Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)
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von Thanasis Spanidis, Jakob Schulze, Ernesto Camillo und Hans-Christoph Stoodt
1 Einleitung
Der Klimawandel und die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Umwelt sind real und immer unmittelbarer für jeden von uns zu spüren. Zurecht erkennen immer mehr Menschen, auch aus der Arbeiterklasse, die große Relevanz dieses Themas und was es für ihre Zukunft, die Zukunft ihrer Kinder und Enkel bedeutet. Die Kommunisten erheben für sich den Anspruch, der am weitesten fortgeschrittene Teil der Arbeiterklasse zu sein, der hinter allen aktuellen Problemen der Klasse die zugrundeliegenden Entwicklungen und Kräfte erkennt und ohne Illusionen das ausspricht, was notwendig und korrekt ist. Es bedarf daher einer marxistischen Antwort auf die ökologische Frage, die ständig an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewinnt und es auch in Zukunft tun wird.
Leider kann es keine ernsthaften Zweifel mehr daran geben, dass die menschliche Zivilisation in der nahen Zukunft auf katastrophale klimatische Veränderungen im globalen Maßstab zusteuert und dass diese Bedrohung von den Emissionen an Treibhausgasen verursacht wird. Widerstand gegen diese Entwicklung ist daher dringend erforderlich und die Kommunisten müssen dabei diejenige Kraft sein, die in den Diskussionen und Aktionen die Frage der Eigentumsverhältnisse in den Vordergrund stellt.
Weder ein Ausweichen vor dieser Problematik noch eine opportunistische Anbiederung an die bürgerliche Umweltbewegung können eine Lösung für uns sein. Nur eine umfassend wissenschaftlich begründete Analyse, die den Stand der Naturwissenschaften berücksichtigt und deren Erkenntnisse in die Weltanschauung des wissenschaftlichen Sozialismus aufnimmt, kann unseren Ansprüchen genügen und die Arbeiterbewegung voranbringen.
In diesem Artikel werden wir zunächst den Stand der Forschung zu verschiedenen Problemfeldern der ökologischen Frage darstellen, wobei besonderes Gewicht auf den Klimawandel gelegt wird. Da nicht davon auszugehen ist, dass die naturwissenschaftlichen Vorgänge allgemein bekannt sind, werden ein paar zentrale Tatsachen erklärt.
Dann werden wir aus unserer Sicht die Grundzüge einer marxistisch-leninistischen Position zur ökologischen Frage im Allgemeinen darlegen und darauf eingehen, wie sich diese Fragestellung in die revolutionäre Strategie der Kommunisten einfügt und welche Relevanz sie für den zukünftigen Aufbau des Sozialismus hat. Hiermit schließen wir uns den Standpunkten an, die zahlreiche marxistisch-leninistische Organisationen innerhalb der kommunistischen Weltbewegung zu diesen Fragen entwickelt haben. So z.B. die Union der Kommunistischen Jugend aus Frankreich (UJC 2019), die Kommunistische Partei der Arbeiter Spaniens (PCTE 2019), die Kommunistische Partei Schwedens (SKP 2019) sowie die Kommunistische Partei Griechenlands (Ziogas 2006). Während sie in der Bewertung der bürgerlichen Umweltbewegung unterschiedliche Akzente setzen, besteht Einigkeit in der Einschätzung, dass wir es bei Klimawandel und Umweltzerstörungen mit gewaltigen globalen Bedrohungen zu tun haben, die von der kapitalistischen Produktionsweise verursacht wurden und von ihr keineswegs wirksam bekämpft werden können.
Warum ist es überhaupt notwendig, sich so ausführlich mit den naturwissenschaftlichen Fakten, mit CO2 und Wasserdampf, Temperaturmessungen und Hitzewellen zu beschäftigen? Sollten wir das nicht den Klimatologen überlassen und uns als Kommunisten eher damit befassen, wie die Klima- und Umweltbewegung politisch einzuschätzen ist? Diese Fragen müssen mit einem klaren Nein beantwortet werden.
Denn es ergibt keinen Sinn, eine politische Bewegung und ihre Forderungen zu beurteilen, bevor man ein wissenschaftlich begründetes Verständnis über den Gegenstand dieser Bewegungen hat. Wir würden beispielsweise die Friedensbewegung nicht analysieren, ohne dabei unser marxistisches Verständnis vom Imperialismus einzubeziehen. Wir würden die Aktivitäten antifaschistischer Gruppen nicht bewerten, ohne eine marxistische Faschismusanalyse zugrunde zu legen. Denn ob diese Kräfte dem Interesse der Arbeiterklasse dienen oder nicht, lässt sich überhaupt nicht bestimmen, ohne ein Verhältnis zum Gegenstand selbst einzunehmen. Z.B. ist ein „Antifaschismus“, der die Klassenfrage und den Imperialismus ausblendet und sich darauf beschränkt, „rechte Ideologie“ zu bekämpfen, nicht nur unzureichend, sondern irreführend und schädlich.
In Bezug auf die Frage der Umweltbewegung verhält es sich genauso. Bevor man die „Panikmache“ dieser Bewegung kritisiert, sollte man zuerst analysieren, ob diese „Panik“ sich zumindest auf reale Vorgänge bezieht oder einfach nur auf irrationalen Horrorphantasien beruht. Wer sich mit den naturwissenschaftlichen Fragen nicht befassen möchte, aber dennoch die „Panikmache“ der Klimabewegung kritisiert, hat in Wirklichkeit trotzdem bestimmte implizite Annahmen über den Gegenstand getroffen – nämlich, dass die Auswirkungen des Klimawandels wohl nur halb so schlimm sein werden.
Natürlich macht es für die Bewertung einer Bewegung wie „Fridays for Future“ einen gewaltigen Unterschied, ob wir davon ausgehen, dass es sich einfach um irregeleitete Kinder handelt, die dem großen Klimaschwindel aufgesessen sind, um auf Kosten der Arbeiterklasse die CO2-Steuer durchzudrücken; oder ob wir zumindest anerkennen müssen, dass viele dieser Jugendlichen wahrscheinlich aus richtiger Motivation auf die Straße gehen, um ein großes und reales Problem anzugehen – was selbstverständlich eine Kritik an elitären, kleinbürgerlichen, massenfeindlichen und ja, auch irrationalistischen Tendenzen keineswegs ausschließt.
Es ist also falsch zu glauben, man könne sich an den naturwissenschaftlichen Fragen – vor allem den Fragen nach den Ursachen der globalen Erwärmung und ihren zu erwartenden Folgen – vorbeidrücken. Wenn wir nicht unsere Handlungs- und Analysefähigkeit zum gesamten Themenkomplex des Klimawandels und der Klimabewegung verlieren wollen, ist das nicht möglich. Wir sehen es daher als unsere Aufgabe an, keine bloße Analyse von Diskursen oder politischen Bewegungen zu betreiben, sondern eine dialektisch-materialistische Analyse der Umwelt- und Klimafrage insgesamt zu entwickeln, die den Stand der Naturwissenschaften in die Forschung miteinbezieht. Dazu wollen wir hiermit einen ersten Aufschlag leisten.
Am Schluss dieser Einleitung noch ein paar Worte zu den verwendeten Begriffen. Der Einfachheit halber wird auch hier des Öfteren vom „Klimawandel“ gesprochen. Obwohl es natürlich auch einen ständigen natürlichen Klimawandel gibt, sollte klar sein, dass hier der durch Emissionen von Treibhausgasen verursachte Klimawandel gemeint ist.
Statt von „Klimaskeptikern“ wollen wir von „Klimaleugnern“ sprechen. Denn Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Theorien ist als Haltung angebracht und legitim. Keine Theorie ist davon ausgenommen, dass man sie anhand wissenschaftlicher Kriterien überprüfen und gegebenenfalls korrigieren muss. Im Unterschied dazu zeichnen sich diejenigen, die offensiv den menschengemachten Klimawandel anzweifeln oder als Lüge bezeichnen, durch die Leugnung wissenschaftlich erwiesener Tatsachen aus, während sie ihrerseits oftmals mit unredlichen Methoden versuchen, bei Laien Zweifel an den Erkenntnissen der Naturwissenschaften zu streuen.
Wenn von der ökologischen Frage oder Umweltfrage die Rede ist, dann ist damit im allgemeinen die politische Frage gemeint, welche gesellschaftlich-politischen Veränderungen notwendig sind, um den Planeten Erde als einen lebenswerten, für das Leben heutiger und zukünftiger Generationen günstigen Ort zu schützen bzw. einen solchen Zustand wiederherzustellen. Diese Frage ist aus unserer Sicht untrennbar mit der Frage nach den gesellschaftlichen Verhältnissen verbunden, die eine solche menschenwürdige Existenz erst möglich machen würden. Auch darum soll es in diesem Text gehen.
2 Die globale Erwärmung des Klimas
Der „Klimawandel“ – was ist das?
Sowohl in den Medien als auch im Alltag wird immer wieder vom Klimawandel gesprochen. Doch was befindet sich eigentlich hinter dem Begriff? Was genau bedeutet Klimawandel und was hat es mit dem „natürlichen Klimawandel“ im Unterschied zum „menschengemachten“ auf sich? Diese Fragen sollen im Folgenden kurz und knapp erläutert werden. Hierbei soll keine detailgetreue Beschreibung der einzelnen physischen und klimatischen Prozesse erfolgen, da der Fokus auf dem politischen Inhalt des Artikels liegen soll.
Wenn man vom Klimawandel spricht, ist es zunächst notwendig vom Treibhauseffekt zu reden, welcher dabei eine fundamentale Rolle spielt. Der Treibhauseffekt ist zunächst ein völlig „normaler“ Prozess der Natur, der auch ganz ohne den Einfluss des Menschen stattfindet. Der Treibhauseffekt ist für die Natur, und somit auch für den Menschen von großer Bedeutung, da durch ihn das Leben auf unserer Erde erst möglich gemacht wird. Doch wie funktioniert dieser Treibhauseffekt eigentlich?
Der Treibhauseffekt kommt dadurch zustande, dass die Erde, genauso wie jeder andere physikalische Körper, Wärme abstrahlt. Die auf der Erde ankommende Sonnenstrahlung wird zu knapp einem Drittel von der Atmosphäre (Wolken, Aerosole) und der Erdoberfläche (Schnee, Eis) reflektiert, der Rest wird von der Atmosphäre, der Land- und Meeresoberfläche absorbiert. Verantwortlich für diese Absorption in der Atmosphäre sind verschiedene Gase, die sogenannten Treibhausgase. Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Wasser (H2O) zählen zu den wichtigsten dieser Treibhausgase. Sie absorbieren die von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärmestrahlung zum Teil und strahlen gleichmäßig in alle Richtungen ab, somit auch einen Teil auf die Erdoberfläche. Dort wird die ankommende Wärmestrahlung wieder absorbiert und in die Atmosphäre abgestrahlt, und der Kreislauf beginnt wieder von vorne. Diesen Effekt nennt man Treibhauseffekt und er sorgt für eine mittlere Temperatur von +15 °C. Die Physiker Joseph Stefan und Ludwig Boltzmann haben schon im Jahr 1879 die sogenannten Strahlengesetze entwickelt, welche belegen, dass es auf der Erdoberfläche ohne den natürlichen Treibhauseffekt eine mittlere Durchschnittstemperatur von -18°C geben müsste (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.31). Der natürliche Treibhauseffekt macht die Erde also erst bewohnbar, ohne ihn wäre die Erde dauerhaft gefroren, Leben hätte sich vermutlich gar nicht entwickeln können. Den Treibhauseffekt gibt es natürlich auch auf anderen Planeten wie z.B. der Venus, die viel heißer ist, als es ihr Abstand zur Sonne alleine erklären könnte. Es gibt ihn überall da, wo es eine Atmosphäre gibt, die Treibhausgase enthält.
Natürliche Schwankungen dieser Treibhausgase haben in der Erdgeschichte schon immer zu großen Klimaveränderungen geführt, beispielsweise durch die Bindung dieser Treibhausgase in großen Eisvorkommen oder durch das Entweichen in die Atmosphäre durch vulkanische Aktivitäten. Dabei dienen Böden, Wälder, Ozeane und andere Vorkommen als natürliche Treibhausgasspeicher. Doch nicht nur der Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre spielen bei den Klimaschwankungen eine große Rolle, sondern auch andere Faktoren, nicht zuletzt die Milanković-Zyklen. Diese Zyklen wurden vom serbischen Astronomen Milutin Milanković erstmals nachgewiesen, nachdem er die Arbeiten vom belgischen Mathematiker Joseph Adhemar ausgearbeitet hatte, und belegen, dass sich die Erdumlaufbahn in stetigen Schwankungen befindet, was Auswirkungen auf die Sonneneinstrahlung hat. Ein anderer Faktor ist die schwankende Sonnenaktivität, die mal stärker, mal schwächer ist und das Erdklima beeinflusst. Allerdings ist dieser Einfluss im Vergleich zur Zunahme der Treibhausgase minimal: Die zusätzliche Energie, die dadurch auf die Erdoberfläche gestrahlt wird, beträgt höchstens 0,24 W/m² im Vergleich zu ca. 2 W/m² durch die Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre (Hansen 2018). Später werden wir zudem sehen, dass für die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte Schwankungen der Sonnenaktivitäten tatsächlich überhaupt nicht verantwortlich gemacht werden können.
Es wird also deutlich, dass sich der Klimakreislauf in einem ständigen zyklischen Wandel befindet und daher also einen stetigen Kreislauf von Wärme- und Kälteperioden durchläuft. Entscheidend hierbei ist aber, dass es sich um Zyklen handelt, also periodisch wiederkehrende Phänomene und nicht kontinuierliche Steigerungen. Die Entwicklung der letzten Jahre ist aber eine ständige Erwärmung mit enormer Geschwindigkeit, die sich durch diese Zyklen oder andere natürliche Faktoren nicht erklären lässt.
Wenn vom „Klimawandel“ die Rede ist, geht es in aller Regel um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen, der seit Beginn der Industrialisierung und vor allem in den letzten Jahrzehnten zu beobachten ist und nicht um die langfristig stattfindenden natürlichen Klimaschwankungen über die Jahrhunderte und Jahrtausende. In diesem Sinne verwenden auch wir den Begriff Klimawandel.
Die menschlichen Ursachen der globalen Erwärmung
Was ist die Ursache dieser globalen Erwärmung? Der Mensch greift durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, aber auch von organischem Material aktiv in diesen Kreislauf ein. Der in Erdöl, Holz, Böden und anderen Materialien in Form von Kohlenstoff oder festen Kohlenstoffverbindungen gebundene Kohlenstoff wird in diesen Verbrennungsprozessen in Form von CO2 freigesetzt und in der Atmosphäre angereichert. Dieser Prozess wurde vor allem durch den Beginn der kapitalistischen Produktion und damit der Ausbreitung der industriellen Produktion in Gang gesetzt, d.h. ab ca. 1850. So ist der globale CO2-Durchschnittwert in der Atmosphäre von 280 ppm (parts per million) im Zeitraum vor der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise, auf 405 ppm im Jahr 2017 angestiegen (Lindsey 2018; parts per million bedeutet hierbei, dass so und so viele CO2-Moleküle auf eine Million Luftpartikel kommen). Vor 15 Mio. Jahren lag die Konzentration aufgrund natürlicher Faktoren schon mal bei 500 ppm – allerdings war es zu dieser Zeit bis zu 5 °C wärmer auf der Erde. Das sind Bedingungen, unter denen das heutige Ökosystem kollabieren würde und es zu einem massiven Artensterben käme (Wöhrbach 2018).
Bereits 1824 und 1860 wiesen Jean-Baptiste Fourier bzw. John Tyndall nach, dass ein Anstieg der Spurengase in der Atmosphäre zu Klimaerwärmungen führen können, und dass die dafür verantwortlichen Gase vor allem Wasserdampf und CO2 sind (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.29).
Die These des menschengemachten Klimawandels wurde auf der Grundlage dieser Erkenntnisse schließlich von August Arrhenius 1896 erstmals in seinem Essay „On the Influence of Carbonic Acid in the Air Upon the Temperature on the Ground“ formuliert (Pomrehn 2015; Foster et al. 2010, S. 129). Die Ursachen der globalen Erwärmung sind also spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Diese Erkenntnisse waren eine Errungenschaft der Entwicklung der Naturwissenschaften im Zusammenhang mit der Industriellen Revolution und Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die im Widerspruch dazu stehen, sind bisher nicht aufgetaucht. Allein deshalb ist das immer häufiger zu hörende Argument, dass hinter der aktuell geführten Diskussion um den Klimawandel starke wirtschaftliche Interessen stehen würden und daher der Klimawandel an sich infrage zu stellen sei, falsch. Denn dass die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts von den Interessen der sogenannten „grünen Industrien“ beeinflusst gewesen sein soll, die erst im 21. Jahrhundert stark an Bedeutung gewinnt, ist absurd.
Dass es trotzdem sogar heute noch Kräfte gibt, die die menschlichen Ursachen des Klimawandels leugnen, liegt nicht daran, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage uneindeutig wären – es liegt ganz einfach daran, dass es mächtige kapitalistische Interessen gibt, die ein Interesse daran haben, die Verbreitung dieser unumstößlichen Wahrheit zu behindern. Der Tweet von Trump vom 6,November 2012 zeigt ein klares Interesse an der Leugnung des Klimawandels zugunsten der amerikanischen Wirtschaft. So schriebe er: “Das Konzept der Erderwärmung wurde von und für Chinesen geschaffen, um die amerikanische Produktion wettbewerbsunfähig zu machen.” (Trump, 6. November 2012). Doch mehr dazu weiter unten.
Dass die menschliche Gesellschaft für den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre verantwortlich ist, ist somit längst bewiesen. Wer das anzweifelt, müsste jedenfalls zwei ganz einfache Fragen beantworten: Erstens, wenn die Menschen fossile Brennstoffe wie Öl und Kohle verbrennen, wo verschwindet dann das dabei entstehende CO2, wenn nicht in die Atmosphäre? Und zweitens, wenn der messbare Anstieg von Treibhausgasen nicht von der Verbrennung fossiler Brennstoffe kommt, woher kommt er dann?
Es gibt aber auch noch unmittelbarere Belege dafür, dass der Anstieg des CO2 vom Menschen verursacht wird. Die chemischen Elemente kommen in Form verschiedener Isotope in der Natur vor: Die Zahl der Protonen in einem Atom bestimmt, welchem Element das Atom angehört. In einem Wasserstoffatom ist nur ein Proton enthalten, in einem Kohlenstoffatom sechs, in einem Goldatom 79. Die Atomkerne bestehen aber neben den Protonen auch aus Neutronen. Ein Atomkern eines Elements kann verschiedene Neutronenzahlen beinhalten. Das bezeichnet man dann als verschiedene Isotope desselben Elements. Beim Kohlenstoff kommen in der Natur die Isotope C-12, C-13 und C-14 vor, wobei die Zahl jeweils die Anzahl der Neutronen im Atomkern bezeichnet. C-14 ist ein radioaktives Isotop, das bedeutet, dass der Atomkern nicht stabil ist, sondern mit der Zeit zerfällt und Strahlung verursacht. Was hat das alles mit dem Klimawandel zu tun?
Fossiler Kohlenstoff (in Öl, Kohle und Erdgas) ist so alt, dass das radioaktive Isotop C-14 in ihm nicht mehr vorhanden ist. Das bedeutet, dass das CO2 in der Atmosphäre auch einen sinkenden Anteil dieses Isotops aufweisen müsste, wenn der Anstieg des CO2-Gehalts durch die Verbrennung fossilen Kohlenstoffs entsteht – und genau das ist auch der Fall. Das beweist, dass der Anstieg des CO2 tatsächlich aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe resultiert.
Ebenso klar erwiesen ist, dass in erster Linie die Treibhausgase die globale Erwärmung verursachen. Zwar hat grundsätzlich auch die Schwankung der Sonnenaktivität einen Einfluss auf das Klima. Allerdings ist dieser Einfluss momentan klein und vor allem wirkt er aktuell sogar einer Erwärmung entgegen, da die Sonnenaktivität in den letzten Jahrzehnten rückläufig war. Der Faktor Sonne hat in den letzten 30 Jahren das Erdklima nicht erwärmt, sondern um etwa 0,1°C abgekühlt (Dettwiler 2019).
Daran, dass der Klimawandel „menschengemacht“ ist, kann somit heute kein ernsthafter Zweifel mehr bestehen. Viele Faktoren können mit natürlichen Ursachen nicht erklärt werden, vor allem der gewaltige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.
Folgen des Klimawandels
2014-2016 wurde in drei Jahren infolge der Temperaturrekord gebrochen – nie zuvor seit dem Beginn globaler Temperaturaufzeichnungen im 19. Jahrhundert ist es auf der Erde so heiß gewesen wie heute. 2016 war die Durchschnittstemperatur bereits 1,1 °C höher als vor dem Beginn der Industrialisierung. Dieser auf den ersten Blick relativ niedrig klingende Wert ist aber trügerisch – denn zum einen handelt es sich um einen Durchschnittswert, das heißt dass die Temperaturextreme viel größer sein können und es in bestimmten Regionen (z.B. in der Arktis) eine viel stärkere Erwärmung geben kann. Zum anderen ist die Erwärmung der Meere, die hier auch mitberechnet wird, generell geringer, während sich die Landmassen bereits deutlich stärker erwärmt haben. Der Winter 2017/2018 war am Nordpol mit Abstand der wärmste, der jemals gemessen wurde. Infolge des Klimawandels schmelzen bekanntlich die Polkappen ab und führen zu steigenden Meeresspiegeln. Dieses Problem ist an sich bereits ernst zu nehmen, da nach neueren Berechnungen der Meeresspiegel bis 2100 um 65 cm oder mehr steigen würde (und danach um viele weitere Meter), was bereits große bewohnte Gebiete mit vielen Millionen Einwohnern wie Teile von Bangladesch oder Vietnam überschwemmen würde und dadurch massenhafte Fluchtbewegungen auslösen wird. Zu früheren Wärmezeiten war der Meeresspiegel um bis zu 60 Meter höher, woran sich erahnen lässt, welche riesigen Wassermassen momentan noch im ewigen Eis des Südpols und Grönlands gebunden sind. Die Menschheit lebt seit dem Altertum mehrheitlich nicht in Gebirgen, sondern an den Küstenregionen und Gewässern, weil Transportmöglichkeiten, Fruchtbarkeit, Klima und Möglichkeiten der Fischerei dort am besten sind. Etwa die Hälfte der Menschheit lebt heute in solchen Regionen.
Doch die katastrophalen Folgen des Klimawandels erschöpfen sich nicht in steigenden Meeresspiegeln. Extreme Wetterereignisse (Hitze- und Kältewellen, Überschwemmungen, Tornados, Dürren, Waldbrände etc.) häufen sich durch die steigenden globalen Temperaturen. Ein Beispiel wäre die Zunahme von starken Niederschlagsereignissen in den mittleren Breiten, wo die Oderflut 1997, die Elbeflut 2002 und die Überschwemmungen im Alpenraum 2005 eingeordnet werden können. Bei der Elbeflut erreichte der Fluss in Dresden mit 9,4 Metern den höchsten Pegel seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1275 (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.70). Weiterhin lässt sich statistisch nachweisen, dass es seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1851 noch nie so viele tropische Stürme gab wie 2005 (damals wurden insgesamt 27 Hurricanes gezählt). Die Häufigkeit der Wirbelstürme der höchsten Kategorie 5 und der intensivste je gemessene Hurrikane Wilma, mit 882 Millibar Zentraldruck, sind weitere statistische Besonderheiten des Jahres 2005. Auch wenn es bisher noch sehr schwierig ist, die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf tropische Wirbelstürme mit Hilfe von Computern zu simulieren, lässt sich erkennen, dass der Klimawandel sich stark auf die Anzahl und die Intensität von Wirbelstürmen auswirkt. Auf Basis unseres physikalischen Verständnisses können Aussagen darüber getroffen werden, wie sich die Wetterextreme zukünftig entwickeln könnten. Das Clausius-Clapeyron-Gesetz besagt, dass bei einer Erwärmung von einem Grad Celsius die Luft bis zu 7% mehr Wasserdampf enthalten kann (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.73). Ein Starkregenereignis kommt beispielsweise zustande, wenn eine Luftmasse auf ein Gebirge trifft, aufsteigt, und anschließend abregnet. Je wärmer die Luft ist, umso mehr Wasserdampf kann diese enthalten und umso stärker wäre das Abregnen am Gebirge. Gleichzeitig nimmt die Verdunstungsrate zu, was einen schnelleren Verlust der Bodenfeuchte zur Folge hat (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.73). Somit wäre es wahrscheinlich, dass Dürreereignisse, trotz der Zunahme von Starkregenereignissen, ebenfalls zunehmen. Ein aktuelles Beispiel stellt die Hitzewelle im Sommer 2018 dar, bei dem die deutschen Bauern einen Großteil ihrer Ernte verloren haben. Aber auch die Zunahme von Waldbränden, beispielsweise in Südeuropa, Kalifornien oder in den letzten Monaten die katastrophalen Brände im Amazonasbecken und verschiedenen afrikanischen Ländern stellen Beispiele für Extremwetterereignisse und Dürren dar. Zwar spielt dabei oft auch gezielte Brandstiftung, z.B. zur Gewinnung landwirtschaftlicher Flächen oder Bodenspekulation eine Rolle. Doch je höher die Temperaturen und je trockener die Wälder, umso unkontrollierbar weiten die Brände sich aus. Davon sind dann natürlich auch Menschenleben direkt bedroht.
Das betrifft aber nicht nur Waldbrände. Vor allem Kleinbauern in der Südhalbkugel und armen Ländern werden durch schwindende Ernten und Wasserknappheit immer weniger in der Lage sein, sich und ihre Familien zu ernähren. Hungersnöte werden unweigerlich zunehmen und sich verschlimmern.
Auch Hitzewellen sind direkt tödlich für zahlreiche Menschen. Eine Studie über die Hitzewelle von 2003, die Daten aus 16 europäischen Ländern gesammelt hat, kam zu dem Ergebnis, dass über 70.000 Menschen in Europa an den Folgen der außergewöhnlichen Hitze zu Tode kamen (Robine et al. 2008).
Weil das Klima immer Schwankungen unterliegt, ist es nicht möglich, einzelne Wetterereignisse mit absoluter Sicherheit dem Klimawandel zuzuschreiben. Allerdings handelte es sich um den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen 1851 und vermutlich um den heißesten seit 500 Jahren. Auch die Jahre 2015-2018 waren nach Angaben der UNO die heißesten vier Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (Tagesanzeiger 7.2.2019).
Durch die Erwärmung des Klimas ändern sich auch die Flora und Fauna, also die Ökosysteme der Welt. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten kommen mit den erhöhten Temperaturen nicht zurecht und werden aussterben oder in andere Regionen wandern. Umgekehrt kehren tropische und subtropische Krankheiten und Parasiten bereits jetzt nach Europa zurück. Das betrifft z.B. schwere Infektionskrankheiten wie Borreliose, durch Zecken übertragene Hirnhautentzündungen, West-Nil-, Dengue- und Chikungunyafieber und Leishmaniose (Daten aus Die Zeit 12.2.2018; Pomrehn 2017). Natürlich sind Ökosysteme nie statisch, sondern immer über langfristige Zeiträume Veränderungen unterworfen. Diese können auch schlagartig verlaufen. Allerdings würden solche Veränderungen zum Teil mit enormen Beeinträchtigungen des menschlichen Lebens einhergehen. Wir dürfen uns keinesfalls der Illusion hingeben, dass die Menschheit sich von den Ökosystemen unabhängig gemacht hätte. Eine derart katastrophale Umwälzung des Ökosystems, wie sie als Folge des Klimawandels und anderer Folgeerscheinungen der Umweltzerstörung ausgelöst wird, wird sich stark auf die Nahrungsversorgung, die Bewohnbarkeit ganzer Regionen, die Verbreitung von Krankheiten usw. auswirken.
In den offiziellen Dokumenten der UN-Klimakonferenzen wurde bisher immer die Obergrenze von 2°C genannt, die die Klimaerwärmung nicht überschreiten dürfe, wenn unkontrollierbare katastrophale Auswirkungen noch verhindert werden sollen. Nach Ansicht vieler Wissenschaftler und potenziell besonders betroffener Länder ist diese Grenze aber bereits zu hoch angesetzt und es wird ein Schwellenwert von 1,5 °C gefordert. Setzen sich die aktuellen Tendenzen fort, wird die globale Erwärmung wahrscheinlich bereits irgendwann zwischen 2030 und 2052 die Schwelle von 1,5 °C überschreiten. Um eine Erwärmung über diese Grenze hinaus zu vermeiden, wären riesige Anstrengungen und Investitionen erforderlich. Die Emission von CO2 und anderen Treibhausgasen müsste innerhalb weniger Jahrzehnte praktisch beendet werden, Produktion und Verkehr also mehr oder weniger komplett auf andere Energieträger umgestellt werden. Die Versorgung mit Primärenergie müsste komplett von fossilen Kohlenstoffträgern abgekoppelt werden. Diese Anstrengungen wären mit riesigen Kosten verbunden – Kosten, die unter kapitalistischen Bedingungen kein Staat und erst recht kein Unternehmen bereit sein wird zu tragen.
Allerdings schwingt im Begriff des „menschengemachten Klimawandels“ auch etwas ganz und gar Irreführendes mit: Es ist nicht, wie bürgerliche Analysen immer wieder behaupten, der „Mensch an sich“ und sein „unersättlicher“ Hunger nach Ressourcenverbrauch, der das Klima in diesem Ausmaß beeinflusst, sondern die weltweit herrschenden Produktionsverhältnisse, der Kapitalismus. Dazu weiter unten mehr. Erst einmal zurück zu den unmittelbaren Ursachen:
Der heutige Klimawandel unterscheidet sich aber von den natürlichen Klimaveränderungen in der Erdgeschichte dadurch, dass er sehr viel schneller von statten geht. Die bisher stattgefundene Erwärmung um gut 1°C in zwei Jahrhunderten ist im Vergleich zu früheren Erwärmungsperioden bereits extrem schnell. Zudem wird sich die Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten mit Sicherheit beschleunigen. Das IPCC rechnet in seinem letzten Bericht mit einem globalen Temperaturanstieg von bis zu 6 °C bis zum Jahr 2100. „Die letzte vergleichbar große globale Erwärmung gab es, als vor ca. 15000 Jahren die letzte Eiszeit zu Ende ging: Damals erwärmte sich das Klima global um ca. 5 °C. Doch diese Erwärmung erfolgte über einen Zeitraum von 5000 Jahren – der Mensch droht nun einen ähnlich einschneidenden Klimawandel innerhalb eines Jahrhunderts herbeizuführen.“ (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 52). Diese Geschwindigkeit ist viele Tausend Male zu hoch, als dass sich die Evolution der Arten auf der Erde daran anpassen könnte (Quintero/Wiens 2013).
Grafik aus Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 27. Die Grafik zeigt einen dramatischen Anstieg der Durchschnittstemperatur seit dem Beginn der kapitalistischen Industrialisierung.
Die kapitalistische Produktionsweise ist heute der alleinige Urheber des menschengemachten Klimawandels. Allerdings befindet sich diese Produktion in einem Widerspruch, da sie auf der einen Seite durch den massiven Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen die Klimaerwärmung vorantreibt, auf der anderen Seite jedoch die technologischen Möglichkeiten entwickelt, die Energieproduktion auf erneuerbare Energien zu verlagern. Allein die Tatsache, dass es der Menschheit durch den technischen Fortschritt schon längst möglich wäre, sehr große Mengen Energie mit geringem CO2-Ausstoß zu produzieren, dies aber bisher noch nicht stattfindet, belegt das kapitalistische Interesse daran, im Wesentlichen, trotz größerer Anpassungen, an der bisherigen Energieproduktion, unter anderem durch Kohle- und Gaskraftwerke festzuhalten.
Der Kohle-, Erdöl, und Gasmarkt ist an große Profiterwartungen geknüpft. So berichtete das Nachrichtenportal Businesswire am 9. Januar 2018 über einen Bericht des US-Handelsministeriums, welcher das Handelsvolumen des globalen Erdölmarktes auf insgesamt 200 Milliarden Dollar bis 2019 schätzt (Businesswire, 2018). Dies ist nur ein Beleg dafür, dass der Kapitalismus ein großes Interesse an dem zukünftigen Bestehen der Erdölgeschäfte haben wird, weshalb eine Umstellung der Produktion auf erneuerbare Energien nur langsam stattfinden wird – wobei „langsam“ hier nicht heißt, dass diese Vorgänge keine großen gesellschaftlichen Auswirkungen und weitere Umverteilung auf Kosten der Arbeiterklasse mit sich bringen können. „Langsam“ bezieht sich hier darauf, dass sie nicht ausreichend sind, um den CO2-Anstieg auf ein ökologisch tragbares Maß zu beschränken. Allerdings sei hierbei nicht vergessen, dass der Markt für erneuerbare Energien, vor allem für Windkraftanlagen, stark gewachsen ist, und somit ebenfalls kapitalistischen Interessen unterliegt. China ist beispielsweise der größte Markt für den Windkraftanlagenbau. Somit ist der Wandel hin zu erneuerbaren Energien innerhalb des Kapitalismus kein Wandel im Sinne der Menschheit. Das heißt, dass es keineswegs die „gutmenschlichen“ Ideen von Firmen und Staaten sind, welche diese zu mehr Investitionen in erneuerbare Energien antreiben, sondern der Drang nach höheren Profiten. Zudem sind viele scheinbar „grüne“ Investitionen, wie zum Beispiel der Ausbau von Elektroautos, welche von den Monopolen und deren politischen Vertretern oftmals als positives Beispiel für ihren Schritt in Richtung eines CO2-freien Verkehrs genannt werden, eine weitere Quelle nicht nur für die Erschließung neuer Märkte, sondern auch für die Produktion großer Mengen CO2. Bei dem Bau der Batterien werden große Mengen an Nickel, Kobalt und vor allem Lithium benötigt. Beim Abbau und Transport dieser wertvollen und seltenen Materialien werden große Mengen an CO2 freigesetzt.
Verstärkende und entgegenwirkende Faktoren des Klimawandels
Und schließlich sollte man sich im Klaren darüber sein, dass der Klimawandel kein linearer Prozess ist. Nicht nur beschleunigt sich durch die ständige gesetzmäßige Expansion der industriellen Produktion der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen. Sondern die steigenden Temperaturen setzen zum Teil neue Prozesse frei, die zu einer weiteren Beschleunigung der Klimaerwärmung führen. Man spricht hier von „positiven Rückkopplungseffekten“. Dafür im Folgenden ein paar Beispiele: Durch das Abschmelzen der Eisflächen am Nord- und Südpol sinkt der Anteil an heller Erdoberfläche (Schnee, Eis; hoher Albedo), welcher die Sonnenstrahlung in die Atmosphäre zurückreflektiert. Der Anteil an dunkler Erdoberfläche (niedriger Albedo) absorbiert die Sonnenstrahlung, was zu einer zusätzlichen Erderwärmung führt. Es bildet sich also ab einem bestimmten Punkt ein fortschreitender Kreislauf der Erderwärmung. Umso mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, umso schneller erwärmt sich das globale Klima und umso weniger Sonnenstrahlen werden, aufgrund des Anstiegs an dunkler Erdoberfläche (niedriger Albedo), von dieser reflektiert.
Zweitens sind in den Meeren große Mengen Gase gespeichert, u.a. auch Treibhausgase. Wenn sich das Wasser erwärmt, kann nur noch ein geringerer Anteil dieser Gase im Wasser gelöst bleiben, ein größerer Teil wird also in die Luft entweichen. Dadurch steigt die Konzentration von Treibhausgasen und das Klima erwärmt sich weiter. Abgesehen davon bedeutet die Anreicherung des Meerwassers mit CO2 auch eine fortschreitende Versauerung der Meere, was den Lebensraum zahlreicher Arten und damit auch die Nahrungsversorgung großer Teile der Menschheit bedroht.
Ähnliches gilt drittens für die riesigen Mengen an Methangas, die in den Permafrostböden der nördlichen Landmassen gespeichert sind. Permafrost bedeutet, dass diese Böden immer, also das ganze Jahr durch, gefroren sind. Die Permafrostgebiete sind zusammen 22,8 Mio. Quadratkilometer groß, das ist mehr als die Fläche von Russland und Indien zusammen (Pomrehn 2018). Sobald sie jedoch auftauen, was natürlich ab einer gewissen Oberflächentemperatur passieren wird, verwandeln sie sich in gigantische Sumpflandschaften. Dadurch werden riesige Mengen Methan in die Atmosphäre entweichen. Methan ist ein ungefähr 25mal stärkeres Treibhausgas als CO2. Dieser Prozess wird sich über Jahrhunderte hinziehen, aber voraussichtlich bereits in der nahen Zukunft sehr negative Auswirkungen haben.
Viertens verdampft durch die steigenden Temperaturen mehr Wasser. Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, dieses Wasser wird also in geringerem Maße wieder flüssig und auf die Oberfläche zurückregnen. Wasserdampf ist aber ebenfalls ein Treibhausgas und verstärkt den Treibhauseffekt.
Es gibt auch „negative Rückkopplungseffekte“, die in die Gegenrichtung wirken. Z.B. würde eine wärmere Erde auch mehr Wärme zurück ins Weltall strahlen – dass ein wärmerer Gegenstand mehr Wärme abstrahlt kennen wir ja von jeder Heizung. Außerdem würden die höheren Temperaturen das Wachstum der Vegetation verstärken, wodurch wieder eine größere Menge CO2 aufgenommen würde.
Aber beinhaltet das nicht die Möglichkeit, dass die negativen Rückkopplungseffekte überwiegen und das Klima dadurch stabilisieren könnten? Leider ist das sehr unwahrscheinlich. Denn: „Gäbe es starke negative Rückkopplungen, die eine größere Klimaänderung verhindern würden, dann wären auf einmal die meisten Daten der Klimageschichte unverständlich. Hunderte von Studien wären allesamt falsch, und wir müssten beim Schreiben der Klimageschichte ganz von vorne anfangen. Doch eine solche noch unbekannte negative Rückkopplung wäre der einzige Ausweg aus der ansonsten unausweichlichen Folgerung, dass eine Erhöhung der Treibhausgaskonzentration die von den Klimatologen vorhergesagte Erwärmung verursachen wird. Es wäre töricht, auf die winzige Chance zu hoffen, dass künftig eine solche negative Rückkopplung entdeckt werden wird.“ (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 51).
Nach der Erhöhung der Treibhausgas-Konzentration ist der zweitgrößte „menschengemachte“ Klimaeffekt die Erhöhung der Aerosol-Konzentration in der Atmosphäre. Aerosole sind Kleinstpartikel (fest und flüssig), die in der Luft schweben und u.a. die Wolkenbildung beeinflussen. Aerosole, insbesondere Schwefel-Partikel werden natürlich durch vulkanische Aktivität und vom Menschen durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen, Waldrodungen u.a. in die Atmosphäre gebracht. Aerosole bewirken einen Kühlungseffekt, da sie die Reflektion des Sonnenlichts in der Atmosphäre erhöhen. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass sich dieser Effekt und die Erderwärmung durch nicht-CO2-Treibhausgase (Methan, NO2) ungefähr ausgleichen. Daher korreliert die Netto-Erderwärmung aktuell ungefähr mit der CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Hansen 2018). Auf eine Abkühlung des Klimas durch Aerosole zu hoffen wäre allerdings auch deshalb einigermaßen wahnsinnig, weil viele dieser Partikel, z.B. aus den Abgasen von Autos, zwar das Klima abkühlen, aber gleichzeitig für den Menschen sehr gesundheitsschädlich sind. Zudem geht ihr Anstieg zumeist mit einem Anstieg des CO2 einher, da beide aus Verbrennung von Wäldern oder fossilen Brennstoffen entstehen.
Zusammenfassend schreiben Rahmstorf und Schellnhuber: „Einige wichtige Kernaussagen haben sich in den abgelaufenen Jahrzehnten der Klimaforschung so weit erhärtet, dass sie unter den aktiven Klimaforschern allgemein als gesichert gelten und nicht mehr umstritten sind. Zu diesen Kernaussagen gehören:
- Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist seit ca. 1850 stark angestiegen, von dem für Warmzeiten seit mindestens 800 000 Jahren typischen Wert von 280 ppm auf inzwischen 410 ppm.
- Für diesen Anstieg ist der Mensch verantwortlich, in erster Linie (zu einem Viertel) durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, in zweiter Linie durch Abholzung von Wäldern.
- CO2 ist ein klimawirksames Gas, das den Strahlungshaushalt der Erde verändert: Ein Anstieg der Konzentration führt zu einer Erwärmung der oberflächennahen Temperaturen. (…)
- Das Klima hat sich seit Ende des 19. Jahrhunderts deutlich erwärmt (global um ca. 1,1 °C, in Deutschland um ca. 1,8 °C); die Temperaturen der abgelaufenen zehn Jahre waren global die wärmsten seit Beginn der Messungen im 19. Jahrhundert und seit mindestens mehreren Jahrtausenden davor.
- Der weit überwiegende Teil dieser Erwärmung ist auf die gestiegene Konzentration von CO2 und anderen anthropogenen Gasen zurückzuführen; ein kleinerer Teil auf natürliche Ursachen, u.a. Schwankungen der Sonnenaktivität.“ (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 51f),
Wobei wir uns, wie oben gesagt,
natürlich die irreführende Formulierung nicht zu eigen machen, „der
Mensch“ sei für diesen seit etwa 1850 beobachtbaren Prozess
verantwortlich. Es ist vielmehr der Kapitalismus/Imperialismus. Dass
es sich beim „kapitalismusgemachten“ Klimawandel um eine weithin
gesicherte Tatsache handelt, beweisen nicht nur die eindeutigen
Ergebnisse von Temperaturmessungen. Auch die bereits jetzt vielfach
zu beobachtenden Auswirkungen der globalen Erwärmung zeigen
gewissermaßen als unabhängige Belege, dass es sich um einen sehr
realen Prozess handelt: Das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und
arktischem Meereis sowie der Kontinentaleismassen in Grönland und
Antarktis, auftauende Permafrostböden, ein um 3 cm pro Jahrzehnt
steigender Meeresspiegel, verlängerte Vegetationsperioden sowie die
Veränderungen der Verbreitungsgebiet vieler Tier- und Pflanzenarten
(Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 77).
Auf den Menschen wirkt sich der Klimawandel bereits jetzt verheerend aus. Die Zehntausenden Toten während der Hitzewelle von 2003 waren dabei kein Einzelfall. Jedes Jahr kommen auch ohne solche extremen Wetterereignisse viele Zehntausende Menschen als Folge der globalen Erwärmung ums Leben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt ein, dass zwischen 2030 und 2050 ungefähr 250.000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr zu beklagen sein werden, weil durch die steigenden Temperaturen Hungersnöte, Malariaepidemien, Durchfall und Fälle extremer Hitze zunehmen werden (WHO 2018).
Die „Klimaleugner“ – ein vom Kapital organisierter Krieg gegen die Vernunft
Die Kette von Ursache und Wirkung ist im Fall des Klimawandels also eindeutig feststellbar: Je mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, desto schneller erwärmt sich das Klima, desto zerstörerischer die Folgen für Mensch und Umwelt. Dass es trotzdem noch Kräfte gibt, die die menschlichen Ursachen des Klimawandels leugnen, liegt nicht daran, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage uneindeutig wären. Es liegt ganz einfach daran, dass es mächtige kapitalistische Interessen gibt, die ein Interesse daran haben, die Verbreitung der Wahrheit zu behindern.
So gaben die Ölkonzerne Shell und Exxon mobil allein im Jahr 2015 über 100 Mio. US$ für Lobbyarbeit gegen Klimagesetzgebung aus. Die Eigentümer des Öl- und Chemiekonzerns Koch Industries sollen 400 Mio. US$ in Desinformationskampagnen, u.a. zum Thema Klimawandel, investiert haben (Probst/Pelletier 2017). Das ganze Ausmaß, in dem unwissenschaftliche Positionen zum Klimawandel von den Konzernen unterstützt werden, ist nicht bekannt, da die meisten entsprechenden Lobbyorganisationen oder Think Tanks nicht im Lobby Transparency Register eingetragen sind (der Eintrag ist in der EU freiwillig). Man weiß jedoch, dass das britische „Institute for Economic Affairs“, das klimaskeptische Positionen verbreitet, vom Ölkonzern BP finanziert wird, das „International Policy Network“ in London wurde lange vom Ölkonzern ExxonMobil finanziert. Auch das US-amerikanische „Institute for Energy Research“ wird von Koch Industries und ExxonMobil finanziert und das Institut CEPOS zumindest von ersterem Konzern (Corporate Europe Observatory 2010).
In der naturwissenschaftlichen Community dagegen ist die Position der „Klimaleugner“ nahezu inexistent. Es gibt einen weitgehenden Konsens unter Klimaforschern, dass die menschengemachte Klimaerwärmung eine Tatsache ist. Nach einer Umfrage stimmten 97% der Klimaexperten dieser Position zu (Müller-Jung 2017).
Ganz anders sieht es in den Massenmedien aus, die den „Klimaleugnern“ regelmäßig im Namen der „Ausgewogenheit“ ein Forum bieten, obwohl ihre Behauptungen nachweislich Lügenkonstrukte sind. Nach einer Untersuchung von 928 Publikationen in Fachzeitschriften zum Schlüsselwort „globale Klimaveränderung“ zwischen 1993 und 2003 gab es nicht einen einzigen Artikel, der die menschlich verursachte Klimaerwärmung in Zweifel zog. In Beiträgen in den Zeitungen und im Fernsehen wurde dagegen in jedem zweiten Beitrag die „klimaskeptische“ Position vertreten (Probst/Pelletier 2017).
Aber werden die Vertreter der Mehrheitsposition nicht auch finanziert? So lautet oft ein Argument der „Klimaleugner“.
Die Forschung des International Panel on Climate Change (IPCC), auf dem die wesentlichen Berichte und Schätzungen zum Klimawandel beruhen, kann als sehr zuverlässig betrachtet werden. Denn im Gegensatz zu vielen „Klimaleugnern“ werden die Wissenschaftler des IPCC, die aus 64 verschiedenen Ländern stammen und ihre Ergebnisse auf mehr als 6000 Veröffentlichungen von Fachzeitschriften basieren, vom IPCC nicht für ihre Arbeit bezahlt. Sie betreiben sie ehrenamtlich oder leben von ihren Stellen an Hochschulen oder Forschungseinrichtungen. Die Regierungen der 195 Mitgliedsstaaten des IPCC können zwar Kommentare und Vorschläge in den Bericht einbringen, allerdings haben die Wissenschaftler ein Vetorecht, um zu verhindern, dass politische Interessen das Ergebnis verfälschen. (Rahmstorf/Schellnhuber 2018, S. 84 – 86). Sicherlich können sich die Interessen des Kapitals trotzdem in diesen Berichten widerspiegeln. Dazu muss gar keine direkte Einflussnahme von Konzernen stattfinden, denn natürlich haben auch Naturwissenschaftler bestimmte Werte, weltanschauliche Positionen und Annahmen und möglicherweise auch ökonomische oder politische Interessen. Auch bei naturwissenschaftlicher Forschung ist also eine grundsätzliche Skepsis angebracht – Skepsis nicht in dem Sinne, dass man die Forschungsergebnisse alle für Unsinn erklärt, aber in dem Sinne, dass auch die Naturwissenschaft nicht klassenneutral sein kann. Dies gilt in der Regel weniger für das Zustandekommen bestimmter Messungsdaten oder empirischer Beobachtungen, sondern eher für die Interpretation der Ergebnisse. Im Fall des IPCC sprechen die Indizien aber leider keineswegs für einen Hang zu hysterischen Übertreibungen, sondern ganz im Gegenteil dafür, dass die reale Bedrohung systematisch kleingeredet wird, z.B. indem unsichere, aber wahrscheinliche Szenarien aus den Berichten herausgehalten werden (vgl. z.B. Rahmstorf 2019; Wiedlich 2018).
Allerdings haben die Naturwissenschaften, auch in der kapitalistischen Gesellschaft, den Vorzug, von sich aus in gewissem Maße zum Materialismus und zur Wissenschaftlichkeit zu tendieren. Im Gegensatz zu den Gesellschaftswissenschaften, wo unter dem Einfluss der Bourgeoisie und der bürgerlichen Ideologie der Irrationalismus floriert, kann davon ausgegangen werden, dass die naturwissenschaftliche Forschung die Realität zum großen Teil korrekt abbildet. Grund dafür ist, dass Naturwissenschaftler die Objektivität der Natur anerkennen müssen, um ihre Forschung überhaupt erfolgreich betreiben zu können – sie sind also zu einer tendenziell materialistischen Betrachtungsweise gezwungen.
Marxisten dürfen, selbst wenn sie keine gelernten Spezialisten für bestimmte Bereiche der Naturwissenschaft sind (niemand ist Experte in allen Naturwissenschaften), keineswegs in einen grundlegenden erkenntnistheoretischen Skeptizismus verfallen, der prinzipiell anzweifelt, dass wir uns auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse stützen können. Vielmehr hat die Entwicklung der marxistischen Wissenschaft die Entwicklung der Naturwissenschaften in sich aufzunehmen. Wäre das nicht möglich, hätte Engels nicht die „Dialektik der Natur“ schreiben können, Marx nicht seine Überlegungen zur Agrarwissenschaft und Lenin nicht „Materialismus und Empiriokritizismus“. Wer glaubt, es wäre grundsätzlich „anmaßend“, wenn wir uns heute ein eigenes Urteil über Fragen des Klimawandels zutrauen, der könnte auch Engels, bekanntlich hauptberuflich kein Naturwissenschaftler, die Kompetenzen absprechen, sich zur Physik, Chemie oder Biologie seiner Zeit zu äußern. Genauso wie wir uns „anmaßen“, Aussagen über komplexe gesellschaftliche Entwicklungen zu treffen, ohne dafür beispielsweise jeden ökonomischen Vorgang an den Finanzmärkten genau verstehen können zu müssen, ist das auch in naturwissenschaftlichen Fragen möglich.
Die Argumentation der „Klimaleugner“ ist erstens insgesamt falsch (was nicht ausschließt, dass einzelne Aspekte ihrer Argumentation zutreffen können) und zweitens in den meisten Fällen ebenso eindeutig interessengeleitet.
Die Vorstellung, dass die Folgen des Klimawandels harmlos wären („Wen kümmert es schon, wenn der Meeresspiegel ein paar Zentimeter höher ist?“), ist eine fatale Illusion. Die Menschheitsgeschichte kennt einige kleinere Klimaschwankungen und die Erdgeschichte kennt verschiedene sehr große Klimaschwankungen. Jeder große Klimawandel – und der, den die kapitalistische Industrialisierung ausgelöst hat, ist jetzt schon von großem Ausmaß – hat gewaltige Umwälzungen in den bestehenden Ökosystemen verursacht. So etwa vor 250 Millionen Jahren, als Vulkane sehr viel Kohlenstoffdioxid (CO2) und andere Treibhausgase in die Atmosphäre schleuderten und sich das Klima wahrscheinlich um 5-10 °C erwärmte. Damals starben die meisten Arten an Land und im Wasser aus, das Ökosystem änderte sich sehr grundsätzlich und brauchte viele Millionen Jahre, um wieder eine entsprechende Artenvielfalt entwickeln zu können (Bond/Grasby 2017).
3 Der Verlust der Biodiversität
Der Verlust von Biodiversität, d.h. das Aussterben von Spezies, ist eine weitere dramatische ökologische Entwicklung unserer Zeit. Dass bestimmte Arten aussterben oder sich zu neuen Arten weiterentwickeln ist ein natürlicher Prozess, den es immer gegeben hat. Dieser Umstand wird manchmal als Argument dafür angeführt, dass das aktuell zu beobachtende Artensterben doch nichts Besonderes sei und daher auch nicht so dramatisch.
Allerdings ist die Aussterberate heute bei weitem höher als jemals zuvor, vielleicht abgesehen vom schlagartigen Aussterben der Dinosaurier (Kreide-Paläogen-Grenze), das vermutlich durch den Asteroideneinschlag vor 66 Mio. Jahren verursacht wurde. In früheren Zeiten der Erdgeschichte kamen 0,1 bis 1 aussterbende Art auf eine Million Spezies pro Jahr. Heute liegt diese Rate um das 100-1000fache höher. Eine neuere Studie zeigt, dass aktuell die Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen und Reptilien auf 40% des Niveaus von 1970 gesunken sind. Seit dem Beginn der menschlichen Zivilisation sind die Populationen von Säugetieren um 83% gesunken. Anders ausgedrückt: Nur noch 17% so viele Säugetiere bewohnen heute den Planeten, wie es z.B. vor einer Million Jahren der Fall war. Teilweise sterben diese Arten durch Jagd und Fischerei aus, aber vor allem durch die Zerstörung ihrer Lebensräume für Landwirtschaft, menschliche Siedlungen oder chemische Verschmutzung. Durch die Entstehung von Städten und Dörfern entfällt nämlich nicht nur das unmittelbare Siedlungsgebiet für die meisten Tier- und Pflanzenarten, sondern es werden Lebensräume (Habitate) geteilt, was Wanderungsbewegungen vieler Tiere, Fortpflanzung und Futtersuche behindert (Rockström et al. 2009; Carrington 2018).
Besonders katastrophal ist das massenhafte Aussterben von Insekten. Nach einer umfassenden Analyse, die 73 empirische Studien zur weltweiten Entwicklung der Insektenpopulationen ausgewertet hat, sind die meisten Insektenarten von einem dramatischen Rückgang der Populationen betroffen. Das trifft nicht nur auf spezialisierte Arten zu, die bestimmte ökologische Nischen besetzen, sondern auch viele weit verbreitete Arten. Nur wenige Spezies schaffen es, sich zu vermehren und das Vakuum zu füllen, das durch das Aussterben der meisten Populationen hinterlassen wird. Das reicht aber bei weitem nicht aus, um den allgemeinen Trend des Artensterbens zu kompensieren. Insgesamt sind ungefähr die Hälfte der untersuchten Spezies von rapidem Rückgang der Population betroffen und ein Drittel vom Aussterben bedroht. Damit ist die Geschwindigkeit des Aussterbens achtmal so schnell wie bei Säugetieren, Vögeln und Reptilien. Die Insektenpopulation der Welt sinkt pro Jahr, gemessen an der addierten Masse der Insekten, um 2,5%. Einer der Autoren der Analyse sagt dazu: „Es geht sehr schnell. In 10 Jahren werden wir ein Viertel weniger haben (der Insektenpopulation der Welt, Anmerkung der Autoren), in 50 Jahren nur noch die Hälfte und in 100 Jahren gar keine mehr.“. Als Ursachen werden der Verlust von Habitaten durch Landwirtschaft und Entstehung von Städten angeführt, die Verschmutzung, vor allem durch Pestizide und Dünger, biologische Faktoren wie Krankheiten und importierte Spezies, sowie der Klimawandel. Der Klimawandel ist vor allem in tropischen Regionen eine Hauptursache des Artensterbens (Sánchez-Bayo/ Wyckhuys 2019; Carrington 2019).
Eine Studie bezüglich Deutschlands fand heraus, dass über einen Zeitraum von 27 Jahren in 63 Naturschutzgebieten eine Abnahme fliegender Insekten um 76% (gemessen an ihrer Masse) zu verzeichnen ist, also eine Reduktion der Insektenpopulation auf ein Viertel (Hallmann et al. 2017).
Die Perspektive einer Welt ohne Insekten ist ein Horrorszenario. Insekten stehen im Zentrum der weltweiten Ernährungsnetze, sie sind unverzichtbare Nahrung für Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien, Amphibien. Die allermeisten Pflanzenarten sind für die Bestäubung auf Insekten angewiesen. Im Boden spielen Insekten bei der Verarbeitung von Nährstoffen eine zentrale Rolle. Insekten begrenzen die Verbreitung von Schädlingen usw. usf. Ohne Insekten wäre Landwirtschaft kaum noch möglich, die Vegetation würde ausgedünnt, das Überleben großer Teile der Menschheit wäre infrage gestellt.
Insgesamt gibt es in der Biodiversitätsforschung immer noch einige Unsicherheiten, vor allem was die Frage angeht, was der Verlust an Artenvielfalt für den Menschen bedeutet. Bestimmte Effekte von sinkender Biodiversität sind aufgrund unklarer Faktenlage noch umstritten, beispielsweise ob diese auch zu sinkender Wasserqualität führt (Cardinale et al. 2012, S. 63). Zudem hat das Aussterben einer Spezies nicht immer denselben Effekt, da bestimmte Spezies viel produktiver sind als andere und ihr Aussterben daher größere Auswirkungen hat. Insgesamt sind die Beweise jedoch auch in dieser Frage eindeutig: Sinkende Biodiversität führt in vielfacher Hinsicht zu schlechteren Lebensbedingungen für den Menschen: Die Funktionen, die ein Ökosystem für die Menschheit ausübt, werden in zwei Kategorien unterteilt: 1) Bereitstellung von erneuerbaren Ressourcen für den Menschen (z.B. Nahrung, Holz, Frischwasser). 2) Regulierende Funktionen, die Umweltschäden (z.B. Klimawandel, Schädlingsverbreitung) eindämmen (ebd, S. 60). Es kann als erwiesen gelten, dass insgesamt (von manchen Ausnahmen abgesehen) beide Arten von Funktionen mit abnehmender Artenvielfalt beeinträchtigt werden. Dabei ist die Beziehung zwischen sinkender Artenvielfalt und sinkender Bereitstellung von Ressourcen für den Menschen und regulierenden Funktionen exponentiell – das heißt, dass je mehr die Artenvielfalt abnimmt, desto mehr beschleunigt sich die Verschlechterung der Bedingungen für den Menschen (ebd., S. 61).
Die Daten zahlreicher Studien zeigen konkret, dass abnehmende Biodiversität zu sinkenden Ernten in der Landwirtschaft, sinkender Holzproduktion, sinkender Futterproduktion für Tiere sowie instabileren Fischpopulationen führt, also die Ernährung der Menschheit durch die Fischerei zunehmend infrage stellt. Außerdem geht sie mit höherer Anfälligkeit gegenüber Pflanzeninfektionen einher, senkt die Nährstoffanreicherung des Bodens und die Kohlenstoffspeicherung in der Vegetation (ebd, S. 62).
4 Andere Prozesse der Umweltzerstörung
Wenn wir von Umweltzerstörung oder -verschmutzung sprechen, ist damit gemeint, dass relative Gleichgewichte von Ökosystemen massiv unterbrochen und gestört werden, sodass sich die Lebensbedingungen für den Menschen erheblich verschlechtern. Denn auch wenn die Natur selbstverständlich nie statisch ist, wäre es ein grober Irrtum zu glauben, dass es deshalb keine Kreisläufe oder relativen Gleichgewichte gäbe. Große Veränderungen vollziehen sich in der Evolution des Ökosystems in der Regel nur langfristig, durch zahllose Kreisläufe hindurch, in denen sich minimale Veränderungen kumulieren und schließlich in qualitative Umbrüche umschlagen können. Doch diese relativen Gleichgewichte, die über längere Zeiträume eine weitgehende Stabilität von Ökosystemen implizieren, können durch den menschlichen Eingriff empfindlich gestört und zum Kollaps gebracht werden. Es gibt viele solcher Störungsprozesse, die durch die gesellschaftlichen Verhältnisse verursacht werden und die alle miteinander im Zusammenhang stehen und sich teilweise gegenseitig verstärken. So beschleunigt die Zerstörung der Wälder die Erderwärmung, weil weniger CO2 in den Wäldern gespeichert werden kann und somit in die Atmosphäre entweicht – umgekehrt beschleunigen die steigenden Temperaturen auch die Vernichtung der Wälder, z.B. durch häufigere Waldbrände.
All diese Prozesse hier ausführlich darzustellen kann selbstverständlich nicht das Ziel sein – doch in der naturwissenschaftlichen Literatur ist viel Material zu Desertifikation, Überdüngung von Gewässern und Böden, generellem Verlust von Ökosystemen zu finden. Hier geht es auch nicht um eine naturwissenschaftliche Arbeit, sondern um eine politische Argumentation, die sich auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaft stützt.
Eine umfassende und viel beachtete Studie einer großen Autorengruppe von 2009 kam zu dem Ergebnis, dass es bei den verschiedenen Prozessen, die das Ökosystem ausmachen „planetare Grenzen“ gibt, die nicht überschritten werden dürfen, andernfalls wären globale katastrophale Rückwirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen zu erwarten (Rockström et al. 2009). Neun solcher Grenzen werden festgehalten. Neben dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität sind dies:
- Die Versauerung der Ozeane, d.h., dass der Säuregehalt des Meereswassers über einen bestimmten Grenzwert steigt und dadurch ein Massensterben des Lebens im Meer auslöst.
- Eine Verringerung des Ozons in der Stratosphäre (das ist der Teil der Erdatmosphäre in ca. 8-50 km Höhe) um mehr als 5%. Die Ozonschicht führt dazu, UV-Strahlung der Sonne aus dem Licht zu filtern, die u.a. auch für den Menschen sehr gesundheitsschädlich sein können. Aber auch auf das Ökosystem würde sich eine Überschreitung dieser Grenze negativ auswirken, auch hier würden viele Arten aussterben.
- Eine Störung des Stickstoff- und Phosphorzyklus: Indem durch die Nutzung von Düngemitteln und die Industrie große Mengen an Stickstoff und Phosphor in die Böden und Gewässer gelangen, kommt es zu einem Nährstoffüberschuss in den Gewässern. Dadurch bilden sich Algen, die dem Wasser Sauerstoff entziehen und somit anderen Meereslebewesen die Grundlage für ihr Überleben entziehen. Andrerseits würde durch die größere Algenvegetation auch wiederum die Absorption von CO2 gesteigert.
- Übermäßiger Trinkwasserverbrauch. Bereits jetzt sind etwa 25% der Flüsse der Erde ausgetrocknet, bevor sie das Meer erreichen, weil ihnen zu viel Wasser entzogen wird. Dies ist nicht nur für die dortigen Ökosysteme vernichtend, sondern beeinträchtigt auch die Möglichkeiten zur Landwirtschaft und Fischerei, also die Lebensgrundlagen unzähliger Menschen.
- Übermäßige Bewirtschaftung des Bodens, wenn mehr als 15% der eisfreien Landfläche landwirtschaftlich genutzt würden. Durch die Umwandlung von Wäldern und anderen Ökosystemen in Farmland werden die Lebensräume vieler Arten zerstört und die Fähigkeit des planetaren Ökosystems zur Selbstregulierung, d.h. auch seine Kapazität, verheerenden Zerstörungen entgegenzuwirken, wird außer Kraft gesetzt.
- Chemische Verschmutzung durch radioaktive Elemente, Schwermetalle, aber auch organische Giftstoffe. Natürlich ist diese Verschmutzung für die menschliche Gesundheit, aber auch für das Ökosystem schädlich. Auch hierdurch wird das Artensterben beschleunigt.
- Die Verschmutzung der Atmosphäre mit (festen und flüssigen) Partikeln. Diese beeinflussen das globale Klima und Wetter, sind aber auch für den Menschen gesundheitsschädlich. (alle Daten aus Rockström et al. 2009)
Diese Prozesse hängen voneinander ab und beeinflussen sich gegenseitig. Überschreitet man eine Grenze, kann das dazu führen, dass die Grenze bei einem anderen Prozess näher rückt, weil das Ökosystem dann insgesamt instabiler wird und weniger Belastungen ertragen kann. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass beim Klimawandel, dem Stickstoffzyklus und dem Artensterben bereits Grenzen überschritten sind.
5 Die ökologische Frage aus Sicht des Marxismus
Umweltfrage und Klassenfrage
Die ökologische Frage ist aktuell eines der Hauptprobleme, unter denen große Teile der Menschheit leiden – neben anderen Fragen wie der Gefahr eines neuen imperialistischen Weltkrieges, der leicht zum alles vernichtenden Atomkrieg ausarten könnte, der weltweiten Offensive des Kapitals gegen die Errungenschaften der Arbeiterbewegung und dem weltweiten Aufstieg reaktionärer und faschistischer Kräfte. Im Vergleich zu diesen Bedrohungen, abgesehen vielleicht von der Gefahr eines Atomkrieges, ist die ökologische Frage keineswegs geringer zu gewichten, schon allein weil all diese Fragen miteinander zusammenhängen.
Bei alldem geht es nicht darum, dass die Natur etwas Schönes ist und es bedauerlich ist, wenn zukünftige Generationen keine lebenden Pandabären oder Pinguine mehr bewundern können. Dieser Aspekt ist zweifellos auch an sich von Bedeutung. Denn Wälder, Wiesen, Seen, Meere, Gebirge usw. sind das, was Landschaften schön macht. Die Existenz einer schönen Natur erhöht für den Menschen bereits an sich enorm die Lebensqualität, als Rückzugsraum vom Lärm und der Verschmutzung der Städte sowie dem Alltagsstress. Man kann sich durchaus die Frage stellen, wie lebenswert eine Welt ohne Blumenwiesen, saubere Gewässer, Wälder oder wilde Tiere wäre. Allerdings ist das Ökosystem auch kein Luxus, auf den man notfalls auch verzichten kann, sondern die Grundlage unseres Lebens und Überlebens. Die Vorstellung, man könnte die Zerstörung dieses Ökosystems ungehindert weitertreiben, ist eine fatale Illusion, die konsequent zu Ende geführt auch den Menschen ausrotten kann.
Bei der ökologischen Frage handelt es sich somit um ein Problem, dass die breiten Massen der Bevölkerung unmittelbar auf negative Weise betrifft und dies in der nahen Zukunft, d.h. in den kommenden Jahrzehnten, immer stärker betreffen wird. Bereits jetzt nehmen extreme Wetterereignisse zu, die direkt oder indirekt (z.B. durch Ernteausfälle) Millionen Leben kosten. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 90% der Weltbevölkerung gesundheitlichen Risiken durch die Luftverschmutzung ausgesetzt und jedes Jahr sterben sieben Millionen Menschen an den Folgen giftiger Partikel in der Luft (Die Zeit 2.5.2018). Gäbe es nur dieses Problem alleine, der vermeidbare Tod von sieben Millionen Menschen jedes Jahr wäre doch wohl Grund genug, dem Thema einen hohen Stellenwert einzuräumen. Aber es gibt nicht nur dieses Problem, sondern einen ganzen Komplex von Problemen, die in ihrer Gesamtheit eine kaum schätzbare katastrophale Auswirkung auf das Leben der Menschen haben.
Doch auch wenn die Umweltzerstörung zu einem gewissen Grad ein Problem der gesamten Menschheit ist, hat sie sowohl auf der Seite der Verursacher als auch auf Seiten derer, die darunter leiden, einen eindeutigen Klassencharakter. Mit der Beschleunigung des Klimawandels können ganze Erdregionen faktisch unbewohnbar und für jede Art der Landwirtschaft ungeeignet werden. Wenn durch den Klimawandel, die Vergiftung, Überfischung und Versauerung der Meere, die Erosion des Bodens usw. Nahrung und Trinkwasser immer knapper werden, werden darunter in erster Linie die ärmsten der Armen leiden. Maßnahmen zur Hilfe für die Opfer dieser Entwicklung liegen nicht im Interesse des Kapitals, weshalb sich absehbar Hungersnöte verschärfen werden. Diese werden natürlich die Arbeiterklasse und vor allem die Kleinbauern der ärmsten Länder betreffen, deren Lebensgrundlage durch Landwirtschaft unmöglich wird. Diese Menschen werden in noch größerer Zahl gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen, um in den reicheren und auch vom Klimawandel weniger betroffenen Regionen der Nordhalbkugel Rettung zu suchen. Für die Kapitalisten dieser Länder wird es dagegen immer Möglichkeiten geben, sich diesen Folgen auf andere Weise zu entziehen. Sie leiden nicht unter der Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln, Wasser und Treibstoff. Sie können notfalls auch in klimatisch günstigere Regionen umziehen. Der Krieg der Herrschenden in Europa und den USA gegen die Flüchtlinge wird verschärft werden, die rassistische Hetze zur Spaltung der Arbeiterklasse ebenfalls.
Natürlich ist die Verschlechterung der Lebensbedingungen und der Tod einer immer größeren Zahl an Menschen nicht einfach unmittelbar die Folge des Klimawandels oder anderer ökologischer Zerstörungen, wie es in den bürgerlichen Medien oft dargestellt wird. Vielmehr ist es die Folge der Art und Weise, wie diese Probleme sich in einer kapitalistischen Gesellschaft auswirken, wo die ökologischen Schaden ähnlich wie bei Wirtschaftskrisen auf die Arbeiterklasse und allgemein die ärmsten und am meisten unterdrückten gesellschaftlichen Schichten abgewälzt werden. Klar ist jedenfalls: Mit zunehmender ökologischer Zerstörung und steigenden globalen Temperaturen werden die Lebensbedingungen von immer mehr Menschen immer unerträglicher und lebensfeindlicher werden. Es versteht sich von selbst, dass es zu den wichtigsten Aufgaben der Kommunisten gehört, gegen solche massiven Verschlechterungen der Lebensqualität der Volksmassen so konsequent wie möglich anzukämpfen.
Teile der herrschenden Klasse kalkulieren genau mit den zu erwartenden Verschlechterungen der ökologischen Situation. So argumentiert der Wirtschaftsnobelpreisträger Thomas Schelling, dass der Klimawandel vor allem arme Länder auf der Südhalbkugel betreffen würde und daher die Industrieländer nicht zu viele Ressourcen in seine Bekämpfung investieren sollten. Noch offener menschenverachtend äußerte sich Lawrence Summers, führender wirtschaftspolitischer Berater von Barack Obama: „Die wirtschaftliche Logik dahinter, dass man Giftmüll in den Niedriglohnländern ablädt, ist einwandfrei und wir sollten uns dem stellen.“ Denn: „Die Messung der Kosten von gesundheitsschädlicher Verschmutzung hängt davon ab, wie groß die Einkommen sind, die durch erhöhte Krankheiten und Sterblichkeit wegfallen. Von diesem Gesichtspunkt aus sollte man eine gegebene Menge gesundheitsschädlicher Verschmutzung in dem Land mit den niedrigsten Kosten tätigen, was auch das Land mit den niedrigsten Löhnen sein wird“ (zitiert nach Foster et al 2010, S. 94; Übersetzung durch die Autoren). Dass der Kapitalismus globale Barbarei bedeutet, zeigt sich also auch sehr deutlich daran, wie mit Themen der Umwelt umgegangen wird.
Die Ressourcenknappheit wird zu neuen und verschärften zwischenimperialistischen Konflikten führen, unter denen vor allem die Arbeiter aller Länder leiden werden. Schon jetzt nehmen diese Konflikte zu, wie man in vielen Weltregionen (Mittlerer Osten, Südchinesisches Meer, Afrika, Arktis, Osteuropa usw.) sehen kann. Die Gefahr eines neuen Weltkrieges steigt dadurch weiter an. Auch wenn einige Konzerne, Politiker und Medien immer noch etwas anderes behaupten, ist den Imperialisten natürlich klar, dass der Klimawandel eine Realität ist, auf die auch sie sich einstellen müssen. Daher spielt er in ihren Planungen auch eine zunehmende Rolle. Beispielsweise schrieb eine Autorengruppe um die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright 2010 in einem Strategiepapier für die NATO: „Die NATO könnte (…) aufgefordert sein zu helfen, die Herausforderungen an die Sicherheit zu bewältigen, die von solchen Folgen des Klimawandels stammen wie dem Schmelzen der Polkappen oder zunehmenden (…) Naturkatastrophen. Das Bündnis sollte diese Möglichkeit im Auge behalten, wenn es sich auf künftige Eventualitäten vorbereitet“. Jamie Shea, der vor allem für seine Rolle als Pressesprecher der NATO während des Angriffskrieges gegen Jugoslawien 1999 bekannt ist, erklärte zum Klimawandel, „dass die NATO als strategische Drehscheibe dienen sollte, um die Problematik international aufzuwerten“. Shea schloss auch nicht aus, dass es etwas Entsprechendes wie den Artikel 5 des NATO-Vertrages, der den Bündnisfall regelt, auch für den Klimawandel geben könnte – im Klartext also eine Klausel im Vertrag, die neue NATO-Kriege mit Bezug auf bedrohte Kapitalinteressen durch ökologische Probleme rechtfertigen könnte. Auch der deutsche Imperialismus bereitet sich vor: In einem Papier von zwei Außenpolitik-Experten heißt es „Die Regeln und die Lastenverteilung beim globalen Klimaschutz wiederum werden sich entscheidend auf (…) den Zugang zu Rohstoffen (…) auswirken. (…) Noch stärker als bisher muß er die führende Rolle Deutschlands bei der Formulierung dieser neuen Weltregeln strategisch flankieren“ (alle Zitate aus Tal 2010). Viele ähnliche Zitate könnten hier für dieselbe Quintessenz angeführt werden: Die imperialistischen Staaten mit ihren Planungsstäben und Forschungsinstituten analysieren sorgfältig die Herausforderungen, die sich aus zukünftigen ökologischen Katastrophen und Ressourcenknappheit für die Strategien ihres jeweiligen Kapitals ergeben. Sie sind sich absolut darüber bewusst, dass damit eine Zunahme zwischenimperialistischer Spannungen und die Häufigkeit und Intensität von Kriegen zunehmen werden. Und sie verstecken keineswegs ihre Absicht, diese Kriege mit allen Mitteln führen und gewinnen zu wollen.
Auch die Werktätigen in den Industrieländern werden die Leidtragenden der Folgen der Umweltzerstörung sein. Nicht die Reichen werden in den ökologisch verwüsteten Gebieten leben müssen und ihnen wird auch nicht der Strom abgestellt werden, weil sie sich die steigenden Energiepreise nicht mehr leisten können. Dafür werden sie mit einem Strom fliehender Menschen aus Gebieten, in den sie nicht mehr leben können, konfrontiert werden. Die gegenwärtige zu beobachtende Welle des Rassismus in allen entwickelten Ländern des Imperialismus lässt ahnen, was dann politisch los sein wird. Kommunisten müssen hingegen dafür einstehen, dass der Kampf der Arbeiterklasse in den imperialistischen Hauptländern mit dem Kampf der Massen in den Ländern vereint und koordiniert wird, die unter dem kapitalistisch-imperialistisch verursachten Klimawandel besonders zu leiden haben.
Gleichzeitig ist es grundfalsch, davon auszugehen, dass alle Menschen gleichermaßen durch ihre „Gier“ nach Ressourcen für die Umweltzerstörung verantwortlich sind. Schuld sind auch nicht die Arbeiter der entwickelten Industrieländer, die mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen oder zu viel aus Plastikverpackungen essen.
Oft wird darauf hingewiesen, dass die entwickelten Industrieländer viel höhere Emissionen an Treibhausgasen haben als die armen Länder. Das ist natürlich richtig: 2012 wurden nach der Internationalen Energieagentur in den USA pro Kopf 16,1 t Treibhausgase produziert, in der BRD 9,2 t, in China 6,1 t, in Indien 1,6 t und in Äthiopien 0,1 t. Das zeigt, dass die globale Erwärmung stark überproportional von den alten imperialistischen Staaten (Nordamerika, Westeuropa, Japan) sowie in zunehmendem Maße von China verursacht wird, während die arme Bevölkerung des Planeten kaum etwas dazu beiträgt. Diese Zahlen alleine sind aber auch irreführend, weil sie klassenneutral sind und suggerieren, die Bevölkerung Deutschlands oder der USA wäre als Ganze für den Klimawandel verantwortlich zu machen. Auch in einem reichen entwickelten Land wie Deutschland oder den USA ist es aber für einen geringverdienenden Arbeiter nicht möglich, einfach selbst zu bestimmen, wie viel Energie er verbraucht oder wie stark er die Umwelt verschmutzt. Ob man mit dem Auto zur Arbeit fährt oder die Straßenbahn nehmen kann, hängt oft davon ab, wo man wohnt. Der Ausbau eines effizienten und ökologisch sinnvollen öffentlichen Verkehrssystems ist für das Kapital keine Priorität. Im Gegenteil kann es beispielsweise den Interessen der Automobilindustrie und Ölkonzerne zuwiderlaufen, die am individualisierten PKW-Verkehr verdienen. Wenn man in einer Mietwohnung lebt, ist man darauf angewiesen, mit dem eingebauten Heizsystem zu heizen. Ob eine effizientere Heizung eingebaut wird, ist die Entscheidung des Vermieters. Dasselbe gilt für energieintensive Geräte wie Durchlauferhitzer (Daten aus Pomrehn 2015). Und ob man mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegt oder umweltschonendere Transportmittel zum Reisen benutzt, ist keine wirkliche Entscheidung, wenn man überhaupt nur einmal im Jahr zwei Wochen Urlaub machen kann. Selbst wenn es irgendwie möglich wäre, dass alle Privathaushalte aufhören würden, Müll zu produzieren, wäre damit kaum etwas für den Umweltschutz getan. Denn in den USA werden nur 2,5% des Mülls von privaten Haushalten produziert, die übrigen 97,5% dagegen von der Industrie, Bergbau, Bauwirtschaft usw. (Foster et al 2010, S. 383).
Überhaupt ist es absurd, gerade von den am meisten unterdrückten und ausgebeuteten Teilen der Gesellschaft zu erwarten, dass sie sich statt mit ihren unmittelbaren existenziellen Problemen mit langfristigen Bedrohungen wie dem Klimawandel beschäftigen und ihr Leben entsprechend anpassen sollen. Solche Vorstellungen entsprechen der Lebenswelt eines materiell abgesicherten und akademisch gebildeten Kleinbürgertums, dem aufgrund der eigenen Erfahrungen oft jedes Verständnis für die Probleme der ärmeren Schichten fehlt. In der bundesdeutschen Klassengesellschaft, besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung ebenso viel Vermögen wie 87 Prozent der Bürger (Koch 2019). In einer solchen sozialen Realität ist „der Konsument“ eine nichtssagende und klassenneutrale Abstraktion. Die Vorstellung, durch veränderten Konsum die Umwelt zu schützen, ist grundsätzlich idealistisch: Sie geht davon aus, dass Konsum einfach eine Frage des persönlichen Willens ist. In Wirklichkeit hängen Konsumentscheidungen aber von den Bedürfnissen der Menschen und von ihren ökonomischen Mitteln ab – beide diese Faktoren werden aber nicht vom Individuum bestimmt, sondern weitgehend von seiner Position innerhalb der bestehenden sozialen Ordnung (Foster et al 2010, 383).
Die Ursache des Problems liegt also nicht im individuellen Konsumverhalten, sondern dieses ist eine Folge der Art und Weise, wie der Ressourcenverbrauch im Kapitalismus reguliert ist. Die Hauptverursacher der globalen Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt sind nämlich dieselben, die auch Hauptverursacher von Kriegen sind und deren unvorstellbarer Reichtum auf der Armut der Massen beruht. Es ist das Kapital, vor allem natürlich das der führenden imperialistischen Länder.
Parolen, die einfach die breite Bevölkerung zum Konsumverzicht auffordern, verschleiern deshalb die Klassennatur der drohenden Klimakatastrophe und schieben die Verantwortung auf die Arbeiterklasse ab. Noch schlimmer sind Forderungen nach Umweltschutz durch höhere Energiepreise, die einfach nur dazu führen, dass die Arbeiterklasse einen größeren Anteil ihres Einkommens für lebensnotwendige Heizung und Benzin ausgeben muss, während die herrschende Klasse es sich weiter leisten kann, die Umwelt zu verschmutzen – noch dazu ohne dass solche „Maßnahmen“ den Kern der zu lösenden Probleme auch nur annähend erreichen könnten.
Unter kapitalistischen Bedingungen ist es nicht möglich, Ressourcenverbrauch und Verschmutzung auf ein tragbares Maß zurückzufahren. Dies liegt in der fundamentalen Logik des Systems begründet. Solange jedes Unternehmen nur für sich plant und sich dabei allein an seinen betrieblichen Gewinnen, also der Realisierung des Mehrwerts orientiert, ist es nicht möglich, grundlegende gesamtgesellschaftliche Ziele wie den Umweltschutz in der Produktion zu berücksichtigen. Der Profit als Ziel der Produktion ist die Differenz zwischen dem Umsatz und dem investierten Kapital. Er ist eine Geldgröße und diese allein ist letztlich für die Kapitalisten in ihrem Handeln ausschlaggebend. Indem das Kapital in ständiger Konkurrenz miteinander steht, auch noch im Monopolkapitalismus, drängt es sich selbst zwangsläufig immer dazu, die maximale Profitrate, also möglichst hohen Profit bei möglichst geringen Investitionen anzustreben. Wie dieser Profit zustande kommt, ob durch den Bau von Schulen oder die Produktion von Phosphorbomben, ist für den Kapitalisten egal. Viele Investoren, die bei der Bank oder an der Börse ihr Geld angelegt haben, werden nicht einmal wissen, wie genau ihre Rendite produziert wurde. Eine Umstellung der Produktion dahingehend, dass ihre umweltschädlichen Auswirkungen beschränkt werden, drückt sich in vielen Fällen in der Bilanz als zusätzliche Kosten aus. Daher muss jede entsprechende gesetzliche Vorschrift gegen den Widerstand des Kapitals erkämpft werden. Die Einschnitte, die notwendig wären, um zu einem nachhaltigen Produktionsmodell zu kommen, werden aber von keinem kapitalistischen Staat durchgesetzt, weil er damit sein Industriekapital in ernsthafte Schwierigkeiten bringen und ihm im Verhältnis zu den Konzernen anderer Länder schwerwiegende Konkurrenznachteile bescheren würde. Es bleibt daher zumeist bei leeren Willensbekundungen oder verspäteten Maßnahmen, die bei weitem nicht ausreichen.
Das bedeutet umgekehrt nicht, dass es gar keine Reaktionen des Kapitalismus auf die Herausforderungen des Klimawandels gäbe. In den letzten Jahren hat es ja in der Tat Schritte zum Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien, Förderung von Elektroautos usw. gegeben, oder Diskussionen. Diese Schritte kann man durchaus als Versuch betrachten, im kapitalistischen Rahmen die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Letztlich orientieren sich aber auch diese Ansätze an den Profitinteressen des Kapitals, da sie der internationalen Konkurrenz unterliegen. Dort wo eine Umstellung auf regenerative Energien oder die Entwicklung von CO2-freiem Verkehr vorangetrieben wird stecken geostrategische Interessen (z.B. größere Energieunabhängigkeit) dahinter und der Drang der einzelnen Kapitale, sich in der internationalen Konkurrenz einen Vorteil zu verschaffen. Diese Vorteile werden mit Hilfe von staatlichen Subventionsprogrammen durchgesetzt. Für die Situation in Deutschland sei hier die EEG-Umlage genannt, die es den großen Energieproduzenten ermöglichte, ihr Energieangebot zu diversifizieren und dadurch die Energieautonomie des deutschen Staates zu befördern. Allgemein ist die Einführung umweltschonender Technologien nur dann interessant für das Kapital, wenn eine Profitaussicht damit verbunden ist, also letztlich völlig unabhängig von Gesichtspunkten des Umweltschutzes.
Hinzu kommt, dass ressourceneffizientere Technologien und Produktionsmethoden oftmals überhaupt nicht zu reduziertem Ressourcenverbrauch führen. Dieses Paradoxon hat zuerst der liberale Ökonom William Stanley Jevons im 19. Jahrhundert entdeckt: Er beobachtete, dass verbesserte Effizienz bei der Nutzung von Kohle dazu führte, dass die Kohle billiger wurde, wodurch das Kapital mehr Kohle kaufte und absolut gesehen der Kohleverbrauch gerade durch die verbesserte Effizienz anstieg. Jevons war aufgrund seiner neoklassischen wirtschaftstheoretischen Annahmen nicht in der Lage, die Gründe dafür zu verstehen: Der Grund ist, dass das Kapital zu endloser Akkumulation angetrieben ist und daher gar nicht ressourcensparend produzieren kann. Seit der Zeit von Jevons wurde das „Jevons-Paradoxon“ in vielen Fällen beobachtet. So auch bei den CO2-Emissionen: Während 1975-1996 die CO2-Effizienz stark verbessert wurde, stieg der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 weiter an. Dieser grundlegende kapitalistische Mechanismus zeigt, weshalb alle Argumente, die allein durch verbesserte Technologien die Probleme der Umwelt lösen, ohne die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern, auf Illusionen basieren (Foster et al 2010, 140ff).
Dem Kapitalismus ist also leider nicht zuzutrauen, dass er in der Lage sein könnte, eine Lösung für das Problem des Klimawandels zu finden. Eine solche Vorstellung folgt letzten Endes demselben klassenneutralen Technikpositivismus und naiven Optimismus wie die bürgerliche Klimawissenschaft. Dahinter steht implizit eine falsche Auffassung vom Mensch-Natur-Verhältnis, nämlich eine Vorstellung, in der der Mensch irgendwie doch außerhalb der Natur steht und die Natur lediglich als seinen Gegenstand bearbeitet – dass der Mensch dadurch aber umgekehrt auch von der Natur als der Grundlage seines Lebens und Überlebens abhängig ist, wie Marx und Engels betont haben (s. nächstes Kapitel), wird unterschlagen.
Zudem wird in dieser Vorstellung völlig unterschätzt, dass der Kapitalismus eine irrationale Produktionsweise ist, in der die vernunftgesteuerte Lösung von Problemen überhaupt nicht angelegt ist. Vielmehr wirken unter kapitalistischen Bedingungen blinde Gesetze, die keiner gesamtgesellschaftlichen Rationalität unterworfen werden können, es sei denn man würde die kapitalistische Produktionsweise als solche aufheben. Bis dahin, also bis zum Übergang hin zu einer vernunftgesteuerten, planmäßigen, das heißt sozialistischen Gesellschaftsentwicklung, werden wir zwar sicherlich weitere Anpassungsmaßnahmen für die gravierendsten ökologischen Probleme erleben, die aber die Wurzel des Problems unberührt lassen und daher den Weg in die Katastrophe bestenfalls verlangsamen können.
Was für die Beziehungen zwischen Unternehmen gilt, gilt auch für das Verhältnis der Staaten zueinander. Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten und besonders auch der Interessengegensatz zwischen den etablierten imperialistischen Ländern und ihren neu aufsteigenden ebenfalls imperialistischen Konkurrenten wie etwa den BRICS-Staaten verhindern eine Einigung selbst über die notwendigsten Maßnahmen. Die Geschichte der Klimakonferenzen zeigt das am Beispiel des Austritts der USA aus dem Kyoto-Protokoll, die Kündigung des Pariser Klimaabkommens durch Trump, aber auch die fehlende Bereitschaft der BRD-Regierung, sich an die von ihr selbst unterzeichneten klimapolitischen Ziele zu halten usw.
Trotz ihrer Bedeutung wäre es falsch, die Umweltfrage aufgrund ihrer Relevanz auf dieselbe Ebene zu heben wie die Klassenfrage, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. Denn die ökologische Frage existiert nicht neben und außerhalb des Kapitalismus und des Kampfes der beiden Hauptklassen. Sie ist vielmehr das Ergebnis des Verhältnisses zwischen der menschlichen Gesellschaft und der Natur, wie es sich unter kapitalistischen Bedingungen gesetzmäßig entwickelt. Mit der Unterwerfung der Arbeit unter das Kapital geht als ihre Folge auch die rücksichtslose Zerstörung der Umwelt einher. Die Umweltfrage ist also ein Aspekt des Klassenkampfes und des Kampfes zur Durchsetzung der neuen Produktionsweise gegen die historisch überholte alte Produktionsweise.
Umwelt und Naturdialektik
Der historische und dialektische Materialismus stellt den Menschen in den Zusammenhang der Entwicklungsgesetze der Natur und der Gesellschaft. Die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung sind natürlich andere als die der Natur, sie folgen aber grundsätzlich denselben Bewegungsformen, die allgemeine Bewegungsformen der Materie sind. Nach Engels sind dies die drei Grundgesetze der Dialektik: Einheit und Kampf der Gegensätze, der Umschlag von Qualität in Quantität und das Gesetz der Negation der Negation.
In dem Wort „Umwelt“ ist bereits enthalten, dass es sich bei ihr nicht um einen getrennten Bereich der Realität handelt, der sich unabhängig von der Gesellschaft entwickeln würde. In Wirklichkeit ist die Natur der größere Weltzusammenhang, in dem auch die gesellschaftlichen Verhältnisse stehen. Kultur, Zivilisation, Gesellschaft, also das vom Menschen geschaffene, steht gleichzeitig im Gegensatz zur Natur und in einer Einheit mit ihr: Einerseits wenden die Menschen die Naturgesetze auf immer höheren Entwicklungsstufen bewusst für ihre Zwecke an und heben sich damit aus dem Tierreich hervor, andrerseits sind sie genau darin aber von den Naturgesetzen abhängig. Freiheit ist eben auch „nur“ die Einsicht in die Notwendigkeit.
Der „westliche Marxismus“ lehnt in Berufung auf eine Randnotiz in Georg Lukács‘ „Geschichte und Klassenbewusstsein“ die Anwendung der dialektischen Methode auf die Naturgesetze ab. Nach dieser Auffassung bewegt sich nur die Gesellschaft in den Formen der Dialektik. Diese Frage kann hier nicht vertieft behandelt werden, aber es kann festgestellt werden, dass es sich hier um ein grundlegendes anderes, sozialwissenschaftlich verstümmeltes Verständnis der Dialektik handelt, das nicht das des Marxismus ist.
Aus Sicht des Marxismus fasst die Dialektik die grundlegenden Gesetze der Bewegung und Entwicklung aller Materie in Natur, Gesellschaft und Bewusstsein zusammen, sie macht es überhaupt erst möglich, die Entwicklung der Welt als Gesamtzusammenhang zu denken und zu verstehen. Für das Thema dieses Artikels bedeutet das: Gesellschaft und Natur entwickeln sich konkret natürlich nach ganz unterschiedlichen Gesetzen. Natürlich gilt das Mehrwertgesetz nur in der gesellschaftlichen Sphäre, oder genauer gesagt unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise, während die Gravitation ein Naturgesetz ist, mit dem man keine gesellschaftlichen Entwicklungen beschreiben kann. Wer nun davon ausgeht, dass Natur und Gesellschaft sich nach völlig unterschiedlichen Grundprinzipien entwickeln, also nicht durch die Selbstbewegung infolge ihrer Widersprüche, der kann auch nicht akzeptieren, dass beide Bereiche Teil desselben Weltzusammenhangs darstellen. Damit wird aber das dialektische Verhältnis von gesellschaftlichen Verhältnissen und Naturprozessen nicht mehr erfassbar. Das Wesen der Arbeit selbst, als Prozess des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, würde auf diese Weise unverstehbar. Für Marx hingegen war die Arbeit „zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur.“ (Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 192). Darin ist bereits enthalten, dass ein Verständnis der kapitalistischen Gesellschaft ohne die Analyse ihres Verhältnisses zur Natur nicht vollständig sein kann. Der „westliche Marxismus“ mit seiner Ausklammerung der Naturdialektik scheitert darum daran, den kausalen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen wissenschaftlich zu erfassen.
Ganz anders die Auffassung von Marx und Engels. Im krassen Gegensatz zu dem häufigen Vorwurf von bürgerlicher Seite, Marx und Engels seien „blinde Fortschrittsoptimisten“ gewesen, die die Entwicklung der Produktivkräfte ausschließlich positiv gesehen hätten und ihre zerstörerischen Folgen für die Umwelt ignoriert hätten. Diese Darstellung ist ganz und gar nicht haltbar, sie steht im Widerspruch zur Entwicklung des Denkens bei Marx und Engels. Letzterer hat schon 1845 in seiner Schrift über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ etwa im Kapitel „Die großen Städte“ auf die, wie wir heute sagen, ökologischen Konsequenzen der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise verwiesen (Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, MEW 2, 256 – 305).
Ein Kerngedanke des historischen Materialismus besteht darin, dass auch die gesellschaftliche Entwicklung den Gesetzmäßigkeiten des Werdens und Vergehens aller Dinge folgt. Die kapitalistische Produktionsweise ist, wie Marx analysiert hat, nicht für die Ewigkeit gemacht, sondern sie bringt permanent die Bedingungen ihres eigenen Untergangs hervor. Entscheidend für die historisch-materialistische Auffassung von der Geschichte ist die Erkenntnis, dass die kapitalistische Produktionsweise einerseits die Produktivkräfte entwickelt, diese aber andrerseits immer wieder die Form von Destruktivkräften annehmen. Die Dialektik der Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus besteht gerade darin, dass durch diese auch wiederum Faktoren geschaffen werden, die zur Produktivkraftzerstörung führen: Krisen, Kriege, psychische und physische Zerstörung der Arbeitskraft durch die Arbeit selbst usw., und eben auch durch die Umweltzerstörung. Marx war ganz eindeutig dieser Auffassung: „Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 530). Das Festhalten nicht zuletzt der großen Energie-, Fahrzeug- und anderer Rohstoffkonzerne sowie der führenden imperialistischen Staaten an den bisherigen Produktionsmethoden, weil es unter den Bedingungen des Privateigentums an Produktionsmitteln nicht anders geht; die Tatsache, dass die Bourgeoisie offensichtlich viel eher bereit ist, ein globales ökologisches Desaster hinzunehmen, als von der historischen Bühne abzutreten und einer anderen Produktionsweise Platz zu machen, all das veranschaulicht auf brutale Weise, dass die Produktivkräfte im imperialistischen Stadium des Kapitalismus in einem nie dagewesenen Maße zu Destruktivkräften geworden sind und sich ihr destruktiver Charakter zunehmend weiter vertieft.
Auch den dialektischen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Verhältnissen und Naturprozessen haben sie bereits sehr klar erkannt. Obwohl das Ausmaß der ökologischen Zerstörungen im 19. Jahrhundert noch nicht ansatzweise den heutigen Stand erreicht hatte, formulierte Engels diese Erkenntnis bereits als deutliche Warnung: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. (…) Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“ (Engels: Dialektik der Natur, MEW 20, 453f)
Die Bedeutung, die Marx und Engels dem Problemkomplex Umwelt beimaßen, zeigt sich auch darin, dass sie sich nicht nur mit der Entwicklung der Naturwissenschaften intensiv befassten, sondern speziell auch mit der Frage der Landwirtschaft und den umweltschädlichen, letztlich auf den Menschen zurückfallenden Wirkungen der kapitalistischen Bodenbewirtschaftung. Marx hatte die bahnbrechenden Arbeiten des großen Agrarchemikers Justus von Liebig eingehend studiert und gelangte so zu der Schlussfolgerung, dass die Landwirtschaft unter den Bedingungen des kapitalistischen Eigentums gesetzmäßig zur Erschöpfung des Bodens führe und damit die Lebensbedingungen der zukünftigen Generationen untergrabe (Foster 2000, S. 155ff).
Das große Grundeigentum am Land erzeugt, so Marx, „Bedingungen, die einen unheilbaren Riß hervorrufen in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels, infolge wovon die Bodenkraft verschleudert und diese Verschleuderung durch den Handel weit über die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen wird (…) Große Industrie und industriell betriebene große Agrikultur wirken zusammen. Wenn sie sich ursprünglich dadurch scheiden, daß die erste mehr die Arbeitskraft und daher die Naturkraft des Menschen, die letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens verwüstet und ruiniert, so reichen sich später im Fortgang beide die Hand, indem das industrielle System auf dem Land auch die Arbeiter entkräftet und Industrie und Handel ihrerseits der Agrikultur die Mittel zur Erschöpfung des Bodens verschaffen.“ (Marx: Das Kapital Band III, MEW 25, S. 821). Oder an anderer Stelle: „Mit dem stets wachsenden Übergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. (…) Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit.“ (Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 528f).
Hier spricht Marx also den zwiespältigen Charakter des Fortschritts der Produktivkräfte im Kapitalismus an, die einerseits die „geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft“ vermehren, aber andrerseits immer auch mit verstärkter Unterwerfung der Arbeiterklasse und noch rücksichtsloserer Ausbeutung der Erde einhergehen. Die Frage der Wechselwirkungen zwischen Natur und Gesellschaft waren für ihn ein wichtiger Bestandteil seiner Kritik der Politischen Ökonomie. Doch genauso wenig wie seine Untersuchung des Arbeitsprozesses unter der kapitalistischen Produktionsweise eine praxisferne akademische Übung war, war es auch seine Analyse der gesellschaftlichen Auswirkungen auf die Natur. Auch hier zog er politische Schlussfolgerungen. Um die rücksichtslose Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen aufzuhalten, müsse das Privateigentum am Boden aufgehoben werden: „Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias (gute Familienväter) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“ (Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 784)
Die grundlegende Erkenntnis, dass der Kapitalismus einerseits die Produktivkräfte entwickelt, sie aber andrerseits immer mehr – und unter monopolkapitalistischen Bedingungen weiter verschärft – in Destruktivkräfte verwandelt, ist für den historischen Materialismus unverzichtbar, denn es handelt sich um einen wesentlichen Unterschied zwischen der historisch-materialistischen und den diversen bürgerlichen (z.B. modernisierungstheoretischen) Fortschrittsauffassungen. Gerade darin kommt der historisch überholte Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, ihre Unfähigkeit, Lösungen für die drängendsten Menschheitsprobleme zu finden, zum Ausdruck. Strengere Umweltauflagen oder der Ausbau erneuerbarer Energien erscheinen angesichts der ständigen Verschärfung der Situation wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein um den Schaden noch auf ein einigermaßen erträgliches Niveau zu beschränken bedarf es einer grundlegend anderen Organisation der Produktion, grundlegend anderer Macht -und Eigentumsverhältnisse, nämlich des Sozialismus.
Die politische Bedeutung der Umweltfrage für die kommunistische Bewegung
An der existenziellen Bedeutung der Umweltfrage für die Zukunft der Menschheit kann es keinen Zweifel geben. Eine andere Frage ist es jedoch, was daraus für die Praxis der kommunistischen Bewegung folgt.
Diese Frage ist auch längst im Bewusstsein großer Teile der Arbeiterklasse in Deutschland angekommen. Nach einer Umfrage von 2017 war die Angst vor dem Klimawandel sogar die größte Sorge der Menschen in Deutschland: 71% der Befragten (in Ostdeutschland sogar 76%) gaben an, der Klimawandel mache ihnen große Sorgen. Dahinter kamen mit 65% die Angst vor Kriegen, Terroranschläge mit 63%, Kriminalität mit 62% und Altersarmut mit 59% (Epoch Times 2.8.2017). Offensichtlich können diese 71% nicht alle zu den besser gestellten Schichten der Gesellschaft gehören.
Sicherlich gibt es auch Teile der Arbeiterklasse, in deren
Bewusstseinsstand dieses Thema keine oder nur eine sehr
untergeordnete Rolle spielt. Das ist auch verständlich, denn die
verheerenden Auswirkungen der Umweltzerstörung sind für die meisten
Menschen nicht unmittelbar sichtbar und sie haben zudem auch viele
andere, akutere Probleme in ihrem Leben, die es ihnen sehr
erschweren, sich damit zu befassen. In den vergangenen Jahrzehnten
war es daher zumeist ein Teil der akademisch gebildeten und materiell
bessergestellten Bevölkerung, die zu diesen Fragen politisch aktiv
geworden ist, weil materielle Existenzängste für sie keine zentrale
Rolle spielen und sie die Zeit und intellektuellen Voraussetzungen
hat, sich in die komplexen Zusammenhänge der Ökologieproblematik
einzuarbeiten. Dadurch erklärt sich, dass die Umweltbewegung von
ihrer sozialen Zusammensetzung her stark auf dem alternativ
orientierten Kleinbürgertum basiert und nur kleine Teile der
Arbeiterklasse einschließt.
Dies kann aber natürlich kein
Argument dafür sein, uns als Kommunisten nicht damit zu
beschäftigen. Denn als Kommunisten können wir nicht opportunistisch
und kurzfristig dem Bewusstseinsstand der Massen hinterherlaufen,
sondern vertreten das langfristige Gesamtinteresse der Klasse. Es ist
unsere Aufgabe, die wissenschaftliche Weltanschauung in die
Arbeiterklasse zu tragen, selbst wenn es um unpopuläre Themen und
Positionen geht. Es wäre daher falsch, als Kommunisten zur Frage der
Umwelt und Umweltpolitik zu schweigen, oder dem Kampf gegen
wissenschaftsfeindliche Theorien (z.B. die der „Klimaleugner“)
aus dem Weg zu gehen. Sollten wir dies tun, würden wir nicht nur zu
einem immer wichtiger werdenden Thema nichts Sinnvolles sagen können,
sondern in dieser Teilfrage sogar hinter der Entwicklung des
Bewusstseinsstandes der Klasse zurückfallen.
Die ökologische Frage ist keine Nebensache oder gar ein bloßes Ablenkungsmanöver der Bourgeoisie, um die Arbeiter vom Klassenkampf abzulenken. Wenn Kommunisten es versäumen, sich in dieser Frage von wissenschaftlichen Grundsätzen leiten zu lassen und die Erkenntnisse der Naturwissenschaften in ihren Analysen zu berücksichtigen, werden sie das langfristige Gesamtinteresse der Arbeiterklasse nicht korrekt bestimmen und daher auch ihre führende Rolle gegenüber der Arbeiterklasse nur eingeschränkt ausfüllen können. Die ideologische Führung der Umweltbewegung wird dann weiterhin von bürgerlichen und reaktionären Kräften wie z.B. den Grünen ausgeübt werden.
Auf der anderen Seite droht aber auch die Gefahr einer anderen Abweichung: Wer aus der großen akuten Bedeutung des Problems darauf schließt, dass die Kommunisten ihre gesamte Agitation nun auf dieses Thema ausrichten sollten, wird sich von den Massen isolieren und dadurch ebenfalls die Möglichkeit verlieren, den Bewusstseinsstand der Massen verändern zu können. Die Agitation der Kommunisten unter den Massen kann sich nicht nur nach dem richten, was wahr ist, sondern orientiert sich auch an dem aktuell vorhandenen Bewusstseinsstand der Massen.
Daher ist es unsinnig, wie die MLPD durch die Gründung einer „Umweltgewerkschaft“ zu meinen, auf den Zug der bürgerlichen Umweltbewegung aufspringen zu können und dieser einen proletarischen Charakter verleihen zu können. Klassenkämpfe, und besonders gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe, entzünden sich an den unmittelbaren Interessen der Arbeiterklasse und am ehesten dort, wo die entgegengesetzten Klasseninteressen am direktesten aufeinanderprallen. Durch geschickte Agitation, durch das Ausfindigmachen der explosivsten, am besten skandalisierbaren Widersprüche mit dem größten Potenzial zur Mobilisierung der Klasse, müssen diese Kämpfe initiiert und die autonome gewerkschaftliche und politische Organisierung der Massen vorangetrieben werden. Das erreicht man sicher nicht, indem man versucht, die Umweltfrage zur zentralen inhaltlichen Grundlage für die Organisierung von Arbeitern zu machen.
Die Wahrheit in einer Weise zu verkünden, dass niemand sie hören will, wird die Bewegung nicht stärken. Es kommt also darauf an, verschiedene Aspekte der Umweltfrage immer wieder mit den Klassenkämpfen so zu verknüpfen, dass das Klasseninteresse dahinter vermittelbar ist. Innerhalb des Kapitalismus bedeuten Forderungen nach einem besseren Umweltschutz in aller Regel, die Profite des Kapitals einzuschränken. Die übliche Reaktion der Kapitalisten ist dann, ihre eigenen Verluste mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen gleichzusetzen. Abgesehen davon, dass dies keineswegs immer und automatisch zutrifft, kann die Antwort der Kommunisten nur darin bestehen, zu fordern, dass das Kapital selbst die Rechnung für den Umweltschutz zahlt. So wie wir Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich fordern, müssen wir auch Umweltschutzmaßnahmen bei vollem Erhalt aller Arbeitsplätze und ohne Verschlechterung der Arbeitsbedingungen fordern. Es muss der Arbeiterklasse verständlich gemacht werden, dass die Umweltfrage (ebenso wie die Frauenfrage, der Kampf gegen Rassismus usw.) ein Aspekt der Klassenfrage ist und in all diesen Teilfragen wie auch der Gesamtfrage ihr Feind die Bourgeoisie ist.
Auf der Grundlage des proletarischen Klassenstandpunkts ist es eine wichtige Aufgabe der kommunistischen Partei, nicht nur allgemein eine dialektisch-materialistische Analyse der ökologischen Frage zu entwickeln, sondern auch Forderungen und konkrete Standpunkte in der Umweltpolitik zu erarbeiten. Das kann hier nicht geleistet werden, sondern ist eine kollektive Aufgabe für die Zukunft. Dennoch sollen beispielhaft und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit bereits einige Eckpunkte und Forderungen angerissen werden, um die auch innerhalb des Kapitalismus gekämpft werden kann und muss: Kostenloser, gut ausgebauter und zuverlässiger öffentlicher Personennah- und -fernverkehr; staatlich finanzierte Sanierung sämtlicher Gebäude und ggf. Erneuerung der Heizsysteme für mehr Energieeffizienz; wirksame Gesetze zur Begrenzung von Schadstoffemissionen und Verbot bestimmter umweltschädlicher Substanzen; schrittweiser, aber zügiger Ausstieg aus der Erzeugung von Primärenergie durch fossile Brennstoffe bei gleichzeitigem Ausbau anderer Formen der Energieerzeugung; Kampf gegen eine CO2-Steuer und sämtliche Maßnahmen, die ökologische Schäden auf die Arbeiterklasse und das Volk abwälzen. Die Diskussion über verschiedene Formen der Energieerzeugung kann hier aus Platzgründen nicht geführt werden und wird daher nur als Frage aufgeworfen – jedenfalls wird z.B. zu untersuchen sein, ob die in großen Teilen der Umweltbewegung vorherrschende totale Ablehnung der Atomenergie aufrechterhalten werden kann, wenn sowohl den Erfordernissen des Klimaschutzes als auch der Versorgung der Bevölkerung mit Strom Rechnung getragen werden soll. Ebenfalls stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Windenergie angesichts ihres geringen Beitrags zur Energieversorgung bei gleichzeitig erheblichen Schäden für Landschaften und Ökosysteme. Allgemein stehen wir vor der komplexen Aufgabe, umweltpolitische Forderungen aufzustellen, die nicht vom Kapital gegen die Arbeiterklasse gewendet werden können. Auch diese Aufgabe wird in Zukunft kollektiv zu bewältigen sein.
Im völligen Gegensatz zu der skizzierten klassenorientierten Herangehensweise an die Umweltfrage steht die Haltung bestimmter kleinbürgerlicher Umweltaktivisten. So gab es Fälle, wo gegen die Arbeiter eines Energiekonzerns gehetzt wurde, weil diese sich aus Sorge um ihre Arbeitsplätze vor den Karren „ihres“ Konzerns spannen lassen, um sich für ein umweltschädliches Großprojekt oder gegen strengere Umweltauflagen auszusprechen. Allgemein ist der ideologische Effekt großer Teile der bürgerlichen Umweltbewegung, die einerseits nicht die Verursacher der ökologischen Schäden benennt, andrerseits aber von der Arbeiterklasse, also ausgerechnet den Leidtragenden von kapitalistischer Ausbeutung und Umweltzerstörung, Konsumverzicht einfordert.
Sicherlich ist es sinnvoll, bestimmte irrationale und verschwenderische Formen des Konsums zu kritisieren, die auch im Sozialismus keinen Platz mehr haben werden. Sicherlich geht es im Sozialismus somit auch um einen anderen Konsum, der allein schon durch seine kollektive Organisationsform weniger umweltschädlich sein wird. Grundsätzlich abzulehnen ist jedoch die Argumentation, die von der Arbeiterklasse im Hier und Jetzt den Verzicht auf das eigene Auto oder den jährlichen Urlaub mit dem Flugzeug fordert. Diese Argumentation ist unwissenschaftlich, da sie die Konsumtionsweise von der Produktionsweise trennt, damit von der tatsächlichen Problemursache ablenkt und außerdem auch die Arbeiterklasse vom Kampf gegen die Umweltzerstörung entfremdet. Zudem erfüllt sie allgemeiner die Funktion, die Arbeiterklasse an den Verzicht und einen sinkenden Lebensstandard zu gewöhnen und steht daher dem notwendigen Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiterbewegung entgegen. Kommunisten müssen natürlich auch in dieser Frage die Interessen der Arbeiterklasse verteidigen und entsprechende Forderungen kompromisslos bekämpfen.
Überhaupt ist eine wesentliche Aufgabe der Kommunisten bezüglich der Umweltfrage gerade die praktische und wissenschaftlich begründete Distanzierung von der bürgerlichen Umweltbewegung. Die Rolle der entsprechenden Vereinigungen und NGOs wäre genauer aufzuzeigen. Hier soll nur gesagt sein, dass Umwelt-NGOs und ähnliche Gruppierungen Teil des zivilgesellschaftlichen Überbaus des Imperialismus sind und bestenfalls abseits der realen Klassenkämpfe versuchen, durch Lobbyarbeit die verheerenden ökologischen Auswirkungen des Kapitalismus hier und da etwas zu begrenzen. Indem sie die Klassen- und Systemfrage ausblenden und die kapitalistisch-imperialistischen Verhältnisse als Grundlage ihrer Politik selbstverständlich akzeptieren, schließen sie von vornherein jede Möglichkeit aus, eine wirkliche Lösung des Problems zu finden. An den „grünen“ Parteien, besonders der in Deutschland, lässt sich erkennen, wo diese Logik hinführt: So, wie die Sozialdemokratie durch den Reformismus auf die Seite des Kapitals übergegangen ist und heute überall auf der Welt für eine zutiefst arbeiterfeindliche Politik steht, so haben auch die „Grünen“ durch ihre Akzeptanz des Kapitalismus, ihren bürgerlichen Charakter, ihre Ausrichtung auf Regierungsbeteiligungen etc. die Umweltfrage zu einem Etikettenschwindel gemacht, der zur Blendung ihrer meist akademisch-kleinbürgerlichen Wählerbasis taugt, aber zur Erhaltung der natürlichen Lebensbedingungen nichts beizutragen hat. Im Gegenteil verwalten diese „Umweltschützer“ genau das System mit, das die ökologische Katastrophe hervorgerufen hat. Vor die Wahl gestellt, entweder den Kapitalismus, die parasitäre Diktatur des Kapitals zu retten oder die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen, werden sie sich immer für ersteres entscheiden. Diese Kräfte sind für die Arbeiterbewegung, für ihren Kampf um wirksamen Umweltschutz keine Bündnispartner. Sie sind zu bekämpfen, auch indem man ihre Heuchelei und den Bankrott ihrer Umweltpolitik aufzeigt.
Die Umweltfrage im Sozialismus
Umweltzerstörung gab es in verschiedenen Formen schon vor dem Kapitalismus und es wird sie auch im Sozialismus in begrenztem Rahmen noch geben. Eine Gesellschaft ohne Produktion ist nicht möglich und Produktion ist, wie Marx betont hat, ein Prozess des Stoffwechsels mit der Natur, der Veränderung der Natur gemäß den Zielen der Menschen. Welche diese Ziele sind, hängt aber nun entscheidend von der herrschenden Produktionsweise ab. Im Kapitalismus ist das Ziel der Produktion der Profit, was im direkten Widerspruch dazu steht, Rücksicht auf ökologische Notwendigkeiten zu nehmen. Deshalb übersteigt der Ressourcenverbrauch im Kapitalismus die durchaus vorhandene und erhebliche Regenerationsfähigkeit des Ökosystems auf der Erde inzwischen eindeutig.
Eine Gesellschaft, die nicht den Ast absägen will, auf dem sie sitzt, wird diesen Zustand beenden müssen. Der Ressourcenverbrauch der Gesellschaft muss sich an den Grenzen orientieren, innerhalb derer eine Regeneration des Ökosystems noch möglich ist. Langfristig muss es der Gesellschaft möglich sein, natürliche Veränderungen im Ökosystem vorausschauend erkennen und darauf reagieren zu können. Nur eine Produktionsweise, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und die Produktion gesamtgesellschaftlich plant, kann das gewährleisten. Denn die Erhaltung der Umwelt im Sinne der natürlichen Lebensgrundlagen der menschlichen Gesellschaft ist ein essenzielles Bedürfnis der Menschen. Eine solche Produktionsweise beinhaltet zwangsläufig die zentrale Planung der Produktion. Ein zentraler Plan auf Grundlage des Volkseigentums an allen wichtigen Produktionsmitteln würde allen Betrieben verbindliche Vorgaben für Ressourcenverbrauch, Produktionsziele und verwendete Technologien geben. Darin müssten auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden.
Wir haben deshalb in unseren Programmatischen Thesen festgehalten: „Das Ziel der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates ist es, alle Produktionsmittel zu vergesellschaften und so schnell und so planmäßig wie möglich zu entwickeln. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit geschieht das mit dem Ziel, die gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen und zu entwickeln, die den Reichtum der sozialistischen Gesellschaft erarbeiten. Auf der Basis einer möglichst hoch entwickelten, wissenschaftlich geleiteten Produktion ist das zum ersten Mal auch ohne die fortgesetzte Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen möglich.“
Natürlich wird der Sozialismus in einer konkreten Situation unter
bestimmten gegebenen Bedingungen aufgebaut werden müssen, die wir
heute noch nicht in Gänze voraussehen können. Daher ist es auch
nicht möglich, exakt zu beschreiben, wie eine zukünftige
sozialistische Gesellschaft die Umwelt schützen würde. Es ist
jedoch sehr wohl möglich und als Teil kommunistischer Propaganda
auch sinnvoll, wichtige Stellschrauben und Hebel zu benennen, an
denen die Arbeitermacht ansetzen können wird, um ihre
umweltpolitischen Ziele zu erreichen.
Es ist an dieser
Stelle nicht möglich, die ökologische Bilanz der sozialistischen
Staaten 1917-1989/90 zu untersuchen und zu beurteilen, ob in diesen
Staaten immer ein angemessenes Herangehen an die Umweltfrage gewählt
wurde. Hinweisen wollen wir aber darauf, dass die späte
Thematisierung ökologischer Fragen im sogenannten „Neuen Denken“
des Gorbatschow-Revisionismus von einer Überordnung der „Gattungs-
über den Klassenfragen ausging, und dies zum Teil ausdrücklich mit
der antifaschistischen Volksfront-Politik des VII. Weltkongresses der
Komintern „begründete“. Krieg und Frieden, Hunger, aber auch
Umweltfragen wurden auf diese Weise zu klassenneutralen „Fragen der
gesamten Menschheit“ stilisiert, jeder Einbeziehung in eine
revolutionäre Gesamtstrategie (die es sowie nicht mehr gab) entzogen
und damit objektiv unlösbar. Gorbatschow und seine Gefolgsleute
taten dies durchaus in der bewussten Absicht, die KPdSU, die UdSSR
und den Sozialismus zu liquidieren. Dass ihnen das gelang, macht sie
zu entscheidenden Mitverantwortlichen der globalen Klimakrise heute.
Wie das genau geschah ist für alle Kommunisten, die sich heute
erneut mit der ökologischen Frage beschäftigen, als warnendes
Beispiel Ausgangspunkt der dringend notwendigen Formulierung einer
kommunistischen Strategie in klimapolitischer Hinsicht.
Die
Arbeitermacht in Deutschland würde natürlich an den Fortschritten
ansetzen, die bereits im Kapitalismus zur Steigerung der
Energieeffizienz erreicht wurden (allerdings ohne damit das Problem
zu lösen) und massiv in die Forschung investieren, um in dieser
Richtung weitere Verbesserungen zu erreichen. Das wäre ohnehin zum
Schutz der revolutionären Macht sinnvoll, da es dazu beitragen
würde, den Sozialismus in Deutschland von Energieimporten unabhängig
zu machen. In diesem Sinne müsste die Arbeitermacht auch massiv den
Ausbau erneuerbarer Energien fördern, sofern es sich dabei um
wirklich sinnvolle Technologien handelt, und danach streben, auch
deren Energiebilanz zu verbessern. Die völlig irrationale, aber eben
(vor allem für die Automobilindustrie) viel profitablere Methode,
den Verkehr über PKWs statt über vergesellschaftete Transportmittel
zu organisieren, kostet die Arbeiterklasse jeden Tag viel ihrer
Lebenszeit und führt zu Zigtausenden unnötigen Toten und
Verletzten. Sie führt außerdem zu einem sehr viel höheren Ausstoß
an Giftstoffen und Treibhausgasen als es notwendig wäre. Der Aufbau
eines flächendeckenden, effizienten, schnellen, komfortablen und
kostenlosen öffentlichen Personenverkehrs wäre ein wichtiger
Schritt zur Verbesserung des Lebensstandards und gleichzeitig zum
Umweltschutz. Die Industriebetriebe würden nach Möglichkeit
umweltschädliche Produktionsmethoden vermeiden, indem man an
Alternativen forscht, und wo dies nicht möglich ist, zumindest eine
möglichst sichere Entsorgung der giftigen Abfallstoffe
gewährleisten. Die Wälder und andere Biotope müssten streng
geschützt werden, es müsste umfassende Programme zur
Wiederaufforstung und Renaturierung geben, sodass sich Tiere und
Pflanzen ihre natürlichen Lebensräume wieder zu einem gewissen Grad
zurückerobern können. Gegen Überschwemmungen und Waldbrände
müssten wirksame Schutzmaßnahmen ergriffen werden, Feuerwehr und
Katastrophenschutz müssten alle erforderlichen Mittel zur Verfügung
gestellt werden. Durch die Ausweitung von Waldflächen im globalen
Maßstab würden große Massen CO2 der Atmosphäre entzogen und in
organischen Kohlenstoffverbindungen gebunden, sodass der Anteil an
Treibhausgasen in der Atmosphäre stabilisiert und möglicherweise
sogar allmählich wieder reduziert werden könnte. Auch andere
Methoden, die unter dem Oberbegriff des Climate Engineering mit
technischen Mitteln den CO2-Gehalt der Atmosphäre verringern würden,
müssten im Hinblick auf negative ökologische Nebeneffekte geprüft
werden und gegebenenfalls zur Anwendung kommen. Notwendige
Voraussetzung all dessen wäre eine energiepolitische Grundkonzeption
auf der Basis der Nutzung erneuerbarer Energien (sowie ggf. der
Atomenergie, über die noch zu diskutieren wäre) und der
weitestgehenden Reduzierung des Verbrauchs von klimaschädlicher
fossiler Primärenergie.
Natürlich muss hier eine Einschränkung gemacht werden: So lange es noch kapitalistische und imperialistische Länder gibt, wird der Sozialismus nur in begrenztem Ausmaß seine Überlegenheit entfalten können. Genauso wie es nur begrenzt möglich sein wird, angesichts der ökonomischen Konkurrenz soziale Errungenschaften umzusetzen und einen höheren Lebensstandard zu garantieren, wird es wahrscheinlich zu Beginn auch nur in begrenztem Umfang möglich sein, die Umwelt zu schützen. Trotzdem ist es richtig, mit sozialen Forderungen auch jetzt schon für den Sozialismus zu agitieren. Denn auch wenn gerade die Anfangsphase des Übergangs zum Sozialismus schwierig und opferreich sein wird, wird sie trotzdem schon ein besseres Leben bieten können, wie auch die Geschichte im 20. Jahrhundert gezeigt hat. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Fragen einer kommunistischen Umweltpolitik. Im Sozialismus würde die Arbeitermacht nach der Ausweitung der Produktion und Effizienzsteigerungen streben, um die Bedürfnisse der Menschen nach Wohnung, Nahrung, Bildung, Gesundheit, Kultur, Sport usw. zu befriedigen. Ein sozialistischer Staat müsste auch umfangreiche Ressourcen in das Militär investieren, um sich gegen den Imperialismus und die internationale Konterrevolution verteidigen zu können. Gleichzeitig würde er aber auch schon den öffentlichen Verkehr ausbauen und damit den Individualverkehr einschränken, er würde durch Sanierungsmaßnahmen den Energieverbrauch senken, er würde sich um Energiesouveränität bemühen und deshalb die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren, er könnte Naturschutzgebiete und Nationalparks einrichten, die Emission von Schadstoffen verringern und vieles mehr.
Je schwächer und international isolierter der Sozialismus wäre, je stärker der äußere Druck auf ihn, desto geringer wären natürlich die Spielräume für wirksame Umweltschutzmaßnahmen. Mit dem fortschreitenden weltrevolutionären Prozess und der Einbeziehung weiterer Länder in das sozialistische Lager würden sich diese Spielräume tendenziell erweitern. Langfristig wird so eine Stabilisierung und bis zu einem gewissen Punkt Reduzierung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sowie eine Beseitigung anderer globaler ökologischer Schäden möglich sein. Viele gravierende Schäden werden zu diesem Zeitpunkt bereits irreversibel sein, beispielsweise was das rapide Aussterben von Tier- und Pflanzenarten angeht. Trotzdem ist davon auszugehen, dass es auch bei fortgeschrittener ökologischer Zerstörung nicht in dem Sinne „zu spät“ sein wird, dass wirksame Schutzmaßnahmen oder eine begrenzte Erholung der Umwelt nicht mehr möglich sind.
Es ist also trotz aller Kippeffekte und Eigendynamiken der ökologischen Zerstörungen nicht so, dass aufgrund des Klimawandels und der Umweltverschmutzung an einem bestimmten Datum in den nächsten Jahren der „Weltuntergang“, also die Ausrottung der Menschheit nicht mehr zu verhindern wäre. Wir wollen an dieser Stelle nicht die unterschiedlichen Prognosen diskutieren, die von einem Zusammenbrechen der Zivilisation in einigen Jahrzehnten ausgehen. Es liegt in der Natur solcher Prognosen, dass sie mit hoher Unsicherheit operieren, was die naturwissenschaftlichen Daten angeht. Zudem blenden sie in aller Regel die gesellschaftliche Entwicklung aus, also sowohl die zwar sicherlich nicht ausreichende, aber dennoch auch vorhandene Anpassungsfähigkeit der kapitalistischen Produktionsweise, als auch die Lösungsmöglichkeiten einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft. Entscheidend ist aber, dass es nicht die eine Schwelle gibt (z.B. 1,5 oder 2°C), bis zu der der Klimawandel noch beherrschbar wäre und nach deren Überschreitung die Menschheit alle Hoffnung fahren lassen müsste. Solche Vorstellungen, die teilweise in den Medien verbreitet werden, sind grober Unsinn. Vielmehr haben die negativen Folgen des Klimawandels längst begonnen und werden ja auch jetzt schon, vor Erreichen des 1,5-Grad-Zieles, immer spürbarer. Und auch wenn die 2°C einmal überschritten sind, wozu es aller Wahrscheinlichkeit nach kommen wird, da die sozialistische Weltrevolution wohl kaum in den nächsten Jahren bevorsteht, wird der Kampf gegen jedes weitere Zehntelgrad Erwärmung umso notwendiger sein, eben weil jedes weitere Zehntelgrad den Planeten ein Stückchen lebensfeindlicher macht, mehr Verlust an Menschenleben und mehr irreparable ökologische Schäden bedeutet und es für die Zukunft schwieriger macht, entgegenzusteuern. Auch im Kapitalismus muss also zumindest für eine Verlangsamung der globalen Erwärmung gekämpft werden, und sei es nur, um der Menschheit Zeit zu verschaffen, sich den Kapitalismus vom Hals zu schaffen.
Die „gute Nachricht“ lautet also, dass eine sozialistische Planwirtschaft durchaus in der Lage sein wird, die gewaltigen ökologischen Probleme zu bearbeiten und zu einem gewissen Grad zu lösen.
Dabei werden allerdings die Kosten, die die Menschheit dann zwangsläufig auf sich nehmen muss, immer größer werden, je länger es der kapitalistischen Produktionsweise gestattet wird, die Umwelt zu zerstören. Natürlich sollten die Kommunisten gegenüber den Massen nicht vermitteln, dass mit der Errichtung des Sozialismus in einem oder wenigen Ländern die Umweltprobleme sofort und vollständig zu lösen wären. Wir können aber mit gesundem Selbstbewusstsein und gestützt auf die Erkenntnisse unserer Wissenschaft sagen, dass der Sozialismus, und nur der Sozialismus, in der Lage sein wird, den Klimawandel und andere ökologische Probleme im Sinne einer garantierten weiteren Existenz der Menschheit aufzuhalten und zurückzudrängen.
Auch auf dem Gebiet der Umwelt- und Klimapolitik steht uns ein langwieriger und komplizierter Kampf bevor, sowohl jetzt im Kapitalismus als auch in einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft. Entscheidend ist aber, dass es einen anderen Weg für die Menschheit nicht gibt.
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