Interview mit der marxistisch-leninistischen Bewegung “Alavanca” aus Portugal.
50 Jahre sind seit der sogenannten Nelkenrevolution in Portugal vergangen. Der Faschismus wurde gestürzt, aber letztlich nicht die bürgerliche Herrschaft an sich. Der Putsch der Militärs aus der „Bewegung der Streitkräfte“ (Movimento das Forças Armadas – MFA) am 25. April 1974 brachte den Faschismus nach 48 Jahren zu Fall. Es folgte eine Periode des zugespitzten Klassenkampfs, eine Periode des Kampfes zwischen Sozialismus und Kapitalismus, eine revolutionäre Situation. Nur eineinhalb Jahre später hatte die Bourgeoisie über die Kräfte des Sozialismus beim Putsch vom 25. November 1975 gesiegt, Portugal wurde zur bürgerlichen Demokratie. Der fruchtbare Boden für den Faschismus wurde ohne den Sturz der Herrschaft des Kapitals nicht endgültig ausgetrocknet. Wir wollen in diesem Interview mit der marxistisch-leninistischen Bewegung „Alavanca“ („Der Hebel“) aus Portugal Einblicke in die Bedeutung und Entwicklung der Ereignisse in Folge des 25. April 1974 ermöglichen. Wir gehen den Fragen nach, warum der Sturz des Faschismus nicht in eine proletarische Revolution überführt werden konnte, welche Strategie die Kommunisten verfolgten und welche Lehren für heute in Portugal und weltweit gezogen werden müssen.
Das Interview verzichtet auf eine ausführliche Darstellung der Ereignisse zwischen dem 25. April 1974 und dem 25. November 1975. Eine ausführlicheren Überblick über diese Ereignisse, die im Kern ein Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus in einer revolutionären Situation darstellten, können wir selbst leider nicht zur Verfügung stellen. Es gibt aber verschiedene Materialien, die einen Überblick über die Geschehnisse ermöglichen. Sie sollten allerdings mit einem kritischen Blick betrachtet werden, weil sie im Kern entweder nicht die strategischen Fehler der kommunistischen Bewegung diskutieren oder eben nicht die richtigen Lehren aus der Geschichte präsentieren. Beispielhaft seien hier die Filme „Viva Portugal“ und „Scenes from a Class Struggle in Portugal“, beide aus Band 15 der „Bibliothek des Widerstands“ „25. April 1974 – Nelkenrevolution in Portugal“ des Laika-Verlags, „Klassenkämpfe in Portugal heute : Dokumente und Materialien“ aus dem Verlag Marxistische Blätter und das Buch „Nelkenrevolution in Portugal“ von Urte Sperling aus der Basis-Wissen-Reihe des Papy-Rossa-Verlags genannt.
Ein weiteres wichtiges Thema der portugiesischen kommunistischen Bewegung und insbesondere der Kommunistischen Partei Portugals, aus dem wir viel lernen können, ist die ganze Periode des Klassenkampfes während des fast 50 Jahre andauernden faschistischen Verbotes jeglicher Aktivität der kommunistischen und Arbeiterbewegung. Wir sind in unseren Fragen im Interview nicht auf diese Phase eingegangen, werden das jedoch bei einer anderen Gelegenheit wieder aufgreifen. Um einen lebendigen Eindruck dieser wichtigen Erfahrungen zu bekommen sei das Buch „Bis Morgen, Genossen!“ des ehemaligen Generalsekretärs der KP Álvaro Cunhal unter dem Autoren-Pseudonym „Manuel Tiago“ besonders empfohlen.
KO: Startet bitte damit, für unsere Leser noch einmal die Ursachen und die wesentlichen Entwicklungen des 25. April 1974 und des sogenannten “Revolutionären Prozesses” (PREC) darzustellen.
Alavanca: Die Ursachen können nur drei sein: die Zermürbung durch einen Krieg, eine Wirtschaftskrise und ein revolutionärer Aufstand der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP). Die ersten beiden sind ein natürliches Ergebnis der Entwicklung eines faschistischen Staates. Die Ausdehnung des Repressionsapparates eines faschistischen Staates liegt weit über dem Normalmaß im Kapitalismus (d.h. im Vergleich zur bürgerlichen Demokratie) und dies führt zu Krieg und Wirtschaftskrise, weil der Repressionsapparat sich rechtfertigen muss (Krieg) und Kosten verursacht (Wirtschaftskrise). Die letzte Ursache ist in Portugal nicht eingetreten, obwohl es 1934 einen gescheiterten Versuch eines revolutionären Aufstandes durch die PCP und den anarchistischen Gewerkschaftsbund CGT1 (Allgemeiner Zusammenschluss der portugiesischen Arbeiter) gab. Danach verfolgte die PCP in den 60er Jahren den Volksaufstand auf dem Papier, aber in der Praxis hatte sie dieses Ziel aufgegeben. Die Ursache des 25. April war vor allem der Kolonialkrieg2, der mit einer gewissen wirtschaftlichen Krise verbunden war. Nach 13 Jahren Krieg wollten sogar einige Armeegeneräle das koloniale Regime in Richtung Föderalismus oder Schaffung von Apartheidstaaten (eine schrittweise Autonomie der Kolonien) ändern, aber die Offiziere und Soldaten wollten viel mehr als das, sie wollten das Ende des Krieges mit der sofortigen und bedingungslosen Unabhängigkeit der Kolonien. Die Abnutzung des faschistischen Regimes und des Kolonialkrieges beruhte auf einer Verschärfung der Widersprüche innerhalb der Armee aufgrund des Krieges, der vielen Toten, der militärischen Niederlagen (vor allem in Guinea-Bissau) und einem Mangel an Offizieren. Die wichtigste Entwicklung war die Tatsache, dass der Militärputsch vom 25. April 1974 die Widersprüche zwischen den Generälen und den Offizieren und Soldaten aufdeckte, wobei der Putsch im Wesentlichen von den Offizieren der MFA (Bewegung der Streitkräfte) ohne Beteiligung der Generäle und sogar gegen sie geführt wurde. Als nach dem Putsch einige Generäle unter der Führung von General Spínola3 mit der MFA verhandelten und die Kontrolle über die Regierung übernahmen, erlaubte die MFA den Generälen im Grunde bis zu den ersten Monaten des Jahres 1975 zu regieren. Während dieser Zeit geriet das MFA-Programm der Beendigung des Krieges und der sofortigen Entkolonialisierung aber in Konflikt mit Spínola und den Generälen, die versuchten, sowohl Elemente des faschistischen Regimes aufrechtzuerhalten, als auch einen allmählichen Prozess der Autonomie anstelle der Unabhängigkeit für die Kolonien zu erreichen. In der Zwischenzeit war die MFA mit der Volksbewegung, der Gewerkschafts-, Bauern- und Studentenbewegung verbunden, die, ausgehend von der Basis der revolutionären Kräfte der PCP und der UDP (Demokratischen Volksvereinigung), die provisorischen Regierungen dazu drängte, die Faschisten aus dem Staat zu entfernen und Verstaatlichungen, Agrarreformen und Arbeiterkontrolle durchzuführen, was 1975 geschah.
KO: Im leninistischen Verständnis bedarf es einer objektiven revolutionären Situation, in der die Herrschenden nicht mehr herrschen können wie zuvor und die Unterdrückten nicht mehr leben wollen wie zuvor, damit die Arbeiterklasse eine Chance zum Sturz der Bourgeoisie hat. Bestand eine revolutionäre Situation 1974 in Portugal?
Alavanca: Nach leninistischem Verständnis gab es 1975 in Portugal eine revolutionäre Situation, die sich aus der Verschärfung der Widersprüche in der provisorischen Militärmacht von oben und der Verschärfung des massiven Klassenkampfes von unten ergab, die 1974 stattgefunden hatte. Die Armee hatte die Macht unter der Kontrolle von MFA-Offizieren übernommen, und aufgrund ihrer Widersprüche mit den Generälen und den bürgerlichen Kräften schlossen sich diese Offiziere im Wesentlichen der Arbeiter-, Bauern- und Volksbewegung an, die die politische Situation in Richtung einer revolutionären Situation zwischen Kapitalismus und Sozialismus trieb. Bis zum 11. März 1975 wurden die Generäle, die die Reste der faschistischen politischen und militärischen Organisation anführten, vollständig besiegt und von da an ging es im Kampf eindeutig nicht mehr um den Sturz des Faschismus, denn das war bereits geschehen, sondern um den Kampf zwischen bürgerlicher Demokratie und sozialistischer Revolution, zwischen Kapitalismus und Sozialismus.
KO: Die Ereignisse des PREC werden oft als “Nelkenrevolution” bezeichnet. Die PCP spricht dabei von einer “unvollendeten Revolution”. Ist es richtig, beim PREC von einer Revolution im marxistischen Sinne zu sprechen?
Alavanca: Eine Revolution im marxistischen Sinne bedeutet den Sturz einer herrschenden Klasse und die Machtergreifung durch eine andere herrschende Klasse, und deshalb konnte es in Portugal seit mehr als einem Jahrhundert nur eine sozialistische Revolution geben, da das Regime der bürgerlichen Republik in Portugal seit 1910 besteht. Es gibt niemals „unvollendete Revolutionen“, eine Revolution ist immer ein Versuch, die Macht zu übernehmen, der siegen oder besiegt werden kann, und wenn er besiegt wird, ist es notwendig, von vorne zu beginnen und eine neue Revolution zu machen. In Russland zum Beispiel führten die Bolschewiki die Revolution von 1905 an, die besiegt wurde, und dann die Revolutionen vom Februar 1917 und vom Oktober 1917, die siegreich waren, obwohl die ersten beiden Revolutionen bürgerlich waren, so dass es notwendig war, von vorne anzufangen, von einer zur anderen. Wir sind der Meinung, dass die Logik der derzeitigen PCP darin besteht, das, was geschehen ist, den PREC, als eine Revolution zu behandeln, die bis zum heutigen Tag andauert, was völlig absurd ist. Um auf die marxistische Definition von Revolution zurückzukommen: es ist nicht richtig zu sagen, dass es während des PREC eine Revolution gab, weil die einzig mögliche Revolution die sozialistische Revolution war. Die revolutionären Kräfte4 bestanden immer auf „demokratische“ Revolutionen (auf die „demokratische“ Etappe zwischen Kapitalismus und Sozialismus). So gab es einerseits keinen organisierten Versuch der Machtübernahme durch die Revolutionäre (dies wird während des konterrevolutionären Militärputsches vom 25. November 1975 deutlich) und andererseits keinen Sturz einer herrschenden Klasse durch die Machtergreifung einer anderen herrschenden Klasse. Was es während des PREC gab, war eine revolutionäre Situation, wie wir bereits erwähnten, d.h. die Möglichkeit, die Macht zu übernehmen, organisiert von der Kommunistischen Partei und den revolutionären Kräften. Aber leider haben die PCP und die UDP, die revolutionären Kräfte, beschlossen, die Macht nicht zu übernehmen, und haben vor den konterrevolutionären Kräften der bürgerlichen Demokratie kapituliert.
KO: Wie schätzt ihr die Gefahr ein, die vom Sieg über den Faschismus in Portugal für den Imperialismus in Europa und weltweit ausging? Wie gingen die führenden Staaten im Imperialismus mit der Situation um?
Alavanca: Der Sieg über den Faschismus in Portugal fand in einem sehr schnellen Prozess der Verschärfung der Klassenwidersprüche und der Zunahme des Klassenkampfes statt, der den Kampf um die Macht zwischen Kapitalismus und Sozialismus in einen für den Sozialismus und die sozialistische Revolution sehr günstigen Kontext stellte. Spanien und Griechenland befanden sich in einer ähnlichen Situation wie Portugal, mit faschistischen Regimen, die abgenutzt waren und kurz vor dem Sturz standen, aber die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) war bereits durch den „Eurokommunismus“ ziemlich degradiert und die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) hatte ihren Etappismus noch nicht überwunden. Der Einfluss der PREC war vor allem in Spanien wichtig, aber wenn es zumindest einen Versuch gegeben hätte, die Macht durch eine sozialistische Revolution unter Führung der PCP und der UDP zu übernehmen, hätte dies sehr wahrscheinlich einen viel stärkeren Einfluss auf die PCE und die KKE gehabt, also auf die Möglichkeit eines revolutionären Aufstiegs auch in Spanien und Griechenland. Da es keinen Versuch der PCP gab, die Macht in Portugal zu übernehmen, waren die Auswirkungen außerhalb Portugals begrenzter, aber wir denken trotzdem, dass wir der PREC einen gewissen Einfluss auf die Reorganisation der revolutionären kommunistischen Partei in Spanien zuschreiben können, mit den sehr bedeutenden Spaltungen in der PCE in den 1980er Jahren, die zur PCPE führten, die heute PCTE heißt. Die PCTE ist eine Partei, die wir als brüderliche Partei bewundern und unterstützen und die in vielerlei Hinsicht ein Beispiel ist, dem man folgen sollte.
Was die Reaktion der imperialistischen Mächte auf die PREC-Ereignisse betrifft, so gab es eine große Intervention (die immer verdeckt wurde, um antiimperialistische Reaktionen der portugiesischen Massen zu vermeiden) seitens der Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschlands. Die Intervention beinhaltete sicherlich vor allem eine Menge an Finanzmitteln und versuchte, die Arbeiter- und Volksbewegung zu korrumpieren, indem die Arbeiteraristokratie durch den Kauf von Gewerkschaftern und Führern von Massenorganisationen gebildet wurde. Bekannt sind die Interventionen des damaligen US-Botschafters Frank Carlucci, der sich mit Mário Soares, dem Führer der PS (Sozialistische Partei) und Hauptverantwortlichen der bürgerlichen und konterrevolutionären Kräfte, traf. Es gab sicherlich auch die Lieferung von Waffen durch die imperialistischen Mächte an reaktionäre Kräfte und faschistische Terrorgruppen, die versuchten, die revolutionären Kräfte mit Bombenanschlägen und Angriffen auf die Hauptquartiere der revolutionären Kräfte zurückzudrängen. Das bewaffnete Eingreifen der imperialistischen Mächte wurde jedoch durch die Tatsache begrenzt, dass ein starkes Eingreifen die Armee und die MFA nur noch weiter auf die Seite der sozialistischen Revolution gedrängt hätte. Aber es fehlte nicht an Geld von den imperialistischen Kräften, um das Gewissen des Kleinbürgertums und der Arbeiteraristokratie zu kaufen, und so wurde der zutiefst reaktionäre Gewerkschaftsbund der PS und PSD (Sozialdemokratische Partei), der UGT5 (Allgemeine Arbeiter-Vereinigung), gegründet.
KO: Die vorherrschende strategische Orientierung in der internationalen kommunistischen Bewegung seit dem 2. Weltkrieg ist die sogenannte “Volksfrontstrategie”6. Wir kritisieren diese Vorstellung, weil sie auf ein Bündnis mit opportunistischen und offen bürgerlichen Kräften orientiert mit dem Ziel, das “größere Übel”, wie den Faschismus, zu besiegen. Es ist verknüpft mit der Vorstellung einer, beispielsweise antifaschistischen, “Etappe” vor dem Kampf zum Sturz der gesamten Bourgeoisie. Wie sah die Strategie der PCP vor, während und nach dem 25. April aus? Entsprach sie einer “Volksfrontstrategie” wie oben skizziert? Gab es Änderungen der Strategie während des PREC selbst? Wie schätzt ihr diese Strategie insgesamt ein, welche Fehler wurden begangen?
Alavanca: Wir kritisieren auch die „Volksfrontstrategie“, die nach dem Zweiten Weltkrieg obsolet wurde. Die Volksfront, obwohl sie schon bei ihrer Schaffung als internationale taktische politische Linie für alle Parteien der Kommunistischen Internationale viele Fehler und Fehlanwendungen enthielt, wurde nicht nur geschaffen, um faschistische Regime zu stürzen oder zu verhindern, sondern vor allem, um die Sowjetunion gegen einen Krieg zu verteidigen, der versuchte, sie zu überfallen und zu unterjochen (ein Krieg, der von den faschistischen Regimen Deutschlands und Italiens initiiert wurde). Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entartete die Volksfront von einer problematischen Taktik zu einer revisionistischen Strategie, die vor allem von der „eurokommunistischen“ Strömung angewandt wurde, die aber die gesamte internationale kommunistische Bewegung beeinflusste.
Auch wenn die Kritik an den Anwendungen und Fehlern der Volksfrontlinie bis 1945 richtig ist und noch mehr ihre Ablehnung als revisionistisches Instrument nach 1945, bedeutet dies nicht, dass die Kritik von Trotzki und dem Trotzkismus und die Kritik von Francisco Martins Rodrigues7 (in seinem Buch „Anti-Dimitrov“) und die seiner Anhänger an derselben Volksfront richtig ist. Wir, Alavanca, schließen uns derzeit hauptsächlich der Kritik der KKE, PCM (Kommunistischen Partei Mexikos) und PCTE an der Volksfrontlinie an und sehen auch die Kritik der KO positiv. Es gibt verschiedene Kritiken der Linken an der Volksfront, und wir können sogar sagen, dass es eine gewisse Allgemeinheit in Aussagen gibt, die allen mehr oder weniger gemein ist, wie „die kommunistischen Parteien haben sich ins Schlepptau der Sozialdemokratie und anderer bürgerlicher Kräfte begeben“. Aber nur diesen Aspekt der Kritik an den Volksfronten zu sehen, der in der Kritik von links fast übereinstimmend ist, bedeutet nichts zu sehen. Abgesehen von den offensichtlichen Aspekten dieser Bündnispolitik war die Kritik der Linken entweder auf die Verteidigung der Erfahrungen des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR und auf die Verteidigung der kommunistischen Partei als Avantgardepartei gerichtet oder auf die Ablehnung aller Erfahrungen des Aufbaus des Sozialismus im 20. Jahrhunderts und der leninistischen Partei. Wir können die Kritik an der Volksfront nicht vom breiteren Inhalt der politischen Linie der politischen Kräfte trennen, die diese Kritik üben. Die Volksfront wurden in einem revolutionären oder opportunistischen Sinne auf verschiedene Weise kritisiert, und je nach Standpunkt wurde diese Kritik entweder zum Aufbau oder zur Liquidierung der revolutionären internationalen kommunistischen Bewegung, die wir verteidigen, benutzt. Es stimmt, dass die Politik der revolutionären Kräfte während des PREC im Wesentlichen eine Variante der „Volksfront“ war, nämlich das „Programm der demokratischen und nationalen Revolution“ der PCP und das „Programm der demokratischen Volksrevolution“ der PCP(R) (Portugiesische Kommunistische Partei (Wiederaufbau)) und der UDP8. Die Auswirkungen der Strategie der revolutionären Kräfte während des PREC vom Typ der „Volksfront“, waren im Wesentlichen folgende: Die Bündnispolitik, die die Sozialdemokratie und andere bürgerliche Kräfte als Verbündete innerhalb des „demokratischen Lagers“ einstufte (obwohl diese Kräfte in völligem Widerspruch zu wesentlichen Elementen der Programme der revolutionären Kräfte standen) und das Beharren auf der falschen Vorstellung einer Stufe zwischen kapitalistischer und sozialistischer Gesellschaft, zwischem kapitalistischem und sozialistischem Staat.
KO: Im PREC setzte sich letztendlich die Sozialistische Partei (PS) durch und nicht die Kommunisten. Diese Partei wurde maßgeblich von der deutschen SPD unter Willy Brand aufgebaut, sogar ihr Gründungsparteitag 1973 fand im Exil in Deutschland statt. Welche Rolle spielte die Sozialdemokratie vor, während und nach dem 25. April?
Alavanca: Die Sozialistische Partei (PS) hat seit ihrer Gründung konsequent den Kapitalismus verteidigt, war immer eine bürgerliche Kraft und war immer die wichtigste konterrevolutionäre Kraft. Schon während der kurzen Zeit, in der die PS (und ihr früherer Keim unter der Führung von Mário Soares) im Faschismus agierte, war ihr Charakter bürgerlich und konterrevolutionär. Aber es war während des PREC, im Übergang zur bürgerlichen Demokratie, und während der Entwicklung des bürgerlich-demokratischen Regimes, dass die PS zum Kopf aller konterrevolutionären Kräfte wurde (von Opportunisten über Liberale bis hin zu Faschisten), sowie zum Hauptpfeiler des kapitalistischen Regimes in Form der bürgerlichen Demokratie. Die Sozialdemokratie ist von Natur aus die Hauptkraft, die geeignet ist, den Kapitalismus in Form der bürgerlichen Demokratie zu führen, wir würden sogar sagen, sie ist das Haupthindernis für die sozialistische Revolution. Lenin erklärt auf sehr klare Weise das Wesen des bürgerlichen Staates als einen Staat, der den Anschein eines Staates über den Klassen erwecken muss, während er in Wirklichkeit die Diktatur der Bourgeoisie gegen die anderen Klassen und vor allem gegen das Proletariat ist. Die Schlüsselfrage ist hier das Erscheinungsbild des Staates. Vereinfacht kann man sagen, dass der faschistische Staat hauptsächlich auf gewaltsamer Unterdrückung beruht, während der bürgerlich-demokratische Staat auf der Täuschung der arbeitenden Massen beruht, und dafür ist für das kapitalistische Regime diejenige bürgerliche Partei entscheidend, die die Arbeiter am besten in Menschen verwandelt, die das kapitalistische Regime unterstützen oder zumindest fatalistisch akzeptieren. Die Sozialdemokratie ist eine bürgerliche Partei für die Arbeiter, und je mehr sie vorgibt, links zu sein, desto effektiver ist sie gegen den Kampf der Kommunisten für die Revolution. Deshalb sagte Lenin, dass Kautsky unter den Sozialdemokraten der gefährlichste sei, weil der Konterrevolutionär, der „am weitesten links“ steht, die Massen am effektivsten täuschen kann. Die internationale Rolle der deutschen SPD bei der Entwicklung bürgerlicher sozialdemokratischer Parteien und der Unterwanderung und Zerstörung kommunistischer Parteien von innen heraus ähnelt der Rolle des US-amerikanischen Gewerkschaftsbundes AFL-CIO (Amerikanischer Gewerkschaftsbund und Kongress der Industriegewerkschaften) bei der Einschleusung imperialistischer Agenten in die Gewerkschaften auf internationaler Ebene. Beide widmen sich der Bestechung einer Schicht der Arbeiterklasse, der Arbeiteraristokratie, auf internationaler Ebene – und dabei entsprechen sie den rivalisierenden wirtschaftlichen Interessen der beiden imperialistischen Mächte Deutschland und USA.
KO: Im Zuge des PREC kam es zur Bildung einer Vielzahl an “linken” und sich kommunistisch nennenden Gruppen. Gab es neben der PS relevante opportunistische und neben der PCP relevante kommunistische Kräfte? Welche Rolle spielten sie?
Alavanca: Während der PREC waren die revolutionären Kräfte die PCP und die UDP kommunistische Kräfte der Arbeiterklasse. Ebenfalls war die OCMLP (Portugiesische marxistisch-leninistische kommunistische Organisation) eine kleinere revolutionäre Kraft während der PREC, die sich kurz nach der PREC zum Teil mit den kommunistischen Gruppen, die die UDP bildeten, zur PCP(R) zusammenschloss. Die PCP war immer pro-sowjetisch, während die UDP, die OCMLP und die PCP(R) pro-albanisch waren, aber dieser wichtige ideologische Unterschied und die internationale Ausrichtung schlugen sich nicht wesentlich in unterschiedlichen revolutionären Strategien und unterschiedlichen Positionen bei wichtigen taktischen politischen Entscheidungen während des PREC – und auch nach dem PREC – nieder. Zusätzlich zu diesen Kräften gab es einige kleinere kleinbürgerliche Gruppen, die durch die Kraft der Ereignisse dazu gebracht wurden, einen sozialistischen revolutionären Weg zu verteidigen. Diese waren aber typische zögerliche kleinbürgerliche Gruppen. Die revolutionären Kräfte und die kleinbürgerlichen Gruppen, die von ihnen angezogen wurden, scharten sich hauptsächlich um die Unterstützung der militärischen Linken und ihres wichtigsten Führers, der Ministerpräsident der provisorischen Regierungen Vasco Gonçalves9. Auf der anderen Seite dieses Prozesses des Klassenkampfes standen die konterrevolutionären Kräfte, die über verschiedene Gruppen mit leeren Abkürzungen verfügten, die sich als kommunistische Parteien bezeichneten und als Satelliten der PS und der PSD fungierten, um einen Teil der arbeitenden Massen von den revolutionären Kräften abzulenken und auch um bürgerliche Agenten in die revolutionären Kräfte einzuschleusen. Während der PREC gab es in Portugal eine große Anzahl vermeintlich kommunistischer Parteien, die fast alle bürgerliche Frontorganisationen waren und sich aus dem konterrevolutionären Kleinbürgertum und Arbeiteraristokraten zusammensetzten, die sich an die Kapitalisten verkauft hatten.
KO: Portugal war bis zum Sturz des Faschismus ein grausames Kolonialreich. Welche Bedeutung hatten die Kolonien für das portuguiesische Kapital und für die gesellschaftlichen Verhältnisse in Portugal selbst? Welches Verhältnis bestand zwischen den Befreiungsbewegungen in Angola, Mosambik, Guinea-Bisseau und Kap Verde und der antifaschistischen Bewegung in Portugal?
Alavanca: Natürlich ist es kein Zufall, dass der faschistische portugiesische Staat 13 Jahre lang einen Krieg führte, um seine Vorherrschaft über die afrikanischen Kolonien zu erhalten, und schließlich von seiner Armee gestürzt wurde. Die Kolonien in Afrika waren ein Kernstück der Wirtschaft, die von einer Reihe von kapitalistischen Monopolen beherrscht wurden, die das kapitalistische Regime des faschistischen portugiesischen Staates stützten. Die portugiesische faschistische Wirtschaft war darauf ausgerichtet, die natürlichen Ressourcen der Kolonien auszuplündern und Portugal in ein industrielles Zentrum zu verwandeln, das den maximalen Profit aus diesem wirtschaftlichen Prozess ziehen kann. Man kann sagen, dass die Ausplünderung der Kolonien billige Importe natürlicher Ressourcen für die kolonisierende Metropole bedeutet, aber der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts in seiner imperialistischen Phase benötigte auch Exporte als Teil der Internationalisierungsbedürfnisse des Kapitals, um seine Gewinne zu maximieren. Das faschistische Regime verzögerte die Industrialisierung der Landwirtschaft in Portugal etwas, aber vor allem wurde es im wirtschaftlichen Wettbewerb mit den anderen europäischen imperialistischen Mächten (Frankreich und die BRD an der Spitze) zunehmend isoliert. Diese unternahmen bereits Schritte, um einen Wirtschaftsblock unter ihrer Herrschaft zu schaffen, in dem der Export von Produkten und Kapital die Profite ihrer kapitalistischen Monopole maximieren würde.
Innerhalb der antifaschistischen Bewegung in Portugal spielte nur die PCP eine wichtige politische Rolle in den Beziehungen zu den nationalen Befreiungsbewegungen der afrikanischen Kolonien, da die PCP an der Gründung der Kommunistischen Partei Angolas beteiligt war, die zu den Ursprüngen der MPLA (Volksbewegung zur Befreiung Angolas) gehörte. Die MPLA übernahm die Macht und versuchte, eine sozialistische Gesellschaft in Angola zu schaffen. Diese Verbindung zwischen der PCP und der MPLA reichte jedoch aus, um eine gewisse Rolle für die antifaschistische Bewegung in Portugal zu spielen. Einige der zukünftigen Führer der Befreiungsbewegungen, die in Portugal studiert hatten, wie Agostinho Neto, Amílcar Cabral und andere, hat diese Bewegung zusammengebracht. Die bedeutendste politische, militärische und wirtschaftliche Unterstützung während des Kolonialkrieges und auch nach der Unabhängigkeit dieser Länder erhielten die nationalen Befreiungsbewegungen jedoch von Kuba und der Sowjetunion.
KO: In Westdeutschland und der DDR gab es eine große Solidaritätsbewegung mit dem antifaschistischen Kampf in Portugal. Eine Auseinandersetzung mit der Strategie der Kommunisten in Portugal fand jedoch kaum statt. Welche Bedeutung hatte der PREC für die europäische kommunistische Bewegung und das sozialistische Lager? Welche Position nahmen die Sowjetunion und die Volksrepublik China unter der Führung Mao Zedongs ein?
Alavanca: Einige bürgerliche Intellektuelle vertreten die These, dass die PCP im Auftrag der Sowjetunion an der Machtübernahme gehindert wurde. Diese These ist völlig falsch. Die PCP hat ihre eigenen Entscheidungen getroffen, und es gab keinen Druck von außen, der ihre Entscheidungen einschränkte. Es hat keinen Sinn überhaupt von Druck zu sprechen, denn die Sowjetunion hatte lange Zeit (vor 1974) eine distanzierte Haltung gegenüber Versuchen der Machtübernahme und Revolutionen, die von kommunistischen Parteien in kapitalistischen Ländern auf der ganzen Welt durchgeführt wurden, und das galt insbesondere für ein NATO-Mitglied wie Portugal. China befand sich ebenfalls in einer distanzierten Position gegenüber der revolutionären Bewegung in Portugal (und allen anderen NATO-Ländern). Das allerdings in noch schlimmerer Weise aufgrund seines Bündnisses mit den Vereinigten Staaten gegen die Sowjetunion seit 1972, als Nixon bei Mao in China zu Besuch war, und seiner Unterstützung des faschistischen Regimes von Pinochet in Chile seit 1973. Im Jahr 1974 war es wahrscheinlicher, dass China ein faschistisches Regime unterstützte als eine sozialistische Revolution. Wir erinnern uns, wie China 1975 die reaktionäre UNITA (Nationale Union für die vollständige Unabhängigkeit Angolas) in Angola unterstützte. Die UNITA behauptete, eine nationale Befreiungsbewegung zu sein, kollaborierte während des Kolonialkriegs mit der portugiesischen Armee im Kampf gegen die MPLA und verbündete sich nach der PREC in Portugal mit der rassistischen südafrikanischen Apartheid-Armee (unterstützt von den USA)10. Es ist logisch, dass die Zusammenarbeit zwischen der UNITA, China, Südafrika und den Vereinigten Staaten im Jahr 1975 im Rahmen der Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und China stattfand, die während des Besuchs von Nixon bei Mao in China 1972 angekündigt wurde.
Die Bedeutung des PREC war in europäischen Ländern, die sich in einer ähnlichen Situation befanden und im Begriff waren, sich von faschistischen Regimen zu lösen (allerdings auch in Lateinamerika und insbesondere in Brasilien), größer, nämlich in Spanien und Griechenland. Die Wirkung in Spanien und Griechenland wurde wie erwähnt durch die fehlgeleitete Etappenstrategie der „demokratischen Revolution“ begrenzt, die zur Kapitulation im entscheidenden Moment für die Machtübernahme durch die Kommunisten führte. Dennoch können wir dem PREC einen wichtigen Einfluss innerhalb des linken Flügels der PCE in Spanien zuschreiben, der zur Abspaltung kommunistischer Gruppen führte, aus denen 1984 die PCPE hervorging. In den sozialistischen Ländern war der Einfluss des PREC gering. In Wirklichkeit, wie die KKE sagt, haben sich seit dem 20. Parteitag der KPdSU die revisionistische Tendenz in der KPdSU und die eurokommunistischen Parteien Westeuropas in ihrem Revisionismus und ihrer Kapitulation im Kampf für die Revolution gegenseitig genährt, und der „friedliche Weg“ in Portugal war ein Spiegelbild dieses schädlichen Einflusses. Es war ein Problem von internationaler Tragweite. Der italienisch-sowjetische Film „Das Leben ist schön“ aus dem Jahr 1979 („La vita è bella“ auf Italienisch, „Жизнь прекрасна“ auf Russisch, romanisiert „Zhizn prekrasna“) des sowjetischen Regisseurs Grigory Chukhray ist ein Beispiel für den Einfluss der PREC in der sowjetischen Gesellschaft, obwohl dieser Film den antifaschistischen Kampf in Portugal vor dem 25. April 1974 und nicht die PREC porträtiert (vielleicht war es zu revolutionär, die Ereignisse des PREC darzustellen…). In diesem Film sieht man viele Plakate und Wandmalereien mit den Symbolen der revolutionären Kräfte PCP, PCP(R) und UDP und auch die revolutionären Slogans des PREC (Sozialismus, Agrarreform, Verstaatlichungen, Arbeiterkontrolle, usw.), da die Dreharbeiten 1978 oder 1979 in Lissabon stattfanden und immer noch von einer gewissen „PREC-Katerstimmung“ geprägt waren.
KO: Wie ist die kommunistische Bewegung in Portugal heute, nach 50 Jahren, aufgestellt? Welche Entwicklung nahm insbesondere die PCP? Welche Lehren wurden aus dem Scheitern des 25. April gezogen?
Alavanca: Die PCP hat schon vor vielen Jahren aufgehört, eine kommunistische Partei zu sein. Der entscheidende Moment der Abkehr vom Marxismus-Leninismus war im ideologisch-strategischen Bereich die Verabschiedung des Programms der „Fortgeschrittene Demokratie“ im Jahr 1988, ein eurokommunistisches Programm, das von einem gleichnamigen Manifest der PCF (Kommunistische Partei Frankreichs) von 1968 kopiert wurde. Nach der „Fortgeschrittenen Demokratie“ trat die PCP in eine Phase manchmal offener, manchmal verdeckter interner Auseinandersetzungen ein, in der die Krise von 2001/2002 die letzte Gelegenheit war, sich nach links zu wenden. Wie vorherzusehen war, mündete die revisionistische Strategie im Laufe der Zeit in eine revisionistische Taktik, was dazu führte, dass die PCP 2015 zu einem untergeordneten Verbündeten der PS wurde, d. h. zu einem Verbündeten der bürgerlichen sozialdemokratischen Regierungen11. Jede Art von Revolution, auch wenn sie nicht sozialistisch ist, wurde von der PCP im Programm von 1988 aufgegeben und jede Art von Opposition seitens der Gewerkschaftsmehrheit, die die PCP in Portugal dominiert, wurde 2015 aufgegeben. Das bedeutet weder, dass das PCP-Programm vor 1988, noch dass die Massenopposition der PCP vor 2015 gut waren. Die PCP(R) und die UDP haben als Parteien schon vor der PCP den gleichen Weg der revisionistischen Degeneration und Liquidation beschritten. Die PCP(R) und die UDP verbündeten sich bei Wahlen zunächst in einer Koalition mit den Trotzkisten der PSR (Revolutionäre Sozialistische Partei) und es waren diese Trotzkisten, die den Prozess der Gründung der sozialdemokratischen Partei „Bloco de Esquerda“ (Linksblock, eine Art portugiesische SYRIZA12) anführten, die die PCP(R) und die UDP liquidierte. 1993 löste sich die PCP(R) selbst auf, um in der UDP, die von einer „Massenfront“ zu einer reinen Wahlpartei wurde, zu verbleiben. Die UDP wiederum löste sich selbst auf, um 2005 nur noch eine Strömung des Linksblocks zu werden. Nach der PREC gab es in Portugal außer der PCP und der PCP(R) keine kommunistischen Parteien, und die maoistische Sekte der MRPP (Kommunistische Partei der portugiesischen Arbeiter) haben wir nie als kommunistische Partei betrachtet, also seit ihrer Gründung.
Wenn man sich heute diejenigen ansieht, die sich in Portugal als Kommunisten bezeichnen, und dabei die lächerliche MRPP und die rechtsgerichteten Mitglieder der PCP ausklammert, weil beide nicht ernst genommen werden können, dann gibt es den linken Flügel der PCP, die Alavanca und das, was von denjenigen übrig geblieben ist, die sich von der PCP(R) abgespalten haben, nämlich die Pro-Francisco Martins Rodrigues (Pro-FMR)-Tendenz. Der linke Flügel der PCP hat sich über die Jahre scheinbar führungslos hingezogen, die Alavanca selbst hat in der Anfangsphase als linker Flügel der PCP gearbeitet und gesehen, dass die PCP, selbst auf der Ebene der Basisorganisation, ein völlig nutzloser Sumpf ist (selbst für die Organisation einer Abspaltung). Aber in letzter Zeit scheint der linke Flügel endlich die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die PCP verschwinden könnte und dieser linke Flügel selbst auch mit der PCP verschwinden könnte. Wenn man diesen linken Flügel der PCP, die Alavanca und die Pro-FMR-Gruppen mitzählt, sprechen wir in Portugal von Gruppen, die insgesamt ein paar Dutzend Personen umfassen, ein paar Dutzend Personen, die sich als Kommunisten bezeichnen. Hinzu kommen einige Hundert Personen aus der MRPP, die sich auch als Kommunisten bezeichnen, und einige Tausend in der rechten PCP, aber diese sind nicht nur im Niedergang begriffen, sondern auch unwiederbringliche Reformisten (es ist viel wahrscheinlicher, dass sie zur PS übertreten als nach links gehen). Die Pro-FMR-Strömung hat eine radikale Phraseologie, die leicht diejenigen täuscht, die wenig oder gar nichts von dem wissen, was sie sagen. Es reicht nicht aus, von der Kritik von Francisco Martins Rodrigues an der „Volksfront“ und der PCP zu sprechen, die Pro-FMR-Tendenz lehnt die internationale kommunistische Bewegung seit der russischen Revolution vollständig ab und schlägt wirklich etwas so Neues vor, so neu, dass es bei so viel Neuem alt klingt, sich selbst als Kommunisten zu bezeichnen. Zu ihrer vollständigen Ablehnung der Vergangenheit fehlt nur noch die Ablehnung des Marxismus, des Leninismus und des Wortes „kommunistisch“. Auch diese Tendenz ist nicht ernst zu nehmen, aber wir stehen erst am Anfang der Kritik, die notwendig ist, um aufzuzeigen, warum sie nichts mit der kommunistischen Bewegung zu tun hat.
Welche Lehren hat die PCP aus dem Scheitern der PREC gezogen? Das ist doch zum Lachen … Die PCP wird sagen: „Welches Scheitern? Wir sind in der ‚Demokratie‘ (bürgerlich, müssen wir sagen), die wir immer wollten“. Die „Revolution“ geht laut der aktuellen PCP bis heute weiter, es ist die „Revolution“ der „Humanisierung des Kapitalismus“, die nur diese Arbeiteraristokraten, die sich an die Kapitalisten verkauft haben, sehen können.
KO: Welche Lehren zieht ihr aus den letzten 50 Jahren seit dem 25. April für Portugal, aber auch für die kommunistische Bewegung weltweit? Was ist die Hauptaufgaben für die Kommunisten in Portugal und weltweit heute?
Alavanca: Die Hauptaufgabe der Kommunisten in Portugal und in der Welt ist heute, und hätte es schon vor über einem Jahrhundert sein sollen, die sozialistische Revolution. Die sozialistische Revolution ist nicht möglich ohne eine revolutionäre kommunistische Partei, die die revolutionäre Avantgarde sein muss, die das Proletariat zur Machtübernahme führt. Damit es eine revolutionäre kommunistische Partei geben kann, muss es eine revolutionäre Strategie geben, die heute Teil der Bemühungen um eine einheitliche internationale revolutionäre Strategie innerhalb des leninistischen Pols der internationalen kommunistischen Bewegung sein muss. Es ist unerlässlich, den leninistischen Pol der internationalen kommunistischen Bewegung zu entwickeln, um wieder eine Kommunistische Internationale zu schaffen. Und diese strategischen Grundlagen sind erst mit einer ideologischen Erziehung möglich, die auf den Klassikern von Marx, Engels und Lenin, auch auf dem Werk Stalins (als großer Förderer des Marxismus-Leninismus und Führer des sozialistischen Aufbaus) und auf den theoretischen Grundlagen der KKE beruht, die sich eingehend mit der Sowjetunion und der internationalen kommunistischen Bewegung befasst hat. Wir heben auch die ideologische Arbeit der Kommunistischen Partei Mexikos (PCM) über die Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung und über die Frage der proletarischen Frauen hervor.
Unser Artikel „Fakten über den PREC“ ist im Wesentlichen den Schlussfolgerungen gewidmet, die über die PREC zu ziehen sind, und wir unterteilen diese Schlussfolgerungen in 6 Teile: Der revolutionäre und konterrevolutionäre Charakter der verschiedenen Klassen und der Kräfte, die sie repräsentierten; Unsere Schlussfolgerungen über die revolutionäre Strategie, die von den revolutionären Kräften verfolgt wurde; Wie die Korrelation der Kräfte für die Revolution zu bewerten ist; Was die Bündnispolitik war, die von den revolutionären Kräften umgesetzt werden sollte; Wie wir mit einer verfassungsgebenden Versammlung auf kapitalistischem Terrain umgehen sollten und; Das Dilemma zwischen gewaltsamer Revolution und „friedlichem Übergang“ zur Erreichung des Sozialismus. Um zu verstehen, was während des PREC geschah, ist es am besten, unseren Artikel über die Schlussfolgerungen vollständig zu lesen, aber in der Zusammenfassung sagen wir:
1 – Auf der einen Seite standen die revolutionären kommunistischen Parteien, die mit dem Proletariat und der armen Bauernschaft verbunden waren, und auf der anderen Seite die bürgerlichen Parteien (unter Führung der Sozialdemokratie) und die kleinbürgerlichen Parteien, die mit der Bourgeoisie und dem Kleinbürgertum auf der Seite der Konterrevolution verbunden waren. Der Klassenkampf fand zwischen Kapitalismus und Sozialismus statt.
2 – Die Strategie, die verfolgt werden sollte, war die Strategie der sozialistischen Revolution und nicht der „demokratischen und nationalen“, oder der „volksdemokratischen“ Revolution. Es gibt kein „demokratisches“ Stadium zwischen Kapitalismus und Sozialismus.
3 – Das Kräfteverhältnis für die sozialistische Revolution wird als strategische Macht und nicht als Macht der Mehrheit definiert, so wie die Bolschewiki während der Russischen Revolution zuerst Städte und Industriezentren eroberten, bevor sie ganz Russland eroberten. Der universelle Charakter der Russischen Revolution und der Sowjets bleibt bestehen.
4 – Die Politik der Bündnisse vom Typ „Volksfront“, die zwischen dem „demokratischen Lager“ und dem „faschistischen Lager“ unterscheidet und die die Bourgeoisie in Gut und Böse einteilt, ist völlig falsch, insbesondere nach dem Sturz des Faschismus. Der Sturz des Faschismus war ein Prozess, der sich durch seinen schnellen und vorübergehenden Charakter auszeichnete. Die zu verfolgende Bündnispolitik sollte das Bündnis zwischen dem Proletariat und den armen Volksschichten im Sinne der sozialistischen Revolution sein, nicht mehr nur gegen die Faschisten, sondern gegen die Verteidiger der bürgerlichen Demokratie, gegen die gesamte Bourgeoisie und gegen das konterrevolutionäre Kleinbürgertum.
5 – Eine verfassungsgebende Versammlung13 auf dem Boden der bürgerlichen Gesellschaft kann vor dem Sturz des bürgerlichen Staates weder den Sozialismus verwirklichen noch einen positiven Schritt auf dem Weg zum Sozialismus darstellen. Eine Verfassung ist immer ein Spiegelbild der bestehenden Gesellschaft und niemals ein Instrument, um sie zu verändern. Im Kapitalismus dient jede Verfassung nur dazu, die Massen zu täuschen, genau wie jeder bürgerliche Legalismus, egal was er verspricht.
6 – Es gibt keine friedlichen Revolutionen oder friedliche Wege zum Sozialismus. Und im Sozialismus gibt es die Diktatur des Proletariats und das bedeutet Repression gegen die Bourgeoisie und die konterrevolutionären Sektoren, denn der Klassenkampf geht weiter bis zur vollständigen Abschaffung der Klassen, mit der kommunistischen Gesellschaft.
Wir machen darauf aufmerksam, dass in Portugal die wichtigsten opportunistischen Tendenzen in der kommunistischen Bewegung, innerhalb der PCP und vermeintlich links von ihr, als Hauptansatzpunkt für die Abkehr vom Marxismus-Leninismus und vom Erbe der internationalen kommunistischen Bewegung die falsche Schlussfolgerung ziehen, dass Stalin ein Tyrann war. Dafür dient auch eine Dramatisierung der notwendigen Repression gegen die Bourgeoisie und konterrevolutionäre Kräfte in der Sowjetunion zu Stalins Zeiten. Wir, Alavanca, kritisieren auch die Fehler der Volksfronten in den 30er und 40er Jahren und ihre Nutzung als reformistische Strategie nach dem Zweiten Weltkrieg, wir kritisieren auch die Auflösung der Kommunistischen Internationale als Fehler, und deshalb erkennen wir an, dass in der Zeit Stalins wichtige Fehler begangen wurden. Aber wir warnen vor dem opportunistischen Ausnutzen ehrlicher Kritik von links, die in einen Vorwand umgewandelt wird, um sowohl die gesamte Geschichte der Kommunistischen Internationale (inklusive der Klasse-gegen-Klasse-Linie, die ein Gegensatz zur Volksfront war), als auch die großen Verdienste um den Aufbau des Sozialismus und die Unterdrückung der Bourgeoisie und konterrevolutionärer Kräfte in Stalins Zeit zu verwerfen. Es ist dieses opportunistische Ausnutzen der ehrlichen Kritik an den Taten in den Zeiten Stalins, die die Pro-FMR-Tendenz in Portugal ausmacht, die sich auf das Buch „Anti-Dimitrov“ von Rodrigues stützt.
Ein wichtiger Moment in der Wandlung der PCP zu einer bürgerlich-sozialdemokratischen Partei war, als in der internen Krise von 2001/2002 der Fokus des Kampfes seitens des linken Flügels auf einen Kampf zwischen Intellektuellen und Arbeitern (Gewerkschaftern) und auf die Frage des demokratischen Zentralismus gelegt wurde. Währenddessen sagte der rechte Flügel, dass ein Bündnis mit der PS notwendig sei und dass die PCP aufhören müsste, eine „Protest“-Partei zu sein, um eine Regierungspartei (bürgerlich, sagen wir) zu werden. Der rechte Flügel der PCP fokussierte den Kampf auf die wirklich wichtigen Fragen, welches die Fragen der Ideologie sind (Strategie und Bündnispolitik), während der linke Flügel der PCP sich über kleinere Fragen selbst täuschte, insbesondere über organisatorische Lösungen (demokratischer Zentralismus) und auch über eine Klassenzusammensetzung, aber ohne die Ideologie zu behandeln (was im Grunde genommen linker Identitarismus ist). Lenin hat historisch erklärt, wie die kommunistische Partei, die Partei der revolutionären Avantgarde, das Produkt der Verschmelzung von Arbeiterbewegung und wissenschaftlichem Sozialismus ist. Es ist wesentlich, die Zusammensetzung der Arbeiterklasse in der kommunistischen Partei zu fördern, allerdings unter der Voraussetzung, dass die marxistisch-leninistische Ideologie für die Rekrutierung und Beförderung von Arbeitern in die Parteiführung obligatorisch ist. Wir erinnern uns an Lenins Polemik gegen die Menschewiki gleich zu Beginn der Spaltung zwischen Bolschewiki und Menschewiki, als die Menschewiki Arbeiter, die in den Streik treten, automatisch zu Mitgliedern der marxistischen Partei machen wollten. Das heißt, sie rekrutierten Arbeiter ohne jegliche ideologische Kriterien und ohne das revolutionäre Programm (und die revolutionäre Strategie) zu verteidigen. Nach der Krise 2001/2002 wurde Jerónimo de Sousa zum Generalsekretär der PCP gewählt, nur weil er Arbeiter war (was den linken Flügel der PCP völlig in die Irre führte), und es war dieser Jerónimo de Sousa, der zur endgültigen ideologischen Liquidierung der PCP führte und die Partei und die von ihr geführten Gewerkschaften zu einer untergeordneten Kraft der bürgerlichen sozialdemokratischen PS-Regierungen machte. Danach hatten wir auch das Phänomen Obama in den Vereinigten Staaten, und wir sind der Meinung, dass die antirassistischen Bewegungen (angefangen bei Black Lives Matter) nichts aus der Tatsache gelernt haben, dass ein schwarzer Präsident in einer Zeit besonders grausamer Repression gegen die arme schwarze Bevölkerung in den Vereinigten Staaten regierte. Heute halten wir diesen linken Identitarismus für besonders gefährlich innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung (sogar innerhalb ihres leninistischen Pols) und vor allem innerhalb der kommunistischen Jugend.
Zwischen Obama und der Degeneration der PCP ziehen wir Lehren, die über die oberflächliche Kritik an einer Bourgeoisie der „unterdrückten Identitäten“ hinausgehen, und kommen zu dem Schluss, dass innerhalb der kommunistischen Parteien und kommunistischen Organisationen der Impuls zur Förderung der „unterdrückten Identitäten“, der sich heute auf die LGBT- und die feministische Bewegung und nicht auf den wichtigsten grundlegenden Klassenwiderspruch stützt, gegenüber der ideologischen Bewertung der kommunistischen Kader Vorrang einnimmt. Der Impuls, Kader der „unterdrückten Identitäten“ in kommunistischen Organisationen zu fördern, ist ein ideologisch blinder Impuls, der den Impuls innerhalb der gleichen Logik in den bürgerlichen Kräften widerspiegelt, wie das Phänomen Obama. Aus diesem Grund sehen wir den linken und den rechten Flügel innerhalb der LGBT- und der feministischen Bewegung als zwei Seiten derselben Medaille und als zwei Facetten derselben Ideologie der Klassenkollaboration. Heute ist es nicht mehr überraschend, dass die PCP von einem argentinischen Papst im Vatikan als einem linken Papst spricht. Der linke Identitarismus befasst sich mit der Erscheinung der Dinge und nicht mit ihrem Wesen, er befasst sich mit der Identität der Führer und nicht mit ihrer Ideologie. Wir warnen davor, dass es genauso schlimm ist, einen bürgerlichen Politiker oder Führer unter dem Vorwand zu unterstützen, einer „unterdrückten Identität“ anzugehören, wie es ist, Menschen als Führer kommunistischer Organisationen und Parteien zu rekrutieren und zu fördern, die ausschließlich aufgrund ihrer „unterdrückten Identitäten“ und nicht aufgrund irgendwelcher ideologischer Kriterien bewertet werden. Im Grunde kehren wir zum alten Menschewismus zurück, der besagte, dass jeder streikende Arbeiter ein Marxist ist, nur weil er ein streikender Arbeiter ist.
1Anm. der KO: Nicht zu verwechsel mit dem CGTP, der größten Gewerkschaftsbund in Portugal. Dieser wurde in der Illegalität wesentlich später unter der Führung der PCP gegründet und wird bis heute von ihr dominiert.
2Anm. der KO: Portugal herrschte als Kolonialmacht Anfang der 70er Jahre noch über Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde, São Tomé, Timor, Macau
3Anm. der KO: General Spínola war ein wichtiger General des faschistischen Staates, insbesondere auch durch seine Rolle im Kolonialkrieg.
4Anm. der KO: gemeint sind hier PCP und UDP
5Anm. der KO: Der UGT ist ein kleinerer Gewerkschaftsbund, der neben dem wesentlich bedeutsameren und größeren Gewerkschaftsbund CGTP (Allgemeiner Zusammenschluss der Portugiesischen Arbeiter) steht.
6Anm. der KO: Siehe hierzu insbesondere: „Der 7. Weltkongress der Komintern und seine Folgen“ von T. Spanidis auf unserer Website: https://kommunistischepartei.de/diskussion/der-vii-weltkongress-der-komintern-und-seine-folgen/
7Anm. der KO: Francisco Martins Rodrigues war Mitglied der PCP bis er mit der Kritik an der revisionistischen Wende der Führung der KPdSU unter Kruschtschow in den 60er Jahren die Partei verließ. Er war Mitbegründer der UDP 1974 und der PCP(R) 1975 beide aus der Abspaltung von der PCP hervorgegangen. Er trennte sich später auch von diesen Organisationen und schrieb 1985 seine Kritik an der Strategie-Entwicklung der Kommunistischen Internationale unter dem Titel „Anti-Dimitrov – ein halben Jahrhundert der Niederlagen der Revolution“. In diesem Buch, welches auch Aspekte einer richigen Kritik an der „Volksfront“-Strategie beinhaltet, vertritt Rodrigues die antikommunistische These, dass die Sowjetunion nie über einen Staatskapitalismus hinausgekommen sei und stimmt, entgegen seiner vorherigen Verteidigung Stalins, in den antikommunistischen „Antistalinismus“ ein, der seit dem 20. Parteitag der KPdSU in der kommunistischen Bewegung sein Unwesen treibt.
8Anm. der KO: Siehe weiter unten eine etwas genauere Darstellung der Parteien UDP, PCP(R) und anderer Organisationen
9Anm. der KO: Vasco Gonçalves war der Premierminister mehrer provisorischer Regierungen während des PREC. Unter seiner Führung wurde eine Reihe an Verstaatlichungen von Banken und wichtigen Unternehmen vorgenommen und das Ende des portugiesischen Kolonialregimes in Afrika beschlossen. Er hatte enge Beziehungen zur PCP.
10Anm. der KO: Der Bürgerkrieg in Angola zwischen der MPLA (unterstützt von Kuba und der Sowjetunion) und der UNITA (unterstützt von Südafrika, China und den USA u.a.) nach der Befreiung vom grausamen portugiesischen Kolonialregime dauerte von 1975 bis 2002 an, auch wenn die MPLA sich faktisch als Sieger Ende der 1980er Jahre durchsetzte.
11Anm. der KO: Die PCP trat nicht in eine Koalition mit der PS ein, aber unterstützte die Minderheitsregierung der PS durch ein gemeinsames Abkommen.
12Anm. der KO: SYRIZA ist die sozialdemokratische ehemalige Regierungspartei in Griechenland, hervorgegangen aus einer vielzahl „linker“ Gruppen und Parteien, unter anderem einer Rechtsabspaktung von der KKE Anfang der 1990er Jahre. SYRIZA war als Regierungspartei und ist jetzt als Partei im Parlament maßgeblich mitverantwortlich für die massive Verschlechterung der Lebensbedingungen in Griechenland in den letzten 15 Jahren.
13Anm. der KO: Am 25. April 1975, also mitten im PREC fand eine Wahl zu einer Verfassungsgebenden Versammlung statt, bei der die PS die große Mehrheit der Stimmen bekam. Es war eine bürgerliche Wahl zu einer bürgerlichen Verfassungsgebenden Versammlung und keine Wahl von Räte der Arbeiter, Bauern und Soldaten. Der Gewinn der PS war der Vorlauf für den Putsch am 25. November 1975, an dem die Konterrevolution unter Führung der PS endgültig den Sieg errang.