In Tübingen wurde in den letzten Monaten ein leidenschaftlicher Kampf im Namen Clara Zetkins geführt. Eine Kommission von dazu ausgewählten „Experten“ hatte im Januar einen Bericht vorgelegt, nach welchem mehrere Straßen der Stadt umbenannt und manche weitere mit einem Knoten im Straßenschild als kritikwürdig markiert werden sollten. Neben Faschisten, Kriegsverbrechern und Antisemiten befand sich auch Clara Zetkin auf dieser Liste. Dies zeigt deutlich den aktuellen Antikommunismus und die kursierende unwissenschaftliche Betrachtung gemäß der Extremismus- oder Hufeisentheorie.
Als Antwort darauf wurde das Aktionsbündnis „Kein Knoten für Zetkin“ gegründet, an welchem wir uns als Kommunistische Organisation beteiligten. In den letzten Monaten wurden in diesem Zuge in den historischen Quellen geforscht, Vorträge organisiert und zahlreiche Kundgebungen gehalten. Die geschichtsrevisionistischen Vorwürfe der angeblichen Expertenkommission, welche Clara Zetkins Handeln mit faschistischen und antidemokratischen Kräften gleichzusetzen suchte, konnten dabei stichhaltig widerlegt werden. Weiter Erfolge bedeuteten, dass die Entscheidungsmacht nicht bei der angeblichen Expertenkommission verblieb, sondern vor dem Gemeinderat über die Markierungen abgestimmt werden sollte.
Der breiten Unterstützung und dem engagierten Kampf ist es schließlich zu verdanken, dass der Gemeinderat sich gegen einen Knoten für die Clara-Zetkin-Str. entschied. Erfreulich ist, dass nun stattdessen die Bismarckstraße einen Knoten erhalten soll, um auf die problematische politische Position des Namensgebers hinzuweisen.
Im Zuge der entscheidenden Kundgebung vor der Gemeinderatssitzung hatten auch wir die Gelegenheit, eine Rede zu halten:
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitstreitende!
Meine Vorrednerinnen und -redner haben schon vielfältig ausgeführt, wofür Clara Zetkin Ehre gebührt:
- Kritik an der kaiserlichen Herrschaft
- Konsequenter Kampf um das Frauenwahlrecht
- Kompromissloses Eintreten gegen den mörderischen Weltkrieg
- Klare Positionierung gegen den Faschismus
Von der sogenannte Expertenkommission haben wir aber auch gehört, weshalb ein Knoten dennoch gerechtfertigt sei: Zetkin sei im Kern eine Demokratiefeindin gewesen, sie hätte sich persönlich für Todesstrafen eingesetzt und damit einem sogenannten stalinistischen Terror den Weg bereitet.
Inzwischen ist klar, dass es keine historischen Quellen gibt, welche diese Behauptungen belegen. […] Machen wir uns nichts vor. Es ist nicht der Inhalt ihrer Briefe und Reden, weshalb sie hier kritisiert werden soll. Der sogenannten Expertenkommission reicht schon aus, wem sie die Briefe geschrieben und wo sie ihre Reden gehalten hat. Denn Clara Zetkin war eine Gegnerin des Kapitalismus, eine Unterstützerin der Oktoberrevolution, ein Gast in der Sowjetunion, eine Freundin Lenins, kurz: Eine Sozialistin. Das allein reicht heute aus, um mundtot gemacht, aus der öffentlichen Wahrnehmung getilgt, der schärfesten und doch oberflächlichsten Kritik ausgesetzt zu werden. […]
Der Kampf für den Sozialismus ist kein losgelöster biographischer Fakt in Zetkins Leben, den man positiv oder negativ mit dem Rest aufwiegen kann – der Kampf um den Sozialismus war Zetkins Leben. Er ging Hand in Hand mit ihren Bestrebungen für die Demokratie, für die Befreiung der Frau und gegen Faschismus und Krieg. Denn Zetkin hatte erkannt, dass es keine Demokratie ohne den Sozialismus, keine Befreiung der Frau außerhalb des Sozialismus und keinen Frieden außer durch den Sozialismus geben kann.
Schon damals war sie es gewohnt, dafür kritisiert, angefeindet und verfolgt zu werden. Schon damals hatte die reaktionäre Kritik am Sozialismus oft die Form von Kritik an losgelösten Einzelentscheidungen. Schon damals antwortete Zetkin darauf:
[Zitat] „In der strittigen Frage handelt es sich nicht um den oder jenen Einzelvorgang, der unangenehm auf die […] Nerven fällt oder […] als ein Fehler erscheint. Das Werk der Bolschewiki muß als Ganzes betrachtet und gewürdigt werden, als die konsequente Auswirkung eines zielsetzenden Willens. […] Ich bin grundsätzlich gegen eine Einschränkung der Kritik an dem Bolschewismus [aber] ich werde mich durch keine Konferenzbeschlüsse binden lassen, meiner eigenen Wertung des bolschewistischen Werkes Ausdruck zu verleihen. [Auch] wenn die gierige Meute der Konterrevolutionäre das edle Wild zur Strecke bringen würde, kurze Zeit schon nach dem Umsturz der Sowjetherrschaft müßte ihre Werk wieder leuchtend hervortreten. Zerrissene Entschließungen, zertrümmerte sozialistische Einrichtungen können es nicht vernichten. Es wird in seinen Hauptzügen im Bewußtsein proletarischer […] Massen weiterleben, und eines Tages wieder, in revolutionären Kämpfen reisig verkörpert, in die Geschichte treten.“ [Zitat Ende]
Als Kommunisten teilen wir diese Hoffnung und setzen uns dafür ein, sie erneut Realität werden zu lassen. Wir verurteilen die Versuche, unsere bedeutenden Vordenkerinnen und Vordenker diffamiert, umgedeutet und in eine Sackgasse verbannt zu sehen. Hoch lebe Clara Zetkin und hoch die internationale Solidarität!