Stellungnahme des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei vom 30. August 2024 zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen
„Was soll ich denn jetzt wählen?“ – Fragen wie diese stellten sich viele Kolleginnen und Kollegen kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Die Frage ist zum Teil ein gutes Zeichen – viele haben verstanden, dass die AfD eine reaktionäre Kraft ist – sie verschärft die Spaltung der Arbeiterklasse, sie stellt Mindestlohn, Tarifverträge, Sozialsysteme ganz offen infrage. Für Frauen stehen Errungenschaften auf dem Spiel – die AfD Sachsen etwa möchte die Kinderbetreuung bis zum dritten Lebensjahr am liebsten komplett ins Private verschieben, was für viele Frauen die Vereinbarkeit von Kind und Berufstätigkeit weiter erschweren würde. Eine verschärfte Verfolgung von Linken oder sogar Gewerkschaftsaktiven peilt die AfD an, wenn sie wie etwa in ihren Thesen zur Landtagswahl in Thüringen vom „linksextremen Terror“ spricht und vor allem die Freiheit der Unternehmer stärken will. Faschistische Gewalt – die relativ unabhängig von der konkreten Regierungskoalition in Teilen Sachsens und Thüringens ein besonderes Problem darstellt – wird dagegen überhaupt nicht problematisiert. Das alles haben viele Menschen verstanden und sie wissen auch, dass gerade mit Blick auf die Geschichte des deutschen Faschismus höchste Wachsamkeit nötig ist.
Gleichzeitig zeigt uns die Frage aber auch die bestehenden Illusionen in die Parlamente. Tatsache ist: Gerade die Parteien, die sich heute als Alternative zur AfD vermarkten, sind es, die den Niedriglohnsektor in Deutschland seit mehr als 20 Jahren systematisch fördern, die Kriege und Aufrüstung forcieren und die die Kosten des Klimawandels auf die Arbeiterklasse abwälzen. Während Kapitalisten über Preiserhöhungen den Kosten der Inflation ausweichen können und staatliche Subventionen abgreifen, ist es der Arbeiterklasse in Deutschland nicht gelungen, die Verluste abzuwehren. Es waren auch diese Parteien, die die Repression etwa gegen Linke an allen Ecken verschärften, besonders in den letzten Jahren. Die AfD unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Politik der anderen Parteien, sie geht mit ihren reaktionären Bestrebungen einfach offener um. Aber gerade gewerkschaftliches Bewusstsein und Kampferfolge sind immer seltener. Das macht die Hoffnung auf parlamentarische Alternativen nachvollziehbar. Falsch sind sie trotzdem. Ist das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) zum Beispiel eine solche Alternative? Wohl kaum. Das BSW propagiert stärker als andere Parteien eine „soziale Marktwirtschaft“, also auch kapitalistische Ausbeutung – nur verschleiert und gespickt mit bestimmten Zugeständnissen, um die Arbeiterklasse ruhigzustellen. Gleichzeitig fördert sie wesentlich die Hetze gegen Migranten und übernimmt dabei rechte Narrative. BSW und AfD haben insofern bessere Startbedingungen, als dass die anderen Parteien bereits in Regierungsverantwortung waren und sich ihre Heuchelei deshalb schlechter kaschieren lässt.
Doch es gibt auch positive Beispiele. In Thüringen ist es der Gewerkschaft Ver.di und vielen Eltern gelungen, mit einer Kampagne aus Unterschriftensammlungen und einer Demonstration vor dem Landtag Anfang des Sommers ein Gesetz zur Verbesserung der Personalausstattung in den Kindergärten durchzusetzen. In Jena ist es im August durch große Mobilisierung und Blockaden gelungen, eine Veranstaltung von Björn Höcke zu verhindern – natürlich stellt sich bei derlei Aktionen das große Problem, dass sich andere bürgerliche Parteien als Beschützer der Demokratie inszenieren und den Klassengegensatz unter Schlagworten wie „Alle gegen die AfD“ verschwimmen lassen. Dennoch zeigen beide Beispiele, dass gerade außerhalb der Parlamente etwas erreichbar ist, wenn es eine Selbstorganisation von unten gibt.
Unsere Aufgabe als Kommunistinnen und Kommunisten ist es, Ansätze der Organisierung unabhängig von den Parlamentsparteien, orientiert am gemeinsamen Interesse der Arbeiterklasse zu stärken – hierfür müssen die Gewerkschaften ein zentraler Ort sein. Einige Fragen benötigen praktische Erfahrungen: Wie kann es gelingen, die Illusionen in AfD oder die anderen bürgerlichen Parteien aufzulösen? Welche Hindernisse müssen wir beispielsweise in den Gewerkschaften überwinden, um sie kämpferischer zu machen? Wie gelingt es uns in den Gewerkschaften das Bewusstsein über die zerstörerische Rolle der sogenannten Sozialpartnerschaft zu schärfen? Wie begegnen wir erfolgreich insbesondere sozialdemokratischen Illusionen von BSW bis SPD? Wie schaffen wir es, dass es nicht nur Proteste gegen Björn Höcke in Jena gibt, sondern auch Widerstand, wenn Kriegskanzler Scholz die Stadt besucht?
Was sagen wir also den Kolleginnen und Kollegen? Das bunte Spektrum an antretenden Parteien bietet keine Alternative für die Arbeiterklasse – die mit viel Pathos und Emoitionen geführten Wahlkämpfe sind vor allem eins: ein Schauspiel. Echte Veränderung wird es nur geben, wenn wir uns gemeinsam organisieren. Im Betrieb oder im Wohngebiet, in Schule und Uni. Wenn wir es selbst in die Hand nehmen und das Übel des Kapitalismus an der Wurzel packen. Dafür brauchen wir eine Strategie – die erarbeiten wir in der Kommunistischen Partei.
Dementsprechend können wir keine Wahlempfehlung für die Wahlen in Sachsen und Thüringen geben. Der Aufbau der Kommunistischen Partei in Deutschland – einer Partei, die wirklich und konsequent das Interesse der Arbeiterklasse vertritt – ist ein langwieriger und komplizierter Prozess, den wir konkret angehen müssen, um hoffentlich zukünftig eine greifbarere und vorwärtsweisendere Aussage machen zu können. Auch die Kommunistische Partei sollte versuchen, an Wahlen teilzunehmen – aber nicht, um Illusionen in die bestehende Misere zu schüren, sondern um die gebotene Öffentlichkeit dafür zu nutzen, die bürgerlichen Parteien und ihr Schauspiel zu entlarven. Bis dahin heißt es: Beteiligt euch am Aufbau der Kommunistischen Partei, bringt euch ein im Widerstand gegen die herrschende Kriegspolitik und in der Organisierung der Arbeiterklasse in Betrieb, Wohngebiet und überall!