Antikommunismus im Gewand der Meinungsfreiheit – Studentische Selbstverwaltung auf Abwegen

Der Leipziger Studierendenrat (StuRa) beschloss kürzlich den Boykott der Kommunistischen Organisation sowie anderer linker und kommunistischer Strukturen. Der Beschluss mit dem zynischen Titel „Meinungsfreiheit und freie Rede“ ist nicht nur ein Tiefpunkt der Leipziger Hochschulpolitik, sondern ein Angriff auf wirkliche Meinungsfreiheit und Teil einer breiten antikommunistischen Hetze auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Wir verurteilen diese Attacke und fordern eine Aufhebung des Beschlusses sowie Solidarität mit allen Betroffenen.


Am 04.01.2022 beschloss der StuRa der Universität Leipzig, die „Kommunistische Organisation […] sowie Gruppen bzw. Veranstalter_innen, die mit den Genannten kooperieren, von seinen ideellen wie finanziellen Fördermöglichkeiten auszuschließen“. Aus „ideologischen Gründen (wie beispielsweise antiimperialistischem Weltbild)“ wird der KO die Unvereinbarkeit ausgesprochen. Die KO selbst wurde über diesen Unvereinbarkeitsbeschluss allerdings nicht informiert, was bemerkenswert ist, wenn es angeblich um die Diskussion und freie Meinungsbildung gehen soll. Der Beschluss betrifft auch weitere Gruppen, die sich als kommunistisch verstehen: Sozialistische Organisation Solidarität (SOL), Rote Wende, Roter Aufbau, International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), Revolution, Kommunistischer Aufbau, Kommunistische Jugend, Kommunistische Frauen. All diese „sowie Gruppen bzw. Veranstalter_innen, die mit den Genannten kooperieren“ sollen also vom Campus entfernt werden. Offensichtlich ist das ein Versuch, sich unliebsame politische Akteure vom Halse zu halten ─ ein Kahlschlag gegen Kommunisten an der Hochschule.

Damit steht der Antrag in einer unsäglichen Tradition der Bekämpfung von kommunistischen Inhalten an der Universität durch den StuRa. Als Aufhänger und entscheidendes Instrument dieser Politik dient immer wieder die angebliche Bekämpfung des Antisemitismus: Im Jahr 2016 wurde ein Unvereinbarkeitsbeschluss gegen alle Akteure verabschiedet, die etwas mit der BDS-Kampagne zu tun hatten. In der Folge wurden jene linken Hochschulgruppen massiv angegangen. 2017 wurde der trotzkistischen Hochschulgruppe IYSSE aufgrund fadenscheiniger Verschwörungstheorie- und Antisemitismusvorwürfe der Status als Hochschul-AG verweigert.1 Auch dem Leipziger globalisierungskritischen Filmfestival GlobaLE wurden immer wieder Fördermittel entzogen – aufgrund von absurden Antisemitismusvorwürfen oder wie zuletzt, weil zwei Dokumentarfilme zur DDR der Kommunistischen Organisation gezeigt wurden. Einen Tiefpunkt erlebten wir im Jahr 2018, als der StuRa einer Veranstaltung im Rahmen der Reihe „70 Jahre Israel“, auf der der Bahamas-Redakteur Thomas Maul sprechen sollte, erst nach öffentlichem Druck seine finanzielle Unterstützung entzog. Der eingeladene Referent war bekannt als Linkenhasser und islamfeindlicher Rassist und hatte kurz vor seinem geplanten Besuch in Leipzig die AfD als „EINZIGE Stimme der Restvernunft im Deutschen Bundestag“ bezeichnet.2 Im Jahr 2020 nahm das studentische Gremium dann die Antisemitismus-Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) an.3 Wesentlicher Inhalt dieser „Definition“ ist die Gleichsetzung von Kritik an der israelischen Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser mit einem antisemitischen Motiv. So dient sie als Instrument der Bekämpfung von unliebsamen Stimmen durch eine schamlose Instrumentalisierung des Kampfes gegen Antisemitismus.4

Es ist eine Politik der Verdrehung von Begriffen zur Verunmöglichung der Diskussion durch plumpe Verleumdung, die im Leipziger StuRa fest verankert zu sein scheint. Jene, die diese Politik betreiben, benutzen nun dreist den Begriff der Meinungsfreiheit, um das Gegenteil damit zu erreichen. Der Beschluss ist eine Maßnahme, der abermals jene zu tabuisieren versucht, die auf dem antikommunistischen Radar der Antragsteller erscheinen.

Antisemitismus und „Totalitarismus“ – Waffen gegen den Kommunismus

Es ist sicherlich keine neuartige Methode bürgerlicher Politik, politische Gegner mit unbegründeten Vorwürfen und Verdrehungen ihrer Positionen mundtot zu machen. Antisemitismus und „Totalitarismus“ haben sich dafür als besonders effektive Kampfbegriffe etabliert.

Der Antisemitismusvorwurf des Antrags folgt einer Logik, welche den Antisemitismusbegriff entleert und dadurch von der vorhandenen Gefahr durch wirklichen Antisemitismus sowie Rassismus ablenkt. Für den StuRa gilt jede Kritik am Staat Israel – demnach auch jede Kritik an Krieg und kolonialer Unterdrückung – als antisemitisch. Wer, wie der StuRa, eine solche Definition vom Antisemitismus nutzt, vermischt Judentum, Zionismus und die Politik des Staates Israel in absichtsvoller Weise. Es wird eine Gleichheit von Dingen konstruiert, die gar nicht gleich zu setzen sind. Wer die Interessen des imperialistischen zionistischen Staates Israel als Verteidigung der Juden charakterisiert und verteidigt, der verbindet den Kampf gegen Antisemitismus mit der Realität der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Rassismus wird so nicht bekämpft – im Gegenteil wird der antimuslimische und antiarabische Rassismus, der die israelische Besatzung legitimieren soll, schlicht übernommen.

Der StuRa will den Kampf gegen koloniale Unterdrückung und die Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand vom Campus verbannen. Aber durch eben diese Entstellung des Kampfes gegen Antisemitismus reiht er sich in die Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Muslime ein. Eine Normalisierung, mit der sich der StuRa in letzter Konsequenz mit den Rechten von AfD und Co. gemein macht. Diese widerwärtige Hetze zeigte in Leipzig erst kürzlich ihre Wirkung, als aus einer „linken“ Demonstration heraus eine Moschee angegriffen wurde.5

Als antikommunistische Hauptwaffe nutzt der Antrag jedoch den Vorwurf des „Totalitarismus“. Dieser Begriff wurde nach 1945 zu einem pseudowissenschaftlichen System ausgebaut, dessen Kern die Entstellung von historischen Tatsachen und Erfahrungen darstellt, um damit eine Wesensgleichheit zwischen Faschismus und Sozialismus/Kommunismus zu konstruieren. In Wirklichkeit dienen beide entgegengesetzten Interessen: Während der Faschismus Rassismus, Krieg, Unterdrückung und Vernichtung mit sich bringt, gerade um die kapitalistische Herrschaft abzusichern, ist der wesentliche Inhalt des Sozialismus die Befreiung der Menschheit vom Kapitalismus. Der Sozialismus soll mit dem Hitlerfaschismus in Verbindung gebracht werden, um positiven Bezügen zum Sozialismus und einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Geschichte entgegenzuwirken. Die Übernahme dieses zutiefst bürgerlichen Anliegens, den Sozialismus wo es nur geht zu verunglimpfen, spricht Bände über die politische Verortung der Antragsteller.

Gegen Antikommunistische Hetze an der Hochschule

Der StuRa-Antrag verdeutlicht, dass der Antikommunismus im Namen der Demokratie und Meinungsfreiheit auch keinen Halt vor der Hochschule macht. Indem der StuRa die Meinungsfreiheit als Legitimation für das Verbot antiimperialistischer Positionen nutzt, führt er einerseits seine eigene Argumentation ins Absurde, andererseits demonstriert er den wahren Charakter der bürgerlichen Demokratie: Meinungsfreiheit gibt es nur für diejenigen, die sich hinter die Interessen des eigenen Imperialismus stellen. In einer Zeit, in der viele junge Menschen auf der Suche nach gesellschaftlichen Alternativen sind, versuchen die Kräfte, die u.a. im StuRa tonangebend sind, eben jene Alternativen zu diskreditieren und zu verleumden. Diese bürgerliche Hegemonie ist das Ergebnis des Wirkens von Antikommunisten in linken Organisationen, den Gewerkschaften, der linken Szene oder eben auch im StuRa.

Es wird Zeit, sich diesen Kräften entgegenzustellen. Wir nehmen diesen Antikommunismus nicht hin und wehren uns gegen die verleumderischen Vorwürfe. Wir treten für eine antiimperialistische – das heißt eine wirklich antikapitalistische, eine wirklich antirassistische und eine wirklich antimilitaristische – Politik an der Hochschule ein.

Deshalb fordern wir:

Die Aufhebung des StuRa-Beschlusses!

Die Solidarität mit den Betroffenen!

Das Ende der antikommunistischen Hetze an der Hochschule!

1 https://www.wsws.org/de/articles/2017/11/11/stur-n11.html und https://www.luhze.de/2019/11/12/linke-hochschulgruppe-wirft-uni-stura-zensur-vor/

2 https://www.thomasmaul.de/2018/05/afd-als-einzige-stimme-der-restvernunft.html

3 https://stura.uni-leipzig.de/beschlussdatenbank/

4 https://www.juedische-stimme.de/2021/01/19/stellungnahme-zum-eu-handbuch-zur-anwendung-der-ihra-arbeitsdefinition-des-antisemitismus/

5 https://kommunistischepartei.de/stellungnahmen/angriff-auf-eine-moschee-in-leipzig-arbeiterfeindlich-rassistisch-pro-imperialistisch/

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