Thesen zum Imperialismus

von Hans Christoph Stoodt

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1. Die grundlegenden Strukturmerkmale des Imperialismus in politischer Ökonomie und Staat imperialistischer Gesellschaften sind weiterhin genauso, wie sie Lenin 1915f beschrieben hat: Monopolkapital und Bankkapital sind zum Finanzkapital verschmolzen, das den Staatsapparat durchdringt und zugleich von ihm abhängig ist. Der Imperialismus ist die höchste und letzte Phase der kapitalistischen Gesellschaft, gekennzeichnet von Parasitismus, unvermeidlicher Notwendigkeit von Kriegen und der immer vorhandenen Gefahr der Faschisiserung.  Auch ideologisch ist der Imperialismus eine Phase des Niedergangs. Der Irrationalismus ist seine adäquate gesellschaftliche Bewußtseinsform.

2. Nach der Konterrevolution von 1989ff ist die imperialistische Neuaufteilung der Erde erneut weitgehend abgeschlossen ohne je an ihr Ende kommen zu können. Aus inneren Gründe kann das imperialistische Weltsystem auch weiterhin nie zum Abschluß eines „Friedens von Oben“ gelangen. Heute gibt es keinen einzigen zwischenstaatlichen oder innergesellschaftlichen Konflikt, der nicht auch Erscheinungsform des Imperialismus ist.

3. Weiterhin gilt das Gesetz der ungleichmäßigen ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus in seinem letzten Stadium. Es gibt nicht „den Imperialismus“, sondern erbittert konkurrierende imperialistische Staaten unterschiedlicher Dominanz / Abhängigkeit. Lenin benutzte dafür das Bild der Kette, an deren schwächsten Glied anzusetzen ist, ebenso möglich ist auch das Bild der imperialistischen Pyramide als Ausdruck der gegenseitigen Abhängigkeit und Konkurrenz imperialistischer Staaten. Hieraus resultiert bei changierender Multipolarität der staatlichen Beziehungen eine wachsende globale Instabilität des Imperialismus als System, die jederzeit auf Krieg hinauslaufen kann.

4. Heute bestimmen wachsende globale Probleme in einem historisch verschärften Ausmaß die Menschheit insgesamt. Sie sind allesamt Ausdruck des imperialistischen Weltsystems und seiner Krisenhaftigkeit, seiner Fäulnis und seines Parasitismus: Kapitalüberakkumulation bei gleichzeitiger Unterkonsumtion weiter Teile der Weltbevölkerung, Klimakrise, Wasserkrise, Hunger, Migration, die demographische Weltentwicklung, das Verhältnis von Stadt- und Landentwicklung. Sie alle haben gemeinsam, zeitkritisch zu sein und zugleich im Rahmen des Imperialismus nicht gelöst werden zu können. Das Überleben der Gattung hängt vom globalen Sieg über den Imperialismus ab.

5. Die genannten Probleme und die Frage von Krieg und Frieden ist nicht im Rahmen der kapitalistischen/imperialistischen „Ordnung“ denkbar. Der Imperialismus kann nicht domestiziert werden. Versuche in dieser Richtung säen Illusionen, sorgen für Zeitverlust und stabilisieren auf diese Weise letztlich den Imperialismus.

6. Wir befinden uns in der Epoche der allgemeinen Krise des Kapitalismus / Imperialismus. Es gibt keine denkbare Möglichkeit, deren drängende Probleme dauerhaft im Rahmen der geltenden Ordnung zu Lösen. Ein solcher Versuch der Herrschenden (und niemand anders als sie kann an einem solchen Versuch objektiv ein Interesse haben) ist immer nur zeitweilig und nur gewaltsam denkbar – der Faschismus (Palme-Dutt). Die Lösung aller drängenden Probleme imperialistischer Gesellschaften kann nur auf der Grundlage sozialistischer Revolutionen stattfinden – andernfalls kommt es für weite Teile der Welt zum „gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen“ (Marx / Engels, Manifest).

7. Arena der Kämpfe für die sozialistische Revolution bleibt der Nationalstaat. Der Grund dafür ist die Tatsache, daß trotz internationaler Vernetzung des Kapitals jedes Kapitalverhältnis in letzter Instanz nationalstaatlich verortet ist und wenn nötig letztlich auch auf dieser Basis ökonomisch oder außerökonomisch gesichert wird.

8. Bündnisse imperialistischer Staaten sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. NATO, EU, BRICS usw. können nicht „reformiert“, sie müssen überwunden werden. Das ist nur durch Kämpfe im Rahmen der bestehenden Nationalstaaten zu erreichen, die ihrerseits natürlich internationalistisch vernetzt sein können und müssen.

9. Entscheidender Feind in allen Kämpfen gegen den Imperialismus ist das Finanzkapital und sein Staat. Es kann nur durch die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten und nur unter Führung einer marxistisch-leninistischen Partei geschlagen werden. Sie sind der entscheidende Teil des subjektiven Faktors einer revolutionären Beseitigung des Imperialismus und müssen darum aufgebaut, gestärkt, auf alle Eventualitäten vorbereitet sein / werden.

10. Opportunismus, Reformismus und Sozialdemokratie sind wesentliche Hindernisse bei der Erarbeitung inhaltlicher Klarheit, in der Frage der Ausarbeitung einer konsequenten revolutionären Strategie sowie der praktisch-organisatorischen Vorbereitung des notwendigen Umsturzes im Kampf für die sozialistische Revolution. Sie entstehen gesetzmäßig immer wieder neu auch in den Reihen revolutionärer Bewegungen. Es kann keinen Erfolg gegen den Imperialismus ohne einen andauernden Kampf gegen diese Kräfte geben.

11. Das Ziel des Kampfs gegen den Imperialismus ist die sozialistische Revolution. Zwischen ihr und dem Imperialismus gibt es keine Übergangsformen irgendeiner Art. Revolutionäre Bündnispolitik ist nur auf der Basis revolutionärer Autonomie und aus einer Position eigener Dominanz in solchen Bündnissen sinnvoll. In genau diesem Sinn sind „breite Bündnisse“ neu aufzubauen.

12. Das Nutzen von innerimperialistischen Widersprüchen im Kampf gegen den Krieg oder auf dem Weg zur Revolution ist nur denkbar aus einer Position der Eigenständigkeit, Klarheit und Organisiertheit heraus. In keinem Fall ist es Aufgabe einer kommunistischen Partei, sich in zwischenstaatlichen imperialistischen Konflikten auf die Seite des vermeintlich „schwächeren Imperialisten“ zu stellen.

13. In der aktuellen politischen Lage der BRD gibt es zwei objektive, bisweilen auch subjektive  Querfronten in der Frage des Antiimperialismus: Einerseits die eine, die schon seit Jahren aktiv ist – von Elsässer und Compact über Ken Jebsen und seine JüngerInnen in den Friedensmahnwachen usw. bis hin zu Teilen linker Organisationen, wie dem Freidenkerverband, der Arbeiterfotografie und so weiter.
Andererseits eine, die ursprünglich „antideutsch“, inzwischen eher „antinational“ argumentiert und in der „radikalen Linken“ weit verbreitet ist. Beide Querfronten nutzen sowohl verbal linke Argumentationsmuster und finden zugleich Anschluss an rechte Positionen – das macht sie als Querfronten aus.

14. Es steht als Aufgabe vor der antiimperialistischen und Antikriegsbewegung der Linken im Land, sich von beiden Querfronten deutlich und argumentativ zu trennen, das taktische bis zentristische Tolerieren als falsch erkannter Positionen zu beenden,  in den eigenen Reihen politische Klarheit über den Klasseninhalt des Antiimperialismus zu schaffen zu schaffen und zugleich breite Bündnissse erst auf der inhaltlichen Basis dieses Prozesses (wieder) aufzubauen, die sich von vornherein als internationalistisch verstehen.

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