Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)
Der Text als pdf
Ein Gastbeitrag von Michael Kubi (KPD)
Liebe Genossen der KO, mit Interesse verfolgte ich die Diskussionen um die Massenarbeit. Mit ebenso großem Interesse verfolge ich auch eure Diskussionen zur Klimapolitik, nicht zuletzt, weil es mit meinem Arbeitsgebiet gewisse Parallelen gibt. Bisher sind bei euch zwei Diskussionspapiere erschienen: „Wir werden nicht in Panik geraten Thesen zu Klima, Apokalypse und Sozialismusvorstellungen“ von Philipp Kissel, Klara Bina und David Mayer (in Folge Kissel et al. genannt) und „Kapitalismus, ökologische Zerstörung und kommunistische Strategie“ von Thanasis Spanidis, Jakob Schulze, Ernesto Camillo und Hans-Christoph Stoodt (in Folge Spanidis et al. genannt). Ich möchte zu dieser Diskussion meinen Beitrag leisten.
Zu allererst: Der Klimawandel ist real, CO2 aus anthropogenen Ursachen ist die Hauptursache des aktuellen Klimawandels. Spanidis et al. haben dies in ihrem Text anhand wissenschaftlicher Literatur gut begründet. Der Artikel von Spanidis et al. konnte auch die Hintergründe der sogenannten „Skeptiker-Szene“ nachweisen, dass diese direkt von der Industrie bezahlte Pseudowissenschaftler und PR-Manager sind, die mit Wissenschaft und Forschung nichts gemeinsam haben. Man könnte zum Klimawandel und zur „Skeptiker-Szene“ sicherlich mehr hinzufügen und in einigen Texten hatte ich auf meiner eigenen Homepage (www.Internet-Evoluzzer.de) einige Artikel zu diesem Thema selbst verfasst. Doch bei mir soll es nicht um eine Konkretisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse gehen. Das würde den Artikel unnötig lang machen und vieles aus Spanidis et al. wiederholen. Seiten wie www.klimafakten.de und https://skepticalscience.com/ sind die hierzu besten Seiten, sich mit weiteren Fragen des Klimas auseinanderzusetzen. Daher werde ich (erstmal) nicht viel zur Klimawissenschaft beitragen wollen – es sei denn zukünftige Diskussionen erfordern dies. Mein Hauptaugenmerk soll sich auf den Text von Genossen Kissel et al. richten, der meines Erachtens nach einige Unzulänglichkeiten hat (die sich aber wohl im Verlauf der Diskussion lösen lassen). Ich beginne hier mit einigen Definitionsfragen.
Zu den Begrifflichkeiten „Experten“, „Natur“ und „Gleichgewicht“
Kissel et al. schreiben, dass sie keine Experten auf diesem Gebiet sind und es nicht möglich sei Experte auf diesem Gebiet zu werden, daher sprechen sie nicht über das naturwissenschaftliche Phänomen der globalen Erwärmung, sondern konzentrieren sich auf die politische Dimension. Darin unterscheiden sie sich vom Artikel von Spanidis et al., welcher recht umfassend das derzeitige Thema der globalen Erwärmung aufgreift. Natürlich können wir nicht in allen Belangen „Experten“ sein. Experten definieren sich dadurch, dass sie sich in einem Thema besonders gut, teilweise bis ins letzte Detail, auskennen. Dennoch halte ich es für wichtig und notwendig, dass man sich bei der Frage „Klimawandel“ mit der wissenschaftlichen Problematik und den Tatsachen auseinandersetzt; keineswegs bis ins letzte Detail, wohl aber sollte ein guter Überblick erfolgen, die wissenschaftlichen Debatten und Arbeiten bekannt sein. Denn um eine richtige Einschätzung der politischen Lage zu haben, bedarf es der vorherigen Analyse. Wer zur Klimapolitik was sagen möchte, sollte die Klimawissenschaft zumindest soweit kennen, sich ein Bild machen zu können – dazu zählen auch die Pseudoargumente der „Skeptiker-Szene“ (die ich lieber „Wissenschaftsleugner“ nenne, da sie oft in einem Boot mit anderen Wissenschaftsleugnern wie Esoterikern, Kreationisten und Impfgegnern stecken und offen antikommunistische, „markt-liberale“ Positionen verkünden). Diesen Punkt haben Spanidis et al. ebenfalls verdeutlicht, was ich nochmals bekräftigen möchte. Engels setzte sich in „Dialektik der Natur“ und „Anti-Dühring“ und Lenin in „Materialismus und Empiriokritizismus“ mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auseinander, um wichtige philosophische und politische Fragen zu erarbeiten. Grundsätzlich ist die Analyse einer jeglichen Thematik Voraussetzung dafür, die politische Praxis zu verstehen. Natürlich darf man es aber auch hier nicht übertreiben: Sich nur auf die Klimathematik zu konzentrieren, sich nur mit den naturwissenschaftlichen Fakten auseinanderzusetzen und seine Zeit komplett in diese Analyse zu stecken ist kontraproduktiv, da man sich so von der politischen Arbeit abkapselt.
Kissel et al. geben in Bezug des Begriffes „Natur“ folgende Definitionen:
„Die Natur ist nichts statisches, auch gibt es keinen Idealzustand. Die Natur befindet sich in einem stetigen Wandel, Veränderung ist der Normalzustand. Es gibt genau so wenig einen gleichbleibenden Kreislauf oder ein Gleichgewicht. (…) Es gibt nichts für die Natur Gutes oder Schlechtes. Natur ist blindes Wirken, also keine bewusste Entwicklung. Gesetzmäßigkeiten wirken in der Natur ohne dass es darüber ein Urteil gibt. Natürliche Entwicklung beinhaltet eine unaufhaltsame Formveränderung der Materie – es wird viel zerstört. Weitet man den Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Natur, finden man gewaltige Umwälzungen. Bis hierhin wollen wir nur sagen: es gibt nicht die eine Natur und das, was wir als Natur bezeichnen ist nichts als Wandel.“
Kissel et al. definieren die Natur durch ihren stetigen Wandel und dass diese blind wirkt, also keine Urteile über „gut“ oder „schlecht“ fällt. Während in der Natur ein stetiger Wandel wirkt, und diese Kräfte blind wirken, ist durchaus richtig, es wird jedoch keine vollständige Definition der Natur geliefert. Natur alleine durch ihren Wandel und ihre „Blindheit“ zu definieren wird diesem Begriff nicht gerecht; beschreibt ihn unzureichend. Ich möchte daher aus dem „Kleinen Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie“ zitieren (S. 200), das den Begriff „Natur“ wie folgt definiert:
„Natur: im weitesten Sinne die Gesamtheit aller materiellen Gegenstände, Strukturen und Prozesse in der unendlichen Mannigfaltigkeit ihrer Erscheinungsformen. In dieser Bedeutung ist der Begriff der ‚Natur‘ identisch mit den Begriffen ‚Universum‘, ‚Weltall‘, ‚Materie‘ und ‚objektive Realität‘. Die Natur existiert ewig und unendlich in einem ständigen Entwicklungsprozess, in dem immer neue Formen entstehen und andere vergehen“.
Nachdem das Wörterbuch die Unterschiede zwischen unbelebter und belebter Natur erklärt, schreiben sie in Bezug zur Gesellschaft (die als höchste Form der belebten Natur verstanden wird):
„Die Gesellschaft geht aus der Entwicklung der Natur hervor und bleibt Teil des Naturzusammenhangs. Aber ihre Entstehung bedeutet den wichtigsten qualitativen Sprung in der Entwicklung der Natur, denn die Gesellschaft gewinnt die Fähigkeit, sich der übrigen Natur entgegenzustellen, sie durch die Arbeit zielstrebig zu verändern und schließlich in wachsendem Maße zu beherrschen. Allerdings kann der Mensch die Natur nicht beherrschen wie der Eroberer fremdes Land, sondern nur dadurch, dass er ihre objektiven Gesetzmäßigkeiten erkennt und richtig anwendet.“
In diesem Zusammenhang – der Erkennung und der Nutzung der Natur im Sinne des Menschen – versteht man unter Natur auch „die natürlichen Existenzbedingungen der menschlichen Gesellschaft, dass natürliche Milieu und die gesamte der Gesellschaft gegenüberstehende natürliche Welt.“
Hier wird eines deutlich: Natur definiert sich nicht nur über ihre Veränderung und ihre Blindheit. Zum einen ist die menschliche Gesellschaft Teil der Natur (im Sinne der sich bewegenden Materie), zum anderen unterscheiden wir unsere Gesellschaft von dem Rest der belebten und unbelebten Natur bzw. Materie. Zum einen besteht eine Einheit zwischen diesen Existenzformen der Materie, die Natur als Existenzbedingung der Erde und unserer Gesellschaft. Denn die menschliche Gesellschaft ist ohne die Naturgesetze nicht lebensfähig bzw. hätte sich ohne den evolutionären Wandel der Natur überhaupt nicht bilden können. Zum anderen unterscheiden sich gewisse Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Gesellschaft, die nur in ihr wirken, von den Gesetzmäßigkeiten in den anderen Existenzformen der Materie. Salopp ausgedrückt: Der Widerspruch zwischen Eigentumsverhältnissen und den Produktivkräften ist etwas spezifisch in der menschlichen Gesellschaft Wirkendes, während physikalische, chemische oder gar biologische Gesetzmäßigkeiten keinen oder einen sehr geringen Einfluss auf die Geschichte der Gesellschaftsformationen einnehmen (die Schwerkraft kann nicht erklären wie sich die Urgesellschaft in eine Klassengesellschaft verwandeln konnte).
Auch
wird der Begriff des „Gleichgewichts“ im Artikel von Kissel et
al. unvollständig aufgefasst. Natürlich gibt es kein „ewiges“
Gleichgewicht in der Natur. Die 4,5 Mrd. Jahre Erdgeschichte beweist,
dass sich das Klima, die Kontinente und die Tierwelt änderten.
Jedoch heißt das nicht automatisch, dass ein ökologisches oder
sonstiges Gleichgewicht bloß eine Vorstellung des Menschen ist.
Relativ gesehen, also über bestimmte Zeitperioden, sind
Gleichgewichte in der Natur durchaus vorhanden. So besteht im
Stoffwechsel der Natur das chemische Gleichgewicht zwischen
Photosynthese und Atmung. Generell ist die Chemie voller
Gleichgewichtsreaktionen zwischen Entstehen und Vergehen chemischer
Verbindungen. Auch unser Körper hat ein gewisses Gleichgewicht, z.
B. dass Zellen absterben und durch neue ersetzt werden. Natürlich
ist solch ein Gleichgewicht nicht unveränderlich, sondern in seiner
Form dynamisch. In einem Heft zur Evolution lesen wir:
„Im
Kreislauf von Materie und Energie wird ständig organische Substanz
aufgebaut und Sauerstoff freigesetzt, und ständig wird organische
Substanz abgebaut und damit Sauerstoff verbraucht. Aufbau und Abbau
stehen in einem dynamischen Gleichgewicht. Das Gegenteil, nämlich
ein statisches, d. h. endgültiges Gleichgewicht wäre nur dann
erreicht, wenn Aufbau und Abbau beendet würden. Dann nämlich würden
alle möglichen chemischen Reaktionen stattfinden, bis kein Stoff
mehr mit einem anderen reagieren könnte, zum Schluss würden alle
Stoffe im stabilen Gleichgewicht zueinander stehen.“
(Morphisto Querschnitte Heft 7: Die Evolution der Tiere; August 2007,
S. 16)
Das heißt konkret: Leben ermöglich ein dynamisches Gleichgewicht von Abbau und Aufbauprozessen. Das ist etwas, was die Naturwissenschaften, z. B. die Ökologie, unter Gleichgewicht versteht. Solche dynamischen Gleichgewichte sind natürlich durch verschiedene Einflüsse (z. B. Sonnenstrahlung, Bewegung der Kontinente, Stoffwechselprozesse) beeinflussbar und störbar. Es kommt zu quantitativen und qualitativen Veränderungen, so dass sich neue Gleichgewichte einpendeln. Hier spielt aber vor allem die Dimension Zeit eine tragende Rolle, was in der Frage der globalen Erwärmung eine wichtige Rolle spielt. Hier sei ein, erdgeschichtlich zu heute vergleichbares, Szenario vorgestellt:
Vor etwa 55,8 Mio. Jahren kam es zu einer nach geologischen Maßstäben sehr kurzen, aber extremen Erwärmungsphase, deren Dauern etwa 200.000 Jahre beträgt. Es kam zu einem starken Anstieg von Treibhausgasen, jedoch in einem Zeitraum von mehreren tausend Jahren, sodass sich die durchschnittliche globale Temperatur um 6-8 °C erhöhte. In der Klimaforschung gilt dies als die bislang schnellste Erderwärmung. Diese Erwärmungsphase dauerte jedoch mehrere tausend Jahre an, unsere läuft in wenigen Jahrzehnten ab, sodass sich Änderungen des Klimas viel schneller vollziehen werden. In diesem Sinne hat die jetzige globale Erwärmung eine durchaus nicht unbedeutende Tragweite, weil so sich bestehende „Gleichgewichte“ zu schnell ändern und auf Veränderungen nicht oder nicht so schnell reagieren können.
Wissenschaft und Klassengesellschaft
In Bezug zur Wissenschaft und Klassengesellschaft schreiben Kissel et al.:
„Die These, dass Naturwissenschaften eher weniger von der herrschenden Ideologie berührt werden würden, weil sie es mit härteren Fakten zu haben, ist fern von der Realität des Wissenschaftsbetriebs. Auch in den Naturwissenschaften werden idealistische und fragwürdige Hypothesen aufgestellt, die dann Scharen von Köpfe beschäftigen: z.B. in der Hirnforschung, die These, dass es keinen freien Willen gäbe oder Forschungen zu Bevölkerungswachstum, historisch das Beispiel der Eugenik, der „Rassenlehre“. Naturwissenschaftler sind nicht qua Beruf frei von der allgemeinen herrschenden Ideologie. Die Ängste und Bedürfnisse der herrschenden Klassen schlagen sich auch in ihren Köpfen nieder: Positivismus, Irrationalismus und Reaktion, Autoritarismus, Untertanengeist und vieles mehr sind bei Naturwissenschaftlern und anderen Wissenschaftlern gleichermaßen wirksam. Die Verbindung der Klimaforschung mit der Politik ist besonders offenkundig. (…) Die Wissenschaft dient der herrschenden Klasse, (…) Die Wissenschaft im Allgemeinen und die Naturwissenschaften im Konkreten sind keinesfalls neutral, wie leider zu oft behauptet wird. Viele Institute sind direkt oder indirekt von Unternehmen finanziert und das ist kein Geheimnis. Investitionen werden häufig in profitable Bereiche getätigt und nicht dort, wo es sich nicht lohnt, weil z.B. viele sich ein Medikament was erforscht wird nicht werden leisten können.“
Vieles was die Genossen hier sagen ist durchaus richtig, aber in meinen Augen unvollständig. Zweifelsohne ist die Wissenschaft nicht klassenneutral, steht also nicht über der Klassengesellschaft. Aber hier muss klar unterschieden werden zwischen der wissenschaftlichen Arbeitsmethode und Praxis auf der einen Seite und der philosophischen bzw. ideologischen Interpretation und ihrem Nutzen für die herrschende Klasse.
Das „kleine Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie“ definiert Wissenschaft wie folgt (S. 305-306):
„höchste Form der theoretischen Tätigkeit der Menschen und zugleich deren Resultat in Gestalt des aus dem gesellschaftlichen Erkenntnisprozess auf der Grundlage der Praxis hervorgehenden Systems von Erkenntnissen über die Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des Denkens (…) Die Wissenschaft ist sowohl als Form der gesellschaftlichen Tätigkeit der Menschen, soziale Institution wie auch ein System des Wissens über die objektive Realität in den materiellen Lebensprozess der Gesellschaft einbezogen und wird in ihren Existenzbedingungen, ihrer Entwicklung und ihrer Anwendung durch die Produktivkräfte und Produktionsverhältnissen der jeweiligen ökonomischen Gesellschaftsformation bestimmt und geprägt. In diesem Sinne gibt es eine sozialistische und eine kapitalistische Wissenschaft, die sich wesentlich voneinander unterscheiden, weil sie als Elemente in entgegengesetzte Gesellschaftssysteme eingehen. Das bezieht sich jedoch nicht auf den objektiven Inhalt der Erkenntnisse, die eine relativ adäquate Widerspiegelung der Eigenschaften, Strukturen und Gesetzmäßigkeiten bestimmter Objektbereiche sind; in diesem Sinne gibt es keine sozialistische oder kapitalistische Physik, Biologie, Chemie usw.“ (Hervorhebung von mir)
„Wissenschaft“ kann also mindestens drei verschiedene Dinge bedeuten, 1) der „Wissensinhalt“ verschiedener Disziplinen (wie in Physik, Chemie, Biologie) über das Universum; 2) die Prozesse, durch die dieses Verständnis erlangt wird (die „wissenschaftliche Methode“ und umfassendere Fragen der Wissenschaftsphilosophie); und 3) das Verhältnis der Wissenschaft zur Gesellschaft, insbesondere die Organisation, Finanzierung und Kontrolle der Forschung (in den Laboratorien der Universitäten, von Pharmaunternehmen oder innerhalb des „militärisch-industriellen Komplexes“) und wie der Zugang und die Nutzung dieses Wissens kontrolliert ist. Gerade letzterer Punkt lässt viele Menschen an der Wissenschaft zweifeln.
Heute ist die tägliche Arbeit der meisten Wissenschaftler Routine. Die meisten wissenschaftlichen Forschungen werden von kommerziellen Organisationen oder durch öffentliche Gelder durchgeführt oder finanziert. Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler sind Angestellte, die unter der Leitung ihrer Manager (oftmals unter befristeten Verträgen) an spezifischen Problemen arbeiten, die Teil eines größeren Ganzen sind, von dem sie häufig nichts wissen – eine Situation analog zum Taylorismus der Fabrikarbeit (Maximierung der Effizienz durch Zerlegung von Arbeitsplätzen in einfache Routineelemente) und Finanzierung entweder durch externe Zuschüsse oder direkt durch die Unternehmen, für die sie tätig sind. In diesem Sinne unterscheiden sich die meisten Wissenschaftler nicht von anderen Vertretern der arbeitenden Bevölkerung. Natürlich unterscheidet sich die konkrete Arbeit eines Wissenschaftlers von der eines Bäckers oder Automechaniker, gerade auch in Bezug des Anteils der geistigen Arbeit. Die Vorstellung jedoch, dass alle Wissenschaftler jenseits der Arbeiterklasse stehen ist eine veraltete Vorstellung des Proletariates, welches nur die Fließbandarbeiter sein können. Oftmals haben wissenschaftliche Fachkräfte, ob sie nun studiert haben oder eine Ausbildung als technischer Assistent gemacht haben, das Problem schlecht bezahlter Arbeit (im Verhältnis zur Komplexität ihrer Ausbildung – man bedenke, dass man mindestens 6 Jahre studiert, ohne für dieses Studium ein Ausbildungsgehalt zu bekommen, sofern man kein Stipendium oder BAföG erhält), viele Verträge in den Universitäten laufen nach wenigen Jahren aus, Doktoranden werden oftmals nicht bezahlt und die Universitäten immer schlechter finanziert. Auch in der Industrie (z. B. in Pharmaunternehmen) sieht die Lage oft nicht besser aus. In Bezug zur Klimawissenschaft heißt es:
Die meisten Klimawissenschaftler arbeiten in der Universität oder in öffentlichen Forschungseinrichtungen (z. B. PiK, Max-Planck-Institut, Senckenberg-Institut etc.), meist für Gehälter des öffentlichen Dienstes oder vergleichbarerer Tariftabellen – sicherlich hohe Gehälter verglichen mit der prekären Situation unausgebildeter Arbeitskräfte, jedoch auch nicht die Millionensummen der Manager und Aufsichtsräte der Energiekonzerne. Wer Klimawissenschaft betreibt, der macht es sicherlich nicht, um Riesenprofite zu erwirtschaften, da geht man besser in die Privatindustrie. Und genau das machen ja die Propagandisten der „Skeptikerszene“, z. B. sind Vertreter des EIKE-Instituts (eigentlich ein Verein, der keine Forschung betreibt), dem deutschen Ableger der „Klimaskeptiker“, hochrangige Vertreter und Aufsichtsräte von Energiekonzernen oder Lobbyisten von Großkonzernen aus der Branche der Ölindustrie. Der Artikel von Spanidis et al. hat dies auch nachgewiesen, weshalb das hier nicht nochmal aufgeführt werden soll.
Natürlich ist auch die Finanzierung von Universitäten und Forschungseinrichtungen zweifelsohne nicht unproblematisch. Zum einen versuchen immer mehr Unternehmen die öffentliche Forschung zu investieren und auch öffentliche Gelder sind die Gelder des kapitalistischen Staates. Doch sind zum einen solche Spenden in Anbetracht des Arbeitsaufwandes der Grundlagenforschung ein Tropfen auf den heißen Stein (in Bezug zu den erwirtschafteten Profiten) und nicht immer ein unmittelbares Profitinteresse, sondern nicht selten eine PR-Kampagne, um das „Image“ des Unternehmens aufzubessern, Steuervergünstigungen oder andere Vorteile zu haben. Universitäten haben aufgrund mangelnder Finanzen oftmals sogar keine andere Wahl, als diese Drittmittel zu beziehen. (vgl. Artikel im ntv: https://www.n-tv.de/politik/Unternehmen-auf-dem-Vormarsch-in-die-Uni-article14533331.html). Jedoch sind keine Lobbyisten-Gruppen mit der Grundlagenforschung, so auch in der Klimawissenschaft, bekannt, bei dem zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass Wissenschaftler im Interesse gewisser Konzerne Daten manipulieren etc. Das wäre auch sehr unwahrscheinlich, da alle wissenschaftlichen Institute in den verschiedenen Ländern, und alle Fachzeitschriften, egal, in welchem Land sie erscheinen, die Realität der globalen Erwärmung nachgewiesen haben. (vgl: https://skepticalscience.com/global-warming-scientific-consensus-intermediate.htm
Um
die Frage der Finanzierung von Klimawissenschaftlern zu beenden,
möchte ich ein Zitat der Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe
bringen:
„‘Der
Klimawandel ist ein Schwindel ….Gelddruckmaschine für
Wissenschaftler um an Fördergelder zu kommen…. Klimawandel ist
Sozialhilfe für Wissenschaftler!!‘
Ich bekomme regelmäßig solche Kommentare. Und wenn ich darauf hinweise, dass ein Geowissenschaftler mit einem Doktortitel wesentlich mehr Geld bei einer Ölfirma als an einer Universität verdienen könnte, treffe ich auf komplettes Unverständnis.
Woran liegt es, dass die Leute davon überzeugt sind, dass alle Klimawissenschaftler Millionen an Fördermitteln der Regierung auf ihren schweizer Bankkonten scheffeln (aber Bosse der Ölfirmen keine Milliarden in Konten auf den Cayman Inseln scheffeln)?
Zum Teil mag es daran liegen, dass Zuschüsse immer mit so enormen Summen verbunden zu sein scheinen. Und es ist wahr, der größte Zuschuss, den ich je erhalten habe, war der atemberaubende Betrag von 1,1 Mio. USD. Atemberaubend, das heißt, bis wir es aufschlüsseln.
Ich habe die Förderung mit 4 Kooperationspartnern aus verschiedenen Universitäten geschrieben. Also teilten wir das Geld zu gleichen Teilen auf und gaben jedem von uns etwa 220.000 Dollar. Immer noch ein netter Betrag.
Der Zuschuss war für 4 Jahre, was bedeutete, dass ich jedes Jahr 55.500 Dollar ausgeben konnte. Immer noch ganz nett, oder?
Dann bekommt die Universität 1/3 des Betrags für „Einrichtungen & Verwaltung“. Dadurch wird kein Luxus finanziert – mein Büro hat kein Fenster, ich habe alle meine eigenen Möbel und Computer gekauft – aber wir bekommen dafür Internet, Strom und jede Menge Papierkram. Dann bleiben mir noch 37.000 Dollar, die ich jedes Jahr ausgeben kann.
Mit diesem Geld zahle ich einem Doktoranden das fürstliche Gehalt von etwa 25.000 Dollar; ich zahle der Universität seine Studiengebühren, die etwa 10.000 Dollar betragen; und das lässt jedes Jahr 2.000 Dollar übrig. Im ersten Jahr kaufe ich dem Schüler einen Computer; im zweiten Jahr bezahle ich für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Konferenz; und im dritten u. vierten Jahr zahle ich für die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit, denn ja, die kostet auch etwa 2.000 Dollar.
BOOM – Das ist, wie ein Wissenschaftler $1,1M ausgibt! Überrascht?“ Quelle: https://skepticalscience.com/translationblog.php?n=3644&l=6
Die Klimawissenschaftler gehen ihrer Arbeit nach und zu behaupten sie würden für Milliardenprofite irgendeine „Lüge“ herbeizaubern ist schlicht und einfach Unsinn. Denn wenn das für die Klimawissenschaften zutreffen sollte, warum dann nicht auch alle anderen Wissenschaften? Die Evolutionslüge? Alle Ärzte, die impfen wollen, sind böse Menschen? Die Erde ist vielleicht doch eine Scheibe, weil alle für die NASA arbeiten?
Ich möchte hier aber anmerken, dass ich den Genossen des Artikels von Kissel et al. keineswegs unterstelle, solche Sichtweisen zu haben, jedoch verführen Aussagen wie „Wissenschaft dient der herrschenden Klasse“ und die „Verbindung zwischen Politik und Klimawissenschaften“ zu solchen verschwörungstheoretischen Aussagen einer „kapitalistischen Klimawissenschaft“.
Natürlich haben die Genossen Kissel et al. recht, dass Klimawissenschaften und Politik miteinander verwoben sind und dass Wissenschaftler an sich nicht klassenneutral sind. Als Beispiele führen sie die Hirnforschung an, die den freien Willen leugne oder den Rassismus und die Eugenik. Hier muss aber Folgendes bedacht werden: Wir können feststellen, dass sobald Wissenschaftler, die von der bürgerlichen Ideologie beeinflusst sind, über ihre Expertise hinaus zu gesellschaftlichen und philosophischen Fragen Stellung nehmen, ihre bürgerliche Ideologie zum Vorschein tritt. Das hat aber im Prinzip erstmal nichts mit den gesammelten empirischen Daten zu tun. Man muss eben unterscheiden zwischen ihrer empirischen Arbeit und ihren Versuchen, daraus allgemeine Aussagen über die Welt abzuleiten. Denn die Aussagen der Hirnforscher zur Willensfreiheit stehen teilweise sogar im Widerspruch zu den gemessenen Daten bzw. werden falsch interpretiert und durch die bürgerliche Ideologie vernebelt und missbraucht (vgl. z. B. Suitbert Cechura: Kognitive Hirnforschung. Mythos einer naturwissenschaftlichen Theorie menschlichen Verhaltens). Der Fehler liegt hier oft dabei, dass einzelne Wissenschaftler ihre wissenschaftliche Expertise überbewerten und ihre Methodiken auf philosophische, politische und gesellschaftliche Fragen anwenden, obwohl sie dafür nicht geeignet sind. So lässt sich menschliches Verhalten und seine Geschichte eben nicht nur auf die Biologie zurückführen (genauso wie sich die Biologie nicht auf die Chemie und Physik zurückführen lassen kann).
Fragen der Willensfreiheit sind nämlich nicht nur Aufgaben der Hirnforscher, sondern auch anderer Wissenschaftszweige. Das genau macht sich die bürgerliche Ideologie zu Nutze: Statt sich ein kritisches Gesamtbild zu bilden, basierend auf einer materialistischen und dialektischen Methode, werden selektiv einzelne Daten ausgesucht, diese falsch wiedergegeben, andere aber verschwiegen oder missinterpretiert. Dasselbe gilt übrigens auch für den Rassismus, Sexismus, Eugenik und andere Mythen, die sich mit der „Natur des Menschen“, biologischem Determinismus oder mit erkenntnistheoretischen Fragen befassen. Also in jenen Gebieten wo sich die eher materialistische Naturwissenschaft mit der Gesellschaftswissenschaft überschneidet.
Übrigens gab es auch solche Tendenzen in der Sowjetunion, dass man jegliche Wissenschaft und ihre Ergebnisse aus dem Klassenstandpunkt betrachten muss. Es gab vulgär-materialistische Ideologen, die von einer „proletarischen Wissenschaft“ sprachen und sie der „kapitalistischen Wissenschaft“ entgegenstellten. Anders als das Zitat im marxistisch-leninistischen Wörterbuch meinten sie dabei nicht die Klasseninteressen einzelner wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern die Erkenntnisse überhaupt. Diese Bewegung ähnelt dem „Proletkult“ in Kunst und Kultur alles „Bürgerliche“ (bzw. das was als „bürgerlich“ angesehen wurde) komplett abzulehnen. Das reicht von der Ablehnung der Erkenntnisse der modernen Physik (Quantenmechanik) bis hin zu der Auffassung, dass eine „kommunistische Gesinnung“ ausreiche und technisches Wissen nicht nötig sei, da bürgerliches Expertenwissen. Die sowjetische Regierung um Stalin, sowie mit ihm viele Physiker und Kulturschaffende konnten erfolgreich solche „linksradikalen Tendenzen“ zurückschlagen. Stalin selbst befasste sich dabei besonders in seinen Artikeln über die Fragen der Sprachwissenschaften in der Linguistik mit solchen Tendenzen. In anderen Bereichen (z. B. in der Genetik – sog. Lysenkoismus) hatte aber der „Proletkult“ in den Wissenschaften noch weitreichend Einfluss. Dies soll hier nicht weiter intensiver ausgeführt werden und wäre allgemein ein interessanter Forschungsansatz im Klärungsprozess (allgemein: das Verhältnis von Marxismus zur Wissenschaft).
Die Rolle des IPCC wird im Artikel von Kissel et al. auch nicht richtig wiedergegeben. Das mag sein, dass sich im IPCC viele Forscher beteiligen, die auch politisch aktiv sind. Das hat jedoch erstmal rein gar nichts mit den Berichten des IPCC zu tun, die die Forschung tausender Wissenschaftler weltweit zusammenfassen. Spanidis et al. haben dazu einiges formuliert.
Klima und Klassenkampf
Worin liegt also das Klasseninteresse der Klimawissenschaft? Sicherlich nicht an der Tatsache, dass es eine globale Erwärmung gibt, die die Folge der kapitalistischen Produktionsweise ist. Der bürgerliche Klasseninhalt der Klimawissenschaftler zeigt sich vor allem in ihren Forderungen, das „Problem“ der globalen Erwärmung zu lösen, wobei bei der Lösung der globalen Umweltprobleme sicherlich kein 97%-Konsens herrscht (dieser Konsens bezieht sich lediglich auf die Tatsache, dass die aktuelle globale Erwärmung anthropogene Treibhausgase als Ursache hat). Da die meisten Wissenschaftler kein Verständnis von der kapitalistischen Produktionsweise haben, des Klassenkampfes nicht bewusst sind, sollte es nicht verwundern, dass sie Lösungen vorschlagen, die sich „innerhalb des Systems“ befinden. So kommen Forderungen wie die CO2-Steuer zustande, bei denen die arbeitenden Menschen die Lasten der kapitalistischen Produktionsweise zu schultern haben. Genauso kommen Forderungen einer „Verzichtsideologie“, die die Massen zu tragen haben – über den verschwenderischen und gesellschaftlich unnötigen Luxus der Bourgeoisie wird meistens geschwiegen. Entsprechend nutzt die Bourgeoisie und ihre Parteien, allen voran die Grünen, Bewegungen und Massenproteste in ihrem Interesse zu lenken und zu fördern. Kissel et al. zeigen dies durchaus überzeugend in Bezug zur „Fridays-for-Future“-Bewegung auf, dass genau diese Forderungen gestellt werden. Der Kapitalismus soll „grün“ erscheinen, die System- und Eigentumsfrage soll nicht in den Mittelpunkt gerückt werden. Doch das hat erstmal nichts mit dem Klima und dem Klimawandel an sich zu tun. Die entscheidende Frage ist, wie Kommunisten sich bei solchen Bewegungen oder allgemein zur „Klimafrage“ verhalten sollen. Ich halte es für falsch zu diesem Thema zu schweigen, denn das würde aktuell bedeuten, dass reaktionäre Kräfte wie die AfD mit ihrer wissenschaftsfeindlichen Ideologie als angebliche „Stimme der Vernunft“ und auf Seiten „des kleinen Mannes“ Oberhand bei sozialen Protesten gewinnen.
Wie sollten wir uns zu FFF verhalten? Kissel et al. merken an, dass es hauptsächlich Jugendliche und Schüler sind, die aus unterschiedlichen Motivationen heraus protestieren und diese sehr diffus und politisch leicht zu instrumentalisieren sind. Die politisch führenden Kräfte bei FFF sind jedoch in dieser Hinsicht politisch durchaus klar und agieren im Interesse des Kapitals. Das alleine ist jedoch kein Grund solche Proteste grundsätzlich abzulehnen, da eine jede Bewegung – unabhängig von FFF – in vielen Aspekten nicht klar ist und diffuse Vorstellungen hat. In vielen Bewegungen der Arbeiterklasse, so auch bei den Gewerkschaften, dominieren auch opportunistische und reformistische Kräfte, die die Massenbewegungen, Streiks und Demonstrationen im Interesse des Kapitals sabotieren und revolutionäres Potential schwächen. Es ist ja gerade Aufgabe der Kommunisten dieses Klassenbewusstsein zu erzeugen und die Bewegungen anzuführen (was natürlich in der aktuellen Lage sehr schwierig ist). Der Unterschied bei FFF ist aber natürlich, dass diese Proteste direkt vom Staat gefördert wurden und werden, somit einen anderen Charakter von Anbeginn an tragen als z. B. Streiks. Denn die FFF-Bewegung ist im Wesentlichen kleinbürgerlich: Eine Studie belegt z. B., dass der allergrößte Teil der Demonstranten aus der oberen und unteren Mittelschicht kommt (zusammen 90%). Siehe link zur Studie https://www.boell.de/sites/default/files/fridays_for_future_studie_ipb.pdf
Natürlich ist das erstmal auch keine Klassenanalyse, denn es bleibt die Frage offen, was unter „Mittelschicht“ überhaupt zu verstehen ist und ob es mit dem marxistischen Konzept des Kleinbürgertums identisch ist. Weiterhin bleibt, neben der Repräsentativität der Umfrage, das Problem, dass die Befragung nach der zugehörigen Schicht laut Studie (S. 13) auf einer „subjektiven Schichteinstufung“ basiert. D. h. die Befragten werden nicht nach ihrer objektiven Stellung zu den Produktionsmitteln analysiert, sondern danach in welche man sich selbst einordnen würde. Die bürgerliche Ideologie hat schon lange dafür gesorgt, dass viele Menschen, die eigentlich dem Proletariat angehören, aufgrund der Tatsache, dass sie einen „höheren“ Lohn erhalten oder nicht in einer Fabrik arbeiten oder ein Eigenheim besitzen, sich zur „Mittelschicht“ gehörig fühlen (zur Problematik der „Klassen im Kapitalismus“ siehe mein entsprechendes Kapitel im Buch Zur Geschichte der Sowjetunion – Eine totalitäre Diktatur der Bürokraten? https://offen-siv.net/wp-content/uploads/2019/03/Kubi_Zur-Geschichte-der-Sowjetunion-1.pdf ). Unabhängig davon ist aber davon auszugehen, dass das Kleinbürgertum eine dominierende Rolle bei den FFF-Protesten spielt. Dass alleine ist jedoch auch kein Grund, sich bei solchen Bewegungen nicht zu beteiligen, denn das Kleinbürgertum ist erstmal Bündnispartner des Proletariats, jedoch unter der Voraussetzung, dass das Proletariat die führende Kraft sein muss. Das ist aktuell nicht der Fall, was dazu führt, dass wir uns keine Illusionen zur FFF-Bewegung machen sollten, dort großes Protestpotential zu finden. D. h. natürlich nicht, dass Kommunisten sich dort nicht beteiligen sollen, auch dort ihr Gesicht zeigen sollten, richtige Forderungen zu stellen und alleine Präsenz zu zeigen, dass es auch Kräfte gibt, die diese reaktionären Forderungen nicht mitmachen. Aber bei der organisierten Schwäche der Kommunisten und des Proletariates, sollte man sich mehrmals überlegen, wie viel Kraft man in solche Bewegungen investieren sollte. Aber unabhängig von der FFF-Bewegung lassen sich „Klima“ und Klassenkampf miteinander verbinden, steht beides nicht im Widerspruch, sondern kann sich ergänzen; auch ohne der FFF nachzulaufen. Das hätte auch zum Vorteil, auch in Bezug zum „Klima“ materialistisch zu argumentieren, ohne das wissenschaftsfeindliche Kauderwelsch der „Skeptiker“-Szene von AfD bis EIKE- „Institut“ zu übernehmen. Es folgen einige Ideen, die keineswegs auf Vollständigkeit beruhen, konkretisiert und ausgebaut werden müssen.
- Bei der Klima-Debatte – auch völlig unabhängig von der FFF-Bewegung (wir können davon ausgehen, dass dieses Thema auch außerhalb präsent sein wird) – sollte es klare Aufgabe der Kommunisten sein, gegen die CO2-Steuer und andere Maßnahmen, die auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung abgewälzt werden sollen zu argumentieren und ggfs. Proteste in diese Richtung zu kanalisieren. Gleichzeitig muss aufgezeigt werden sollen, dass das Kapital die Kosten zu tragen hat, denn dies ist der Hauptverursacher. Der Text der Genossen Spanidis et al. hatte hierzu einige grundlegende Beispiele erwähnt. Beispielsweise hatte eine Studie des „NABU“ (Naturschutzbund) gezeigt, dass nur 15 Containerschiffe so viel CO2 produzieren wie 780 Mio. Autos (Quelle: https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/verkehr/140623-nabu-hintergrundpapier_containerschifftransporte.pdf ). Wir können davon ausgehen, dass Deutschland als imperialistisches Zentrum und „Exportweltmeister“ hier sicherlich seine Hände im Spiel hat, also das Deutsche Kapital Miteigentümer ist. Freihandelsabkommen und weitere Profitmaximierung werden dieses Problem sicherlich vergrößern und ärmere Länder zunehmend in die Abhängigkeit treiben. Gerade die imperialistischen Mächte und damit die Bourgeoisie sind hauptverantwortlich für die größte Umweltverschmutzung und nicht der Konsument und schon gar nicht die Entwicklungsländer.
- Imperialismus geht auch immer mit Krieg einher, zunehmende Rüstung und Konfrontationen mit Russland und China dienen den Interessen der deutschen Bourgeoisie. Durch CO2-Steuer lassen sich, wie durch andere Steuererhöhungen, Kriege und Aufrüstung im Interesse des Kapitals zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung finanzieren. Dem Klima wäre damit auch nicht geholfen. Eine konsequente antiimperialistische Friedenspolitik halte ich für wichtig.
- Der Individualverkehr im Kapitalismus ist eine Katastrophe. Mit dem veralteten Fortbewegungsmittel Auto kann heute in den Großstädten kein Massenverkehr mehr aufrechterhalten werden. In den Staus bewegt sich eben nichts, völlig egal ob mit Diesel oder mit Elektromotor. Gleichzeitig ist der öffentliche Nah- und Fernverkehr ebenso desaströs, dass viele auf ihren PKW angewiesen sind. In der Automobilindustrie erleben wir in Deutschland seinen Niedergang, ob bei Opel, Daimler, Audi oder den Zulieferern werden tausende Arbeitsplätze gestrichen. In der Chemieindustrie sieht es so ähnlich aus, zum einen verpesten sie die Umwelt und gleichzeitig bauen sie tausende von Stellen ab. Wie können Kommunisten diesen Widerspruch zwischen Erhalt der Arbeitsplätze auf der einen Seite und Kampf gegen Umweltverschmutzung auf der anderen lösen? In der Betriebsarbeit sollte verdeutlicht werden, dass egal welchen Weg die Bourgeoisie einschlägt, diese niemals die Interessen der Arbeiterklasse vertreten können. Der Kampf um den Erhalt der verbliebenen Arbeitsplätze durch Betriebsräte, Streiks und andere Formen des Arbeitskampfes ist nur der erste Schritt von vielen Kämpfen. Der entscheidende Aspekt muss die Machtfrage sein, da die Zeit längst reif ist für die Enteignung der Monopolbetriebe. Dies wäre die Aufgabe der Kommunisten in den Betrieben. Denn nur durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel lassen sich nicht nur Arbeitsplätze sichern, sondern die Wirtschaft im Interesse der arbeitenden Menschen rational planen, womit ein menschenwürdiges Leben erst möglich wird; dies käme auch der Umwelt und dem Klima zugute (z. B. durch Ausbau des öffentlichen Verkehrs). Natürlich sind wir Kommunisten in der BRD weit davon entfernt so stark in den Betrieben verankert zu sein, doch auch hier müssen die Kämpfe geführt werden.
Diese groben Beispiele, die noch weiterer Konkretisierung bedürfen, zeigen, dass der „Aspekt“ des Klimas auch in die Klassenkämpfe mit einbezogen werden kann. Man merkt aber, dass der Klimawandel hierbei nicht im Vordergrund steht, sondern in die Klassenkämpfe miteinbezogen wird. Da dieses Thema aktuell „in Mode ist“ und es wahrscheinlich noch über einige Zeit sein wird, können diese Argumente gebracht werden; d. h. der Klimawandel ist eine Realität, die Schuld liegt aber nicht beim Verbraucher, sondern in der kapitalistischen Produktionsweise und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kann als erster Schritt verstanden werden, das „Problem Klimawandel“ überhaupt sinnvoll zu lösen.
Nun schreiben aber Kissel et al., dass der Klimawandel auch im Rahmen des Kapitalismus lösbar sei und der Sozialismus nicht automatisch ein „Heilsversprechen“ darstelle. Ich halte diese Ansicht in mehreren Punkten für problematisch:
Sicherlich vermag es der Kapitalismus auf bestimmte Probleme zu reagieren, jedoch maximal nur kurzfristig. Die Anarchie der kapitalistischen Produktion erlaubt es nicht, Probleme, seien sie nun gesellschaftlich oder ökologisch, langfristig und vor allem rational zu lösen – siehe CO2-Steuer. Sicherlich führt der Klimawandel als solcher nicht zum Weltuntergang, verbunden mit der kapitalistischen Produktionsweise wird er jedoch bestehende Probleme verschärfen.
Natürlich ist der Sozialismus auch kein „Heilsversprechen“, dennoch liefert er Möglichkeiten (und lieferte sie auch historisch) „klimaschonender“ zu Wirtschaften.
Sicherlich wird ein sozialistischer Staat noch lange Zeit auf fossile Energieträger angewiesen sein. Gleichzeitig bestehen aber die Möglichkeiten die Forschung in andere Energieressourcen (neben den „erneuerbaren Energien“ auch die Kern- und Fusionskraft) zu fördern. Weiterhin bestehen auch technische Möglichkeiten CO2 und andere Treibhausgase „einzufangen“ und für andere Bereiche zu recyceln (z. B. für Gewächshäuser), sodass Treibhausemissionen sinnvoller eingesetzt werden können.
Natürlich wird ein sozialistisches Deutschland, vor allem wenn es noch isoliert ist, stark auf Rüstungsindustrie setzen müssen, um die Revolution zu verteidigen. Gleichzeitig wird es aber keine Angriffskriege aus Profitinteresse führen. Ein Großteil der Umweltzerstörung ist auf solche Raubkriege zurückzuführen. Ein anderer Aspekt ist die rücksichtslose ökonomische Ausbeutung anderer Länder.
Der Sozialismus setzt auf öffentliche Verkehrsmittel statt auf Privatautos, ein Ausbau dieser wird die Emissionen ebenfalls reduzieren.
Die sozialistische Ökonomie vermeidet eine Ressourcenverschwendung, wodurch viele Produkte länger halten und nicht weggeworfen werden. Die sozialistische Landwirtschaft wird umgestaltet, sodass Lebensmittel hauptsächlich vor Ort produziert werden und keine unnötig weiten Transportwege haben; Lebensmittel werden auch nicht aufgrund von Überproduktionskrisen vernichtet. Die Wunschvorstellungen der Öko-Bewegung regional einzukaufen und möglichst auf Müll wie Plastikverpackungen zu verzichten war im Sozialismus gelebte Praxis.
Die Liste ließe sich noch fortsetzen und sicherlich wäre hierzu ein historischer Beitrag interessant, der aufzeigt wie solche Probleme in der DDR, der Sowjetunion oder in anderen sozialistischen Ländern behandelt und gelöst wurden.
Nein der Sozialismus ist kein „Heilsversprechen“, er ist aber die einzige Alternative diese „Klimaprobleme“ potentiell zu lösen – selbst bei allen vorhandenen Schwierigkeiten. Denn der Klimawandel ist für den Sozialismus kein Weltuntergang oder unlösbares Problem, sondern eine prinzipiell machbare Herausforderung.