spaltung entwickeln konnten. In der sozialistischen Umwälzung liegt der größte und wichtigste antifaschistische Schritt.

Von Beginn an spielte die Auseinandersetzung mit dem historischen Faschismus eine zentrale Rolle. Die Filmindustrie arbeitete die faschistische Geschichte mit grandiosen Filmen wie „Wege übers Land“, „Nackt unter Wölfen“ und „Rat der Götter“ auf. In den Schulen wurden Gesprächsrunden mit KZ-Überlebenden organisiert, das gesamte Bildungssystem wurde explizit antifaschistisch ausgerichtet. Möglich war das, da die Führungspersonen im Staat selber Verfolgte des Naziregimes waren und ein ehrliches Interesse an der Aufarbeitung der Geschichte hatten. Weil sie nicht mehr kapitalistisch war, konnten in der DDR der Charakter des Faschismus als bürgerliche Klassendiktatur gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung und der breite kommunistische Widerstand wirklich verstanden und vermittelt werden.

Heute finden wir ein Bild vor, das nicht ganz zum erfolgreichen DDR-Antifaschismus zu passen scheint. Den bürgerlichen Apologeten kommt das gerade recht, um den Rechtsruck im Osten mit der sozialistischen Vergangenheit in Verbindung zu bringen. Eine rechtsextreme Szene gab es in der DDR tatsächlich. Vor allem in den späten 80er Jahren entwickelten sich zunehmend Gruppen von Hooligans und Skinheads, die häufig mit Nazis in der BRD in Kontakt standen. Diese Entwicklung ist sicherlich auf Fehler der Staatsführung und die Zerfallserscheinungen der DDR zurückzuführen: Die wirtschaftlichen Probleme, die Demokratie, die teilweise zu einer leeren Hülle verkam und das Fehlen einer modernen, fortschrittlichen Jugendkultur ermöglichte diesen Trend bei gleichzeitig mangelhafter öffentlicher und politischer Problematisierung. Doch erst nach der Konterrevolution explodierte die faschistische Szene. Diese hatte wieder legale Organisierungsmöglichkeiten, zudem gab es von westdeutschen Nazis, z.B. von der FAP, eine breite Offensive in den neuen Bundesländern. Auf fruchtbaren Boden fällt ihre Politik vor allem, da die Wende mit ihren „Systemparteien“ eine drastische Verschlechterung der Lebensbedingungen brachte und die naheliegende Alternative, der Sozialismus, vorerst mit dem Makel des Scheiterns belegt ist.

Die DDR zeigt uns an vielen Stellen, was wir beim sozialistischen Aufbau falsch machen können. Eine fundierte Analyse ihrer Geschichte und die richtigen Schlussfolgerungen daraus sind eine notwendige Bedingung dafür, dass der nächste sozialistische Anlauf nicht wieder in eine Konterrevolution führt und dass wieder Menschenmassen in Deutschland überzeugt und zuversichtlich für die Revolution kämpfen. Gleichzeitig zeigt uns die DDR aber auch, welche großen Errungenschaften der Sozialismus für die breite Gesellschaft bereithalten kann. Sie zeigt uns, dass viele Probleme, die uns heute quälen, nicht nur abstrakt im Sozialismus gelöst werden könnten, sondern in diesem Land schon lange zurückgedrängt wurden. Brechen wir mit dem DDR-Tabu. Schauen wir in die Geschichte, finden wir ein Stück Zukunft.

1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/13027/umfrage/beurteilung-des-lebens-in-der-ddr.

2 vgl. https://www.verfassungen.de/ddr/arbeitsgesetzbuch77.htm.

3 Rosenschon, Astrid (1990): Zum System der sozialen Sicherheit in der DDR, Die Weltwirtschaft, ISSN 0043-2652, Springer, Heidelberg, Iss. 1, S. 93.

4 https://www.ziltendorf.com/service/Rezepte/DDR/preise.htm.

5 https://dasblatt.sites.uiowa.edu/news/2021/04/die-bundesrepublik-und-apartheid-die-beziehung-zwischen-der-brd-und-sudafrika.

6 https://ifddr.org/studien/studies-on-the-ddr/auferstanden-aus-ruinen.

7 ebd.

8 DDR: 300 Fragen – 300 Antworten. Verlag die Wirtschaft Berlin, 1964, S. 67.

9 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/554952/umfrage/fertilitaetsrate-in-der-brd-und-ddr.

10 Statistisches Bundesamt, Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland, 2013, S. 19.

11 https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93168/8018cef974d4ecaa075ab3f46051a479/25-jahre-deutsche-einheit-gleichstellung-und-geschlechtergerechtigkeit-in-ostdeutschland-und-westdeutschland-data.pdf, S. 10.

12 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1148156/umfrage/weibliche-studierende-in-deutschland.

13 Shaw, Gisela, Juristinnen in den neuen Bundesländern, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie, 2/1994, S. 191-207 (193).

14 Ehrliche Liebe und weniger Sorgen und Ängste führten unter anderem dazu, dass Frauen in der DDR im Schnitt doppelt so viele Orgasmen hatten wie in der BRD: https://www.tagesanzeiger.ch/warum-ddr-frauen-den-besseren-sex-hatten-887563131525.

15 https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/L128-Ehescheidungen-West-Ost-ab-1950.html.

16 Patzelt, Werner J./ Schirmer, Roland [Hrsg.] (2002): Die Volkskammer der DDR. Sozialistischer Parlamentarismus in Theorie und Praxis. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden, S. 362.

17 https://www.das-parlament.de/inland/bundestag/8-fakten-und-kuriositaeten-aus-75-jahren-bundestag.

18 https://www.focus.de/politik/deutschland/ein-paralleluniversum-namens-ddr-gesundheitssystem_id_2790140.html.

19 Kleine Enzyklopädie Gesundheit, VEB Bibliographisches Institut Leipzig (DDR), 1980, S. 576.

20 ebd.

21 Wolff, Friedrich (2005): Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz, edition ost: Berlin, S. 154.

22 vgl. Nationalrat der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland (1968): Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der BRD, Staatsverlag der DDR: Berlin.

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